Eigene Forschungen

Sonntag, 1. Juni 2025

KARATE KING


HAO KE
Hongkong 1973

Regie:
Chu-Got Ching-Wan,
Yang Ching-Chen

Darsteller:
Chin Han,
Shih Szu,
Yi Yuan,
Lung Fei,
Han Su,
Chin Tu,
Cheng Fu-Hung


„Für so'n mickriges Würstchen bist du ja ziemlich laut.“
(Lu Fu ist ein Mann vom Wurstfach.)

Inhalt:

China in den 1930ern: Nach fünf Jahren Gefängnis kehrt Lu Fu [Chin Han] in seine Heimat zurück. Die politische Lage ist angespannt: Der Einfluss der Japaner wächst bedrohlich; die Atmosphäre ist von Angst geprägt. Die größte Gefahr jedoch lauert nicht in der Fremde, sondern in der eigenen Familie: Lu Fus Bruder, Lu Te-Piao [Lung Fei], hat sich zwischenzeitlich die hauseigene Kohlemine unter den Nagel gerissen – und mit skrupellosen russischen Kollaborateuren ein dunkles Regime errichtet. Auf Lu Fu wartet daher kein Willkommensgruß, sondern ein Mordkommando. Nur mithilfe der kampferprobten Kung-Fu-Meisterin Ah Chu [Shih Szu] kann er seine Haut retten. In einem Akt der Verzweiflung wendet sich Lu Fu an den japanischen Geschäftsmann Nagata [Yi Yuan], der scheinbar bereit ist, ihm im Kampf gegen seinen Bruder beizustehen. Doch dieser hat eigene Pläne – er will die Mine selbst unter Kontrolle bringen. Der Beginn einer blutigen Schlacht.

Kritik:

Dass sich der Eastern und der Italo-Western stilistisch sehr gleichen, ist keine neue Erkenntnis. KARATE KING schickt sich an, einem diesen Sachverhalt mit Nachdruck zurück ins Gedächtnis zu prügeln. Trotz (überwiegendem) Verzicht auf Pulverdampf und Pferdegetrappel könnte die raue Rachemär nämlich ebenso gut im Land der Lassoschwinger und Revolverhelden stattfinden. Die ungastlichen Schauplätze, als da wären Knastmauern, Kohlemine oder karge Felsformationen, sind dabei ähnlich spartanisch wie die Handlung, die mehr schlecht als recht und zudem wenig plausibel von Station zu Station kriecht. Chin Han [→ DIE BANDE DES GELBEN DRACHEN] als Protagonist Lu Fu macht gleich zu Beginn mächtig Eindruck – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Er malträtiert die steinernen Wände seiner Zelle per Fuß und hinterlässt dabei tiefe Spuren. Als der Wärter vorbeikommt und ihm verkündet, er habe seine Strafe nun abgesessen und dürfe den Bau daher verlassen, tritt Fu zum Abschied beherzt ein Loch in seine Zwangsbehausung und meint süffisant: „Ich hätte schon früher gehen können.“ Eine ziemlich coole Einführung der Figur, obwohl diese Power in den folgenden 80 Minuten kaum mehr erreicht wird. Im Gegenteil: Trotz seiner Kraft und Kampfkunst erweist sich Lu Fu als eher verletzlicher Charakter, der die Souveränität alles andere als gepachtet hat und im Laufe der Ereignisse viele Rückschläge einstecken muss.

Fu kehrt daraufhin zurück in seine Heimat – nur um feststellen zu müssen, dass seine Eltern nicht mehr am Leben sind. Mehr noch: Vor Ort herrscht ein Klima der Angst, deren Quelle ausgerechnet Fus eigener Bruder ist. Die Idee einer unter Tyrannenterror ächzenden Stadt, die von einem unerschrockenen Einzelkämpfer befreit werden muss, ist ebenfalls ein bekanntes Element zahlreicher Pferdeopern. Der Fakt, dass hier eine Familienfehde ins Spiel kommt, verleiht dem Stereotyp jedoch eine gewisse Sprengkraft. Wohl und Wehe aller Beteiligten scheinen sich hier am Besitz der Bergbaurechte zu entzünden. Was woanders die Weltherrschaft ist, ist bei KARATE KING die Kontrolle über die Kohlemine. Der Grund dafür geht über ein paar Andeutungen nicht hinaus, wie ohnehin alles ein bisschen vage bleibt. Auch Rang und Rolle der einzig relevanten Frauenfigur bleiben beispielsweise überwiegend im Nebel. Die von Shih Szu [→ DIE SIEBEN GOLDENEN VAMPIRE] verkörperte Ah Chu wird zunächst als resolute Rebellin eingeführt, die erst einmal fleißig Handkanten an Handlanger verteilt, bevor sie versucht, dem Despoten ins Gewissen zu reden. Dessen Vater war wohl ihr Lehrer – wie, wann und warum bleibt allerdings ebenso im Dunkeln wie ihre Motivation, Lu Fu beim Kampf gegen seinen brutalen Bruder zu unterstützen. So schlagkräftig ihr Einstand auch geriet: Einen gezielten Schurkenschlag später hockt sie erst einmal für eine nicht unerhebliche Weile in des Feindes Kellerloch.

Kompliziert wird es, als plötzlich auch noch japanische Gegenspieler auf den Plan treten, die zwar beim Helden zunächst einen auf gut Freund machen, aber natürlich Unheil im Schilde führen. Wann waren Besucher aus Nippon in einem Hongkong-Film dieser Zeit denn auch jemals wohlgesinnt? Dank ihres Zutuns wird der Bruderzwist circa ab Halbzeit der Handlung null und nichtig, weswegen sich der Fokus der ohnehin stark irrlichternden Story abermals verschiebt. Auch die Wildwest-Vibrationen schlagen dann wieder wüst um sich, wenn Lu Fu sehr unfein per Lore die Finger gebrochen werden – DJANGO lässt grüßen! Eine etwas klarere Linie hätte der Erzählung gewiss nicht geschadet, eine Zeit lang eiert das Skript doch ziemlich ziellos herum. Auch fragwürdige fremdenfeindliche Untertöne stoßen etwas sauer auf. Denn die Bedrohung, so der Tenor KARATE KINGs, kommt vorwiegend von außen. Selbst der verworfene Bruder steht unter der fatalen Einflussnahme russischer Interessengruppen und die Japaner sind natürlich ohnehin falsch und verschlagen bis ins Mark. Abgemildert werden diese zweifelhaften Tendenzen einerseits durch die Tatsache, dass sich diese Darstellung auch als legitime Kritik am Kolonialismus deuten lässt. Und andererseits durch die teils doch sehr albern geratene Umsetzung, die der Sache beträchtlich den Wind aus den Segeln nimmt. Die Japaner werden sichtbar von Chinesen gespielt und erfüllen so ziemlich jedes Klischee, das man sich vorstellen kann, inklusive schwertschwingender Amazone mit hochkonzentriertem Sauertopfblick. Und der Russe ist ein pummeliger Asiate (Cheng Fu-Hung, um genau zu sein, später unter anderem noch zu sehen in TAG DER BLUTIGEN RACHE), der sich ein Leopardenfell umgehängt hat und sich benimmt wie ein Urmensch.

KARATE KING ist international überwiegend als THE CHAMPION bekannt – beziehungsweise eigentlich eher nicht, denn die Popularität der Prügelarie hielt sich von jeher arg in Grenzen. Und das, obwohl die berühmten Shaw Brothers hinter der Sache stecken, was man ohne Weiteres gar nicht vermuten würde. Die üblichen Sets und Studiokulissen wurden hier nämlich verlassen, um die Ereignisse stattdessen in den schroffen Landschaften Taiwans abzulichten. Das Ergebnis ist von der Optik her überwiegend eher schäbiger Natur. Aber das ist vermutlich beabsichtigt und passt nahezu perfekt zur ruppigen Rhetorik. Dementsprechend fehlen auch die tänzerischen Kampf-Choreographien. Wenn hier geprügelt wird, dann gibt's ganz und gar unelegant aufs Fressbrett. Auffallend ist die höchst unterschiedliche Vermarktung in verschiedenen Breitengraden: Während in Deutschland die Rolle Chin Hans in den Vordergrund gerückt wird (und sogar zum Karate King ernannt wird, was natürlich Unsinn ist – Lu Fu kämpft mit Kung-Fu), findet sich im United Kingdom auch der Titel SHANGHAI LIL – THE QUEEN OF KUNG FU neben dem Bildnis der hufeschwingenden Shih Szu. Diese langt zwar zeitweilig tatsächlich ordentlich hin und mäht sich im furiosen Finale gemeinsam mit ihrem Kompagnon Lu Fu durch wahre Heerscharen an Gegnern. Eine Hauptrolle sieht dennoch definitiv anders aus. Immerhin gönnte man ihr zum Ausgleich ein sehr schönes Duell mit erwähnter Samurai-Kriegerin.

KARATE KING bietet kernige Kloppe in karger Kulisse und könnte allen gefallen, die es auch mal ne Nummer kleiner mögen. Große Mühen in eine funktionierende Dramaturgie investierte man offenbar nicht – vieles wirkt unausgereift und nicht zu Ende gedacht. Doch wer auf schroffe Eastern-Keile in staubigem Western-Ambiente steht, bekommt hier einen doch sehr launigen Leckerbissen serviert. Keine Königsklasse. Aber volksnah. 

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ungeprüft

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen