Mittwoch, 29. November 2017

EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN


UOMINI SI NASCE, POLIZIOTTI SI MUORE
Italien 1976

Regie:
Ruggero Deodato

Darsteller:
Marc Porel,
Ray Lovelock,
Adolfo Celi,
Franco Citti,
Silvia Dionisio,
Marino Masé,
Renato Salvatori,
Sergio Ammirata



"Es ist doch ein Ding der Unmöglichkeit, dass ihr von jedem Einsatz mit Toten oder zumindest schwer Verletzten zurück kommt."


Inhalt:

Fred [Marc Porel] und Tony [Ray Lovelock] gehören zu einer Spezialeinheit der Polizei. Und beide agieren wirklich sehr spezial. Im Zweifelsfalle ersparen sie dem Staat nämlich den Umweg über ein zeit- und kostenintensives Gerichtsverfahren und handeln als Ankläger, Richter und Henker in Personalunion. Salopp gesagt: Verbrecher entkommen den beiden Ordnungshütern nur selten lebend. Ihr Vorgesetzter [Adolfo Celi] wird zwar nicht müde, die beiden übereifrigen Racker immer wieder zurechtzuweisen, insgeheim jedoch billigt er ihr rabiates Vorgehen. Mehr aus persönlicher Vendetta heraus ermitteln Fred und Tony gegen den mächtigen Syndikatsboss Roberto Pasquini [Renato Salvatori], der beim illegalen Glücksspiel alle Fäden in der Hand hält. Über einen Informanten gelangen sie an einen ehemaligen Mitarbeiter Pasquinis, der während seiner Dienste bei ihm ein Auge verlor und deshalb recht redselig ist. Doch ihr Gegner schläft nicht und holt zum Gegenschlag aus. Fred und Tony haben nun allerhand zu tun und foltern und metzeln sich durch Roms Unterwelt.

Kritik:

Zimperlich waren Italiens Verbrechensjäger ja insgesamt eher selten. Beschnauzbarte Gesetzeshüter wie Franco Nero oder Maurizio Merli nahmen immer mal wieder das Recht in die eigenen Hände, um die Straßen effektiv vom Abschaum zu säubern. Die reaktionäre Selbstjustiz-Attitüde kam zwar in der Regel beim Feuilleton schlecht an, beim zahlkräftigen Publikum dafür umso besser. Das hatte natürlich seine Gründe: In den 70er Jahren wurde das Land von gewalttätigen Unruhen durchgeschüttelt und das Volk sehnte sich nach harten Bandagen, um dem Terror Einhalt zu gebieten. Da das auf der Leinwand schon immer wesentlich einfacher zu bewerkstelligen war als in der Realität, hatte das Faustrecht dort Hochkonjunktur. Das geschah mal mehr, mal weniger differenziert. Während an einer Stelle ohne Rücksicht auf Verluste losgeholzt wurde, setzte man das Konzept andernorts in einen kritischen Kontext. Fast als Reaktion auf die immer reaktionärer werdenden Action-Krimis erschien 1976 der reflektierende KALIBER 38, in dem ein vom Schicksal gebeutelter Kommissar seine eigene Spezialeinheit unter Kontrolle halten muss, die es mit Regeln und Vorschriften nicht allzu genau nimmt. Als eine Art provozierendes Pendant dazu erschien im selben Jahr EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN - eine wahre Furie von einem Film, der die erbarmungslosen Einsätze eines staatlich geschützten Mörderduos zum alternativlosen Nonplusultra hochstilisierte.

Was dabei herauskam, ist eigentlich kaum in Worte zu fassen. Fast scheint es, als wollten Autor Fernando Di Leo [→ DER MAFIABOSS] und Regisseur Ruggero Deodato [→ DIE BARBAREN] alles, was bis dahin an radikalen Rache-Cops durch die Kinolandschaft tobte, übertreffen und erschufen mit Fred (Marc Porel [→ DIE SIEBEN SCHWARZEN NOTEN] und Tony (Ray Lovelock [→ JUNGE MÄDCHEN ZUR LIEBE GEZWUNGEN] ein geradezu monströs asozial operierendes Polizisten-Pärchen, gegen das 'Dirty Harry' wie ein verweichlichter Waisenknabe wirkt. Bereits der hammerharte Auftakt macht klar, dass die Samthandschuhe hier in der heimatlichen Schublade bleiben: Zwei motorisierte Banditen versuchen, einer arglosen Passantin die Handtasche zu rauben. Das Problem: Die Dame ist daran festgekettet. Folglich nehmen die Schurken sie ins Schlepptau und schleifen sie mit ihren Motorrädern so lang über die Straße, bis ihr Kopf unsanft gegen einen Laternenpfahl prallt. Fred und Tony beobachten die Tat und nehmen auf ihren Feuerstühlen die Verfolgung auf. Die rasende Jagd (bei der auch ein Blindenhund dran glauben muss) endet, als die beiden Räuber in voller Fahrt gegen einen parkenden Lastwagen krachen. Fred und Tony eilen zu den Männern. Einer von ihnen wurde vom Lenker seines Motorrades durchbohrt, was Fred mit einem Blick quittiert, der soviel aussagt wie: 'Tja, Pech gehabt!' Der zweite Übeltäter hingegen lebt noch und liegt röchelnd auf dem Asphalt. Tony möchte allerdings nicht das Risiko einer spontanen Gesundung eingehen und bricht ihm kurzerhand das Genick. „'n Lenker im Bauch is' nich' gut“, meint Fred. „'n gebrochenes Genick auch nich'“, entgegnet Tony. (Im Original eigentlich: „Meiner ist von allein gestorben.“ - „Bei meinem musste ich Hand anlegen.“) Dann verlassen beide gut gelaunt die Unfallstelle.

Zuschauern, denen bereits dieser Beginn Magenschmerzen bereitet, werden in den restlichen 90 Minuten nur wenig Freude haben, denn in diesem Duktus geht es weiter. Fred und Tony haben zwar ständig nen launigen Spruch auf den Lippen, legen völlig konträr dazu jedoch eine Menschenverachtung an den Tag, dass einem Hören und Sehen vergeht. Verbrecher werden rigoros exekutiert, Gefangene quietschvergnügt zu Tode gefoltert. Frauen sind Freiwild und stets das Ziel penetranter Schnackselakquisen. Selbstreflexion? Gewissensbisse? Fehlanzeige! Wie zwei pubertierende Teenager kaspern sich beide frohen Mutes durch die blutige Schlachtplatte, wohl wissend, dass sie das Gesetz im Rücken haben. Wenn ihr Vorgesetzter (Adolfo Celi [→ DIE KLETTE] mal wieder mit ihnen schimpft wie mit zwei ungezogenen Schuljungen, die ihrem Lehrer einen Streich gespielt haben, zucken sie mit den Schultern und entgegnen: „Sie wissen doch selbst, dass man bei unserem Job nicht zimperlich sein kann." Dass die vermeintlichen Ordnungshüter dabei auch noch aussehen wie zwei frisch aus dem Ei geschlüpfte Schwiegermutterfantasien, die eigentlich noch gar keinen Führerschein besitzen dürften, treibt den Zynismus ihrer Taten noch zusätzlich auf die Spitze.

Die eigentliche Handlung ist indes kaum der Rede wert. Die Jagd auf den großen Unterweltboss würde inhaltlich gerade mal der Episode einer handelsüblichen vorabendlichen Krimiserie genügen. Darum reicherte man das Geschehen mit allerlei autarken Nebenepisoden an, in welchen die Hauptprotagonisten natürlich vor allem ihre Skrupellosigkeit unter Beweis stellen dürfen. Da wird eine Geiselnahme durch gezielte Warnschüsse in Gangsterhirne beendet und ein Banküberfall verhindert, indem die Täter bereits erschossen werden, noch bevor sie ihre Tat überhaupt begangen haben. Die Kritik schlug ob des nihilistischen Welt- und Menschenbildes natürlich zuverlässig Alarm und übersah dabei, dass EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN eigentlich nur als Genre-Persiflage funktioniert. Der radikale Reißer ist kaum ernstzunehmen und führt sein Publikum im Grunde grandios an der Nase herum. Der Pöbel verlangte nach immer härteren Gesetzeshütern und nun bekam er sie halt. Fred und Tony sind der feuchte Traum eines jeden rechtspopulistischen Hardliners. Dass sie dabei noch viel größere Schweinehunde sind als ihre Gegner, entlarvt die perfide Doppelmoral hinter der Sache. Die Herrschaft des Unrechts wird durch Gesetzesübertretung nicht ausgemerzt, sondern zementiert. Der einzige Unterschied zwischen den Schergen der Mafia und den Protagonisten ist am Ende nur der, dass letztere eine Polizeimarke tragen.

Das Klischee der letzten wahren Männer auf Gottes Erde wird schließlich derart komplett der Lächerlichkeit preisgegeben, dass die homoerotischen Untertöne zwischen den beiden kaum zu leugnen sind. Bereits während des Vorspanns, in dem sie, begleitet von der romantischen Schmusemusik Ray Lovelocks, eng aneinandergekuschelt auf ihrem Motorrad umherschaukeln, hat man eher den Eindruck, es mit warmen Brüdern statt mit eiskalten Typen zu tun zu haben. Das ändert sich auch nicht, wenn man später erfährt, dass sich Fred und Tony zudem auch noch ein Zimmer teilen. Um ihre latenten Bedürfnisse zu überspielen, balzen sie wie zwei pubertäre Jungs um die Sekretärin ihres Chefs herum, reden ständig über Muschis und reißen homophobes Spruchgut („Der ist so schwul, der dampft schon.“). Der Sexismus, den Film und Figuren dabei offenbaren, ist in seiner maßlosen Übertreibung ebenfalls so dermaßen absurd, dass er einfach nur als Karikatur damals gängiger Machismen zu verstehen ist. Als Fred und Tony die attraktive Schwester ihres Zielobjekts aufsuchen, um sie über die Geschäfte ihres Bruders auszuhorchen, entpuppt sich diese als nymphomanes Betthäschen, das sich den beiden nach einer schallenden Ohrfeige nicht nur an den Hals wirft, sondern sie regelrecht zur Ader lässt. Nachdem Fred seine Pflicht erfüllt hat, darf Tony gleich als nächster drüberrutschen, während ersterer in der Küche von der lachenden Haushälterin empfangen wird, die ihm, während sein Kollege im Nebenzimmer lautstark bei der Arbeit ist, erstmal Rührei zur Stärkung zubereitet.

Spätestens in diesem Augenblick gibt man als Zuschauer endgültig auf und akzeptiert, dass EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN in irgendeiner weit entfernten Galaxis spielen muss, in einem abwegigen Paralleluniversum, das mit der realen Welt gerade mal genauso viel am Hut hat wie Mittelerde. Man kapituliert schlichtweg vor dieser galligen cineastischen Giftspritze aus Testosteron, Sadismus und männlicher Allmachtsfantasie, lehnt sich zurück und genießt das groteske Feuerwerk. Dass das Ende dann reichlich hopplahopp und unspektakulär über die Bühne geht (was man im Hinblick auf den stuntgespickten Auftakt so nun nicht unbedingt erwartet hätte), spielt dabei eigentlich gar keine Rolle mehr. Dafür kommt es kurz vor Schluss noch mal zu einem unfassbaren Überraschungsmoment, als die angeblichen Helden nach einem kurzem gegenseitigen Zunicken einer vollkommen überrumpelten Dame aus heiterem Himmel die Kleider vom Leibe reißen - und das ganz bestimmt nicht, um mit ihr über die Wirtschaftskrise zu debattieren. Hätte das jemand vor ihren Augen auf offener Straße gemacht, hätten sie ihn erschossen. UOMINI SI NASCE, POLIZIOTTI SI MUORE [=Als Mann zur Welt kommen, als Polizist sterben] ist ein ordinäres, sich leicht verboten anfühlendes Vergnügen, für dessen enormen Unterhaltungswert man sich am Ende irgendwie schämt. Leider geil!

Laufzeit: 84 Min. / Freigabe: ab 18

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