Eigene Forschungen

Donnerstag, 20. September 2012

LEISE WEHT DER WIND DES TODES


THE HUNTING PARTY
GB 1971

Regie:
Don Medford

Darsteller:
Gene Hackman,
Candice Bergen,
Oliver Reed,
Simon Oakland
Mitch Ryan,
L. Q. Jones,
G. D. Spradlin,
William Watson



Inhalt:

Brandt Ruger [Gene Hackman] ist ein angesehener Landbesitzer, doch niemand ahnt etwas von seinen sadistischen Neigungen. Seine Frau Melissa [Candice Bergen] jedoch, in der Öffentlichkeit stets gute Miene zum bösen Spiel machend, bekommt diese regelmäßig am eigenen Leib zu spüren: Ruger betrachtet sie als sein Eigentum, Prügel und Vergewaltigung inklusive. Als Ruger sich mit ein paar Freunden auf einem Jagdausflug befindet, wird Melissa von der Bande des gesuchten Verbrechers Frank Calder [Oliver Reed] entführt. Der Grund, den er der staunenden Dame dafür nennt, ist vergleichsweise ehrenhaft: Sie soll ihm das Lesen beibringen. Zwar wehrt sich Melissa anfangs dagegen, doch nach mehreren gescheiterten Fluchtversuchen und vergeblicher Hungerkur fügt sie sich ihrem Schicksal. Als Brandt von der Entführung erfährt, gerät er außer sich und ändert spontan die Pläne des Jagdausflugs: Nicht Büffel sollen dieses Mal Opfer ihrer Kugeln werden, sondern Frank Calder und seine Männer. Ausgestattet mit modernen Jagdgewehren, die ihre Ziele aus größtmöglicher Distanz erledigen können, blasen er und seine Kollegen zur gnadenlosen Menschenjagd. Sie holen Calders Bande ein und pusten ein paar seiner Männer aus sicherer Entfernung das Licht aus. Melissa jedoch hat längst das Lager gewechselt, behandelt Frank sie doch besser als ihr eigener Ehemann. Als Brandt davon Wind bekommt, beginnt er ein perfides Katz-und-Maul-Spiel – wie ein unsichtbarer Feind schlägt er immer wieder aus dem Nichts zu und verfällt dabei schließlich in einen wahren Tötungsrausch, der sogar seine einst so loyalen Freunde abschreckt. In blindwütigem Hass ist Brandt entschlossen, seine Mission bis zum bitteren Ende durchzuziehen.

Kritik:

Raue Sitten waren es, damals im Westen – daran lässt Regisseur Don Medford [→ AGENT AUF KANAL Dkeinen Zweifel. LEISE WEHT DER WIND DES TODES – deutlich beeinflusst vom harten Italo-Western und den nihilistischen Gewaltausbrüchen Sam Peckinpahs – ist nicht nur eine überdeutliche Abkehr vom klassischen amerikanischen Helden-Western, welcher jahrelang das Kino beherrschte, sondern rotzt diesem geradezu ins Gesicht. Die in brutalen Bildern erzählte Geschichte erstickt jeden Optimismus bereits im Keim und präsentiert sich als niederschmetterndes, bis zur Oberkante Unterlippe mit Mord und Totschlag angefülltes Porträt einer hoffnungslosen Gesellschaft, die vor dem Abgrund steht.

Bereits die erste Szene lässt in Sachen Marschrichtung kaum Fragen aufkommen: In Großaufnahme wird einem Rind die Kehle durchgeschnitten, während Oberdrecksau Brandt dazu in Parallelmontage seine Frau vergewaltigt. Allzu zarten Gemütern dürfte daher bereits nach diesen paar Sekunden klar sein, wie hier das Häschen hoppelt: Grausam wird es – und das nicht nur körperlich. Wenn Brandts Frau Melissa kurz nach erfolgter Vergewaltigung im Kreise der Freunde ihres Mannes, die von seinen Verfehlungen (noch) nichts ahnen, wieder scheinbar sorglos lächelnd die glückliche Ehefrau spielt, mag sich einem die Kehle zuschnüren, kennt man doch ähnliche Situationen des arglos scheinenden Dialoggeplänkels zur Genüge aus dem realen Leben, was die bange Frage aufwirft, wie viel Leid hinter jeder gutbürgerlichen Fassade lauert.

Der raue Ton setzt sich fort: Direkt nach ihrer Entführung sieht sich Melissa einem weiteren Vergewaltigungsversuch durch einen von Franks Männern ausgesetzt, den dieser nur mit brachialer Gewalt verhindern kann. Lang dauert es, bis sich etwas sanfter Humor in das Geschehen schleicht: Trotzig weigert sich Melissa anfangs, Nahrung von ihren Entführern anzunehmen. Nach langer Fast spachteln ihr Frank und sein Kumpel Doc, gespielt von Mitch Ryan [→ ZWEI STAHLHARTE PROFIS], jedoch minutenlang so genüsslich ein paar Pfirsiche vor, bis sie schlichtweg nicht mehr widerstehen kann. Bei aller Komik ist dieser Moment essentiell für die Psychologie des Charakters: In dem Augenblick, in welchem Melissa die Pfirsiche in sich hineinstopft, ist sie zur anderen Seite übergelaufen.

Candice Bergen [→ DAS DOMINO-KOMPLOTT] spielt ihre schwierige Rolle mit an Perfektion grenzender Intensität, doch wäre es fatal, ihr Schauspiel dem der anderen Darsteller unterzuordnen. Auch Oliver Reed [→ GLADIATOR] mimt fantastisch den eigentlich brutalen Verbrecher, für den nicht nur Melissa, sondern auch der Zuschauer nach und nach immer mehr Sympathien entwickelt, bis er am Ende menschlicher erscheint als die Mitglieder der feinen Gesellschaft, die ihre Grausamkeit lediglich unter geschicktem Blendwerk zu verstecken wissen. Gene Hackman [→ FRENCH CONNECTION] spielt ihren Rädelsführer als bemerkenswert hassenswerte Drecksau, der man die Flinte am liebsten selbst ins Gesicht drücken möchte. Sich rein äußerlich als seriöser Geschäftsmann gebend, zerbröckelt diese Fassade auf beängstigende Weise oft innerhalb von Sekunden und offenbart somit sein eigentliches sadistisches Wesen. Denkwürdig geriet der Moment, in welchem sogar Brandt von seinen inneren Abgründen überrascht zu sein scheint: Nachdem er seinen ersten Mann auf dem Kerbholz hat, hockt er wie in Trance neben der Leiche, in grenzenloser Verwunderung über den Kick, den er dabei verspürte, und erliegt nachfolgend mit Haut und Haar der morbiden Faszination des Mordens.

Der deutsche Titel klingt zwar wunderbar poetisch, der Originaltitel THE HUNTING PARTY jedoch unterstreicht nochmals den unerbittlichen Zynismus des Werks: Natürlich kann man diesen ganz simpel als 'Die Jagdgesellschaft' interpretieren, in schönster Doppeldeutigkeit jedoch die brutale Menschenjagd auch als große Party auslegen, bei welcher jeglicher Humanismus im Pulverdampf verschwindet.

LEISE WEHT DER WIND DES TODES leistet sich nur wenige Schwächen. Eine davon (freilich eine technische) ist der Moment, in welchem Brandt und sein Kumpan vor einer (auch für die Entstehungszeit) extrem miesen Rückprojektion auf der Zugpritsche stehen. Auf inhaltlicher Ebene erscheint es zudem etwas seltsam, dass Frank und seine Männer sich immer völlig arglos im Schussfeld Brandts herumtreiben, obwohl dieser bereits mehrere von ihnen erschossen hat (die Quittung folgt dann freilich auch auf dem Fuße). Eingehüllt in die düsteren Klänge Riz Ortolanis [DIE LETZTE RECHNUNG ZAHLST DU SELBST], die das hässliche Sterben perfekt untermauern, ist THE HUNTING PARTY dennoch ein bemerkenswert trostloses und in seiner brutalen Konsequenz beachtliches Werk, das zu jagen sich lohnt.

Laufzeit: 110 Min. / Freigabe: ab 18

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