Eigene Forschungen

Mittwoch, 5. September 2012

THE RAID - REDEMPTION


SERBUAN MAUT
Indonesien 2011

Regie:
Gareth Evans

Darsteller:
Iko Uwais,
Pierre Gruno,
Tegar Satrya,
Eka Rahmadia,
Doni Alamsyah,
Yayan Ruhian,
Ray Sahetapy,
Joe Taslim



Inhalt:

Der brutale Gangsterboss Tama [Ray Sahetapy] hat sich in einem heruntergekommenen Hochhaus in Jakarta verschanzt. Die einzelnen Wohnungen hat er an unzählige Kriminelle vermietet. Jeder Raum kann von ihm über eine Videoanlage beobachtet werden. Ein Sondereinsatzkommando erhält den Auftrag, das Haus zu stürmen und Tama zu verhaften. Doch bereits kurz nachdem die Polizisten den Wohnblock betreten haben, bricht ein Inferno los: Das Kommando sieht sich einer unerwarteten Überzahl bis an die Zähne bewaffneter Gangster gegenüber. Innerhalb weniger Minuten wird ein Großteil der Einheit zerschlagen. Die wenigen Überlebenden, darunter auch der junge Idealist Rama [Iko Uwais], können sich in eine der Wohnungen retten. Während der Einsatzleiter zugeben muss, dass der Einsatz illegal und mit Verstärkung nicht zu rechnen ist, ertönt Tamas Stimme über Lautsprecher und verspricht jedem seiner Mieter, der einen Polizisten tötet, eine reichliche finanzielle Belohnung. Ein infernales Gemetzel beginnt …

Kritik:

Als 'Guilty Pleasure' bezeichnet man das Gefühl, etwas zu mögen, obwohl man weiß, dass es sich eigentlich nicht gehört. Als eben solch ein ‚sündiges Vergnügen‘ präsentiert sich die indonesische Meuchelmär THE RAID: Fast ausschließlich auf den brutalen Exzess geeicht, wird kaum verhehlt, dass Story und Figuren einzig und allein im Dienste der brachialen Action stehen. Da gibt es keine Alibihandlung, die vermeintlichen Gehalt vorgaukelt, keine pseudotiefgründige Charakterzeichnung, die fadenscheinige Entschuldigungen für das blutige Treiben heuchelt, keine an den Haaren herbeigezogene Wendung, die Gewitztheit vorgeben soll. Hier wird tatsächlich gehauen, geschossen, getreten und gestorben nur um des Hauens, Schießens, Tretens und Sterbens wegen. Das ist zwar nicht originell, aber immerhin von sympathischer Ehrlichkeit.

THE RAID ist pure Lust an der Zerstörung. Zerstörung von Leibern. Zerstörung von Mobiliar. Zerstörung von allem! Eingepfercht auf engstem Raum, in rasantem Stakkato-Rhythmus geschnitten, wenn nötig in hypnotischer Zeitlupe zelebriert, wechseln sich schweißtreibende Schießereien mit knochenknackendem Faustkampf ab und entfesseln einen wahren Orkan aus Action, Gewalt und Kinetik, bei dem keine Gefangenen gemacht werden: Bereits nach wenigen Minuten beißen ganze Heerscharen ins Gras, Gangster wie Gesetzeshüter siechen in einem infernalen Kugelhagel dahin. Der Härtegrad ist dabei enorm hoch und lässt in seiner zeigefreudigen Prägnanz gar Assoziationen zu Horrorware á la SAW zu. Die Geradlinigkeit, mit welcher THE RAID seine Prämisse bis zum Finale durchzieht, ist dabei von bemerkenswerter Konsequenz – nicht selten wähnt man sich in einem filmgewordenen Videospiel, in welchem sich der Hauptcharakter von Level zu Level (=Stockwerk zu Stockwerk) durchkämpfen muss, um sich am Ende dem großen Endgegner behaupten zu müssen. Gewiss ist das weder von größeren Überraschungen geprägt, noch gewinnt es Originalitätspreise. Was zählt, ist die pure Attraktion: THE RAID wirkt wie eine wüste Achterbahnfahrt für cineastische Adrenalinjunkies, die einem in ihrem Höllentempo ohnehin keine Zeit lässt, sich über inhaltliche Defizite zu sorgen.

Gestaltet sich der Beginn aufgrund recht verwackelter Kamera und schneller Schnittabfolge noch etwas unübersichtlich, verflüchtigt sich dieses Manko spätestens, wenn der Fokus schließlich auf die direkte Konfrontation Mann gegen Mann verlagert wird. Ist das Gewaltepos anfangs noch hauptsächlich von Schusswechseln geprägt, steht im weiteren Verlauf nämlich hauptsächlich klassische Kampfkunst im Mittelpunkt (das geht so weit, dass einer der Gangster seine Schusswaffe beiseite legt mit der Bemerkung, einen guten Gegner erkenne man lediglich im guten, altmodischen Direktkontakt). Diese Entwicklung verwundert kaum, haben doch Regisseur Gareth Evans und Hauptdarsteller Iko Uwais bereits einen gemeinsamen Beitrag zum Martial-Arts-Genre geliefert: Der 2009 entstandene MERANTAU versank jedoch, trotz gut inszenierter (wenn auch etwas zu spärlicher) Action, in sinnloser Schwülstigkeit, was vor allem daran lag, dass man versuchte, die banale Handlung in einen gewollt tiefgründigen Mantel zu hüllen. Es lässt aufmerken, dass THE RAID nun im Gegenzug auf jeden Feinsinn verzichtet. Zwar kommt es hin und wieder mal zu kleineren Anflügen von Sentimentalität (so darf sich Rama zwischen den Gefechten mal kurz an seine schwangere Freundin erinnern), doch werden diese stets nach bereits wenigen Sekunden fast verschämt wieder fallengelassen.

Großartige schauspielerische Ambitionen sind bei einem Genrevertreter wie diesem gewiss nicht erforderlich. Dennoch ist es bedauerlich, dass Iko Uwais als so ziemlich einzige Identifikationsfigur beinahe sämtliches Charisma abgeht. Zwar erfüllt seine Darstellung ihren Zweck, doch fehlt ihm die Leinwandpräsenz, die Unverwechselbarkeit eines Jet Li oder selbst eines Tony Jaa (von Chow Yun-Fat ganz zu schweigen). Sind Uwais physischen Stärken zweifelsfrei beeindruckend, bleibt sein Charakter doch ernüchternd uninteressant und unterscheidet sich zu allem Überfluss rein optisch auch kaum von der anonymen zur Analogie uniformierten Metzelmasse, die ihn umgibt. Als eigentlicher Hauptdarsteller THE RAIDs entpuppt sich somit im Prinzip sein Schauplatz: Der alte, verranzte Wohnkomplex, vom walisischen Regisseur gekonnt ins Bild gerückt, sorgt für dreckig-morbide Atmosphäre und urbane Bilder voller Kälte und Trostlosigkeit.

Taugt THE RAID also als Schauspektakel beinharter Action, bleibt ein vernünftiger Spannungsbogen freilich aus. Uninteressante Figuren und kaum vorhandene Dramaturgie verhindern reelles Mitfiebern ebenso wie emotionale Erregung. Dass Gefühlsregungen trotz anhaltender Gewalttätigkeit nicht zwangsläufig im Widerspruch stehen müssen, bewies John Woo mit seinem 1991er Action-Inferno HARD BOILED, an welchen THE RAID nicht selten erinnert (freilich ohne diesem dabei das Wasser reichen zu können). Von Genialität ist THE RAID denn auch weiter entfernt als Paris Hilton von der Jungfräulichkeit. Stattdessen bietet es dem geifernden Actionfreund genau das, was er verlangt: ein mörderisches Schlachtfest, das so lang andauert, bis die letzte Kugel verfeuert und der letzte Knochen gebrochen ist. Guilty Pleasure.

Laufzeit: 97 Min. / Freigabe: ab 18

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen