Italien 1973
Regie:
Alberto De Martino
Darsteller:
Tomas Milian,
Martin Balsam,
Francisco Rabal,
Dagmar Lassander,
Nello
Pazzafini,
Perla Cristal,
Carlo Tamberlani,
Manuel Zarzo
„Wo
du auch bist, es geht überall um das Gleiche, Thomas! Um das
Überleben. Dafür kämpfen wir gemeinsam. Sind wir zusammen, können
wir uns helfen. Wir sind wie Fischschuppen, die sich gegenseitig
decken.“
Inhalt:
Mehrere
Jahre saß Thomas Accardo [Tomas Milian] im Gefängnis. Grund: Der
findige Anwalt verdingte sich für die Mafia und ist der Patensohn
des einflussreichen Don Antonio [Martin Balsam]. Nach seiner
Entlassung hat Thomas eine erschreckende Nachricht für seinen
Ziehvater: Er will die Organisation verlassen, um mit der hübschen
Laura Murchison [Dagmar Lassander] samt Haus und Hof zur Ruhe zu
kommen. Don Antonio, der große Stücke auf ihn hält, gestattet ihm
seinen Wunsch schließlich, wohl wissend, dass er sich damit in eine
prekäre Lage bringt: Ein Ausstieg aus der Mafia, so das
ungeschriebene Gesetz, ist eigentlich ausgeschlossen. Sein
Konkurrent, der machthungrige Don Vincent Garafalo [Francisco Rabal],
nutzt die Gelegenheit, um den mächtigen Paten zu diskreditieren,
säht Zwietracht und zettelt einen brutalen Bandenkrieg an, der die
Verhältnisse neu ordnen soll. Als auch Thomas klar wird, dass er
ohne weiteres keinen Frieden finden wird, verbündet er sich erneut
mit Don Antonio – dieses Mal allerdings, um gemeinsam mit den
letzten treuen Gefolgsleuten und blank geputztem Waffenarsenal gegen
den intriganten Garafalo ins Feld zu ziehen.
Kritik:
Der
Kino-Welterfolg DER PATE machte die Mafia 1972 quasi über Nacht zum
Popstar und wurde zu einer Art Startschuss für einen ganzen Strauß
ähnlicher Gangsterfilme, welche die „ehrenwerte Gesellschaft“
als Basis für ihr oft nicht besonders zimperliches Unterhaltungsprogramm nutzten. Mit der
Realität dürfte die oft stark romantisierte Darstellung nie
allzu viel am Hut gehabt haben, aber das von Regisseur Francis Ford
Coppola auf den Weg geschickte Bild war dermaßen prägend, dass es
nachfolgend meist schlicht übernommen wurde. Eine Vielzahl der
Epigonen kam - wenig überraschend - aus italienischen Gefilden - zum
einen, weil die dortige Filmindustrie zu der Zeit ohnehin auf jeden
erfolgversprechenden Zug aufsprang, zum anderen natürlich auch
deswegen, weil die Organisation im Stiefelland ihre Wurzeln hat und
der Publikumsbezug zur Thematik somit automatisch größer war.
Alberto De Martinos IM DUTZEND ZUR HÖLLE, ein Jahr nach Coppolas
stilbildendem Epos entstanden, erreicht zwar in keiner Minute dessen
erzählerische und inhaltliche Dichte, allerdings ist die Intention
dahinter auch eine ganz andere. Drehbuchautor Adriano Bolzoni [→
DIE TODESMINEN VON CANYON CITY] ersann keine auf ausladende
Präsentation bedachte Geschichte, sondern konzentrierte sich
hauptsächlich, oftmals fast schon kammerspielartig, auf die
gegenseitige Beziehung zweier Personen: die des Aussteiger Thomas
Accardo und seines Paten Don Antonio.
Dabei
dient trotz der italienischen Herkunft der Produktion hier die
amerikanische Metropole San Francisco als Hintergrund für einen
gewiss nicht sonderlich originell erdachten, doch packend in Szene
gesetzten Konflikt, der sich zwar absehbar, aber logisch und
folgerichtig nach dem Aktions-Reaktions-Prinzip ablaufend zuspitzt
bis zum unausweichlichen Finale, in dem dann reichlich Blei und Blut
verspritzt wird. Trotz bisweilen pathetischer Reden wird dabei auf
redundante Heldenverklärung verzichtet. Und obwohl man natürlich
dazu neigt, sich am ehesten mit den beiden Hauptprotagonisten zu
identifizieren, lässt das Drehbuch von Anfang an keinen Zweifel
daran, dass auch diese nicht im Kirchenchor singen. Dass die
Sympathien dennoch bei Thomas und Don liegen, obwohl sie eigentlich
Mitglieder einer grausamen Verbrecherorganisation sind, liegt in erster Linie
daran, dass sie wie unschuldige Lämmer wirken, denen die Situation
über den Kopf wächst, und dass rund um sie herum noch ein ganzer Bau
voller Charaktere existiert, die noch verworfener agieren. Die „Familie“ wird portraitiert als ein von der Außenwelt
hermetisch abgeriegelter Kosmos, in dem zwar stets Nettigkeiten
ausgetauscht und formelle Höflichkeitsregeln eingehalten werden, in
dem jedoch Neid, Missgunst und Machtstreben für den anderen das Todesurteil bedeuten können. Zwar blitzt hin und wieder mal auf, dass auch hinter den
Mafia-Mitgliedern menschliche Wesen mit menschlichen Befangenheiten stecken
(wie z. B. die Sorge eines Paten um dessen Tochter), aber insgesamt
regiert die Skrupellosigkeit. Die Polizei spielt dabei so irgendwie gar keine Rolle. Falls hier mal jemand vorbeiläuft, der eine Dienstuniform
spazieren trägt, steht er entweder ebenfalls auf der Gehaltsliste des
Syndikats oder er ist ein Rassist, der über „Schlitzaugen“ und
„Itaker“ schimpft, aber feige den Schwanz einzieht, wenn man ihm
Aug in Aug gegenübertritt.
Das
alles folgt vertrauten Mustern und ist weder inhaltlich, noch formal
bahnbrechend, fesselt jedoch über die gesamte Laufzeit hinweg. Martino
und Bolzoni erschufen mit IM DUTZEND ZUR HÖLLE eine grobschlächtige
Großstadt-Fabel, die einen quasi von Beginn an gefangen nimmt.
Bereits der atmosphärische Auftakt mit der traumhaften Titelmelodie
von Riz Ortolani [→ DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN] atmet so viel
Flair, dass man den Alltag ganz schnell Alltag sein lässt, um in
dieser wildfremden Welt bald vollständig zu versinken. Action macht
sich dabei rar. Wenn sie stattfindet, ist sie jedoch effektiv und
sorgfältig in Szene gesetzt. Dazu gehören ein paar Schießereien,
eine Autojagd und eine radikale Aufräumaktion in einer Fabrikhalle,
bei welcher so Einiges zersiebt wird. Ein paar sehr unschöne
Todesfälle gibt es gratis dazu; der Mafia grausame Schergen
verschonen weder Kind noch Pizzabäcker. Und mittendrin agieren mit
Tomas Milian [→ LAUF UM DEIN LEBEN] und Martin Balsam [→
ZWIEBEL-JACK RÄUMT AUF] zwei echte schauspielerische Schwergewichte
des italienischen Kinos, sodass auch die darstellerischen Qualitäten
stets gewahrt bleiben. Milian, der auch gern mal ein wenig übertrieb,
spielt hier ungewohnt reserviert und betreibt sympathisches
Understatement, was hervorragend zur Figur des desillusionierten
Gangster-Anwaltes passt, während Balsam patriarchalisch und weise
ums Eck kommt.
Den
Gegenspieler figuriert Francisco Rabal [→ DAS GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELEN] als verschlagenen Neidhammel, der aus purer Eifersucht
eine Welle aus Mord und Totschlag ins Rollen bringt. Das weibliche
Geschlecht scheint hier indes schlichtweg irrelevant zu sein. Zwar
setzt die Liebe zu einer Frau die gewalttätigen Ereignisse erst in
Gang, tatsächlich jedoch besitzt diese Rolle Dagmar
Lassanders [→ FRAUEN BIS ZUM WAHNSINN GEQUÄLT] eher Symbolwert. Thomas
sehnt sich weniger nach ihr als Person, sondern sieht in ihr vielmehr ein Sinnbild für die zu erlangende Freiheit. Sein knapper, herzloser Abschied von ihr, kurz bevor er in die letzte
Schlacht zieht, legt das zumindest nahe. Fans der Darstellerin werden
daher auch eher enttäuscht sein; die Gute darf gerade mal ein
paar Sätze sagen. IM DUTZEND ZUR HÖLLE macht seinem deutschen Titel
dann im Finale alle Ehre und endet mit melancholischem Nachklang, der
das Publikum bis über das Ende des abermals wunderschön
orchestrierten Abspanns hinaus noch begleitet. Martinos Mafia-Mär reißt
ganz gewiss keine Bäume aus, gefällt aber als gediegener und
überdurchschnittlicher Genre-Beitrag zur Gangsterfilm-Welle der
70er-Jahre.
Laufzeit: 97 Min. / Freigabe: ungeprüft
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen