Italien, BRD 1972
Regie:
Fernando Di Leo
Darsteller:
Mario Adorf,
Henry Silva,
Woody Strode,
Adolfo Celi,
Luciana Paluzzi,
Franco Fabrizi,
Femi Benussi,
Peter Berling
"Schieß mir ins Herz und schau mir dabei in die Augen, wenn du der Mann bist, für den ich dich halte!"
Inhalt:
New Yorks Mafia ist vergrätzt: In Mailand ist eine ganze Ladung
Heroin verschwunden. Pate Don Vito Tressoldi [Adolfo Celi]
präsentiert dafür ziemlich hurtig einen Schuldigen: den kleinen
Zuhälter Luca Canali [Mario Adorf]. Infolgedessen heften sich die
beiden Killer Frank [Henry Silva] und David [Woody Strode] an die
Fersen des vermeintlichen Übeltäters, um diesen fachgerecht über
die Klinge springen zu lassen. Der Haken dabei: Canali ist vollkommen
unschuldig und hat keine Ahnung, warum er plötzlich auf der
Abschussliste steht. Mehr durch Glück denn durch Können kann er den
beiden Auftragsmördern zunächst entkommen. Doch als seine Verfolger
nicht locker lassen und seine Ex-Frau samt Kind ebenfalls bedrohen,
erwacht der Kämpfer in ihm. Mit dem Mut der Verzweifelung versucht
er herauszufinden, warum er aus heiterem Himmel ins Fadenkreuz geriet
und muss dabei gegen immer mehr Verfolger antreten.
Kritik:
Mit
MILANO KALIBER 9 inszenierte sich Fernando Di Leo 1971 in die Herzen
vieler Genre-Fans. Das spröde Gangster-Drama über einen aus dem
Knast entlassenen Ganoven, der in die Mühlen der Mafia gerät und
von da an um seine heile Haut bangen muss, konnte durch großartige
Darsteller, stringente Story und konstante Hochspannung Kritik wie
Publikum mehrheitlich überzeugen. Im Folgejahr machte Leo sich dann
daran, den frisch erworbenen Ruf als Erste-Liga-Regisseur zu
verteidigen und lieferte einen weiteren im Mailänder Mafia-Milieu
angesiedelten Unterwelt-Reißer ab, der Deutschlands Schauspiel-Ikone
Mario Adorf [→ DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER] auf eine gewalt- und
actionreiche Tour de Force schickt, die final in einer Orgie aus
Blut, Blech und Blei mündet. Um die Pointe vorweg zu nehmen: Trotz
inhaltlicher Parallelen muss sich Leos zweite Syndikat-Sause dem
Vorgänger geschlagen geben. DER MAFIABOSS – SIE TÖTEN WIE
SCHAKALE wirkt stellenweise ähnlich holprig zusammengeschustert wie sein deutscher Titel und läuft zeitweilen ein wenig unrund. Dazu
gehören, neben einer oftmals arg sprunghaften Montage, die einen
manche Abläufe gar nicht so recht nachvollziehen lässt (was
zugegebenermaßen auch an den Handlungskürzungen der deutschen
Kinofassung liegen könnte), auch die gelegentlich eingestreuten
etwas befremdlichen humoristischen Einlagen, wie z. B. die
beschwipste Mutti, die einige Male durch das Bild taumelt und
vergessen hat, in welcher Stadt sie sich gerade befindet, oder die
mehrmals stattfindenden seltsam sinnlosen Partysequenzen, in denen
die Kamera um teils kurios kostümierte Männer und textilbefreite
Frauen herumwirbelt.
So
wirkt Leos zweiter Streich anfangs ein wenig larifari und man
beginnt, die Geradlinigkeit eines MILANO KALIBER 9 schmerzlich zu
vermissen, der bereits von Beginn an mächtig steil ging. Später
jedoch, wenn die Ereignisse sich langsam, aber sicher zuspitzen und
das Netz beginnt, sich um den Protagonisten Luca Canali zuzuziehen,
ist dieses Manko schnell vergessen und DER MAFIABOSS wird tatsächlich
noch zu dem intensiven, mitreißenden Stück Kino, das man gern schon
etwas früher gehabt hätte. Die große Trumpfkarte ist dabei ohne
jeden Zweifel dessen Hauptdarsteller, der hier teilweise wahrlich um
sein Leben zu spielen scheint. War Mario Adorf im Vorgänger noch
selbst der gnadenlose Jäger, so gibt er hier nun den Gejagten und
durchleidet im Laufe der gut 90 Minuten so ziemlich jede
Gefühlsregung, zu der ein Mensch überhaupt fähig ist. Der zunächst
noch recht arglos scheinende Zuhälter, der zwar junge Frauen auf den
Strich schickt, ansonsten aber einen ganz knorken Eindruck macht,
mutiert im Laufe der schicksalhaften Ereignisse schließlich zur
entfesselten Kampfmaschine, zu einem blutdürstenden Berserker, der
in unbändiger Wut rennt, kämpft, schießt, auf fahrende Autos
springt und deren Windschutzscheiben mit seiner bloßen Stirn
zertrümmert, um im Anschluss nochmals weiterzukämpfen. Das Ende
dieser schwindelerregenden Dauer-Action-Sequenz ist an Intensität
kaum zu überbieten: Nachdem Adorf den verfolgten Missetäter
gerichtet hat, bricht er weinend zusammen. Erst jetzt wird ihm so
richtig bewusst, dass sein Sieg kein Sieg ist und er alles verloren
hat.
Auch,
wenn es wie ein Klischee klingt, aber in solchen Momenten vergisst
man fast tatsächlich, lediglich einen Schauspieler vor sich zu
haben. Adorf scheint wirklich dieses arme Schwein zu sein, dieser in
die Enge getriebene kleine Mann, dem alles über den Kopf wächst und
der in selbstmörderischem Zorn schier übermenschliche Kräfte
entwickelt. Dazu gehört dann auch, dass Canali eben nicht der
überlegene und in passend-coolen Posen operierende Superheld ist,
sondern hin und wieder auch mal ein wenig albern rüberkommt in
seiner hilflosen Kopflosigkeit, die oftmals alles nur noch schlimmer
macht. In gewisser Weise gilt das allerdings auch für seine
Kontrahenten, bestehend aus dem wahrhaft ungleichen Killer-Duo Frank
und David, verkörpert von Henry Silva [→ ZINKSÄRGE FÜR DIE
GOLDJUNGEN] und Woody Strode [→ HÜGEL DER BLUTIGEN STIEFEL]. Silva
gibt den amüsiersüchtigen Lebemann, der so ziemlich jeden Rock
angräbt, der ihm über den Weg läuft, dabei aber meistens
schlagfertige Abfuhren kassiert („Sag
mal, was machst du überhaupt hier? Zum Rumhüpfen bist du zu alt und
zum Aufreißen siehst du zu bescheuert aus.“).
Ganz anders als der einsilbige Strode, dem sich das schöne
Geschlecht gleich reihenweise an den Hals wirft, der aber gar kein
Interesse an irgendetwas anderem als an seinem Auftrag hat und die
ganze Zeit aus der Wäsche guckt, als könne er seit Tagen nicht mehr
vernünftig kacken. Wie eine ernstzunehmende Bedrohung wirken die
beiden dabei freilich nicht und da ihre Bemühungen auch niemals so
wirklich vom Erfolg gekrönt sind, fragt man sich schon, ob die Mafia
kein geeigneteres Personal hat, um dringende Mordaufträge
auszuführen.
Als
Mafiaboss (der trotz seiner kleinen Rolle merkwürdigerweise den
deutschen Titel stellen durfte) sieht man Adolfo Celi [→ EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN], der allerdings nicht wirklich viel zu tun
hat und daher auch gar nicht viel verpatzen konnte. Noch fataler traf
es freilich die weibliche Belegschaft. Zwar sind mit Luciana Paluzzi
[→ MONSTER AUS DEM ALL] oder Femi Benussi [→ DIE ZEIT DER GEIER]
durchaus talentierte und gern gesehene Gesichter dabei, die hier
drehbuchswegen aber gar keine Chance hatten, sich irgendwie
darstellerisch zu profilieren, da es rollenbedingt bereits
ausreichte, sich möglichst freizügig zu geben. In einer Nebenrolle
erkennt man noch Peter Berling, der später neben Helge Schneider in
dadaistischen Kleinoden wie PRAXIS DR. HASENBEIN! auf sich aufmerksam
machen konnte.
Wirkt
DER MAFIABOSS bisweilen auch etwas stottrig, so passt in den
entscheidenden Augenblicken dann doch wieder alles: Wenn Canali nach
einem harten Schicksalsschlag wutschnaubend eskaliert oder seine
(Ex-)Frau und sein Kind versuchen, sich vor den Killern des Paten in
Sicherheit zu bringen und an jeder Ecke das Böse zu lauern scheint,
dann nagelt einen das in seiner Intensität in den Sitz. Und
Showdowns, die auf Autofriedhöfen stattfinden, sind ja generell auch
immer großartig. So kommt Leos schweißtreibende Hetzjagd am Ende
trotz allem als eindeutiger Sieger ins Ziel. Ein Jahr später widmete
sich der Regisseur mit DER TEUFEL FÜHRT REGIE noch ein weiteres Mal
dem harten Mobster-Alltag. Da durfte Henry Silva dann auch endlich
mal Erfolg bei den Damen haben.
Laufzeit: 85 Min. / Freigabe: ab 18
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