Mittwoch, 29. August 2012

STERNENKRIEG IM WELTALL


UCHU KARA NO MESSEJI
Japan 1978

Regie:
Kinji Fukasaku

Darsteller:
Vic Morrow,
Philip Casnoff,
Hiroyuki Sanada,
Etsuko Shihomi,
Peggy Lee Brennan,
Sonny Chiba,
Tetsuro Tanba,
Mikio Narata



„Es war einmal in vielen 1000 Jahren …“


Inhalt:

Das böse Volk der Gabanas überfällt den einst blühenden Planeten Illucia und rottet fast die gesamte Bevölkerung aus. Die letzten Überlebenden der brutalen Invasion ziehen sich in die Berge zurück und fristen dort ein erbärmliches Leben. Doch es gibt Hoffnung: „Nach vielen Fehlschlägen ist es unseren letzten Wissenschaftlern endlich gelungen, diese heiligen Nüsse mit konzentrierter Energie unserer Muttersonne aufzuladen. Sie sollen wandern durch Zeit und Raum und ein Volk finden, dass uns von der Tyrannei der Gabaner befreien kann“, verkündet ein alter Zausel und schleudert im Anschluss besagte acht Walnüsse ins Weltall. Prinzessin Esmeralda [Etsuko Shihomi] erhält daraufhin den Auftrag, mit einem Vertrauten „der Spur der Nüsse“ zu folgen. Planet 'Alpha 2': General Genda [Vic Morrow], ein älterer, desillusionierter Raumschiff-Kapitän, findet eine Nuss in seinem Whiskey-Glas. Aaron [Philip Casnoff] und Shiro [Hiroyuki Sanada], zwei jugendliche Draufgängerpiloten, finden je eine Nuss in ihren Triebwerken („Ne Nuss in der Düse?“), während ihr kleinkrimineller Kumpel Jake (stets im Glitzerfummel unterwegs) sich beim Biss in die Tomate fast das Übergebiss zertrümmert („Was soll das? Wie kommt die Nuss in die Tomate?“). Nun wirken die vier freilich alles andere als heldenhaft, und als sie von Prinzessin Esmeralda von ihrer angeblichen Bestimmung erfahren, lehnen sie die Aufgabe zunächst ab. Doch das Schicksal hat andere Pläne …

Kritik:

1977! STAR WARS! Begeisterung! Welterfolg! George Lucas’ 'Krieg der Sterne' sorgte für Euphorie und volle Kassen und veränderte dank seiner sensationellen Optik und wegweisenden Effekte das Gesicht des Kinos.

1978: Höchst beeindruckt vom Erfolg der Sternen-Saga, hob das japanische Toei-Studio flugs ein ähnliches Projekt aus der Taufe, um sich noch ein möglichst großes Stück vom Kuchen einverleiben zu können. Und weil man ja auch ein bisschen was repräsentieren will, stattete man die recht dreiste Kopie mit einem (freilich für damalige japanische Verhältnisse) extrem hohen Budget aus und scheute auch sonst kaum Kosten und Mühen. So betraute man mit der Inszenierung Kinji Fukasaku, ein vor allem im Gangsterfilm-Genre sehr erfolgreicher Regisseur, der sich wohl mit dem artverwandten, wenn auch etwas behäbigen Weltraum-Horror MONSTER AUS DEM ALL für die Rolle empfahl. Obwohl STERNENKRIEG IM WELTALL (wie man das Ergebnis in Deutschland ebenfalls in deutlicher Anlehnung an KRIEG DER STERNE getauft hat) damals als die bis dato teuerste japanische Kinoproduktion betrommelt wurde, bleibt das engagierte All-Spektakel dennoch – gerade aus moderner Sicht – ein rührend simpel getrickstes Werk voller putziger Modell-Effekte, in welchem fremdartig ausgeleuchtete Theaterkulissen die Oberflächen ferner Planeten darstellen und Miniatur-Raumschiffe vor der Weltraumtapete an Fäden durchs Bild gezogen werden. Die Guten erkennt man an den Lorbeerkränzen auf den Häuptern (die mit Alleskleber befestigt sein müssen, die verrutschen nicht mal beim Raumschiff-Absturz), während die Bösen behörnte Fahrradhelme und silberne Schminke im Gesicht spazieren tragen.

Doch wer es sich jetzt einfach macht und pflichtschuldigst ‚Trash‘ hinausposaunt, ignoriert auf fast schon böswillige Art und Weise den schier überbordenden Einfallsreichtum der Macher und deren nahezu spürbaren Enthusiasmus, aus den vorhandenen Mitteln das Optimum herauszukitzeln. Denn ebenso einfach wie die Effekte sind, so wirkungsvoll wurden sie umgesetzt, während die zahlreichen Modelle durch ihre enorme Detailverliebtheit bestechen. STERNENKRIEG IM WELTALL versteht es wahrlich vorzüglich, seinen Handfertigungs-Charme auszuspielen: In fantasievollen Kostümen jagt man sich hier durch liebevoll arrangierte Kulissen und brennt dabei ein wahres Feuerwerk herrlich verrückter Ideen ab: „Majestät! Eben ist ein Illucia-Schiff gestartet!“ tönt ein Scherge der bösen Gabaner, und tatsächlich erscheint besagtes Schiff auf dem Radarschirm. Doch wer jetzt mit einem für das Genre typischen Raumschiff gerechnet hat, macht nun große Augen, schippert doch stattdessen tatsächlich eine altmodische Segelbarke durchs All.

Momente wie dieser sind bezeichnend für MESSAGE FROM SPACE (internationaler Titel): Quasi an jeder Ecke wartet eine neue Überraschung, festgefahrene Erwartungen werden auf den Kopf gestellt bei diesem Sammelbecken schräger Einfälle und kindlich-verspielter Abenteuerromantik, bei dem nichts unmöglich zu sein scheint. Fukasaku und sein Team mixten klassische Western-Elemente (man beachte vor allem die Plünnen Vic Morrows), alte Samurai-Legenden und bekannten Märchenstoff zu einem grandiosen Unterhaltungscocktail, bis zum Anschlag angefüllt mit Tempo und Action: Laserduelle, Schwertkämpfe, Verfolgungsjagden und Massenschlachten, gekrönt von einem wahrhaft feurigen Finale, in dem so ziemlich alles in die Luft fliegt, was irgendwie verfügbar war. Die Gesetze der Physik werden dabei natürlich auf großartigste Weise außer Acht gelassen (in einer besonders dusseligen Szene springen die Helden von einer explodierenden Raumstation kurzerhand mit dem Fallschirm ab – logisch, ne?).

Doch bei allem Spektakel gibt es auch plötzliche Momente der Ruhe: Als die Gabaner ein steinaltes Erdenweib entführen (das aussieht, wie die fleischgewordene Hexe Schrumpeldei) und ihr Hirn zwecks Informationsbeschaffung an eine Gedankenlese-Maschine anschließen, erscheinen auf dem Bildschirm, von minimalistischer Klaviermusik begleitet, plötzlich unerwartet Aufnahmen von fliegenden Vögeln und dem weiten Meer – die letzten Erinnerungen einer sterbenden Frau an ihre Heimat. In Momenten wie diesen entwickelt STERNENKRIEG eine fast schon zärtliche Poesie, die man in einem Streifen wie diesem als Allerletztes vermutet hätte.

Um das Ganze etwas westlicher aussehen zu lassen, verpflichtete man in größeren Rollen ein paar amerikanische Schauspieler: Vic Morrow (welcher später auf tragische Weise aus dem Leben schied) spielt die Rolle des Weltraum-Cowboys sehr sympathisch und auch Philip Casnoff kann als ungestümer Raumschiffpilot überzeugen. In der Rolle von dessen Kumpel ist Hiroyuki Sanada zu sehen, welcher dem westlichen Publikum später vor allem durch seine Rollen in großen Hollywoodfilmen wie LAST SAMURAI bekannt wurde. Der sicherlich berühmteste Darsteller (wenn auch in einer eher kleinen Rolle) ist Sonny Chiba, welcher damals in Japan zu einem Bruce-Lee-Klon herangezüchtet wurde und in Quentin Tarantinos KILL BILL in der Rolle des Hattori Hanzo zu sehen war.

Die nahezu epische Laufzeit von 100 Minuten wollte der hiesige Verleih seinerzeit dem offenbar als ungeduldig verschrienen Teutonen nicht zumuten, so dass gut 20 Minuten der Schere zum Opfer fielen (wobei es meist nur kurze Einstellungen am Ende oder während einer Szene traf, die sich dann aber halt summierten). Die Synchronisation kocht dazu ebenfalls ihr eigenes Süppchen, weswegen das gesprochene deutsche Wort oft nur noch im Ansatz etwas mit dem Originaldialog zu tun hat (prinzipiell ging es wohl vor allem auch darum, möglichst viele Nuss-Sprüche unterzubringen).

Um die eigene Sternenkrieg-Version zum Kassenschlager zu peitschen, wurde das ‚Original‘ STAR WARS in Japan gar mit einem Aufführungs-Stopp belegt – nicht gerade die feine japanische Art, aber der (forcierte) Erfolg (dem sogar noch eine Fernsehserie folgte) ist den Machern durchaus zu gönnen. Es knallt, es zischt, zu sehen ist … ALLES! STERNENKRIEG IM WELTALL ist eine wahre Wundertüte an Ideen, Enthusiasmus und zügelloser Fantasie – kunterbunt, knallig und quietschvergnügt. Da spielt garantiert jede Nuss verrückt!

Laufzeit: 101 Min. / Freigabe: ab 12

Sonntag, 26. August 2012

DER TODESARM DES KUNG FU


CHAO ZHOU DA XIONG
Taiwan 1972

Regie:
Chin Sheng-En

Darsteller:
Tien Peng,
Nancy Yen,
Huang Fei-Lung,
Wong Goon-Hung,
Wang Kuan-Hsiung,
Lee Keung,
Poon Cheung-Ling,
Chin Li-Sheng



„Die Karate-Kunst des Fernen Ostens in vollendeter Meisterschaft.“
(Wenn ein Trailer so etwas sagt, dann stimmt das auch.)


Inhalt:

Als bei einem Wettkampf ein angeblich unbesiegbarer Kämpfer der örtlichen Militärschule überraschend vom unbekannten Kung-Fu-Kämpfer Kao geschlagen wird, kann Kommandeur Chen Shun-Cheng [Wong Fei-Lung] diese Schande nicht ungestraft lassen: Kao wird von seinen Männern in einen Hinterhalt gelockt und brutal ermordet. Seine Verlobte Su Chen [Nancy Yen] schwört bittere Rache und macht sich auf die Suche nach einem geeigneten Mitstreiter, welcher fähig wäre, gegen die skrupellose Bande des Kommandeurs zu bestehen. Diesen scheint sie schließlich gefunden zu haben in dem jungen Kung Fu [Tien Peng]. Dieser ist auf dem Marktplatz einer jungen Frau gegen ein paar Rüpel behilflich, und lässt dabei gekonnt die Fäuste fliegen. Als Chen ihn um Hilfe bittet, lehnt dieser zunächst ab. Erst, als sie ihn im Zweikampf besiegt, willigt er ein und lässt sich von ihr in Kaos Geheimnisse der Kampfkunst einweihen. Doch die Killer des Kommandeurs entführen Kung Fus Kumpanen Lung und foltern diesen halbtot. Als Kung ihm zu Hilfe eilt, wird er brutal vermöbelt. In seiner Ehre tief verletzt, verfällt er anschließend in tiefe Selbstzweifel, und der Racheplan Sus scheint endgültig gescheitert …

Kritik: 

DER TODESARM DES KUNG FU fackelt wahrlich nicht lang und kommt so schnell wie möglich zur Sache: Bereits in der ersten Einstellung kabbeln sich zwei Haudegen darum, wer der Stärkere ist – eine Prämisse, an welcher sich bis zum Schluss auch nicht mehr großartig viel ändern wird. Die Handlung ist dabei lediglich Mittel zum Zweck und besticht nicht gerade durch ihre ausgefeilte Logik: Warum Su Chen z. B. unbedingt Kung Fu zum Rächer ausbilden will, obwohl sie erwiesenermaßen besser kämpft als er, erscheint doch recht seltsam – im Prinzip könnte sie unter diesen Voraussetzungen ja auch einfach höchstpersönlich zu den Bösbuben stiefeln und die Maulschellen selbst verteilen. Doch nicht nur Su Chen, auch die Titelfigur benimmt sich manchmal arg merkwürdig: So riskiert Kung Fu dem Kommandeur gegenüber zunächst ne kesse Lippe, um sich dann zehn Sekunden später vor ihm zu fürchten und zwecks Selbsterniedrigung auf die Knie zu fallen.

Aber DER TODESARM DES KUNG FU hat zugegebenermaßen auch nie auf den Oscar für das beste Drehbuch spekuliert, sondern sich, wie so viele andere Genre-Beiträge dieser Sparte, die Beliebtheit der damals sehr erfolgreichen Bruce-Lee-Filme zunutze gemacht, um mit thematisch ähnlichen Beiträgen gleichfalls noch ein paar Taler abzugreifen. Produziert wurde nicht etwa in Hongkong, sondern kostengünstig in Taiwan, und statt Kassenmagnet Bruce Lee prügelt sich hier der eher unbekannte Tien Peng [→ EIN HAUCH VON ZEN] durch das notdürftig konstruierte Szenario. Dieser kann allerdings durchaus anständig austeilen, und obwohl mehrfach deutlich zu erkennen ist, dass die Kelle kurz vorm Fressbrett abgebremst wird, sind die Kämpfe doch insgesamt sehr anschaulich geworden (die eher albern geratene Szene, der man nen Zeitraffer verpasst hat, um eigentlich nicht vorhandene Rasanz vorzutäuschen, sollte man hingegen im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Augenzwinkern betrachten).

Ein wenig bekannter als der Hauptdarsteller ist seine Partnerin Nancy Yen, was vor allem an ihrer späteren Mitwirkung in den beiden Shaw-Brothers-Produktionen DAS TODESDUELL DER TIGERKRALLE und DIE BRUDERSCHAFT DER GELBEN HÖLLENHUNDE liegt. Ihre Rolle im TODESARM erscheint ungewöhnlich stark, wirkt sie doch oftmals gar heldenhafter und selbstbewusster als der eigentliche Protagonist und darf bereits gleich am Anfang im Zweikampf gegen Kung Fu gewinnen. Das ist aufgrund ihrer zierlichen Figur zwar absolut wirklichkeitsfern und niemand würde dem TODESARM aufgrund dessen jetzt das Emma-Gütesiegel anheften wollen, doch sind solch emanzipierte Frauendarstellungen im damaligen Kung-Fu-Kino schon eher die Ausnahme als die Regel.   

Die Kämpfe sind zahlreich und teilweise auch nicht unbedingt unblutig geraten. Da dreschen sich die Kontrahenten in einer Sequenz schon mal gegenseitig Steine auf die Nuschel, was vereinzelt zu recht unschönen Ergebnissen führt. Allzu gröbere Knochenbrechereien bleiben dennoch aus, und übermäßig spektakulär gerieten die Darstellungen ebenfalls nicht. Der TODESARM bietet solide Choreographien, ohne dabei das Rad neu zu erfinden. In Erinnerung bleibt vor allem Nancy Yens Duell gegen gleich zwei Widersacher, das auf einem schmalen Holzbalken über dem Fluss stattfindet, und das Finale, in welchem sich Kung und sein Gegner auf einem hölzernen Gerüst gegenseitig vermöbeln (warum sie da überhaupt raufgeklettert sind, ist mal wieder so eine der vielen Drehbuchmerkwürdigkeiten, vermutlich war von dort oben einfach die Aussicht schöner).

Der deutsche Verleih war mal wieder besonders pfiffig und taufte die Hauptfigur, die im Original eigentlich Ho Shing-Wu heißt, kurzerhand in Kung Fu um, um den Namen der massenanziehenden Kampfsportart im Titel unterbringen zu können. Und die wunderbar unverkrampfte Synchronisation, für deren Dialoge Arne Elsholtz zuständig war (welcher auch dem Endgegner seine markante Stimme leiht) sorgt dafür, dass hier neben den Fäusten auch wieder jede Menge flotte Sprüche fliegen.

„Spiel dich hier nicht so auf, du fiese Laus! Und lass das Mädchen zufrieden, sonst drück ich dir deine Fontanelle ein!“ rät Kungs Freund Lung einem gar unfeinen Sittenstrolch und fügt fast liebevoll hinzu: „So einen wie dich, du Stinker, verputz ich zum Frühstück, und zwar quer!“

Zwischen Kung und einem Soldaten entspinnt sich folgender feinsinniger Dialog: „Dir soll ich wohl den Bart auszupfen!“ - „Versuch’s doch mal, du Großmaul!“ - „Komm raus, du schlapper Hahn!“

Und auf des etwas korpulenteren Gegners Aufforderung, ihm den ersten Schlag zu verpassen, entgegnet Kung: „Weißt du, du bist mir ein bisschen zu dick! Da bleib ich im Fett stecken.“

Beim Soundtrack bediente man sich, wie für ein solches Werk üblich, kurzerhand aus der Reserve. Die epischen Melodien Ennio Morricones, die ursprünglich SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD veredelten, spielen jetzt also gewissermaßen das Lied vom Todesarm.

DER TODESARM DES KUNG FU ist ein typischer Vertreter seiner Zunft: Die Handlung wurde mit Müh und Not um die Kampfszenen herumgestrickt und ist dünner als das Papier, auf welchem sie geschrieben wurde, das Rachemotiv wirkt bereits reichlich ausgelutscht und die Protagonisten, allen voran auf böser Seite, hier in Form uniformierter Militaristen, sind wandelnde Klischeefiguren. Wer nur die Höhepunkte des Kampfsportgenres mitnehmen möchte, darf den TODESARM ohne größere Gewissensbisse auslassen. Wer von asiatischer Kloppe hingegen nicht genug bekommen kann und zudem auch noch ein Herz hat für angenehm-infantile Blödelsynchronisationen mit Thomas Danneberg & Co. KG, der wird hier doch höchst ordentlich bedient. Regisseur Chin Sheng-En [→ DIE ACHT DRACHENSCHWERTER DES GELBEN TEUFELS], der in Taiwan noch etliche weitere Beiträge ähnlichen Couleurs kredenzte, lieferte hier zwar keine Referenz, doch nichtsdestoweniger eine grundsolide Angelegenheit für Fans, die dank ausreichender Balgereien und fröhlicher Sentenzen die 90 Minuten wie im Flug vergehen lässt. In diesem Sinne:

„Knick, knack, Köpfchen ab!“

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ungeprüft

Donnerstag, 23. August 2012

MALASTRANA


LA CORTA NOTTE DELLE BAMBOLE DI VETRO
Italien, BRD 1971

Regie:
Aldo Lado

Darsteller:
Jean Sorel,
Barbara Bach,
Mario Adorf,
Ingrid Thulin,
Fabijan Sovagovic,
José Quaglio,
Relja Bašić,
Piero Vida



Inhalt:

„Tot? Ich – tot? Unmöglich! Ich lebe! Seht ihr nicht, dass ich lebe?“

So spricht US-Auslandskorrespondent Gregory Moore [Jean Sorel], als er in einem Prager Leichenschauhaus wieder zur Besinnung kommt. Doch leider antwortet ihm niemand, denn keiner kann ihn hören. So liegt der Ärmste nun mit Schildchen am Zeh in der Kühlkammer und beginnt sich zu erinnern, wie und warum er in diese missliche Lage geraten ist: Alles begann, als seine ebenso blutjunge wie bildschöne Verlobte Mira Svoboda [Barbara Bach] ihn in Prag besuchen kommt. Beide erleben eine Zeit der Freude. Doch plötzlich ist Mira von heute auf morgen verschwunden. Polizei und Freunde vermuten, sie könne ihn einfach im Stich gelassen haben, doch Moore will das nicht glauben, zumal er per Telefonanruf von ihr weggelockt wurde. Zudem ist Mira nicht das einzige Mädchen, das in letzter Zeit spurlos verschwunden ist. Er beginnt nun selbst nachzuforschen und befragt alle, mit denen Mira zuletzt in Kontakt stand. Dabei scheint er in ein Wespennest zu stechen. Von allen Seiten fühlt er sich plötzlich bedroht. Ein Geheimnis scheint auf der ganzen Stadt zu lasten. Zeugen haben Angst davor, zu reden, gefallen sich in vagen Andeutungen. Als schließlich ein Mörder umgeht, der allzu lästigen Zeugen ein vorzeitiges Ende bereitet, wird die Suche für Moore zum Alptraum.

Kritik:

LA CORTA NOTTE DELLE BAMBOLE DI VETRO – Die kurze Nacht der gläsernen Puppen, so lautet der wunderbar geheimnisumwitterte Original-Titel dieser leicht kafkaesk angehauchten Kriminalerzählung, dessen Bedeutung sich – wie so häufig bei italienischer Genre-Ware – nicht eindeutig aus dem Inhalt ergibt, sondern im Anschluss an den Konsum aus dem Kontext erschlossen werden muss. Der deutsche Verleih hatte für derlei Ambitionen offenbar nur wenig übrig und taufte das Werk für den Kino-Einsatz in ein auffallend schlankeres MALASTRANA um, bevor es in den Videotheken deutlich reißerischer UNTER DEM SKALPELL DES TEUFELS benannt Blutjüngern die Banknoten aus den Taschen mogeln durfte. Dabei hat Aldo Lados [→ NIGHT TRAINerstaunlich versiert auf den Weg gebrachtes Regie-Debüt mit ausschweifendem Aderlass nur wenig bis gar nichts zu tun, sondern geriert sich als angenehm-morbides Schauerstück, welches sich erfolgreich Schubladen verweigert und stattdessen Elemente verschiedener Kategorien zu einem mysteriösen Mosaik aus Unheil und Heimsuchung vermengt. Als Krimi beginnend, sich nach und nach zum Psychothriller mausernd, endet der ungewöhnliche Bastard schließlich in einem schockierenden Horrorszenario von bedrückender Botschaft und unbequemem Nachhall. Von der Bezeichnung 'Giallo' sollte sich der deutsche Abnehmer indes nicht blenden lassen, findet die Mehrzahl der in hiesigen Breitengraden dieser Gattung zugeschriebenen Zutaten hier keine Verwendung. Das Konzept MALASTRANAs geht über eine bloße Gewaltästhetisierung hinaus und lässt Handschuhe und Rasiermesser unangetastet. Auf das bewährte Bild des maskierten Meuchlers wird verzichtet; das Böse hier ist gesichtslos und hat gleichzeitig doch unendlich viele Gesichter.

Wenn Jean Sorel [→ DER SCHAKAL] als Gregory Moore auf der Suche nach seiner Verlobten Mira durch das düstere Prag wandelt, scheint dann auch jede der auftretenden Personen mindestens einmal verdächtig, etwas mit dem Fall zu tun zu haben. Schritt für Schritt setzt Moore Hinweise zusammen, fügt neue Puzzleteile ins Gesamtbild – doch je näher er der Wahrheit kommt, desto mehr umschließt ihn der Wahnsinn. Langsam, aber sicher verwandelt sich seine Umgebung in ein alptraumhaftes Panorama – und das nicht nur, weil plötzlich Jürgen Drews auf der Brücke hockt und ein Liedchen über Schmetterlinge trällert: Die Grenze zwischen Schein und Sein verschwimmt zugunsten panischer Paranoia, welche auch das Publikum zu erfassen droht. Bereits zu Beginn wird mit Urängsten gespielt: Die Vorstellung, trotz andauerndem Bewusstsein für tot befunden zu werden, hat beim Menschen schon manchen Alptraum verursacht. Der Umstand, dass das Schicksal Moores für den Zuschauer bereits besiegelt ist, man ihn in mehreren Rückblenden jedoch noch in quicklebendigem Liebestaumel erlebt, sorgt aufgrund des krassen Kontrasts für heftiges Unbehagen, welches sich immer weiter steigert, je länger man Zeuge seiner unheimlichen Reise wird. So kommen einem selbst bald Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der Figur, stellt man sich doch irgendwann die Frage, ob Moore nicht vielleicht tatsächlich lediglich einer fixen Idee verfallen ist. Trügen ihn seine Erinnerungen? Wurde Mira gar nicht entführt? Verließ sie ihn gar aus freien Stücken? Erfährt er lediglich Fieberträume des nahenden Todes?

Auch der Betrachter wird durch solch ihm aufgezwungene Fragen Opfer geschickt eingesetzter Gedankenmanipulation, ein rein passives Erleben scheint kaum möglich. Die Auflösung schließlich hat etwas mit den Schmetterlingen zu tun, von denen in seinem Gastauftritt nicht nur der junge Jürgen Drews [→ DAS SYNDIKATin seiner drolligen Bob-Dylan-Gedächtnisnummer tiriliert, sondern die auch immer wieder Gegenstand der Dialoge werden: „Sie können nicht mehr fliegen“, röchelt der auf den Bahngleisen verendende Informant Moore noch ins Ohr, „sie lassen sie nicht mehr fliegen mit ihren Flügeln“. Mit einfachen Mitteln und sicherem Händchen gelingt es Lado (welcher auch am sorgsam durchdachten Drehbuch mitschrieb), eine ebenso gespenstische wie hypnotische Atmosphäre zu kreieren. Begleitet vom verträumt-melancholischen Score Ennio Morricones [→ TOP JOB] wird aus dem schönen Prag ein surreal anmutender, von seltsamen Gestalten und verkrüppelten Menschen bevölkerter Kosmos dunkler Vorahnungen und bedrückender Orientierungslosigkeit. Die finale Auflösung ist letztendlich als ebenso wunderbare wie erschreckende Parabel interpretierbar, bedenkt man Handlungsort und -zeit des Geschehens und macht sich zudem bewusst, was der Name der Vermissten in der Übersetzung bedeutet. MALASTRANA ist somit, sofern man gewillt ist, sich darauf einzulassen, auch als politischer Kommentar zu verstehen.

Schwächen leisteten sich die Macher kaum. Merkwürdig erscheint allenfalls, dass die Denkinhalte Moores nicht ausschließlich aus der Innenperspektive erfolgen, er sich also an Momente erinnert, bei welchen er gar nicht zugegen war. Auch ein paar reichlich abgestandene Krimi-Klischees fallen aufgrund der ansonsten vorherrschenden Unkonventionalität stärker als gewöhnlich ins Gewicht: Wenn ein Informant sich am Telefon mit der Hauptperson zwecks Übergabe wichtiger Informationen verabredet, anstatt diese einfach im selben Atemzug gleich mit durch den Draht zu schicken, muss man kein Experte sein, um den Ausgang erahnen zu können. Wer suchen will, findet auch weitere kleine Ungereimtheiten. Doch wie MALASTRANA einen so trefflich lehrt, führt Suchen auch nicht zwangsläufig zum gewünschten Ergebnis – zumal einen die Schlussszene in ihrer eiskalten Konsequenz ohnehin erst einmal kurzzeitig in Gregory-Moore-gleicher Katatonie erstarren lässt. Da hilft dann nur noch die Jürgen-Drews-Konfrontationstherapie! Und jetzt alle!:

„Why don't you let the butterflies with their brightly coloured wings fly free?“

Laufzeit: 93 Min. / Freigabe: ungeprüft

Sonntag, 19. August 2012

PROMETHEUS - DUNKLE ZEICHEN


PROMETHEUS
USA 2012

Regie:
Ridley Scott

Darsteller:
Noomi Rapace,
Logan Marshall-Green,
Charlize Theron,
Idris Elba,
Michael Fassbender,
Guy Pearce,
Sean Harris,
Rafe Spall



„Große Dinge haben einen kleinen Ursprung.“ 


Inhalt:

2089: Die Archäologin Dr. Elizabeth Shaw [Noomi Rapace] und ihr Partner (in vielerlei Hinsicht) Charlie Holloway [Logan Marshall-Green] entdecken in Schottland eine antike Höhlenmalerei: Ein Riese deutet in Gegenwart einiger Menschen auf eine unbekannte Sternenkonstellation. Da überall auf der Welt bereits ähnliche Bilder gefunden wurden, vermutet Shaw hinter der Zeichnung eine Einladung außerirdischer Wesen, der 'Konstrukteure', wie sie sie nennt – geheimnisvolle Überwesen, welche einst die Menschen erschufen und sich nun danach sehnen, von ihnen besucht zu werden. Jahre später: Gefördert vom mächtigen Weyland-Konzern befindet sich das Forschungsschiff 'Prometheus' auf dem Weg zum Mond LV-223, vermuteter Heimatplanet der 'Konstrukteure'. Neben Shaw und Holloway befinden sich auch Captain Janek [Idris Elba], die eiskalte Expeditionsleiterin Meredith Vickers [Charlize Theron] sowie der Androide David [Michael Fassbender] mit an Bord. Tatsächlich entdeckt das Team nach Ankunft auf dem Planeten mehrere pyramidenartige Bauwerke, durchzogen von einem gigantischen Tunnel-Labyrinth. Beim Erkundungsgang entdecken Shaw und Holloway die Leichen riesiger, menschenähnlicher Kreaturen – vermutlich die 'Konstrukteure'. Als Shaw den abgetrennten Kopf eines dieser Wesen mit auf das Schiff nimmt, beginnt ein blutiger Alptraum …

Kritik:

1979 eroberte ALIEN die Leinwand. Der von Ridley Scott inszenierte Science-Fiction-Schocker begeisterte Kritik wie Publikum gleichermaßen und beeinflusste, vor allem aufgrund seines visionären Designs, Popkultur und Kinolandschaft nachhaltig. Das düstere Schauer-Märchen erlebte drei (nicht mehr von Scott inszenierte) Fortsetzungen, bevor das Franchise 2004 mit grobem Unfug wie ALIEN VS. PREDATOR beinahe zu Grabe getragen wurde. Mit PROMETHEUS versuchte Ridley Scott über 30 Jahre später eine Art Neuanfang und erzählte in zeitweise bombastischen Bildern eine mit religiösen Metaphern aufgeladene Fantasy-Story, welche zwar nicht wirklich die unmittelbare Vorgeschichte seines wegweisenden Klassikers verkörpert, aber dennoch zumindest im Ansatz Antworten auf die Frage liefert, wo das mordende Untier eigentlich seine Wurzeln hat. Zwar warf ihm manch Rezensent dafür eine unnötige Entmystifizierung des von ihm selbst erschaffenen Kultes vor, doch gelang es Scott trotz allem, eine gehörige Portion frischen Wind in das festgefahrene Universum zu blasen.

Ohnehin bietet PROMETHEUS im Sinne der Anklage auch nur wenig Angriffsfläche, steht die Schöpfungsgeschichte des Monstrums – für beinharte Fans womöglich eine Enttäuschung – doch niemals im Mittelpunkt und wird eher beiläufig abgehandelt. Stattdessen liegt der erzählerische Fokus auf der Suche der Protagonisten nach der Antwort auf die Frage nach dem Ursprung und Zweck des menschlichen Daseins. Zwar sind die Ereignisse im selben Kanon angesiedelt und mit jeder Menge Querverweisen gespickt, jedoch unterscheidet man sich von den Vorgängern vor allem in atmosphärischer Hinsicht stark: Herrschte bei ALIEN noch bedrohlicher Minimalismus auf engstem Raum, präsentiert PROMETHEUS nun epische Panoramen, welche sich mit der klaustrophobischen Stimmung des Originals kaum in Einklang bringen lassen. Dabei folgt das Drehbuch in seinen Grundzügen durchaus bewährten Formeln: Erneut kommt der Schrecken erst schleichend, erneut kristallisiert sich erst nach und nach die Hauptfigur heraus, erneut gibt es Verrat in den eigenen Reihen. Und doch steht hier trotz inhaltlicher Parallelen niemals der Terror im Vordergrund. PROMETHEUS ist mehr 2001 als ALIEN.

Das ist ein Ansatz, der über weite Strecken auch gut funktioniert und genug Potential für anregende Gedankenspiele bietet. Auf halbem Wege geht dem Geschehen dann allerdings doch ein wenig die Puste aus – zumal PROMETHEUS nun auch wahrlich nicht die erste Sinnsuche in den Weiten des Weltalls darstellt. Ohnehin ist das Skript weitaus weniger originell, als es sich gibt, wandelt es doch insgesamt auf eher bekannten Pfaden und walzt manche schon oft in ähnlichen Genre-Beiträgen gesehene Situationen geradezu unerträglich aus: Da trennen sich zwei der Wissenschaftler vom Rest der Truppe, um allein zurück zum Schiff zu gelangen, um sich dabei natürlich auf Anhieb zu verlaufen. Wer schon mehr als zwei Male in seinem Leben im Kino war, weiß zu diesem Zeitpunkt bereits längst, welches Schicksal den beiden Unglückseligen nun blüht. Und dennoch wird selbst beim Auftauchen der unbekannten Lebensform das Unvermeidliche noch dermaßen lang hinausgezögert, dass man fast rufen möchte: „Jetzt bring die Typen schon endlich um die Ecke!“

Formal gibt sich PROMETHEUS hingegen kaum eine Blöße: Das wuchtige Spektakel ist treffend besetzt, blendend gespielt, makellos getrickst und beeindruckend ausgestattet. Auf darstellerischer Ebene hinterlassen vor allem Charlize Theron [→ IM AUFTRAG DES TEUFELS], die als gefühlskalte Expeditionsleiterin Rätsel aufgibt und zu wüsten Spekulationen einlädt, und Michael Fassbender [→ INGLORIOUS BASTERDS] als dauerlächelnder Androide David, der versucht, dem Menschen möglichst ähnlich zu sein, indem er Peter O'Toole in LAWRENCE VON ARABIEN imitiert, einen bleibenden Eindruck, doch auch die Leistung Noomi Rapaces [→ VERBLENDUNG] (die in manchen Momenten gewiss nicht nur zufällig Sigourney Weaver verblüffend ähnelt) kann sich sehen lassen. Abgerundet wird das Ensemble durch Idris Elba [→ AMERICAN GANGSTER], der eine etwas undankbare Rolle abbekommen hat, aber ebenfalls überzeugen kann, sowie Guy Pearce [→ L. A. CONFIDENTIAL], der unter der Maske des greisen Weyland allerdings kaum zu erkennen ist.

Angereichert mit populären philosophischen Sprenkeln und einer Extra-Ladung unangenehm aufdringlicher Christentum-Propaganda, präsentiert sich PROMETHEUS (wo genau der deutsche Verleih DUNKLE ZEICHEN gesehen haben will, bleibt wohl sein Geheimnis) als etwas unsicher gemischter Cocktail aus Science-Fiction, Fantasy und Horror – von allem etwas, von manchem etwas mehr, doch insgesamt kein stimmiges Ganzes ergebend. Es mangelt an Originalität, an Einzigartigkeit, an Aufregung. Fraglos besitzt das ausladende Leinwand-Opus seine Momente, doch solch überragend schweißtreibende Szenen wie die wohl fetzigste Abtreibung der Filmgeschichte bleiben dann doch eher die Ausnahme. So stellt sich selbst in PROMETHEUS’ besten Augenblicken nicht mal im Ansatz das in ALIEN noch so gekonnt erzeugte Nervenflattern ein. Das letzte Drittel tritt dann allerdings noch mal hochanständig aufs Gaspedal: Krachige Weltraum-Action, fiese Monster-Attacken und erbauliche Spannungsmomente versöhnen mit so manchem Defizit, bevor die finale Szene dem ALIEN-Freund dann doch noch ein seliges Lächeln auf die Lippen zaubern kann.

Ende der Kommunikation.


Laufzeit: 124 Min. / Freigabe: ab 16

Freitag, 17. August 2012

DIE JÄGER DER GOLDENEN GÖTTIN


LA LEGGENDA DEL RUBINO MALESE
Italien 1985

Regie:
Antonio Margheriti

Darsteller:
Christopher Connelly,
Protacio Dee,
Marina Costa,
Luciano Pigozzi,
Lee Van Cleef,
Mike Monti,
Alan Collins,
Rene Abadeza



„Herkömmlicher Abenteuerfilm; einfallslos inszeniert und mit viel Feuer und Explosionen garniert.“ [Lexikon des Internationalen Films]


Inhalt:

Malaysia 1938: Der ehemalige Söldner Duke [Christopher Connelly] organisiert gemeinsam mit seinem trinkfreudigen Kumpel Gin [Luciano Pigozzi] Abenteuerexpeditionen für gelangweilte Millionäre. Eines Tages bekommt er von seinem alten Freund Warren [Lee van Cleef] den Auftrag, der Archäologin Maria [Marina Costa] zu helfen: Sie ist auf der Suche nach einem sagenumwobenen roten Rubin, der sich unter einem Vulkan befinden soll. Nicht ganz freiwillig nimmt Duke den Auftrag an, hält er die Existenz des Rubins doch für ein Ammenmärchen. Der Drogenboss ‚Tiger‘ [Orotacio Dee] jedoch ist ebenfalls hinter dem Stein her, da dieser ihn zum Mogul von Malaysia machen soll. Als ‚Tiger‘ eine schießwütige Söldnerbande auf die Expedition ansetzt, brennt im Dschungel bald im wahrsten Sinne des Wortes die Luft.

Kritik:

In den 70er und 80er Jahren erhoben die italienischen Filmschaffenden die Kopie zur Kunst und bewiesen sich mehrfach als ungekrönte Weltmeister des kostengünstigen Wiederkäuens erfolgreicher Hollywood-Ware. Zwar geriet die Replik dann meistens auch optisch deutlich billiger als das Original, dafür jedoch in der Regel nicht weniger kurzweilig. Als apartes Anschauungsobjekt für diesen Umstand empfiehlt sich das rührige Radaustück DIE JÄGER DER GOLDENEN GÖTTIN, dessen Titel bereits kaum einen Zweifel daran zulässt, dass man es hier mit einem recht unverhohlenen Abklatsch von Steven Spielbergs Unterhaltungsmeilenstein JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES zu tun hat, welcher im Jahre 1980 das Genre des großen Abenteuerfilms quasi im Alleingang neu definierte und noch jahrelang etliche Nachahmer befeuerte.

Die inhaltlich zwar kaum innovative, doch mit einnehmendem Billigcharme aufgeheizte Imitation fackelt dabei nicht lang und frühstückt bereits in den ersten 15 Minuten pflichtbewusst alle zu erwartenden Klischee-Zutaten ab: Da kämpft sich der wackere Held (mit Auftraggeber und versoffenem Kumpel im Schlepptau) per Machete durch fast undurchdringlichen Dschungel, kriecht durch verborgene Höhlen, findet den durch mehrere Todesfallen geschützten Goldschatz, flieht vor blutrünstigen Eingeborenen (wobei der bedauernswerte Alki-Freund von mehreren Pfeilen gespickt wird) und schafft seinen Gönner mitsamt erbeutetem Kleinod in letzter Minute an Bord des rettenden Wasserflugzeugs. Doch bereits in der 16. Minute wird mit den Stereotypen augenzwinkernd gebrochen: Die vermeintlich lebensbedrohliche Hatz entpuppt sich als inszenierter Denkzettel für den vom Reichtum gelangweilten Auftraggeber, die wilden Eingeborenen sind in Wahrheit des Helden beste Freunde und der vermeintlich dahingesiechte Kumpan darf sich die Plastikpfeile wieder abstreifen und die nächste Buddel öffnen. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist die Botschaft ebenso klar wie deutlich: Wir kupfern zwar ab – aber nehmt das bitte nicht so ernst!

Um das Fazit vorwegzunehmen: DIE JÄGER DER GOLDENEN GÖTTIN ist eine astreine Entertainment-Explosion, die von vorn bis hinten gewaltig Laune macht! Die üppige Dschungellandschaft der Philippinen diente einmal mehr als äußerst attraktive Kulisse für einen wahrhaft feurigen Vergnügungscocktail, der die typischen Elemente des klassischen Abenteuerfilms mit den beliebtesten Motiven markiger 80er-Jahre-Action verrührt. Soll heißen: Keilereien, Verfolgungsjagden, Feuergefechte und Explosionen am laufenden Meter, mit brennenden Ölbächen und ausbrechenden Vulkanen garniert und als Sahnehäubchen wilde Tiere und brutale Söldner obendrauf. Langeweile ist angesichts dieser geballten Gaudi-Ladung tatsächlich nahezu ausgeschlossen.

Dass die Schose trotz des reichlich spinnerten Skripts so wunderbar rund läuft, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst des Mannes auf dem Regiestuhl: Antonio Margheriti  [→ EIN TURBO RÄUMT DEN HIGHWAY AUF] besaß schon immer ein sicheres Händchen dafür, mit begrenzten Mitteln möglichst kerniges Krawallkino zu kredenzen. Besonders der Showdown erfreut das Pyromanen-Herz, denn Margheriti tut mal wieder das, was er am besten kann: Alles in die Luft fliegen lassen, was auch nur ansatzweise entzündbar ist. So erinnert das Finale dann auch stark an den von Margheriti ähnlich großartig inszenierten GEHEIMCODE: WILDGÄNSE: Duke und seine Kumpanen kapern kurzerhand einen mit Flammenwerfern bestückten Radlader, um damit im Anschluss durch die feindliche Raffinerie zu brettern und schlichtweg alles abzufackeln, was das bedauernswerte Unglück hat, im Wege zu stehen. Gebäude, Gerät und Gesocks versinken in gigantischen Feuerbällen, in genüsslicher Zeitlupe zelebriert, einmal mehr kostengünstig in Miniatur getrickst, doch dreimal so teuer scheinend und in seiner Zügellosigkeit überaus beeindruckend.

Der eigentliche Hauptdarsteller ist somit ganz eindeutig die Action, während die in ihr agierenden Charaktere kaum mehr sind als grob umrissene Zweckfiguren: Christopher Connelly [→ DJANGOS RÜCKKEHR], der in manchen Momenten Roy Scheider verblüffend ähnlich sieht, schlägt sich als ökonomischer 'Indiana Jones'-Verschnitt recht wacker, wenn er als agile Heldenfigur bisweilen auch ein wenig zu klapperig wirkt. Protacio Dee [→ MISSING IN ACTIONgibt dazu den Oberfiesling, dessen Motive ähnlich nebulös bleiben wie seine Herrschaftspläne – wie genau ihm der Rubin nun die große Macht sichern soll, ist nicht wirklich klar ersichtlich. Aber wer erwartet schon nachvollziehbare Pläne bei einem Bösewicht, der sich ‚Tiger‘ nennt (englisch ausgesprochen, versteht sich), und in eitler Selbstüberschätzung Sätze raushaut wie: „Ich kann mich auf meine Männer verlassen! Sie befolgen meine Befehle! Denn ich … bin der ‚Tiger‘!“? Lee van Cleefs [→ ZWEI GLORREICHE HALUNKEN] Rolle ist kaum der Rede wert und offensichtlich nur in die Handlung geschrieben worden, um sich mit dem zugkräftigen Namen schmücken zu können. Seine Auftritte beschränken sich hauptsächlich auf ein paar Dialoge mit den Hauptpersonen, bevor er sich im Finale dann kurz noch mal blicken lassen darf (vermutlich, um den Gehaltsscheck zu kassieren).

Trotz deutlichem Hang zum Trash bleiben allzu große Albernheiten aus. Auf den Eingeborenenjungen, der mit seiner abgerichteten Hauskobra kommuniziert wie einst der kleine Bengel mit seinem Gaul Fury, hätte man dennoch gut verzichten können. Auch der Soundtrack gewinnt keine Punkte: Während einer Autoverfolgungsjagd dudelt da schon mal, ebenso unpassend wie uninspiriert, reichlich lahmer Billig-Jazz vor sich hin.

Zu erwähnen sei noch, dass der deutsche Titelschmied ob der gebotenen Opulenz wohl etwas verwirrt schien, immerhin gilt die Jagd keiner goldenen Göttin, sondern einem roten Rubin. Und Drehbuchautor Giovanni Simonelli 
[→ KOMMISSAR X – JAGD AUF UNBEKANNTverzettelte sich ebenfalls ein wenig, als er Malaysia bereits 1938 zum unabhängigen Staat erklärte – und damit gut 25 Jahre zu früh dran war. Aber ein Werk wie DIE JÄGER DER GOLDENEN GÖTTIN führt man sich ja auch nicht zu Gemüte, um seine Geschichtskenntnisse zu erweitern, sondern um mal wieder richtig Rambazamba zu erleben – und in dem Zusammenhang stimmt hier wirklich alles! Wenn Antonio Margheriti zum großen Dschungel-Event lädt, erwacht das Kind im Manne und freut sich über lupenreinen Rabatz vor schmucker Kulisse, völlig frei von Ballast und Durchhang. Garantiert unterhaltsamer als jeder Dschungelabend auf RTL – Augen weit auf und rein ins Vergnügen! 

Laufzeit: 95 Min. / Freigabe: ab 16

Dienstag, 14. August 2012

EIN TURBO RÄUMT DEN HIGHWAY AUF


CAR CRASH
Italien, Spanien, Mexiko 1980

Regie:
Antonio Margheriti

Darsteller:
Joey Travolta,
Vittorio Mezzogiorno,
Ana Obregón,
John Steiner,
Sal Borghese,
Antonio Margheriti,
Ricardo Palacios,
Claudia Bono



Inhalt:

Paul [Joey Travolta] und Nick [Vittorio Mezzogiorno] sind als Rennfahrer unschlagbar. Als sie im Auftrag der vollschlanken Unterweltgröße Eli Wronsky [Ricardo Palacios] abgekartete Rennen fahren sollen, weigern sie sich und rasen wider der Abmachung als Gewinner ins Ziel. Wronsky scheint nicht wenig verärgert und lässt infolgedessen ihren Wagen verschrotten, um sie an der Teilnahme des bevorstehenden illegalen Car-Crash-Rennens zu hindern. Doch Aufgeben ist für die beiden keine Option: Ein befreundeter Automechaniker, den Wronsky einst ins Krankenhaus brachte, hat eine neue Superkarre zusammengezimmert, die allen Belastungen standhält. Als Wronsky davon Wind bekommt, will er die beiden loswerden und heuert einen Killer an (welcher sich allerdings ausnehmend dämlich anstellt). Auf ihrer Flucht liest das Duo die Antiquitätenhändlerin Janice [Ana Obregón] auf, die sich auf dem Weg zum exzentrischen Millionär Kirby [John Steiner] befindet, um diesem ihre Ware zu verkaufen. Als Paul und Nick sie dabei kurzentschlossen begleiten, entpuppt sich Kirby ebenfalls als Autonarr, welcher sich im Anschluss zusätzlich an ihre Fersen heftet. Das 'Car Crash' steht bevor, doch Wronsky hat noch längst nicht aufgegeben …

Kritik:

Der große Erfolg der amerikanischen Actionkomödie EIN AUSGEKOCHTES SCHLITZOHR beflügelte einmal mehr die für ihre fabelhaften Kopierkünste bekannte italienische Filmindustrie, es ihr mit einem ähnlichen Werk gleichzutun, um sich auch ein Stückchen vom Kuchen einverleiben zu können. Das Resultat dieser Bemühungen nennt sich (zumindest im Original) CAR CRASH und präsentiert sich als ein ziemlich unverhohlener Trittbrettfahrer, der jedoch auffallend Mühe damit hatte, seine Actionsequenzen zu einem sinnvollen Ganzen zu verbinden. Nun erwartet man von einem Titel wie diesem freilich keine großartig komplexen Zusammenhänge, zumal ja selbst die Vorlage nicht unbedingt durch ihren Einfallsreichtum beeindruckte, doch merkt man es CAR CRASH nur allzu deutlich an, dass man Schwierigkeiten hatte, das Werk auf eine akzeptable Länge zu bürsten. So zieht sich die Handlung durch ständiges Wiederholen immer gleicher oder ähnlicher Situationen unnötig in die Länge, während die Rolle der Janice allzu offensichtlich nur ins Skript geschrieben wurde, um ein geeignetes 'Love Interest' für die Hauptfigur vorweisen zu können. Wenn Paul ihr dann nach zwei Tagen auch treu den Genre-Regeln folgend seine Liebe gesteht, kennt das Publikum eigentlich gar nicht so recht den Grund für diese Gemütsregung, gibt es dazu doch im Prinzip gar keinen Anlass.

Zudem fehlt es entschieden an dem, was zumindest der deutsche Titel eigentlich verspricht: Highway-Action! Im Gegensatz zu den Vorbildern bretterte man hier stattdessen vorzugsweise durch Parkanlagen, Kiesgruben und Baustellen. Das hatte natürlich in erster Linie Kostengründe und ist auch nicht vollkommen ohne Reiz, kann sich mit der ungezügelten Freiheitsattitüde des Vorbilds jedoch in keiner Weise messen. Allerdings – und das ist die ganz große Trumpfkarte CAR CRASHs – kann sich die Action durchaus sehen lassen und hält das Stimmungsbarometer stetig oben. Das überrascht wenig, denn im Regie-Cockpit nahm Antonio Margheriti [→ GEHEIMCODE: WILDGÄNSE] Platz. Der italienische Regisseur war besonders in den 80er Jahren eine der ersten Adressen, wenn es um effizientes Arbeiten ging: Seine Werke sahen zwar teuer aus, waren jedoch ungemein kostengünstig produziert. Auch Quentin Tarantino wusste die Qualitäten Margheritis zu schätzen und ließ seinen Namen als Huldigung in die Dialoge INGLOURIOUS BASTERDS' einfließen. Zur Freude des Publikums frönte Margheriti, der hier als Rennleiter auch mal sein Gesicht in die Kamera hält, bei CAR CRASH wieder fleißig einer seiner Lieblingsbeschäftigungen: der Arbeit mit Modellen. Zahlreiche Stunts und Actionmomente wurden erneut mithilfe von Miniaturen getrickst – speziell die Explosionsszenen. Und explodieren tut hier so einiges (ohne Rücksicht auf physikalische Gesetze, versteht sich), und das sieht wirklich immer verdammt gut aus!

Um CAR CRASH speziell für den amerikanischen Markt noch ein bisschen interessanter aussehen zu lassen, besetzte man die Hauptrolle mit Joey Travolta [→ ALLE NENNEN MICH BRUCE], dem älteren Bruder des dank SATURDAY NIGHT FEVER frisch zum Megastar aufgestiegenen John Travolta, welcher eine Zeit lang auf eine ähnliche Erfolgsschiene gehofft hatte. Warum ihm dennoch die große Karriere verwehrt blieb, ist dann auch allzu offensichtlich: Zwar darf man annehmen, dass schauspielerisches Können hier ohnehin nicht groß gefragt war, doch mal abgesehen davon, dass Paul während der gesamten 80 Minuten nicht wirklich mehr als einen Gesichtsausdruck auflegt, fehlt es ihm auch an der nötigen Ausstrahlung. Für einen Zweite-Reihe-Titel wie CAR CRASH allerdings ist seine Leistung durchaus ausreichend.

Ihm zur Seite steht Vittorio Mezzogiorno [→ DIE LETZTE RECHNUNG SCHREIBT DER TODals Pauls Kamerad Nick, für den im Großen und Ganzen das Gleiche gilt. Darstellerisch reißt auch er keine Bäume aus, blickt er doch die meiste Zeit, selbst während der Actionszenen, lediglich mit steinerner Miene in die Gegend. Dennoch bietet er eine nette Ergänzung zu Joey Travolta, auch wenn seine ständig zotenreißende Synchronstimme (für die der Darsteller natürlich nichts kann) auf Dauer eher enervierend wirkt. Ana Obregón [→ DAS GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELENhat als Janice eine denkbar undankbare Rolle abbekommen, ist sie doch allzu offensichtlich nur deswegen anwesend, weil man unbedingt einen Frauennamen auf der Besetzungsliste stehen haben wollte. Große Ambitionen kann man da gewiss kaum entwickeln, auch wenn die Spanierin noch versucht, das Beste daraus zu machen. Im Anschluss verschwand Obregón wieder fast völlig in der Versenkung, spielte in ihrer Heimat dann überwiegend in Serienformaten mit.

Einzig John Steiner fällt auf Darstellerseite deutlich aus dem Rahmen: Zwar schien dem Skript gar nicht so ganz klar zu sein, was es mit seiner Figur überhaupt anfangen soll, doch seine Darbietung des exzentrischen Millionärs Kirby geriet dermaßen erfrischend überkandidelt, dass es eine wahre Freude ist, ihm dabei zuzusehen. In der Vergangenheit überzeugte John Steiner bereits in anspruchsvoller Ware wie TEPEPA, und es ist überaus amüsant, ihn hier in einer völlig anderen Rolle zu erleben. Zu erwähnen sei noch die Mitwirkung Sal Borgheses [→ HÖLLENHUNDE BELLEN ZUM GEBET], der sein markantes Pferdegesicht bereits in unzähligen Nebenrollen des italienischen Kinos in die Kamera hielt und dessen Präsenz immer etwas Heimeliges mit sich bringt. Als knautschvisagiger Auftragskiller ist er hier nahezu perfekt besetzt.

Die deutsche Synchronisation meint es leider etwas zu gut und nervt auf Dauer mit ihrer bemühten Zotigkeit – vor allem deswegen, weil man es wohl als übermäßig komisch erachtete, immer mal wieder die Vierte Wand zu durchbrechen: „Nimm doch einfach seinen Bruder John Travolta, der ist sowieso gerade aus dem Geschäft!“ heißt es da über Paul, woraufhin Nick antwortet: „Aber in dem Film wird nicht getanzt!“ Und Ricardo Palacio, welcher den Kontrahenten der beiden Helden verkörpert, wurde aufgrund seiner Leibesfülle immer mal wieder ein „Oink“ auf die Lippen gelegt. Das sollte wohl lustig sein, wirkt allerdings reichlich bescheuert.

Zwar muss CAR CRASH sich dem Vorbild geschlagen geben, bleibt jedoch dennoch eine recht labende Sause für anspruchslose Gemüter, was vor allem an Margheritis liebevoller Inszenierung der Actionszenen liegt. Eine gewisse Neigung zu kindlicher Infantilität sollte man natürlich mitbringen, ansonsten könnte einem der Turbo eher den Magen aufräumen. Der Rest aber erfreut sich an heulenden Motoren, fliegenden Modellautos und jeder Menge Explosionen. Oink!

Laufzeit: 85 Min. / Freigabe: ab 12

Freitag, 10. August 2012

DIE LEGENDE DER WEISSEN SCHLANGE


BAI SHE ZHUAN SHUI
China 2011

Regie:
Ching Siu-Tung

Darsteller:
Jet Li,
Eva Huang,
Charlene Choi,
Raymond Lam,
Wen Zhang,
Vivian Hsu,
Alfred Hsing,
Han Dong



„Wo ist meine Frau? Wurde sie von der Schlange gefressen?“ - „Nein! Deine Frau ist die Schlange! Du hast einen jahrhundertealten Schlangendämon geheiratet!“
(Ja, welcher Ehemann kennt das Problem nicht …?)


Inhalt:

Der buddhistische Mönch Fahai [Jet Li] streift mit seinem Schüler Nengren [Wen Zhang] durch das Land, um Jagd auf Dämonen zu machen, die sich als Menschen tarnen. Dabei macht er die Bekanntschaft des Kräutersammlers Xu Xian [Raymond Lam], der den Traum hegt, eines Tages ein großer Mediziner zu sein. Als Xu sich eines Tages in die Berge begibt, um Kräuter zu sammeln, stürzt er in den Fluss und wird von einer wunderschönen Frau [Eva Huang] gerettet, in die er sich auf Anhieb verliebt – ein Gefühl, das auf Gegenseitigkeit beruht. Doch Fahai erkennt die Wahrheit: Die fremde Schönheit ist in Wirklichkeit die ‚Weiße Schlange‘, ein Dämon in Menschengestalt. Obwohl sie eigentlich keine Gefahr darstellt, sondern sogar einen Teil ihrer magischen Kräfte opfert, um Xu bei der Herstellung einer wirksamen Arznei zu helfen, ist Fahai der Ansicht, dass die Welt der Menschen sich nicht mit den der Dämonen vermischen darf. Er stellt ihr ein Ultimatum, um wieder in die Berge zu verschwinden. Doch sie weigert sich – ihre Liebe zu Xu ist stärker. Zur Strafe wird sie von Fahai im Kampf besiegt – schwer verletzt wartet sie in den Bergen auf ihren Tod. Als Xu ihre wahre Identität erfährt, ist er zunächst verzweifelt, versucht aber dennoch, sie zu retten. Er begibt sich auf eine gefährliche Reise, um die 'Wurzel der Unsterblichkeit' zu finden, welche seine große Liebe retten könnte. Doch als er sie findet, befreit er versehentlich eine Horde böser Dämonen aus ihrem Verlies und die Hölle bricht los.

Kritik:

Mit wuchtigem Fantasy-Gedöns kennt Ching Siu-Tung sich aus: Der renommierte Regisseur brachte bereits international geachtete Erfolge wie A CHINESE GHOST STORY [1987] oder SWORDSMAN [1990] auf die Leinwand, die durch ihren visuellen Einfallsreichtum das Bild des asiatischen Kinos im Westen nachhaltig mitprägten. DIE LEGENDE DER WEISSEN SCHLANGE steht durchaus in der Tradition jener Großtaten, auch wenn, dem Zeitgeist entsprechend, die putzigen handgemachten Tricks von damals eher weniger putzigen computergenerierten Pixel-Schlachten gewichen sind. Abgesehen von diesem Zugeständnis an die weiterentwickelten Möglichkeiten des Sehnervkitzels hat sich allerdings erstaunlich wenig geändert. Auf inhaltlicher Ebene bediente man abermals bereits bekannte Narrative und gestatte sich eine erneute Aufarbeitung einer alten chinesischen Sage, die sich schon allein deswegen im kollektiven Gedächtnis verankern konnte, weil sie in regelmäßigen Abständen immer wieder für den Kinosaal aufbereitet wird. So erzählte beispielsweise 1993 Tsui Hark die Geschichte trickreich und farbenfroh in GREEN SNAKE, wenngleich der Fokus dort – der Titel lässt es erahnen – auf der grünen Schlange lag, während Ching sich nun hauptsächlich ihrer Schwester, der weißen Schlange, widmet. Das Ergebnis ist eine kreischend bunte Kitsch-Kanone, bis unter das Dach zugekleistert mit Spezialeffekten und – trotz grassierender Inhaltsleere – von erfreulich flottem Tempo.

Die Künstlichkeit ausstrahlenden Rechner-Kreationen sind dabei – so viel Ehrlichkeit muss gestattet sein – von eher bescheidener Natur, liegen qualitativ irgendwo zwischen ‚mäßig‘ und ‚ganz ordentlich‘. Interessanterweise schadet das dem schon aufgrund der Thematik ohnehin fremdartigen Szenario gar nicht großartig, sondern unterstreicht sogar noch die realitätsferne Comic-Ästhetik der erdachten Fantasiewelten. Deren visueller Reiz ist trotz unterdurchschnittlicher CGI-Kunst enorm. Wenn Horden von Dämonen freigelassen werden oder Landstriche unter Wassermassen begraben werden, dann gelingen dem Team um Ching Siu-Tung massenhaft imposante Bilder. Ständig wirbelt irgendetwas herum, Blitze zucken, Donner grollt – das volle Programm! Während der gebotene Bombast das Auge erfreut, bleibt die zwischenmenschliche Komponente freilich auf der Strecke. So wird zwar ständig von ewiger Liebe gefaselt, doch bei der Plausibelmachung, warum man sich denn jetzt eigentlich so wahnsinnig doll liebhat, versagt das Drehbuch. Das ist umso drolliger, wenn man bedenkt, dass ein im englischen Sprachraum kursierender Alternativtitel doch tatsächlich IT'S LOVE lautet – als wolle man dem Betrachter die Herzschmerz-Intention nochmal extra ins Gesicht schreien aus Angst, sie könne ansonsten übersehen werden.

Jet Li [→ HERO] wird zwar als Hauptdarsteller beworben, hat aber tatsächlich nicht wirklich viel zu tun. Die wenigen ‚Kämpfe‘ des machetikerprobten Stars erschöpfen sich in eher unspektakulärem Gefuchtel vor grüner Leinwand. Seine Mentoren-Rolle als mittelalterlicher Geisterjäger meistert er zwar locker aus der Hüfte, aber dass die Rolle hauptsächlich wegen besserer Vermarktungsmöglichkeiten an Li ging, ist augenscheinlich. Eva Huang Sheng-Yi [→ KUNG FU HUSTLE] spielt die Weiße Schlange und darf dabei in erster Linie schnuckelig aus der Wäsche gucken, was ihr auch gut gelingt. Dass für Charlene Choi [→ NEW POLICE STORY] als Grüne Schlange das Gleiche gilt, überrascht eigentlich kaum, denn dass Niedlichkeit ein Job ist, von dem sie was versteht, durfte sie zuvor schon mehrfach unter Beweis stellen. Die männlichen Mitstreiter können indes nicht wirklich Akzente setzen. Während Raymond Lam [→ PERFECT WEDDING] als herzensguter Kräutersammler mit großem Traum und schlichtem Gemüt nicht unsympathisch wirkt, muss sich sein Partner Wen Zhang [→ THE GUILLOTINES] bereits nach recht kurzer Spieldauer hinter einer Dämonenmaske verstecken, was nicht gerade die große Wunschvorstellung eines Schauspielers darstellen dürfte.

Freunde der Kampfkunst, die aufgrund des wohlklingenden Namens Jet Li ihre Eintrittskarte lösen, dürften sich ein wenig vernachlässigt fühlen: DIE LEGENDE DER WEISSEN SCHLANGE ist in erster Linie eine Liebesgeschichte im Fantasy-Gewand und insgesamt eher kindgerecht oder zumindest in Hinsicht auf ein jüngeres Publikum produziert – inklusive sprechender Tiere und oberflächlicher Gefühlswallungen. Für ausufernde Prügelorgien blieb da kein Platz. Und wenn man sich doch mal ins Gehege kommt und Konflikte per Körpereinsatz austragen muss, dann findet das im fortgeschrittenen Flugmodus über Dächern und Wäldern statt und hat mit echter Knochen- und Konfrontationsarbeit nichts am Hut. Dennoch bietet die bonbonbunte Romeo und Julia-Variante fast pausenlose Action und erlaubt sich als zwar substanzloses, doch äußerst farbenprächtiges Spektakel überraschend wenig Peinlichkeiten – was selbst für die auf extreme Niedlichkeit getrimmten animierten Nager gilt. Klar, Filmgeschichte wurde hier nicht geschrieben und die Zeit großer Innovationen war schon lange vorbei. Aber als Mini-Epos für den kleinen Hunger zwischendurch ist diese Legende durchaus zu gebrauchen.


Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ab 12

Dienstag, 7. August 2012

RECYCLO TRANSFORMERS


RESIKLO
Philippinen 2007

Regie:
Mark A. Reyes

Darsteller:
Ramon 'Bong' Revilla Jr.,
Dingdong Dantes,
Jennylyn Mercado,
Michelle Madrigal,
Paolo Contis,
Benjie Paras,
Roi Vinzon,
Bobby Andrews



Inhalt:

Im Jahre 2021 wird die Menschheit von einer außerirdischen Rasse angegriffen und besiegt. Um die wenigen Überlebenden zu unterjochen, entführen die 'Balangs' (wie die Außerirdischen genannt werden) Menschen, um sie in Motanos zu verwandeln – gefühllose Mutantenwesen mit übermenschlichen Kräften, die nun ebenfalls Jagd auf ihre ehemaligen Artgenossen machen. Doch eine Handvoll Streiter formiert sich in der geheimen Siedlung 'Paraiso' zum Widerstand und ist mit diesem auch ungemein erfolgreich. Als Kämpfer Crisval [Ramon 'Bong' Revilla Jr.] bei einem Angriff den Sohn des Motanoführers tötet, schwört dieser ihm blutige Rache. Tatsächlich gelingt es ihm, Crisval gefangenzunehmen und ihm das Motano-Serum zu injizieren. Doch der Infizierte kann entkommen. Mit einer heimlich gebauten Armee von Kampfrobotern holen die Bewohner Paraisos nun zum entscheidenden Gegenschlag aus. Crisval muss den Feind besiegen, bevor er selbst zum Motano wird.

Kritik:

Wenn eine engagierte B-Film-Schmiede sich an eine kosteneffiziente Kopie trendsetzender Kinoerfolge wagt, ist das zwar zugegebenermaßen nicht besonders einfallsreich, aber grundsätzlich nicht zwangsläufig etwas Verkehrtes. Schon oft genug bewies die Filmgeschichte, dass eine Imitation am Ende mindestens genau viel Laune machen konnte wie deren berühmteres Original. Das bewahrheiteten in den 70er und 80er Jahren vor allem die Italiener zur Genüge. Ob nun MAD MAX, RAMBO oder CONAN – sie alle erlebten mindestens eine Sparpreis-Reinkarnation, in welchen dann jede Menge Kiesgruben und Dschungellandschaften unsicher gemacht wurden. RECYCLO TRANSFORMERS hingegen ist weder aus Italien, noch aus den 70er oder 80er Jahren. Stattdessen versuchten sich die Philippinos im Jahre 2007 an diesem Aufguss sattsam bekannter Science-Fiction-Elemente, plünderten sich von TERMINATOR über STAR WARS bis ALIEN munter durch diverse Genre-Meilensteine und belegten damit unfreiwillig, aber doch eindrucksvoll, dass Plagiate auch gründlich in die Beinkleider gehen können.

Dabei erprobte man sich für das lärmende Spektakel an so ziemlich allem, was Actionfreunden in der Regel Freude bereitet: Ständig kommt es zu Explosionen, Schießereien und Verfolgungsjagden, stets gespickt mit immer gern gesehenen Mätzchen wie Zeitlupe und Bullet Time. Jedoch ersticken diese Szenen vorwiegend im Dilettantismus und verleiten schnell zu der Annahme, dass man sich hier schlichtweg ein wenig übernommen hat. Bereits in der ersten Sekunde vergraulen scheußlich unterdurchschnittliche Computeranimationen von durchs Weltall gleitenden Meteoriten, gefolgt von einem denkbar dürftigen, in ähnlichen Vertretern bereits dutzende Male wiedergekäuten Handlungsgerüst, dessen Notwendigkeit einer weiteren Aufarbeitung ohne Scham hinterfragt werden darf. Offenbar gab man sich dabei die allergrößte Mühe, kein noch so abgestandenes Mottenkistenklischee auszulassen: Wieder einmal schwelt der obligatorische Vater-Sohn-Konflikt (der sich am Ende ohne Angabe von Gründen einfach in Rauch auflöst), abermals dominieren dramatische Schicksalsschläge (der tragische Tod von Frau und Kind will schließlich anständig aufgearbeitet werden) und selbstredend schwingt sich der Held kurz vorm großen Finale aufs schon bereitgestellte Podest, um noch hurtig eine INDEPENDENCE DAY-Rezitation für Sozialhilfeempfänger ins Volk hinauszuposaunen. In der realen Welt hätte diese freilich keinen Hund hinter dem Ofen hervorgelockt, hier führt sie natürlich schnurstracks zum großen Sieg.


Ohnehin nimmt es reichlich Wunder, wie die feindlichen Armeen überhaupt jemals die Erde unterjochen konnten, wenn sie sich im Anschluss innerhalb kürzester Zeit von einer kleinen Handvoll Widerstandskämpfer aufreiben lassen. Und dass die armen Siedler es tatsächlich geschafft haben sollen, in aller Heimlichkeit eine ganze Armee funktionstüchtiger Kampfroboter zusammenzuzimmern, ist auch eine ziemlich kühne Drehbuch-Behauptung. Allerdings war Logik zugegebenermaßen noch nie die große Stärke des Genres; solang der Rest dafür ausreichend überzeugen kann, wird das dann in der Regel auch gern verziehen. RECYCLO TRANSFORMERS hingegen bewegt sich mit der Summe seiner Defizite gefährlich nah der Persiflage. Die Darsteller geben bestimmt ihr Bestes, doch ist das eben nicht gerade viel. Und Ramon 'Bong' Revilla Jr. ist als reichlich mopsiger Held ausgerechnet auch noch die größte Knalltüte und wirkt mit seinem Mondgesicht und den zusätzlichen Pfunden alles andere als heroisch. Die Dialoge, mit denen sich die Figuren rumplagen müssen, sind oftmals dermaßen infantil geraten, dass man sich fragt, warum man nicht jemanden, der zumindest mal einen Grundkurs in Sachen Rhetorik miterlebt hat, vor Drehbeginn mal fünf Minuten querlesen ließ. Allerdings wären einem dann solch geschliffen ausformulierte Meisterleistungen wie „Du wirst sterben! Ja, du wirst sterben!“ natürlich entgangen (wobei man diesen Umstand zur Not immerhin noch auf die deutsche Synchronfassung abwälzen könnte, die sich der Durchschnittlichkeit des Gesamtbildes äußerst solidarisch anpasst).

Die unattraktive Fernseh-Ästhetik, einer mittelmäßig aufwändig produzierten TV-Serie ähnlicher als einem Kinofilm, ist dann auch nicht gerade dazu geeignet, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Immerhin: Das Finale geriet tricktechnisch dann noch etwas versierter, als es der miese Anfang zunächst befürchten ließ. Die große Entscheidungsschlacht zweier Roboterarmeen sorgt für einigermaßen versöhnlichen Radau und ist sogar tatsächlich ganz hübsch anzusehen (auch wenn die kleine Frage gestattet sein muss, warum tonnenschwere Kampfmaschinen nicht den geringsten Abdruck im schlammigen Untergrund hinterlassen). Der Gesamteindruck dieses knallbunten Rundumschlags lässt sich dennoch am besten mit 'Zwar gewollt, aber nicht wirklich gekonnt' zusammenfassen. Was letztendlich die Ambition dieses doch sehr bescheidenen Langweilers gewesen ist, lässt sich dann auch nur schwerlich vermuten – hoffentlich nicht die noch schnell in den Abspann drapierte Öko-Botschaft („Save the Planet – Recycle!“), denn von dieser war während der gesamten Handlung nichts zu spüren.

Der Originaltitel RESIKLO kommt immerhin ohne Hollywood-Anbiederei aus; den TRANSFORMERS-Querverweis hat der deutsche Anbieter natürlich deswegen in den Titel gemeißelt, damit überhaupt noch jemand auf die Idee kommt, sich diese trashige Trantüte ans Bein zu binden. Helfen kann das in der Tat nichts. Zwar gibt es in den Untiefen des Genres sicherlich auch noch wesentlich desaströsere Beiträge als diesen und für ein Land wie die Philippinen mag der Aufwand an Effekten vielleicht sogar respektabel sein, aber insgesamt hat man im Anschluss dann doch das Gefühl, man hätte sich stattdessen lieber nochmals eine der Vorlagen zu Gemüte führen sollen. Die Erde retten? Recyceln? Gern! Ab ins Resiklo damit!

Laufzeit: 108 Min. / Freigabe: ab 16

Freitag, 3. August 2012

PETER DER GROSSE


PETER THE GREAT
USA 1986

Regie:
Marvin J . Chomsky,
Lawrence Schiller

Darsteller:
Maximilian Schell,
Jan Niklas,
Vanessa Redgrave,
Omar Sharif,
Helmut Griem,
Günther Maria Halmer,
Hanna Schygulla



Nach jeder Menge Trash in den letzten Wochen steht heute mal etwas anspruchsvollere Filmkost auf dem Programm: die vierteilige US-Miniserie PETER THE GREAT von 1986. Also wundert euch nicht, dass die Inhaltsangabe dieses Mal weit länger ausfällt, als gewohnt. Denn der TV-Film nutzt seine sechs Stunden Nettolaufzeit für ein dichtes Geflecht aus Intrigen, Schicksalsschlägen, Romanzen und Schlachten:

Inhalt:

Russland am Ende des 17. Jahrhunderts. Das Land ist weitgehend isoliert. Es regieren eine kleine Aristokratie und die orthodoxe Kirche. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Nach dem Tod des Zaren Fjodor III. entbrennt zwischen dessen Stiefmutter Natalja (Lilli Palmer) und Fjodors Schwester Sophia (Vanessa Redgrave) ein gnadenloser Machtkampf. Während Natalja gerne ihren zehnjährigen Sohn Peter (Graham McGrath) auf dem Thron sehen würde, will Sophia unbedingt ihrem fünfzehnjährigen Bruder Ivan (Nikolay Lazarev) zum Zarentitel verhelfen. Doch während Natalja bei der Förderung des aufgeweckten Peter an das Wohl ihres Landes denkt, hat Sophia nur eigene Interessen im Kopf, denn Ivan ist ein infantiler Schwächling, der sich leicht manipulieren lässt. Der Konflikt kulminiert im ersten Strelitzenaufstand. Im Glauben, Natalja wolle Ivan ermorden lassen, stürmen die Palastgarden den Kreml. Im Zuge der Kampfhandlungen werden vor Peters Augen mehrere Verwandte seiner Mutter ermordet, ein Ereignis, das seinen weiteren Lebensweg entscheidend prägen soll. Als die Strelitzen in den Palast eindringen und Natalja und Peter ermorden wollen, rettet der Tagedieb und Bauernsohn Alexander Menschikow (Herbert Griem) ihnen durch Zufall das Leben. Der Aufstand kann zwar geschlichtet werden, um das Volk jedoch auf Dauer zu beruhigen, einigt man sich auf einen Kompromiss: Sowohl Peter als auch sein Halbbruder Ivan werden zum Zaren gekrönt und sollen das Land künftig in einer Doppelspitze regieren. Da beide jedoch minderjährig sind, wird Sophia zur Regentin ernannt. Alexander Menschikow wird in der Folge Peters bester Freund und engster Vertrauter. Einige Jahre später versucht Sophia, Peter (jetzt Jan Niklas) durch ein Komplott zu vernichten. Die Verschwörung kann jedoch vereitelt werden. Sophia wird entmachtet und in ein Nonnenkloster verbannt. Peters konservative Mutter hält auch nach der Einsetzung Sophias zur Regentin weiterhin an ihren Machtansprüchen fest, so dass Peter sich bei der Ausübung des Zarenamtes weiterhin ihren Wünschen beugen muss. Natalja will einen Erben und arrangiert daher seine Heirat mit der drei Jahre älteren Jewdokija. Jewdokija gebiert Peter auch den gewünschten Sohn, Alexej, doch ihr Verhältnis zu Peter ist mehr und mehr zerrüttet. Peter versucht, Alexej mit strenger Härte auf seine Zukunft als Thronfolger vorzubereiten. Der zarte Junge (Tolly Thwaites) ist den Ansprüchen seines Vaters jedoch nicht gewachsen. Als der kränkliche Ivan unerwartet stirbt, hält Peter die alleinige Macht in Händen. Doch der ambitionierte Monarch macht sich zunehmend Feinde. Nachdem er in einer Ausländersiedlung die Freundschaft des schottischen Offiziers Patrick Gordon (Jeremy Kemp) gewonnen hat, ist er begeistert von der Fortschrittlichkeit der westlichen Zivilisation. Von nun an hat er große Pläne: Er will sein Land aus der Isolation zu befreien und Handelsbeziehungen nach Westeuropa aufzubauen. Aber Russland verfügt weder über Häfen, noch über eine Handelsflotte - von einer Seestreitmacht, die notwendig wäre, um die Handelsrouten zu sichern, ganz zu schweigen. Peters Bestrebungen stoßen nicht nur bei den benachbarten Ländern Polen und Schweden, die bisher die Ostsee unter sich aufgeteilt haben, auf Misstrauen, sondern auch im eigenen Land. Peter orientiert sich in Kleidung und Auftreten an den westlichen Gebräuchen, führt umfassende Reformen durch. An der Ostsee soll ein großer Hafen, samt einer Stadt entstehen: St. Petersburg. Um seine Pläne zu finanzieren, lässt er die Kirche besteuern, und um Eisen für den Bau von Kanonen zu gewinnen, sogar die Glocken der Kirchtürme einschmelzen. Ihm wird vom streng gläubigen Volk, angestachelt von den Kirchenoberen, die um Macht und Einfluss bangen, nachgesagt, vom Teufel besessen zu sein. Auch dass er seine Ehefrau Jewdokija verlässt und statt dessen eine zweite Ehe mit der aus bäuerlichen Verhältnissen stammenden Martha Skawronskaja (Hanna Schygulla) eingeht, verschlechtert seinen Ruf. Als er ankündigt, eine Rundreise durch Europa unternehmen zu wollen, warnt man ihn vor einem Aufstand des Volkes. Noch nie hat ein Zar das Land verlassen. Es wäre, als würde er sein Volk im Stich lassen. Einem erneuten Aufstand der Strelitzen setzt er ein erbarmungsloses Ende, lässt ihre Anführer öffentlich hinrichten und verbannt die übrigen in weit abgelegene Gebiete. Der ständige Kampf mit seinen Widersachern macht Peter (jetzt Maximilian Schell) hart und verbittert. Unerbittlich bekämpft er jene, die ihm im Wege stehen. Selbst vor dem eigenen Sohn Alexej (jetzt Boris Plotnikov), der, von seiner Mutter aufgehetzt, ebenfalls zum Verräter an seinem Vater wird, macht er nicht Halt ...

Kritik:

Ein Budget von 27 Millionen US-Dollar (manche Quellen sprechen auch von 30 Millionen), ein internationaler Cast bekannter Schauspieler, 7500 Statisten (darunter ganze Infanterie- und Kavallerieregimenter der russischen Armee) und fast ein komplettes Jahr dauernde Dreharbeiten in Österreich und der ehemaligen Sowjetunion - mit diesem für eine TV-Produktion immensen Aufwand schuf der US-Fernsehsender NBC die Verfilmung des aufregenden Lebens des russischen Zaren und Großfürsten Peter I., besser bekannt als Peter der Große (geboren 1672, gestorben 1725), der das Riesenreich von 1682 bis 1721 regierte. Insbesondere die Tatsache, dass das Projekt als erste amerikanische Großproduktion in der Sowjetunion realisiert wurde, wo man von 1984 bis 1985 filmte, machte PETER THE GREAT zu einem TV-Event. Glasnost und Perestroika machten es möglich. Betrachtet man den Inhalt des Films und das damals in der Sowjetunion herrschende politische Klima, so tun sich zwischen der im Film behandelten historischen Figur Pjotr Alexejewitsch Romanow (so Peters bürgerlicher Name) und dem sowjetischen Präsidenten Michael Gorbatschow einige Parallelen auf: Beide waren sie politische Reformer, die die Notwendigkeit einer grundlegenden Öffnung und Reformierung ihres Landes erkannten. Und beide sahen sich rückwärtsgerichteten Kräften gegenüber, die diese Bemühungen wo sie nur konnten torpedierten und die alten Zustände wiederhergestellt sehen wollten. PETER THE GREAT hält sich weitgehend an die historischen Fakten. Das Drehbuch von Edward Anhalt basiert auf der 1981 veröffentlichten Biografie von Robert K. Massie, der für das Werk den Pulitzer-Preis erhielt.

An der Besetzung gibt es absolut nichts zu kritisieren. Der Film ist durchweg prominent und kompetent besetzt. Besonders heraus sticht der Deutsche Jan Niklas als junger Zar Peter, der den Monarchen sowohl als energiegeladenen Lebemann als auch als gewieften, kompromisslosen Strategen spielt. Leider war dem Mimen anschließend keine größere Karriere vergönnt. Er spielte danach weitgehend unauffällige Rollen in diversen deutschen TV-Filmen und Serien. 

Maximilian Schell wiederum ist die perfekte Besetzung für den gealterten Peter. Er spielt die Figur mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, aber auch mit der nötigen Kaltblütigkeit. Am Ende ist man als Zuschauer schon hin- und hergerissen, ob man diesen Mann, der allein seiner Prinzipien wegen sogar seinen Sohn zu Tode foltern lässt, noch als Sympathieträger anerkennen kann. Doch da es Schell eindrucksvoll gelingt, die gebrochenen Facetten des Charakters zu vermitteln, der unter Entscheidungen leidet, die er überzeugt ist, treffen zu müssen, schafft er es spielend, die Stimmung nie vollends gegen seine Figur umkippen zu lassen.

Ausgerechnet wegen Maximilian Schell wäre die Produktion allerdings beinahe zum Stillstand gekommen. Der Schauspieler erkrankte während der Dreharbeiten und musste nach seiner Genesung umgehend abreisen, um einem Engagement an der Berliner Oper nachzukommen. So stand das Team plötzlich ohne Hauptdarsteller da. Als Notlösung wurde der unbekannte Schauspieler Denis DeMarne als Schell-Double engagiert. Mittels Make-Up und geschickt gesetzter Kamera sowie einer nachträglichen Synchronisation seiner Dialoge durch Maximilian Schell wurde dies dann so gut es eben ging kaschiert. Wenn man es weiß und genauer hinschaut, kann man aber doch die ein oder andere Szene entdecken, in der man sich zurecht fragt, ob man da wirklich gerade Maximilian Schell vor sich hat.

Vanessa Redgrave geht mit ihrer strengen Kühle gänzlich in der Rolle der intriganten Sophia auf. Wenn Blicke töten könnten, wäre innerhalb der ersten zwanzig Filmminuten die halbe Besetzung dahin. Die übrigen Darsteller liefern allesamt ebenfalls gute bis sehr gute Leistungen ab, je nachdem, wieviel Raum ihnen die Geschichte für ihre Figuren lässt. Hier kommt einzig Omar Sharif meiner Meinung nach etwas zu kurz. Sein Prinz Feodor Romodanowski ist, obwohl er in allen vier Teilen der Serie auftaucht, nicht besonders tief in das dramatische Geschehen eingebunden, sondern fungiert meist als besorgt dreinblickender Stichwortgeber.

Die umfangreiche Zahl der in der Geschichte auftauchenden Figuren bot auch Gelegenheit für eine Vielzahl an prominenten Gastauftritten. So sind hier z. B. Laurence Olivier als König Wilhelm III. von Oranien-Nassau, Trevor Howard als Sir Isaac Newton, Ursula Andress, Mel Ferrer als König Friedrich I. von Preußen und Elke Sommer als dessen Frau Charlotte zu nennen. Neben amerikanischen, britischen und sowjetischen Darstellern ist insbesondere der deutsche Cast sehr umfangreich und umfasst neben den bisher schon genannten Namen u. a. Günther Maria Halmer, TRAUMSCHIFF-Kapitän Heinz Weiss, den als Vinzenz Bieler aus der langlebigen TV-Serie FORSTHAUS FALKENAU bekannte Walter Buschhoff und Christoph Eichhorn.

Marvin J. Chomsky inszenierte PETER THE GREAT souverän als komplexes Historiendrama mit allem, was dazu gehört. Chomsky war ein alter Hase im TV-Geschäft und konnte einen seiner größten Erfolge 1978 mit dem Vierteiler HOLOCAUST verbuchen. Inwieweit der als Co-Regisseur genannte Lawrence Schiller an den Dreharbeiten beteiligt war, lässt sich nicht genug sagen. Glaubt man einem Artikel der Los Angeles Times von 16. Januar 1986, kurz vor der Erstausstrahlung des Films, so wurde Schiller, der die Miniserie anfänglich auch mit entwickelt und produziert sowie die Verhandlungen für die Drehgenehmigung in der Sowjetunion ausgehandelt hatte, kurz vor dem Umzug des Teams von Österreich nach Russland von NBC gefeuert, weil man befürchtete, er würde das Budget überziehen. Schiller behauptete, die betreffende Budgetkalkulation beruhe auf einem Rechenfehler und verklagte NBC auf zehn Millionen US-Dollar Schadenersatz. Ob er den Prozess gewonnen hat oder man sich außergerichtlich einigte, ist mir leider nicht bekannt.

Dank der aufwendigen Promotion (über eine Million Dollar des Budgets sollen angeblich für Pressearbeit und Werbung ausgegeben worden sein) konnten die für die Erstausstrahlung am 2. Februar 1986 vorgesehenen Werbeblöcke erfolgreich an den Mann gebracht werden, und bereits vor dem Premierenabend hatte PETER THE GREAT dem Sender NBC seine reinen Kosten schon wieder eingebracht. Da der Februar jedoch traditionell ein Monat ist, in dem in den USA viele Miniserien und andere TV-Events laufen, sah sich der Film großer Konkurrenz ausgesetzt. An den ersten drei Ausstrahlungsabenden lief PETER THE GREAT parallel zu der von CBS ausgestrahlten 15-Millionen-Dollar-Produktion SINS mit Joan Collins, wobei SINS auch noch den Vorteil hatte, dass die Ausstrahlung eine Stunde früher begann als die Lebensgeschichte des russischen Zaren. am Ende machte SINS knapp das Rennen. Insgesamt 72 Millionen Zuschauer sahen die dreiteilige Joan-Collins-Schmonzette, während das vierteilige Historiendrama 75 Millionen Zuschauer für sich verbuchen konnte. Im Schnitt schalteten also 24 Millionen Zuschauer pro Folge SINS ein, während nur 18,75 Millionen Zuschauer jede Folge von PETER THE GREAT sehen wollten.

Bei den Golden Globes erntete PETER THE GREAT 1987 immerhin drei Nominierungen für die beste TV-Miniserie, Lilli Palmer als beste weibliche Nebendarstellerin in einem TV-Film und Jan Niklas als besten Hauptdarsteller in eine TV-Film. Zu den Gewinnern gehörte der Film bei den Emmys 1986. Hier räumte er bei sieben Nominierungen die Preise für die beste Miniserie, die Kostüme von Ela Maklakowa und Sibylle Ulsamer sowie die Musik von Laurence Rosenthal ab. Weitere Nominierungen gab es für das Produktionsdesign von Aleksandr Popow und John Blezard,die Kameraarbeit von Vittorio Storaro, den Tonschnitt sowie Vanessa Redgrave als bester Nebendarstellerin. Die Writers Guild of America verlieh Edward Anhalt 1987 den WGA Award für das beste adaptierte Drehbuch.

Fazit: Ich kann PETER THE GREAT nur uneingeschränkt empfehlen. Trotz der langen Laufzeit wird der Film zu keiner Minute langweilig. Dank der faktentreuen Umsetzung ist das Werk auch eine lehrreiche Lektion in russischer Geschichte. Wenn dem Film eines fehlt, so ist es ein wenig die epische Breite und Bildgewaltigkeit einer Kinoproduktion. Die Schauplätze und Sets wirken doch immer ein wenig zu klein und nicht prunkvoll genug, um wirklich zu überzeugen. Ab und zu hat man hier mit Matte Paintings nachgeholfen, aber auch das kaschiert diese Unzulänglichkeiten nicht gänzlich. Auch in den Massenszenen hat man trotz der weiter oben erwähnten bis zu 7500 Statisten immer irgendwie das Gefühl, dass hier doch etwas kleinere Brötchen gebacken wurden. Für eine TV-Produktion ist das aber trotzdem beachtlich. Vor allem die Entscheidung, tatsächlich vor Ort in Russland zu drehen, schafft einiges an Authentizität.

In Deutschland wurde die Serie erstmals in der Adventszeit 1986 in der ARD gezeigt. Mit Veröffentlichungen abseits der TV-Ausstrahlungen sieht es dagegen dünn aus. Abgesehen von einer VHS-Veröffentlichung in den USA auf drei Kassetten war der Film lange Zeit nicht käuflich zu erwerben. Bis sich 2011 das tschechische Label Levné Knihy der Miniserie annahm. Auf zwei separat erhältlichen DVDs ist der Vierteiler dort unter dem Titel PETR VELIKÝ erschienen. Die Bildqualität ist nicht überwältigend, aber ansehbar. Sie dürfte dem entsprechen, was 1986 weltweit über die Mattscheiben geflimmert ist. Dass es sich beim Ausgangsmaterial um ein (englischsprachiges) TV-Master handelt, ist auch daran erkennbar, dass ab und zu kleinere Bildstörungen in Form von Videospratzern auftreten, wie dies bei altem Videomaterial der Fall ist. Als Tonspur gibt es lediglich englischen Ton mit optional zuschaltbaren tschechischen Untertiteln. Extras sind keine vorhanden. Etwas doof ist, dass man die zwei Teile auf einer DVD jeweils nur einzeln anwählen kann anstatt beide ohne Unterbrechung hintereinander weg anzuschauen. Auch dass der Layerwechsel der ersten DVD mitten im Abspann des ersten Teils platziert wurde, wodurch dort kurz Bild und Ton einfrieren, wirkt störend. Aber ansonsten ist die Veröffentlichung durchaus gelungen und immerhin bisher die einzige legale DVD-Veröffentlichung überhaupt. Und bevor mich jetzt diverse Leute mit Fragen löchern, wo man die DVDs denn in Tschechien günstig ordern kann: Ich bin den Weg des geringsten Widerstandes gegangen und hab die Dinger im Doppelpack für unverschämte 20 Pfund (plus Porto) im Marketplace von Amazon.co.uk geordert. Wenn man sie direkt in Tschechien ordert, kosten die beiden Scheiben zusammen kaum 10 €. Leider ist allerdings erstens mein Tschechisch ziemlich lausig (um nicht zu sagen: nicht vorhanden) und zweitens war, egal bei welchem Shop ich geschaut habe, die DVD mit Teil 1 und 2 immer vergriffen.

Nachtrag: Mittlerweile ist vom Label Fernsehjuwelen auch eine deutsche DVD erschienen. Diese nutzt ein deutschsprachiges Sendemaster als Vorlage, enthält jedoch ein Making-Of sowie eine Reihe von Trailern sowie Deleted-Scenes als Bonus. In Bezug auf die Deleted-Scenes ist mir jedoch nicht bekannt, ob es sich dabei um "echte" entfallene Szenen, d. h. solche Szenen handelt, die auch in der US-Fassung fehlen, oder aber um Szenen, die lediglich für die deutsche TV-Ausstrahlung gekürzt wurden (ähnlich wie es z. B. bei der ersten deutschen DVD der TV-Miniserie JESUS OF NAZARETH von VCL der Fall war). 

Laufzeit: 371 Min. / Freigabe: ab 12