Mittwoch, 26. September 2012

TOP JOB


AD OGNI COSTO
Italien, BRD, Spanien 1967

Regie:
Giuliano Montaldo

Darsteller:
Edward G. Robinson,
Janet Leigh,
Robert Hoffmann,
Klaus Kinski,
Riccardo Cucciolla,
George Rigaud,
Adolfo Celi,
Jussara



Inhalt:

Nach 42 Jahren stattet Professor James Anders [Edward G. Robinson] seinem Jugendfreund Mark Milford [Adolfo Celi], mittlerweile ein Oberhaupt des organisierten Verbrechens, einen Besuch ab. Die Gründe dafür jedoch sind weniger sentimentaler Natur: 30 Jahre lang hat Anders in Rio de Janeiro als Englischlehrer gearbeitet. 30 Jahre lang blickte er vom Fenster seines Klassenzimmers aus auf die gegenüberliegende Bank. Seit 30 Jahren beobachtet er, wie zweimal im Jahr ein streng gesicherter Diamanten-Transport die Bank verlässt. Nun, nach seiner Pensionierung, will Anders auch endlich sein Stück vom Kuchen. Jahrelang studierte penibel genau das akkurat durchexerzierte Übergaberitual und erarbeitete einen ebenso kühl durchkalkulierten Plan, die millionenschwere Ware zu rauben. Doch zum Gelingen des Plans braucht er von Milford vier Männer: den Safeknacker Agostino [Riccardo Cucciolla], den Elektronikexperten Gregg [George Rigaud], den unberechenbaren Söldner Erich [Klaus Kinski] und den Playboy Jean-Paul [Robert Hoffmann], der sich an die Bankangestellte Mary [Janet Leigh] heranmachen soll. Beeindruckt von der plötzlichen kriminellen Energie seines Freundes, stellt Milford ihm das Team zusammen. Doch als die vier Männer sich in Rio begegnen, kommt es aufgrund ihrer unterschiedlichen Charaktere schnell zu Reibereien. Als dann auch der Plan nicht immer so funktioniert, wie er funktionieren soll, liegen die Nerven schneller blank als geplant …

Kritik:

Als 'Caper Movies' bezeichnet man ein Untergenre des klassischen Kriminalfilms, dessen Hauptfiguren nicht auf der Seite des Gesetzes stehen, sondern ganz im Gegenteil versuchen, eben dieses zu übertreten – in der Regel durch einen spektakulären Raub. Planung und Vorbereitung des Verbrechens nehmen dabei meistens ebenso viel erzählerischen Platz in Anspruch wie die eigentliche Durchführung. Im Grundton meist amüsant ist das Geschehen jedoch auch oft mit aufregenden Spannungsmomenten durchsetzt und der glückliche Ausgang der Ereignisse nicht unbedingt gewährleistet. Die Beliebtheit dieser Gattung, als dessen Startschuss der bereits 1955 entstandene französische Kassenerfolg RIFIFI gewertet werden darf, zieht sich mit Beiträgen wie OCEAN’S ELEVEN oder BANK JOB bis ins neue Jahrtausend. Als noch recht früher Vertreter dieser Kategorie, präsentiert sich TOP JOB in Sachen Handlung, Aufbau und Dramaturgie nahezu als Musterbeispiel, werden doch fast lehrbuchkonform alle notwendigen Versatzstücke brav und der Reihe nach abgefrühstückt. So findet das vom damaligen Dream Team Italien/Deutschland/Spanien gemeinsam gestemmte Werk seine Stärke dann auch weniger in der nur selten originellen Handlung, die den zu diesem Zeitpunkt bereits gesetzten Genre-Regeln in schon beinahe demütiger Schnörkellosigkeit gehorcht und in welcher selbst Fehlschläge den zu erwartenden Gesetzmäßigkeiten folgen.

Allerdings werden die Ereignisse dermaßen dicht erzählt, dass deren Formalhaftigkeit gar nicht belastend ins Gewicht fällt. Tatsächlich hat die wohlüberlegte Regie Giuliano Montaldos’ [→ GOTT MIT UNS] das Werk so kompetent im Griff, dass die temporären Unglaubwürdigkeiten (ein paar davon muss sich TOP JOB schon ans Bein binden lassen) von der straffen Dramaturgie spielend übertüncht werden. Die malerische Kulisse Rio de Janeiros ruft mit ihrem exotischen Flair beim Betrachter geradezu zwangsläufig beschwingte Urlaubsgefühle hervor und gibt somit einen nahezu perfekten Schauplatz für das Gaunerstück ab, steht das bunte Treiben doch im schönsten Widerspruch zu den sinistren Taten der Protagonisten.

Die größte Trumpfkarte TOP JOBs dürfte die international zusammengeklaubte Besetzung sein. Zwar bedient jede einzelne der Figuren auf fast schon lächerlich überzogene Art und Weise eine bis in die Haarspitzen stereotypische Klischeefigur, doch werden diese ausnahmslos auf solch hochengagierte Weise dargestellt, dass man für die realitätsfremden Übertreibungen schon fast dankbar sein muss. So gibt Klaus Kinski [→ JACK THE RIPPER] den grobschlächtigen Söldner – seinem Image treu bleibend – als tickende Zeitbombe mit unerfreulichem Hang zu spontanen Gewaltausbrüchen, während Robert Hoffmann [→ DIE NACHT DER ROLLENDEN KÖPFE] als leicht tuckiger französischer Herzensbrecher (natürlich auf den Namen Jean-Paul hörend) einem dieser Qualitätsromane mit den halbnackten, eine kesse Adelsfrau im Arm haltenden Muskelmännern auf dem Titelblatt entsprungen sein könnte. Ein besonderer Höhepunkt ist Georges Rigaud [→ FRISS ODER STIRB]: Sein Charakter als gealterter Technikexperte, zwischen krimineller Energie und milder Altersweisheit, strahlt eine Aura des Würdevollen aus und hat schnell die Sympathien des Publikums auf ihrer Seite. Einzig Riccardo Cucciolla [→ TOTE PFLASTERN SEINEN WEG] fällt als analytischer Safeknacker ein wenig ab und hinterlässt einen im Vergleich wenig bleibenden Eindruck, was jedoch hauptsächlich seiner etwas lieblos konzipierten Figur geschuldet ist – an seinem Schauspiel ist im Prinzip nichts auszusetzen.

Glücklicherweise war die Regie bedacht genug, nach Ende eines Dialogs nicht Hals über Kopf zur nächsten Sequenz zu hetzen, sondern den Akteuren vor Szenenwechsel noch ausreichend Zeit zu gewähren – für noch einen letzten Blick, eine kurze Mimik, eine abschließende Geste. So entstanden massig kleine, aber äußerst feine Momente, in welchen das exquisite Ensemble seine Qualitäten nochmal zusätzlich unter Beweis stellen kann. Das Konfliktpotential zwischen den grundsätzlich so verschiedenen Parteien wurde geschickt genutzt und sorgt für zusätzliche Spannung: Wie die vier unterschiedlichen Männer, die sich weder zuvor kannten, noch sich besonders gut leiden können, gezwungen sind, zusammenzuarbeiten, um zum Erfolg zu gelangen, das steckt voll unterschwelliger brodelnder Unruhe, einem Pulverfass gleich, das jeden Moment hochgehen könnte.

Durch Tunnel, Panzertüren und Lichtschranken bahnen sich die Protagonisten ihren Weg und sorgen dabei für einige große Augenblicke: So sind die Einbrecher in einer Szene zu absoluter Lautlosigkeit gezwungen, da bereits das geringste Geräusch Alarm auslösen würde. Die Angespanntheit der minutenlangen Stille, in welcher jeder Schnaufer bereits wie das lauteste Geräusch der Welt wirkt, raubt einem selbst den Atem und ist von beachtlicher Intensität. In Momenten wie diesen erhebt sich TOP JOB zu wahrer Größe und scheint seinen etlichen Epigonen um einige Qualitätsstufen voraus. Gegen Ende jedoch sahen sich Autoren offenbar gezwungen, origineller zu sein als notwendig und verwässerten die bis dahin äußerst geradlinig ablaufenden Ereignisse mit ein paar hastig herbeieilenden Überraschungsmomenten. Dieses schadet nicht nur der bis dahin tapfer durchgezogenen Stringenz, sondern strapaziert bisweilen auch ein wenig zu sehr die Glaubwürdigkeit. Doch wirken selbst diese kleineren Unvollkommenheiten TOP JOBs (zu denen sich auch die eindeutig als Drahtseile zu identifizierenden Lichtschranken zählen dürfen) eher sympathisch als verärgernd und können dem munteren Trubel kaum etwas anhaben.

Eingerahmt vom für den Komponisten zwar ungewöhnlichen, aber dennoch wie üblich sehr hörenswerten Sound Ennio Morricones [→ SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD], welcher die Ereignisse dieses Mal mit glockenreinen Knabenstimmen untermalt und damit bereits während des Vorspanns ein beschwingtes Gefühl der Leichtigkeit vermittelt, werden einem hier gut zwei Stunden vorzügliche Unterhaltung mit ungemein stimmiger 60er-Jahre-Wohnfühl-Atmosphäre geboten – ein exakt dosiertes Konglomerat aus Raub, Radau und Ränkespiel. Top Job!

Laufzeit: 119 Min. / Freigabe: ab 12

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