Dienstag, 6. Mai 2014

THE RIFFS 2 - FLUCHT AUS DER BRONX


FUGA DAL BRONX
Italien 1983

Regie:
Enzo G. Castellari

Darsteller:
Mark Gregory,
Henry Silva,
Valeria D'Obici,
Giancarlo Prete,
Paolo Malco,
Ennio Girolami,
Antonio Sabàto,
Alessandro Prete


Inhalt:

„Verlassen Sie die Bronx! Tragen Sie sich ein für ein neues Zuhause im zauberhaften New Mexico!"

So schallt es mantrahaft aus den Lautsprechern des bewaffneten Säuberungskommandos. Und die präsidentiellen Putzmänner haben ihre eigenen Methoden, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen: Wer sich weigert, sein Zuhause zu verlassen, wird, wenn er Glück hat, brutal misshandelt, wenn er Pech hat, gut durchgeröstet. Hintergrund der gewaltsamen Aktion ist das geplante Bauprojekt des mächtigen Immobilienkonzerns "General Constructions", dessen gewissenloser Vorsitzender Henry Clarke [Enio Girolami] die abgehalfterte Bronx in ein schniekes Hochhausparadies für Bestverdienende verwandeln möchte. Auch ein älteres Ehepaar weigert sich, seine Heimat aufzugeben. Beide enden als ein Haufen Asche. Es waren die Eltern von Trash [Mark Gregory], dem knallharten Anführer der Rockerbande 'Riffs', der nun ein persönliches Interesse an blutiger Rache hegt. Trash begibt sich in den Untergrund und beginnt, gemeinsam mit der mutigen Reporterin Moon Grey [Valeria D'Obici], dem Rebellen Toblerone [Antonio Sabàto] sowie dem Einzelkämpfer Strike [Giancarlo Prete] den Widerstand zu formieren. Der Plan: die Entführung des Mannes, der alles zu verantworten hat – Präsident Clarke. Doch die Regierung schickt ihren eigenen Mann auf die Widersacher: den eiskalten Schlächter Floyd Wrangler [Henry Silva].

Kritik:

DIE GEWALT SIND WIR behaupteten 1982 die titelgebenden 'Riffs' und waren damit tatsächlich – nicht zuletzt aufgrund ihrer kosteneffizienten Machart - gewaltig erfolgreich. Nur ein Jahr dauerte es bis zur unvermeidlichen Fortsetzung, wieder inszeniert von Genreprofi Enzo G. Castellari und abermals mit dem wandelnden Muskelberg Mark Gregory in der Hauptrolle. Während die Besetzung also vertraute Gefühle erweckt, beschreitet man inhaltlich eher neue Wege: Die 'Riffs' sind zerschlagen (der deutsche Titel ist daher strenggenommen nicht ganz korrekt), ihr Anführer 'Trash' das einzige Überbleibsel der ehemaligen Biker-Gang. So ist THE RIFFS 2 dann auch – im Gegensatz zum Vorgänger - weniger Bandendrama als viel mehr klassische Einzelkämpferaction in bewährter RAMBO-Manier. Das Element der rivalisierenden Straßengangs wurde in dem Zusammenhang ebenfalls fast vollkommen eliminiert. Der gemeinsame Feind kommt hier von außen und trägt Anzug und Krawatte.

Diese Kontraste sind es, die THE RIFFS 2 so fabelhaft auszuloten versteht: Die elitäre Schicht gibt sich gönnerhaft und grenzt sich in blitzeblanker Umgebung ganz bewusst ab vom bildungsfernen Straßenleben in Schmutz und Schutt, ist in Wahrheit jedoch verlauster, als der dreckigste Slum-Bewohner es je sein könnte. Geradezu gottgleich stehen die Mächtigen des Landes vor dem Modell ihres protzigen Bauprojektes (welches sie ganz bescheiden als „Achtes Weltwunder“ titulieren), während sie in beinahe schon erotischer Verzücktheit mit dem Finger über dessen glitzernde Fassaden streichen. Das ist natürlich nicht frei vom Klischee, im Grunde sogar der Inbegriff desselben, funktioniert aber durchgehend großartig, zumal auch ansonsten mit Zynismen nicht gespart wurde: So ertönt das so wohlwollend scheinende „Tragen Sie sich ein für ein neues Zuhause im zauberhaften New Mexico!" bereits, noch bevor die erste Szene überhaupt zu sehen ist. Erst nach der folgenden Aufblende wird deutlich, wie sehr Verheißung und Realität auseinanderklaffen: Die Säuberungstruppen haben das Gebiet bereits in ein grauenhaftes Schlachtfeld verwandelt, zwischen den Spruchbändern und Schildern mit den verheißungsvollen Zukunftsbotschaften werden die Menschen wie Vieh zusammengetrieben oder massenhaft hingerichtet.

Die Sympathien des Publikums liegen also forcierterweise eindeutig auf Seite der unterjochten Unterschicht, so dass die Gewaltakte der 'Helden' dann auch ungefragt beklatscht werden dürfen. Dabei geht es nicht gerade zimperlich zu, THE RIFFS 2 stapelt tatsächlich ganze Leichenberge. Wahre Heerscharen der mit silbernen Schutzanzügen und Motorradhelmen zur konformen Anonymität kostümierten Widersacher laufen punktgenau in die rebellischen Kugeln, werden in Zeitlupe in die Luft gesprengt oder bekommen vom Racheengel Trash den Helm mitsamt sich dahinter befindlichem Gesicht zertrümmert (denn wie sang die norddeutsche Kapelle 'Torfrock' doch schon so überaus treffend?: "Das matscht so schön und tut so gut.“). Zwar ist deutlich zu erkennen, dass hier keine Menschen zerrissen werden, sondern menschenähnliche Puppen und die zermalmten Visagen lediglich mit blutähnlicher Masse befüllte Attrappen sind, doch sorgen gerade die käsigen Effekte für die Extraportion Charme.

Der Gewaltpegel wurde gegenüber dem Vorgänger tüchtig angezogen, und ab einem gewissen Zeitpunkt gibt es kaum noch eine Szene, die nicht damit endet, dass die Helden aus dem Hinterhalt angegriffen werden und sich ihrer Haut erwehren müssen. Dabei nimmt das massenhafte Meucheln zeitweise fast schon bedenkliche Züge an, wenn der etwas vorlaute Bengel einer der Kämpfer ('Strike'-Darsteller Giancarlo Pretes tatsächlicher Sohn Alessandro Prete) fleißig mittöten darf und dafür bei Erfolg ausgiebig vom Papi gelobt wird. Bis ins Absurde übersteigert sich die Vernichtungsarie, wenn Trashs Kugeln nicht nur zuverlässig jedes noch so weit entfernte Ziel treffen, sondern dieses aus unerfindlichem Grunde auch noch in einem Feuerball versinken lassen. So darf er mit seinem simplen Sechsschüsser ohne jede Schwierigkeit einen Helikopter vom Himmel holen, welcher natürlich nicht besseres zu tun hat, als mal eben zu explodieren. Sollte sich Trash allerdings zufällig mal selbst in einem explodierenden Haus befinden, so ist das auch kein größeres Problem: Eilig aus den Trümmern rausgewühlt, das schmucke Westchen abgeklopft und die Wunderwumme nachgeladen.

Natürlich schaden solche Momente der Glaubwürdigkeit (um nicht zu sagen: sie wird dadurch vollkommen vernichtet), letztendlich sind es jedoch gerade diese kleinen Verrücktheiten, die das Stimmungsbarometer immer wieder steil nach oben treiben. So dürften Trashs Eltern auch weltweit so ziemlich die einzigen sein, die einen lebensgroßen 'Bravo'-Starschnitt ihres Sohnes in der Wohnung hängen haben (welcher zudem auf dem Bild auch keinen Deut jünger aussieht als zur Zeit der aktuellen Handlung). Trashs Rachemotive aufgrund ihres erzwungenen Ablebens spielen zwar im weiteren Verlauf dann gar keine Rolle mehr (zumal das Drehbuch den Kampf der Unterdrückten gegen das Establishment ohnehin unabdingbar macht), doch nur die Allerspitzfindigsten dürften sich an diesem Umstand stören. Letztendlich ist die Prämisse sowieso nur das Mittel zum Zweck, die 90 Minuten Spielzeit mit möglichst vielen Actionsequenzen zu strecken.

Diese sind dann auch ohne Wenn und Aber ausgezeichnet in Szene gesetzt: Wenn die Protagonisten durch verfallene Ruinen und versiffte Kanäle schleichen und sich, die Kamera stets im Nacken, mit ihren Gegnern aufwändig produzierte, effektreiche Feuergefechte liefern, sich alles in Bewegung befindet und gleichzeitig doch wunderbar übersichtlich bleibt, dann ist das astreines, sauberes Actionkino der dreckigen Art, das den vielbemühten Vergleich mit Hollywood nicht zu scheuen braucht. Fast drängt sich einem dabei der Eindruck auf, Castellari und sein Team hätten die Fortsetzung nur gedreht, weil ihnen beim Erstling die Idee mit den Flammenwerfern erst so spät gekommen war und sie nun diesbezüglich mal so richtig vom Leder ziehen wollten. So wird bereits in der Anfangsszene fleißig Gebrauch gemacht von dem feurigen Utensil, welches bis zum Finale dann auch noch einige Male zum Einsatz kommen darf. Leider versäumte man es, den einzelnen Actionszenen individuellen Charakter zu verleihen, so dass die ständigen Schusswechsel insgesamt ebenso ununterscheidbar voneinander daherkommen wie die behelmten Bösewichte in ihren Silberanzügen. Auch findet kaum eine Steigerung statt, die letzte Szene ist wie die erste ist wie die mittlere. Besonders dem Hauptantagonisten hätte man ein etwas schäbigeres Ende gewünscht als dem Rest, das Finale geriet ernüchternd unspektakulär.

Mark Gregory hat seine Drohung wahrgemacht und sich seit Teil 1 einen zweiten Gesichtsausdruck antrainiert (so irgendetwas zwischen Erstaunen und Verwirrtheit). Damit spielt er jetzt automatisch besser als Steven Seagal in jedem seiner Filme. Gleichzeitig ist er auch einer der wenigen, der seinen Namen erneut auf die Besetzungsliste schreiben durfte. Ein weiteres Wiedersehen gibt es mit Ennio Girolami, dessen Rolle zwar anders heißt, im Prinzip jedoch die gleiche ist. Als arroganter Anzugträger wirkt er überaus überzeugend und stellt einen gelungenen Gegenpart zu den schrill kostümierten Bronx-Bewohnern dar. Für die Frauenquote sorgt Valeria D'Obici als Reporterin Moon Grey, die vergeblich versucht, die Öffentlichkeit auf die Missstände in der Bronx aufmerksam zu machen (dass es keine sehr kluge Taktik ist, zu diesem Zwecke auf Pressekonferenzen wie eine Geisteskranke herumzuschreien, hätte man ihr allerdings mal mitteilen sollen).

Als zu erwartendes Highlight entpuppt sich Italo-Ikone Henry Silva, der als sadistischer Staatsdiener nahezu perfekt besetzt ist und keine Not damit hat, Häuser zu sprengen, die noch nicht vollkommen geräumt sind, allerdings fast selbst kollabiert, wenn sein Kaffee falsch gezuckert wurde (wobei er in der deutschen Fassung interessanterweise ausrastet, weil sein Kaffee ohne Zucker serviert wird, während er selbiges in der Originalfassung tut, weil er mit Zucker serviert wird). Der Rest der Belegschaft agiert zwar überwiegend nur als Stichwortgeber, ist aber durch die Bank treffend besetzt. Selbst das vollkommen übertriebene Schauspiel von Antonio Sabàto passt zur Figur des extravaganten Untergrundkämpfers, und Giancarlo Prete nimmt man den Sprengstoffexperten trotz (oder gerade wegen?) eingeschränkter Mimik ebenfalls sofort ab. Der eigentliche Hauptdarsteller ist aber natürlich ohnehin wieder der Schauplatz des Ganzen, dieser grandios verranzte Moloch, der die perfekte Kulisse für das dreckige Schießen und Sterben abgibt.

THE RIFFS 2 ist eine überraschend konsequente Weiterentwicklung der Ereignisse des ersten Teils, ein exzellent gefilmter, von erlesenen Zeitlupen-Sequenzen im Stile Sam Peckinpahs durchsetzter Budenzauber mit deutlich erhöhten Schauwerten und einer nicht geringen Dosis bitteren Spotts, inhaltlich zeitweise zwar etwas flügellahm und überraschungsfrei, doch für Freunde zünftiger B-Action eigentlich unverzichtbar. Zu erwähnen bliebe höchstens noch, dass der Titel FLUCHT AUS DER BRONX inhaltlich Unsinn ist (und wohl nur gewählt wurde, um an eines der Vorbilder – ESCAPE FROM NEW YORK 
 zu erinnern), da es ja gerade darum geht, in der Bronx bleiben zu dürfen, aber daran soll es nicht scheitern. Verlassen Sie nicht die Bronx, lehnen Sie sich zurück, und genießen Sie ein weiteres zauberhaftes B-Movie von Castellari. Und vergessen Sie den Flammenwerfer nicht!

Laufzeit: 86 Min. / Freigabe: ungeprüft

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