Italien 1971
Regie:
Rafael Romero Marchent
Darsteller:
Gianni Garko,
Guglielmo Spoletini,
María Silva,
Raf Baldassarre,
Cris Huerta,
Francisco Sanz,
Luis Induni,
Carlos Romero Marchent
„Hol schon mal die Karten raus!“
„Aber mit … Ääääh … Wie hieß der noch gleich?“
„Vergnügen.“
„Richtig! Mit Vergnügen.“
Inhalt:
Santana [Gianni Garko] und Marcos [Guglielmo Spoletini] sind zwei Gauner, die ständig dem Großen Geld hinterherjagen. Nach ihrem letzten Bankraub jedoch werden ihnen die erbeuteten Moneten von ihrem Partner Burton [Raf Baldassarre] wieder abgeluchst, während sie sich in einer vom Sheriff belagerten Holzhütte wiederfinden. Allerdings können sie Hilfssheriff Smitty [Cris Huerta] mit der Aussicht auf ordentlich Barschaft davon überzeugen, gemeinsam bei Geldräuber Burton vorbeizuschauen. Als der Besuch jedoch erfolglos verläuft, da Burtons Bruder sich den Zaster bereits unter den Nagel gerissen hat, will Smitty die Beiden in den Bau stecken. Diese lehnen dankend ab, indem sie ihn am nächsten Baum aufknüpfen. Stattdessen schließt sich die schöne Maria [María Silva], welche gerade Hab und Gut verloren hat, dem Trupp an. Das Geld wechselt inzwischen abermals den Besitzer, als die sadistischen Kirby-Brüder Burton zwangsenteignen. Eher zufällig kreuzen sich die Wege der Kirbys mit denen von Santanas Trupp. Doch auch nach erfolgter Bleiorgie sind die letzten Fronten noch nicht geklärt, denn: 'Bosheit, dein Name ist Weib!'
Kritik:
Als Western-Freund durfte man in den 60er und 70er Jahren schon mal leicht verwirrt sein. Nicht nur, dass sich die zahlreichen Revolverhelden charakterlich häufig glichen wie ein Ei dem anderen, auch ihre Namen waren sich oftmals zum Verwechseln ähnlich. Eine der Paraderollen des in Kroatien geborenen Schauspielers Gianni Garko [→ DJANGO - 10.000 BLUTIGE DOLLAR] war die des Meisterschützen Sartana, der bei seinem ersten Auftritt 1966 noch als brutaler Schurke fungierte, bevor er ab 1968 unter demselben Namen in einer vierteiligen Reihe den Bösewichten als sarkastischer Verbrechensbekämpfer selbst das Lebenslicht ausknipste. 1970 gab es dann noch ein weiteres Sartana-Abenteuer, allerdings wurde die Figur hier von George Hilton dargestellt und zudem in der deutschen Fassung Django genannt. Wie gesagt: verwirrend. Und weil das alles noch nicht reicht, erschien 1971 ein wiederum von Garko verkörperter Sartana auf der Leinwand, welcher jedoch abermals ein völlig anderer Charakter war und womöglich auch deswegen vom deutschen Verleih in Santana umgetauft wurde. ...UND SANTANA TÖTET SIE ALLE nennt sich das im vollen Wortlaut, und dieser Titel kommt nicht von ungefähr. Denn wo Sartana noch das Herz am rechten Fleck hatte, ist Santana ein ziemlicher Halunke, der stets auf eigenen Vorteil bedacht ist und zur Not lieber einen zu viel als zu wenig über die Klinge springen lässt.
Diese Eigenschaft teilt er mit seinem Weggefährten Marcos, gespielt vom ehemaligen Stuntman Guglielmo Spoletini [→ VIER FÄUSTE SCHLAGEN WIEDER ZU], mit welchem er ein doch recht eigenartiges Gespann abgibt. Beide sind zwar offenbar beste Kumpels, pflegen dabei jedoch ein ganz eigenes Verständnis von Freundschaft und jagen sich, wenn sie grantig aufeinander sind, schon mal gegenseitig eine Ladung Blei vor die Füße. Und als Santana seinen Kompagnon kurzzeitig für dahingeschieden hält, dauert es keine fünf Minuten, bis er bei dessen Bettgespielin auf Tuchfühlung geht. Als der vermeintlich Verblichene dann plötzlich relativ quicklebendig im Schlafzimmer steht, ist dieser zwar zunächst erbost ob dieser unerhörten Treulosigkeit, nachdem Santana ihm aber glaubhaft versichern konnte, dass der Beischlaf seiner Freundin ja nicht freiwillig erfolgte, ist alles wieder in Butter. Mit Zynismus wird hier also wahrlich nicht gespart, was mittels der deutschen Synchronfassung nochmal intensiviert wird.
Der Grund dafür ist Rainer Brand, der dem boshaften Geschehen nach eigenem Buch seinen bewährten Stempel aufdrückte. Zu Brands bekanntesten Arbeiten zählen die deutschen Vertonungen einer Vielzahl von Bud-Spencer-/Terence-Hill-Streifen, die mit dem schnodderigen Sprachstil meist hervorragend harmonierten. Bei ...UND SANTANA TÖTET SIE ALLE bediente er sich aus gleichem Fundus, was das Bosheitsbarometer in sagenhafte Höhen schnellen lässt. Denn Santana und Marcos sind eben keine harmlosen Spaßvögel wie Spencer und Hill, die in ihren Komödien moralisch ja stets völlig integer waren, sondern zwei eigentlich sehr brutale Gesellen, die zur Durchsetzung ihres Willens notfalls auch Unschuldige mit einem müden Arschrunzeln ins Jenseits befördern. Dennoch hauen sie zeitweise im Maschinengewehr-Rhythmus sarkastische Einzeiler raus, die zudem überwiegend ebenso sicher ins Schwarze treffen wie die Kugeln Santanas. Als Marcos Santana mit seiner Perle im Bett erwischt, ruft der in flagranti Ertappte erfreut: „Grüß dich, Keule! Hätteste ma ne Brieftaube geschickt, bevor du kamst, dann hätten wir geheizt.“ Als Santana den nicht gerade schlanken Smitty erspäht, grübelt er: „Für einen Menschen ist er zu fett, aber für ein Schwein hat er zu kleine Ohren.“ Als ein Kontrahent vor Santana in vermeintlich cooler Pose verharrt, kommentiert dieser das mit: „Is' bald Ostern, was? Der steht so breitbeinig da.“ Und über ihre spätere Weggefährtin Maria heißt es höchst charmant: „Eine Klassefrau! Man muss ihr nur ab und zu mal eine runterhauen, damit sie klasse bleibt.“
Die Inszenierung Rafael Romero Marchents [→ GARRINGO – DER HENKER] geriet zwar überwiegend routiniert, wartet aber mit einigen netten Sperenzchen auf. Im Gedächtnis bleibt vor allem eine überraschend intensive Sequenz zur Halbzeit, in welcher die grausame Kirby-Familie ein paar Siedler entführt, sich hemmungslos betrinkt und ihre Opfer sadistischem Psychoterror aussetzt. Die Kamera fängt dabei unsaubere Nahaufnahmen wahlweise gequälter und quälender Gesichter ein, was, verbunden mit der Klangkulisse aus johlendem Gelächter und unterstützt von dem rasanten Schnitt, welcher in seinem Tempo zur Orientierungslosigkeit führt, ein wunderbar alptraumhaftes Szenario entstehen lässt. Überhaupt ist die Kameraarbeit hier nicht verachten und sorgt für ein paar gelungene visuelle Eindrücke. So gefällt beispielsweise auch die dynamische Fahrt um einen Pokertisch, auf dem eine brennende Dynamitstange die Anwesenden mit dem Tod bedroht.
Eingerahmt von flottem Titelsong, welcher sich jedem, der ihm lauscht, erstmal für die nächsten paar Stunden in den Gehörgang bohrt, bietet ...UND SANTANA TÖTET SIE ALLE, nicht zuletzt dank der Synchronfassung, angenehm asoziale Western-Unterhaltung, die freilich all jenen Kritikern in die Hände spielt, welche den Italo-Western als menschenverachtenden Schund verabscheuen. In der Tat wird hier recht starker Tobak geboten. Die Macher kreierten genregerecht ein biestiges Pendant zur Heile-Welt-Attitüde anderer Anbieter, ein dreckiges Biotop, in dem keine bunten Blumen, sondern blaue Bohnen blühen und in dem Profit und primitive Instinkte die größten Regenten sind. Selbst die vermeintlichen Sympathiefiguren sind Widerlinge. Sie vergewaltigen, sie morden und reißen (vorwiegend in der deutschen Fassung) noch muntere Sprüche dabei. Bis zum Schluss weiß man nicht so recht, ob man sich mit ihnen solidarisieren oder sie verabscheuen soll, und immer, wenn man gerade Gefahr läuft zu vergessen, dass man es hier eigentlich mit zwei astreinen Anti-Helden zu tun hat, ritzen Santana und Marcos eine weitere Kerbe ins Holz. Nicht zuletzt fragt man sich, ob sich die beiden selbst überhaupt gegenseitig leiden können. Immerhin riskieren sie zeitweise ohne erkennbaren inneren Konflikt auch den Tod des anderen und scheinen im Falle des Falles auch keine Träne über das Ableben des Partners zu vergießen. Vermutlich ist dieses Verhalten einfach das Resultat des rauen Umfeldes, in dem sie sich befinden, und mag es auch eigentümlich erscheinen, so scheinen sie zumindest nicht vergessen zu haben, dass so etwas wie Freundschaft tatsächlich existiert - das ist in der Welt, in der sie sich befinden und aufgewachsen sind, vermutlich schon etwas wert.
Laufzeit: 85 Min. / Freigabe: ab 18
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