Montag, 13. Mai 2024

BLOODY STONES


GWAI MA BO BIU CHAAK MEI YAN
Hongkong, Großbritannien 1988

Regie:
Frankie Chan

Darsteller:
Frankie Chan,
Kent Cheng,
Anthony Chan,
Cherie Chung,
Maria Cordero,
Bill Tung,
Kitty Chan,
Sandra Lang



Dass im Hongkong-Kino seit jeher andere Konventionen gelten als im überwiegenden Rest der Welt, dafür tritt BLOODY STONES bereits in seinen ersten 5 Minuten den schlagenden Beweis an. Denn während es woanders als vorprogrammiertes Kassengift gilt, ein Genre nicht passgenau zu bestimmen und dessen Regeln im Laufe der Erzählung penibel einzuhalten, werden hier ohne Rücksicht auf Verluste und Homogenität verschiedene als publikumswirksam erachtete Elemente in einen Topf geworfen und mit ordentlich Schmackes verrührt. So beginnt die Geschichte in fideler Unbekümmertheit, als der ebenso gemütliche wie korpulente Kent Cheng auf dem Nachhauseweg ein kleines Mädchen trifft, das herzzerreißend schluchzt, da ihr Kätzchen unerreichbar im Baum sitzt. Cheng, kein Unmensch, klettert zwecks Rettung galant ins Geäst und bemerkt erst, dass er übers Ohr gehauen wurde, als sich das nun plötzlich gar nicht mehr so traurige Kind am Boden mit seinen zwecks Haustierrettung abgelegten Einkäufen aus dem Staub macht. Als am gegenüberliegenden Fenster dann auch noch eine schimpfende Schreckschraube erscheint und ihn lauthals und faktisch falsch als Sittenstrolch beschimpft (Chengs Reaktion: „Quatsch mit Soße! Das hätte die Tante wohl gern!“), kommt aus heiterem Himmel Chengs Kumpel Ho des Wegs, um ein paar hämische Kommentare abzulassen. Das geht so lang gut, bis die Keiferin anfängt, die beiden mittels Zwille zu malträtieren und Cheng deswegen vom Baum fällt. Dabei kracht er auf einen wie zufällig bereitstehenden Rollwagen, auf welchem er jetzt in Zeitraffer und von lustiger Slapstick-Musik begleitet die Straße hinunterbollert, bevor der Zusammenprall mit einem von Ho extra zu diesem Zwecke gestoppten Taxi seinen unfreiwilligen Trip beendet. „Wo soll's hingehen?“, fragt ihn der Fahrer noch, als wäre das alles völlig normal.

Bis hierhin: Harmloser Humor mit Aszendent Hirnverödung, der auch aus einem deutschen Lustspiel-Verbrechen mit Rudi Carrell & Co. KG hätte stammen können. Doch unmittelbar nach diesen infantilen Ereignissen bricht aus heiterem Himmel neben den Protagonisten ein bewaffneter Raubüberfall aus. Cheng und Ho zücken die Knarren, rufen „Hände hoch, Polizei!“ und befinden sich unversehens in einem amtlichen Kugelhagel, der massig Tote und Verletzte fordert. Es folgt eine wüste PS-unterstützte Verfolgungsjagd, die final in einen Fahrstuhl führt, in welchem Ho dem letzten noch verbliebenen Räuber einen saftigen Kopfschuss verpasst, sodass sich dessen Hirn nun formvollendet in Chengs Gesicht verteilt. Zwar wurde diese Sequenz aus vielen internationalen Fassungen herausgeschnitten, aber der ebenso krasse wie unvermittelte Wechsel von argloser Albernheit zu hammerhartem Action-Sturm macht dennoch staunend. Umso mehr, da diese einleitenden Ereignisse mit der darauf folgenden eigentlichen Handlung rein gar nichts zu tun haben und nur existieren, um die beiden Hauptfiguren, die Polizisten Cheng und Ho, einzuführen. Und die Tonart des Films freilich.

Inhalt:

Stewardess Ko [Cherie Chung] und ihre Freundin Cai [Ngau Choi-Ling] werden vom Syndikat gezwungen, Diamanten zu schmuggeln. Doch die Damen drehen den Spieß um und setzen sich mit den Steinen ab. Als sie ihren Erfolg des Nachts am Strand feiern wollen, werden sie plötzlich von zwei Killern angegriffen, wobei Cai ums Leben kommt. Der zufällig sich vor Ort befindliche Inspektor Ho [Frankie Chan] kann zumindest verhindern, dass Ko ebenfalls getötet wird. Die geschwächte Frau wird ins Krankenhaus eingeliefert, wo Ho und sein Kollege Cheng [Kent Cheng] für ihre Sicherheit sorgen sollen. Doch das erweist sich als schwieriger als gedacht. Denn der kriminelle Geschäftsmann Li [Lee Ji-Kei] ist auf die Beute scharf und schickt seine besten Leute los, um Ko zu schnappen. Kurzerhand quartieren die beiden Polizisten die gefährdete Frau in ihrer Wohngemeinschaft ein.

Kritik:

Fraglos: Die Handlung von THE GOOD, THE BAD & THE BEAUTY (so der eigentliche englische Titel in recht sinnfreier Anlehnung an den eines berühmten Italo-Westerns) ist fern von gesteigerter Kreativität, um nicht zu sagen: ziemlich einfallslos. So geht es in der Quintessenz um nicht viel mehr als um eine Zeugin, die geschützt werden muss, und einen Gangsterboss, der ihr nach Hab und Leben trachtet. Dies dient als Aufhänger für eine relativ lose Aneinanderreihung von recht ruppigen Mord-Szenen (vor allem Krankenhauspersonal hat, wenn Boss Li seine Leute losschickt, nur wenig zu lachen), vereinzelten Action-Sequenzen mit Hauen, Stechen und Schießen sowie reichlich Situations- und Synchronisationskomik - denn zumindest die deutsche Fassung ist mit verbalem Frohsinn zugepflastert. In erster Linie zugunsten der beiden männlichen Hauptfiguren, die sich nicht nur eine Bude teilen wie ein altes Ehepaar, sondern sich auch so benehmen wie eines, indem sie sich den lieben langen Tag innigste Insultationen an den Kopf werfen.


„Sie hätten dir wenigstens ein Bein brechen können oder den halben Arm abschießen oder sowas.“
[Cheng verleiht seiner Freude Ausdruck, dass Ho den Kampf mit den Killern unbeschadet überstanden hat.]


Diese Dauer-Stichelei zwischen den beiden Gesetzeshütern funktioniert überraschend gut, da BLOODY STONES diesbezüglich anders konzipiert ist als die klassische Cop-Komödie der Marke NUR 48 STUNDEN oder RED HEAT: Während sich die Protagonisten dort anfangs nicht ausstehen können und erst noch zusammenraufen müssen, ist hier von Anfang an klar, dass Cheng und Ho eigentlich die dicksten Kumpels sind und füreinander durchs Feuer gehen würden. Als die zu beschützende Zeugin in ihre bis dahin zwanglose Wohngemeinschaft einzieht, sorgt das für einigen Trubel, der in humoristischer Hinsicht glücklicherweise weitaus weniger beschämend ausfällt als z. B. bei den ähnlich konzipierten MY LUCKY STARS-Klamotten, in welchen bei den Herren regelrecht der Restverstand aussetzt, wird die verschworene Männergemeinschaft von unerwarteter Weiblichkeit heimgesucht. Eher schon bietet sich der Vergleich einer Episode aus POLICE STORY an, in welcher Jackie Chan als Hongkong-Cop ebenfalls einer vom Mob bedrohten Dame Unterschlupf im eigenen Domizil gewähren muss, was zu amüsanten Schlagabtauschen führt.

Dass durch die Anwesenheit einer Frau die Freundschaft der Männer trotzdem auf die Probe gestellt wird, verlangt das Drehbuch, das immerhin 80 Minuten zu füllen hat, obwohl es im Prinzip kaum etwas zu erzählen gibt. Erfreulich allerdings, dass dabei nicht der Fehler begangen wurde, besagte Kronzeugin als hilfloses Opfer zu zeichnen, das passiv durch die Handlung torkelt. Cherie Chung [→ PEKING OPERA BLUES] verkörpert die von reichlich krimineller Energie erfüllte Stewardess als taffe Gangsterbraut, die den harten Konfrontationskurs selbst nicht scheut und auch schon mal mit Pistole im Anschlag verbrecherischen Stuhlgang unterbricht.

Schade, dass dann ausgerechnet der Showdown so wenig Schmiss hat. Das Hin und Her zwischen Gut und Böse mündet in einer gut 15-minütigen Motorbootjagd, die nichts mehr von der bis dahin vorherrschenden Härte hat und in Sachen Action vielmehr an die Schwerfälligkeit der späteren POLICE ACADEMY-Folgen erinnert. Zwar wird hier fleißig Dynamit geschleudert und Munition verfeuert, aber so richtig begeisternde Stimmung möchte nicht aufkommen. Nach der exzessiven Eröffnungsveranstaltung ist das schon eine ziemliche Anti-Klimax. Trotzdem werden sich Action-Fans hier gut aufgehoben fühlen. Frankie Chan [→ BORN TO FIGHT IV] (der hier übrigens auch Regie führte) und Kent Cheng [→ HARD TO DIE] harmonieren gut miteinander und wenn letzterer im Schlafrock samt Bommelmütze Bösewichtern Kugeln in die Köpfe ballert, ist das definitiv ein Anblick, den man nicht alle Tage sieht. Der zusätzliche Gastauftritt von Schauspiel-Veteran Bill Tung [→ TOP SQUAD] trägt zwar nichts zur Story bei, aber der kauzige Charakterdarsteller (der hier wieder seine Paraderolle spielt, nämlich die des liebenswerten Vorgesetzten) ist ebenfalls stets gern gesehen. Wer Gewalt und Geblödel miteinander vereinbaren kann, der darf sich die BLOODY STONES gefahrlos auf die Einkaufsliste schreiben.

Laufzeit: 75 Min. / FSK: ab 18

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