Freitag, 28. September 2012

ICH SPUCK AUF DEIN GRAB



I SPIT ON YOUR GRAVE
USA 1978

Regie:
Meir Zarchi

Darsteller:
Camille Keaton,
Eron Tabor,
Richard Pace,
Anthony Nichols,
Gunther Kleemann,
Alexis Magnotti,
Tammy Zarchi,
Terry Zarchi



Inhalt:

Die junge New Yorker Schriftstellerin Jennifer Hills (Camille Keaton) hat sich auf dem Land ein Haus an einem See gemietet, um dort in Ruhe an ihrem neuen Buch arbeiten zu können. Doch die ersehnte Ruhe wärt nicht lange, denn schon bald tauchen Johnny (Eron Tabor), der Tankwart des nahegelegenen Städtchens, und seine Kumpels Matthew (Richard Pace), Stanley (Anthony Nichols) und Andy (Gunther Kleemann) bei dem Haus auf und beginnen, Jennifer zu belästigen. Was zunächst wie ein harmloser Streich erscheint, steigert sich schnell zu einem wahren Martyrium für Jennifer, als sie von den Männern durch den Wald gehetzt und mehrfach vergewaltigt wird. Um zu verhindern, dass irgendjemand von den Taten der Männer erfährt, soll der schüchterne Matthew Jennifer anschließend töten, kann sich jedoch nicht dazu überwinden. Jennifer bleibt schwer verletzt auf dem Fußboden ihres Hauses liegen. Doch nachdem sie sich von ihren körperlichen Wunden erholt hat, geht die junge Frau keineswegs zur Polizei. Sie sinnt auf Rache an ihren Peinigern. Die Männer sollen genauso leiden, wie sie ihr Opfer haben leiden lassen. Jennifer schmiedet einen perfiden Plan …

Kritik:

I SPIT ON YOUR GRAVE gilt neben LAST HOUSE ON THE LEFT wohl als einer der härtesten Vertreter des Rape-and-Revenge-Genres. Wie LAST HOUSE ist auch I SPIT ON YOUR GRAVE bis heute in Deutschland wegen Gewaltverherrlichung beschlagnahmt. Gerade in diesen Tagen, in denen ich dieses Review zum Original I SPIT ON YOUR GRAVE schreibe, hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) übrigens auch die bundesweite Beschlagnahmung des 2010er-Remakes durch das Amtsgericht Augsburg bekannt gegeben. Das Leben ist voller Zufälle. Und auch in Großbritannien ist der Film selbst nach Abschaffung der sogenannten Video Nasties nur in einer um mehrere Minuten geschnittenen Version erhältlich.

Dabei spaltet der Film wahrlich die Gemüter. Die einen halten ihn für ein Meisterwerk des Terrorkinos, die anderen für den größten Schund, der je gemacht wurde. Wobei bei letzteren die Meinungen von abartig, widerwärtig und krank bis zu einfach nur stinkelangweilig reichen. Vor allem die ausgedehnte Szene im Mittelteil des Films, in der Jennifer von den vier Männern verfolgt und immer wieder vergewaltigt wird (insgesamt läuft diese Sequenz über 20 Minuten), stieß bei Publikum wie Sittenwächtern auf heftige Gegenreaktionen.

Dementsprechend fallen auch die im Netz verfügbaren Kritiken sehr gemischt aus, was mich lange Zeit zögern ließ, mir Meir Zarchis Werk als Blindkauf zuzulegen. Irgendwann wanderte die US-Blu-ray dann aber doch in den Warenkorb. Da ich tatsächlich auf eine ziemliche Katastrophe gefasst war, ging ich mit sehr niedrigen Erwartungen an den Film heran … und wurde doch tatsächlich recht positiv überrascht. I SPIT ON YOUR GRAVE baut seine Spannungskurve sehr langsam, aber dafür recht geschickt auf. Dabei überzeugen technisch vor allem die sorgfältige Kameraarbeit und der Schnitt. Wie schon LAST HOUSE ON THE LEFT macht I SPIT ON YOUR GRAVE den Zuschauer zum Voyeur, verführt ihn dazu, sich an Jennifers Torturen zu weiden, doch wo die beiden Mädchen in LAST HOUSE ihrem Schicksal nicht entgehen können und am Ende die Eltern zur Rache schreiten müssen, wird hier das Opfer selbst zum Racheengel.

Die Charaktere sind dabei leider recht rudimentär geblieben, ihre Hintergründe bleiben oberflächlich. Cammille Keatons Jennifer muss sich mit dem schlichten Character-Background zufriedengeben, dass sie Autorin von Frauenromanen aus New York City ist. Trotzdem holt Keaton aus ihrer Rolle das Maximum heraus und pendelt glaubwürdig zwischen hilfloser Panik und totaler körperlicher Abgekämpftheit im Opferpart und berechnender, verführerischer Femme Fatale im Rachepart. Keaton hat vor I SPIT ON YOUR GRAVE übrigens einige Filme in Italien gedreht. So war sie u. a. in Massimo Dallamanos COSA AVETE FATTO A SOLANGE? (hierzulande als DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL im Rahmen der auslaufenden Edgar-Wallace-Welle vermarktet) zu sehen.

Am meisten Character-Background erfahren wir über Johnny, der seine wilden Triebe hinter einer Fassade aus geordneter Spießbürgerlichkeit versteckt und für den das, was er und seine Kumpels Jennifer antun, Ventil für den aufgestauten Frust seines ereignislosen Ehelebens ist. Zum Glück hatte Regisseur Meir Zarchi einen Schauspieler an der Hand, der diese Rolle mit Leben zu füllen weiß. Eron Tabor spielt den Anführer der Vergewaltiger überzeugend charismatisch und gleichzeitig schmierig und rücksichtslos. Sein Filmtod ist auch die wirkungsvollste Szene in I SPIT ON YOUR GRAVE. Hier dürfte so gut wie jeder Mann schon beim Zusehen schmerzgepeinigt die Luft zwischen den zusammengepressten Zähnen einsaugen. Tabors Filmografie ist allerdings leider sehr kurz. Der einzige weitere Film aus seiner Filmografie, der mir spontan etwas sagte, ist CANDY STRIPE NURSES von 1974, ein Teil der von Roger Corman produzierten Exploitation-Filmreihe über unartige Krankenschwestern. Schade, von dem Mann würde ich gerne noch mehr sehen.

Richard Pace hat als Matthew eine undankbare Rolle verpasst bekommen. Er liefert eine brauchbare, wenn auch etwas übertriebene Darstellung des gehemmten, um Anerkennung ringenden Dorftrottels ab, nur leider geht einem als Zuschauer seine Figur ziemlich schnell auf den Zeiger. Sein Filmtod gerät dann auch noch dank verdrehter Augen und aus dem Mund hängender Zunge eher unfreiwillig komisch als schockierend. I SPIT ON YOUR GRAVE ist Paces einziger Film.

Anthony Nichols darf als Stanley den Psycho der Truppe geben und hat seinen „großen“ Moment, als er in Jennifers Haus austickt. Ansonsten bleiben er und Gunter Kleemann als Andy aber leider komplett blass, zumal ihnen das Drehbuch absolut überhaupt keinen Hintergrund für ihre Charaktere zugesteht. Dementsprechend unberührt bleibt man dann leider auch, als Jennifer ihnen im Finale des Films schließlich das Lebenslicht ausbläst. Auch für diese beiden Akteure ist I SPIT ON YOUR GRAVE die einzige Filmrolle.

Meir Zarchi hat als Regisseur nach seinem Debüt ebenfalls nicht mehr wirklich Fuß in der Filmbranche fassen können. 1985 führte er noch einmal Regie bei dem ebenfalls von ihm geschriebenen und produzierten Eifersuchts-Rache-Drama DON'T MESS WITH MY SISTER und war 2010 ausführender Produzent für das Remake von I SPIT ON  YOUR GRAVE.

Insgesamt halten sich Stärken und Schwächen des Films weitgehend die Waage. Sicherlich erwartet niemand von einem Rape-and-Revenge-Flick eine tiefgreifende Charakterstudie, aber etwas mehr Unterfutter für die Figuren hätte die Intensität der Handlung durchaus noch um einiges steigern können. Hier wurde viel Potenzial verschenkt. Auf der haben Seite kann I SPIT ON YOUR GRAVE aber in jedem Fall den angenehmen/unangenehmen (da besonders im Rape-Part z. T. nervenzerrend ausführlichen) Spannungsaufbau und die damit verbundene intensive Atmosphäre verbuchen. Erwähnenswert ist hierbei noch, dass der Film auf eine musikalische Untermalung komplett verzichtet. Es gibt zwar den ein oder anderen Song aus dem Radio, aber ansonsten lässt Zarchi das Geschehen musikalisch vollkommen „unkommentiert“ für sich stehen, was die rohe Wirkung des Films noch verstärkt.

Ursprünglich sollte I SPIT ON YOUR GRAVE übrigens DAY OF THE WOMAN heißen. Der Verleih war jedoch der Ansicht, dieser Titel sei nicht reißerisch genug. Ob der Film auch unter seinem Originaltitel den öffentlichen Aufruhr erzeugt hätte, wie mit dem letztendlich genutzten Titel, darüber kann man sicher trefflich diskutieren. Für mich bleibt festzuhalten: Obwohl in I SPIT ON YOUR GRAVE nicht wirklich viel passiert und der Film in der Zeichnung der Charaktere durchaus einige Defizite hat, ist er trotzdem ein spannender, atmosphärisch dichter Streifen, handwerklich gut gemacht und in den Hauptrollen sehr gut gespielt.

Anchor Bay Entertainment hat dem Film in den USA eine mehr als würdige Blu-ray-Veröffentlichung spendiert. Die Bild- und Tonqualität ist für einen knapp 25 Jahre alten Low-Budget-Streifen sehr gut, und im Bonusmaterial, bestehend aus zwei Audiokommentaren, einem halbstündigen Interview mit Meir Zarchi sowie diversen Trailern zum Film, gibt es jede Menge Hintergrundinfos. Da der Film wie gesagt in deutschen Landen beschlagnahmt ist, bietet sich der Import aus Österreich oder der Gang zur nächsten Filmbörse an, um eine Uncut-Veröffentlichung zu bekommen. Die Zahl der hierzulande und bei unseren südlichen Nachbarn erschienenen DVD-Auswertungen ist hoch und die Qualität der einzelnen Releases stark schwankend, weshalb man sich vorher gut informieren sollte, was man da kauft.

Laufzeit: 101 Min. / Freigabe: ab 18

Mittwoch, 26. September 2012

TOP JOB


AD OGNI COSTO
Italien, BRD, Spanien 1967

Regie:
Giuliano Montaldo

Darsteller:
Edward G. Robinson,
Janet Leigh,
Robert Hoffmann,
Klaus Kinski,
Riccardo Cucciolla,
George Rigaud,
Adolfo Celi,
Jussara



Inhalt:

Nach 42 Jahren stattet Professor James Anders [Edward G. Robinson] seinem Jugendfreund Mark Milford [Adolfo Celi], mittlerweile ein Oberhaupt des organisierten Verbrechens, einen Besuch ab. Die Gründe dafür jedoch sind weniger sentimentaler Natur: 30 Jahre lang hat Anders in Rio de Janeiro als Englischlehrer gearbeitet. 30 Jahre lang blickte er vom Fenster seines Klassenzimmers aus auf die gegenüberliegende Bank. Seit 30 Jahren beobachtet er, wie zweimal im Jahr ein streng gesicherter Diamanten-Transport die Bank verlässt. Nun, nach seiner Pensionierung, will Anders auch endlich sein Stück vom Kuchen. Jahrelang studierte penibel genau das akkurat durchexerzierte Übergaberitual und erarbeitete einen ebenso kühl durchkalkulierten Plan, die millionenschwere Ware zu rauben. Doch zum Gelingen des Plans braucht er von Milford vier Männer: den Safeknacker Agostino [Riccardo Cucciolla], den Elektronikexperten Gregg [George Rigaud], den unberechenbaren Söldner Erich [Klaus Kinski] und den Playboy Jean-Paul [Robert Hoffmann], der sich an die Bankangestellte Mary [Janet Leigh] heranmachen soll. Beeindruckt von der plötzlichen kriminellen Energie seines Freundes, stellt Milford ihm das Team zusammen. Doch als die vier Männer sich in Rio begegnen, kommt es aufgrund ihrer unterschiedlichen Charaktere schnell zu Reibereien. Als dann auch der Plan nicht immer so funktioniert, wie er funktionieren soll, liegen die Nerven schneller blank als geplant …

Kritik:

Als 'Caper Movies' bezeichnet man ein Untergenre des klassischen Kriminalfilms, dessen Hauptfiguren nicht auf der Seite des Gesetzes stehen, sondern ganz im Gegenteil versuchen, eben dieses zu übertreten – in der Regel durch einen spektakulären Raub. Planung und Vorbereitung des Verbrechens nehmen dabei meistens ebenso viel erzählerischen Platz in Anspruch wie die eigentliche Durchführung. Im Grundton meist amüsant ist das Geschehen jedoch auch oft mit aufregenden Spannungsmomenten durchsetzt und der glückliche Ausgang der Ereignisse nicht unbedingt gewährleistet. Die Beliebtheit dieser Gattung, als dessen Startschuss der bereits 1955 entstandene französische Kassenerfolg RIFIFI gewertet werden darf, zieht sich mit Beiträgen wie OCEAN’S ELEVEN oder BANK JOB bis ins neue Jahrtausend. Als noch recht früher Vertreter dieser Kategorie, präsentiert sich TOP JOB in Sachen Handlung, Aufbau und Dramaturgie nahezu als Musterbeispiel, werden doch fast lehrbuchkonform alle notwendigen Versatzstücke brav und der Reihe nach abgefrühstückt. So findet das vom damaligen Dream Team Italien/Deutschland/Spanien gemeinsam gestemmte Werk seine Stärke dann auch weniger in der nur selten originellen Handlung, die den zu diesem Zeitpunkt bereits gesetzten Genre-Regeln in schon beinahe demütiger Schnörkellosigkeit gehorcht und in welcher selbst Fehlschläge den zu erwartenden Gesetzmäßigkeiten folgen.

Allerdings werden die Ereignisse dermaßen dicht erzählt, dass deren Formalhaftigkeit gar nicht belastend ins Gewicht fällt. Tatsächlich hat die wohlüberlegte Regie Giuliano Montaldos’ [→ GOTT MIT UNS] das Werk so kompetent im Griff, dass die temporären Unglaubwürdigkeiten (ein paar davon muss sich TOP JOB schon ans Bein binden lassen) von der straffen Dramaturgie spielend übertüncht werden. Die malerische Kulisse Rio de Janeiros ruft mit ihrem exotischen Flair beim Betrachter geradezu zwangsläufig beschwingte Urlaubsgefühle hervor und gibt somit einen nahezu perfekten Schauplatz für das Gaunerstück ab, steht das bunte Treiben doch im schönsten Widerspruch zu den sinistren Taten der Protagonisten.

Die größte Trumpfkarte TOP JOBs dürfte die international zusammengeklaubte Besetzung sein. Zwar bedient jede einzelne der Figuren auf fast schon lächerlich überzogene Art und Weise eine bis in die Haarspitzen stereotypische Klischeefigur, doch werden diese ausnahmslos auf solch hochengagierte Weise dargestellt, dass man für die realitätsfremden Übertreibungen schon fast dankbar sein muss. So gibt Klaus Kinski [→ JACK THE RIPPER] den grobschlächtigen Söldner – seinem Image treu bleibend – als tickende Zeitbombe mit unerfreulichem Hang zu spontanen Gewaltausbrüchen, während Robert Hoffmann [→ DIE NACHT DER ROLLENDEN KÖPFE] als leicht tuckiger französischer Herzensbrecher (natürlich auf den Namen Jean-Paul hörend) einem dieser Qualitätsromane mit den halbnackten, eine kesse Adelsfrau im Arm haltenden Muskelmännern auf dem Titelblatt entsprungen sein könnte. Ein besonderer Höhepunkt ist Georges Rigaud [→ FRISS ODER STIRB]: Sein Charakter als gealterter Technikexperte, zwischen krimineller Energie und milder Altersweisheit, strahlt eine Aura des Würdevollen aus und hat schnell die Sympathien des Publikums auf ihrer Seite. Einzig Riccardo Cucciolla [→ TOTE PFLASTERN SEINEN WEG] fällt als analytischer Safeknacker ein wenig ab und hinterlässt einen im Vergleich wenig bleibenden Eindruck, was jedoch hauptsächlich seiner etwas lieblos konzipierten Figur geschuldet ist – an seinem Schauspiel ist im Prinzip nichts auszusetzen.

Glücklicherweise war die Regie bedacht genug, nach Ende eines Dialogs nicht Hals über Kopf zur nächsten Sequenz zu hetzen, sondern den Akteuren vor Szenenwechsel noch ausreichend Zeit zu gewähren – für noch einen letzten Blick, eine kurze Mimik, eine abschließende Geste. So entstanden massig kleine, aber äußerst feine Momente, in welchen das exquisite Ensemble seine Qualitäten nochmal zusätzlich unter Beweis stellen kann. Das Konfliktpotential zwischen den grundsätzlich so verschiedenen Parteien wurde geschickt genutzt und sorgt für zusätzliche Spannung: Wie die vier unterschiedlichen Männer, die sich weder zuvor kannten, noch sich besonders gut leiden können, gezwungen sind, zusammenzuarbeiten, um zum Erfolg zu gelangen, das steckt voll unterschwelliger brodelnder Unruhe, einem Pulverfass gleich, das jeden Moment hochgehen könnte.

Durch Tunnel, Panzertüren und Lichtschranken bahnen sich die Protagonisten ihren Weg und sorgen dabei für einige große Augenblicke: So sind die Einbrecher in einer Szene zu absoluter Lautlosigkeit gezwungen, da bereits das geringste Geräusch Alarm auslösen würde. Die Angespanntheit der minutenlangen Stille, in welcher jeder Schnaufer bereits wie das lauteste Geräusch der Welt wirkt, raubt einem selbst den Atem und ist von beachtlicher Intensität. In Momenten wie diesen erhebt sich TOP JOB zu wahrer Größe und scheint seinen etlichen Epigonen um einige Qualitätsstufen voraus. Gegen Ende jedoch sahen sich Autoren offenbar gezwungen, origineller zu sein als notwendig und verwässerten die bis dahin äußerst geradlinig ablaufenden Ereignisse mit ein paar hastig herbeieilenden Überraschungsmomenten. Dieses schadet nicht nur der bis dahin tapfer durchgezogenen Stringenz, sondern strapaziert bisweilen auch ein wenig zu sehr die Glaubwürdigkeit. Doch wirken selbst diese kleineren Unvollkommenheiten TOP JOBs (zu denen sich auch die eindeutig als Drahtseile zu identifizierenden Lichtschranken zählen dürfen) eher sympathisch als verärgernd und können dem munteren Trubel kaum etwas anhaben.

Eingerahmt vom für den Komponisten zwar ungewöhnlichen, aber dennoch wie üblich sehr hörenswerten Sound Ennio Morricones [→ SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD], welcher die Ereignisse dieses Mal mit glockenreinen Knabenstimmen untermalt und damit bereits während des Vorspanns ein beschwingtes Gefühl der Leichtigkeit vermittelt, werden einem hier gut zwei Stunden vorzügliche Unterhaltung mit ungemein stimmiger 60er-Jahre-Wohnfühl-Atmosphäre geboten – ein exakt dosiertes Konglomerat aus Raub, Radau und Ränkespiel. Top Job!

Laufzeit: 119 Min. / Freigabe: ab 12

Freitag, 21. September 2012

DIE TODESMASCHINE


DEATH MACHINES
USA 1976

Regie:
Paul Kyriazi

Darsteller:
Ronald L. Marchini,
Michael Chong,
Joshua Johnson,
Mari Honjo,
Ron Ackerman,
Chuck Katzakian,
John Lowe,
Eric Lee



Inhalt:

Madame Lee (Mari Honjo) ist zufrieden. Mittels einer Droge hat sie drei Martial-Arts-Kämpfer (einen Weißen, einen Schwarzen und einen Asiaten) zu unbesiegbaren Kampfmaschinen gemacht, die nun im Dienste ihrer bösen und geheimen Geheimorganisation als Killer fungieren sollen. Madame Lees Chef, ein kettenrauchender Backenbartträger in einem dunklen Raum ohne Licht, fordert aber noch einen weiteren Test der Death Machines. Diese sollen Mr. Gioretti (Chuck Katzakian) und seine „veraltete“ Organisation ausschalten. Mr. G. indessen gibt per Telefon erstmal zwei Mordaufträge an einen seiner Gefolgsleute heraus. Sterben sollen Hong Lo (Eric Lee), Chef einer Karateschule, und Nathan Adams, Vizepräsident einer örtlichen Bank. Doch statt der Zielpersonen beißen Giorettis Hitmen ins Gras, denn die Death Machines sind im Einsatz. Madame Lees Botschaft an Gioretti ist eindeutig: Wenn in dieser Stadt irgendwer irgendwen umgebracht haben will, dann hat er dafür gefälligst sie und ihre Death Machines anzuheuern. Und nach einer rabiaten Machtdemonstration, bei der ein weiterer von Giorettis Männern buchstäblich den Kopf verliert, willig dieser ein und überlässt der sinistren Frau mit der Extremhaarpracht die Mordaufträge an Lo und Adams. Mit dem Befehl, ja keine Spuren zu hinterlassen, machen sich die drei Todesmaschinen auf den Weg zu Los Karateschule. Bei dem folgenden Massaker übersehen sie bedauerlicherweise, dass sie dessen armem Schüler Frank (John Lowe) lediglich um seine rechte Hand, nicht aber um sein Leben gebracht haben. Fortan sind die drei Death Machines emsig damit beschäftigt, den unliebsamen Zeugen doch noch um die Ecke zu bringen, während Frank seinerseits auf Rache für den Verlust seines Grabschepfötchens sinnt …

Kritik:

Leider stellen sich unsere drei Möchtegern-Superschurken in diesem unglaublich bekloppten Martial-Arts-Thriller als totale Vollidioten heraus. Im Zuge der endgültigen Beseitigung von Frank häufen sie nämlich nur immer mehr Zeugen ihres Tuns an. Ohnehin wird hier von Anfang an bei der Ausführung ihrer Aufträge wenig bis gar kein Wert auf Diskretion gelegt. Da wird auch schonmal mitten im Park mit einer Panzerfaust ein Auto gesprengt (was natürlich keine Sau mitkriegt). Aber auch die Opfer der Death Machines sind nicht gerade die hellsten Leuchten. Als ein Scherge von Mr. G. diesem von einem öffentlichen Telefon aus vom Tod seiner Auftragskiller berichtet und schon Angst hat, selbst umgelegt zu werden, rückt White Death Machine (die drei Hoschis werden mangels Filmcredits in der IMDB nur mit ihrer Funktion betitelt) mit einer Planierraupe an und überfährt kurzerhand die Telefonzelle samt Insassen. Diese Szene ließ mich allerdings unweigerlich an die Dampfwalzen-Sequenz aus AUSTIN POWERS denken, denn die Raupe fährt gerade mal Schrittgeschwindigkeit, so dass der Mann locker hätte abhauen können. Stattdessen bleibt er natürlich panisch schreiend in der Zelle stehen …

Noch behämmerter wird das Szenario, als die Death Machines ins Krankenhaus eindringen, um Frank zu töten. Dank kugelsicherer Westen sind die drei scheinbar unverwundbar. Erst als ein Wachmann der White Death Machine (offenbar dem Dümmsten aus dem Trio) einen Streifschuss an der Stirn verpasst (was diesen Aufheulen lässt, als hätte man ihm stattdessen gerade die Eier weggeballert), gelingt es, den Anschlag zu stoppen. White Death Machine wird verhaftet, kann sich während eines Verhörs jedoch dank der Dusseligkeit der anwesenden Beamten, die seine Handschellen lösen, nur weil er kurzes Unwohlsein vortäuscht, befreien, kloppt im Alleingang das komplette Polizeirevier zusammen und kann fliehen. Schusswaffengebrauch der Cops bleibt erneut erfolglos; die Polizisten erschießen sich im entstandenen Chaos nämlich lediglich gegenseitig! Aber zwei Szenen später ist plötzlich nix mehr mit Überkampfkunst und der ach so agile Killer lässt sich seinerseits in einem Schnellrestaurant (dessen Besitzer angesichts des handschellenbewehrten Mannes nicht etwa die Polizei ruft, sondern dem Typen einen Cheeseburger spendiert, ihm von Gott erzählt und ihm versichert, er dürfe jederzeit zu ihm und seiner Frau kommen, wenn er Probleme habe!!!) von einem halben Dutzend Rockern zusammenprügeln und überlebt das nur, weil ganz zufällig seine beiden Kumpels in dem Laden auftauchen.

Eine Liebesgeschichte zwischen dem geschundenen Frank mit einer Krankenschwester darf selbstverständlich ebenso wenig fehlen, wie ein Nebenplot um zwei in den Mordfällen rund um die Todesmaschinen ermittelnde Polizisten, von denen einer ein billiger Dirty-Harry-Verschnitt ist, der durch seine unorthodoxen Methoden ständig mit seinem Vorgesetzten und einem schmierigen Angeberkollegen aneinandergerät.

Der im Dunkeln bleibende Backenbartblofeld war wohl als Anleihe an James Bond gedacht, und Madame Lee verbringt die meiste Zeit ihrer Screentime damit, in schlecht gespieltem chinesischem Akzent fieses Gesülze von sich zu geben, wobei die Darstellerin dieser abgelaufenen Frühlingsrolle so ziemlich das Unfähigste an Schauspielerin jenseits von Dolores Fuller ist (Trashfans wissen natürlich, wer Dolores Fuller ist! Alle anderen benutzen bitte eine der einschlägigen Internetsuchmaschinen).

Auch abseits von Frau „Ich wär so gern wie Fu Man Chu“ tut sich im Darstellerensemble dieses Affenzirkus nicht allzu viel. Unfähigkeit, wohin das Auge reicht. Schnarchnase John Lowe (äußerlich erinnert der Mann ein wenig an Steve Zahn) guckt die ganze Zeit nur reichlich bedröppelt aus der Wäsche. Seine Rachegelüste für den Verlust seines Arms und den Tod seines Karatemeisters nimmt man dem Milchbubi absolut nicht ab. Als White Death Machine ist Ronald L. Marchini zu sehen, der auch als Produzent des Streifens fungierte. Sein Overacting in der Szene, als er angeschossen wird, ist einer der Lachschlager des Films, aber mehr ist auch bei ihm nicht. Totalausfall. Ein wenig überzeugender ist da schon Ron Ackerman als taffer Bulle Forrester, der leider aber auch nicht mehr darf, als ständig Klischeephrasen zu dreschen und auf „Scheiß auf die Regeln! Ich löse diesen Fall auf meine Art! Koste es, was es wolle!“ zu machen. Chuck Katzakian hat als Mr. G. ebenfalls nichts zum Gelingen des Ganzen beizutragen. Die Telefongespräche mit seinen Untergebenen, die er im ersten Filmdrittel führt, sind, wie so vieles in diesem filmgewordenen Hirnfurz, für jede Menge unfreiwillige Lacher gut, aber eigentlich soll der Mann einen ernstzunehmenden Gangsterboss verkörpern. Gelingt ihm nicht wirklich. 

Regisseur Kyriazi, der auch das Drehbuch zu verantworten hat, hat später auch noch zwei weitere Billig-Martial-Arts-Müllfilme auf die Menschheit losgelassen (THE WEAPONS OF DEATH und NINJA BUSTERS), bevor er 1990 erneut mit Ronald L. Marchini zusammenarbeitete: bei der Totalgurke OMEGA COP.

DEATH MACHINES muss man wirklich gesehen haben, um zu glauben, wie dämlich ein Filmdrehbuch sein kann. Umgesetzt ist das Ganze mit einem Minimum an Budget. Der Trailer verkauft einem das Teil dann auch noch ernsthaft als Science-Fiction-Film, was den Machern allerdings garantiert erst in der letzten Phase der Postproduktion eingefallen sein kann. Denn mal abgesehen von der Wunderdroge, mit der die Death Machines überhaupt erst erschaffen werden (und selbst dies wird nicht gezeigt, sondern nur beiläufig erwähnt) spielt sich hier alles in den tiefsten 1970er Jahren ab. Gut, der Vorspann macht auf futuristisch und dementsprechend soll wohl auch der Soundtrack klingen. Letzterer ist auf Dauer allerdings nur eines: nervtötend. Mir als Trash-Fan hat der Film aber eben gerade wegen all dieser Unzulänglichkeiten einen Riesenspaß gemacht. DEATH MACHINES ist Schlonz allererster Güte. Man merkt dem Film deutlich an, dass seine Macher Großes im Sinn hatten und dann nicht allein mangels finanzieller Mittel, sondern ganz besonders mangels Talent kläglich gescheitert sind. Und dafür darf man sie in diesem Fall ohne schlechtes Gewissen herzlich auslachen.

Obwohl auch ein Titel aus dem Public-Domain-Fundus, gibt es von DEATH MACHINES eine DVD mit erstaunlich guter Bildqualität. Nämlich von Marketing Film. Damals gehörte das Label noch Astro-Chef Oliver Krekel, bevor der es dann irgendwann an den Laser-Paradise-Inhaber Thomas Buresch weiterverkaufte. Das Doofe an der DVD ist nur, dass sie das falsche Bildformat hat. Gedreht wurde der Streifen laut Vorspann in Techniscope. Statt im Format 2,35:1 zeigt die DVD aber ein Format von nur 1,78:1. Und man merkt die Beschneidung zum Teil recht deutlich. Trotzdem ist das Ganze natürlich noch wesentlich besser als die an allen vier Bildseiten massivst gecroppte Vollbild-Augenkrebs-Variante, die es im Internet herunterzuladen gibt. Das Master der Marketing-DVD dürfte dasselbe sein wie jenes für die US-DVD von BCI Eclips  (Erschienen in der Box „Drive-In Cult Classics 4“) Diese ist leider ebenfalls bereits im falschen Format. Ansonsten geht die Marketing-Scheibe in Ordnung. O-Ton ist drauf (Szenen mit fehlender Synchro sind optional deutsch untertitelt), ein paar Miniextras (Trailer, Biografien, Bildergalerie und deutschen Vor- und Abspann) gibt’s auch.

PS: Von Screenshots im Cinemascope-Format, die es in manchen Reviews des Films zu sehen gibt, sollte man sich nicht täuschen lassen, diese beschneiden das ohnehin gezoomte 1,78:1-Bild lediglich oben und unten noch weiter.

Laufzeit: 89 Min. / Freigabe: ab 16

Donnerstag, 20. September 2012

LEISE WEHT DER WIND DES TODES


THE HUNTING PARTY
GB 1971

Regie:
Don Medford

Darsteller:
Gene Hackman,
Candice Bergen,
Oliver Reed,
Simon Oakland
Mitch Ryan,
L. Q. Jones,
G. D. Spradlin,
William Watson



Inhalt:

Brandt Ruger [Gene Hackman] ist ein angesehener Landbesitzer, doch niemand ahnt etwas von seinen sadistischen Neigungen. Seine Frau Melissa [Candice Bergen] jedoch, in der Öffentlichkeit stets gute Miene zum bösen Spiel machend, bekommt diese regelmäßig am eigenen Leib zu spüren: Ruger betrachtet sie als sein Eigentum, Prügel und Vergewaltigung inklusive. Als Ruger sich mit ein paar Freunden auf einem Jagdausflug befindet, wird Melissa von der Bande des gesuchten Verbrechers Frank Calder [Oliver Reed] entführt. Der Grund, den er der staunenden Dame dafür nennt, ist vergleichsweise ehrenhaft: Sie soll ihm das Lesen beibringen. Zwar wehrt sich Melissa anfangs dagegen, doch nach mehreren gescheiterten Fluchtversuchen und vergeblicher Hungerkur fügt sie sich ihrem Schicksal. Als Brandt von der Entführung erfährt, gerät er außer sich und ändert spontan die Pläne des Jagdausflugs: Nicht Büffel sollen dieses Mal Opfer ihrer Kugeln werden, sondern Frank Calder und seine Männer. Ausgestattet mit modernen Jagdgewehren, die ihre Ziele aus größtmöglicher Distanz erledigen können, blasen er und seine Kollegen zur gnadenlosen Menschenjagd. Sie holen Calders Bande ein und pusten ein paar seiner Männer aus sicherer Entfernung das Licht aus. Melissa jedoch hat längst das Lager gewechselt, behandelt Frank sie doch besser als ihr eigener Ehemann. Als Brandt davon Wind bekommt, beginnt er ein perfides Katz-und-Maul-Spiel – wie ein unsichtbarer Feind schlägt er immer wieder aus dem Nichts zu und verfällt dabei schließlich in einen wahren Tötungsrausch, der sogar seine einst so loyalen Freunde abschreckt. In blindwütigem Hass ist Brandt entschlossen, seine Mission bis zum bitteren Ende durchzuziehen.

Kritik:

Raue Sitten waren es, damals im Westen – daran lässt Regisseur Don Medford [→ AGENT AUF KANAL Dkeinen Zweifel. LEISE WEHT DER WIND DES TODES – deutlich beeinflusst vom harten Italo-Western und den nihilistischen Gewaltausbrüchen Sam Peckinpahs – ist nicht nur eine überdeutliche Abkehr vom klassischen amerikanischen Helden-Western, welcher jahrelang das Kino beherrschte, sondern rotzt diesem geradezu ins Gesicht. Die in brutalen Bildern erzählte Geschichte erstickt jeden Optimismus bereits im Keim und präsentiert sich als niederschmetterndes, bis zur Oberkante Unterlippe mit Mord und Totschlag angefülltes Porträt einer hoffnungslosen Gesellschaft, die vor dem Abgrund steht.

Bereits die erste Szene lässt in Sachen Marschrichtung kaum Fragen aufkommen: In Großaufnahme wird einem Rind die Kehle durchgeschnitten, während Oberdrecksau Brandt dazu in Parallelmontage seine Frau vergewaltigt. Allzu zarten Gemütern dürfte daher bereits nach diesen paar Sekunden klar sein, wie hier das Häschen hoppelt: Grausam wird es – und das nicht nur körperlich. Wenn Brandts Frau Melissa kurz nach erfolgter Vergewaltigung im Kreise der Freunde ihres Mannes, die von seinen Verfehlungen (noch) nichts ahnen, wieder scheinbar sorglos lächelnd die glückliche Ehefrau spielt, mag sich einem die Kehle zuschnüren, kennt man doch ähnliche Situationen des arglos scheinenden Dialoggeplänkels zur Genüge aus dem realen Leben, was die bange Frage aufwirft, wie viel Leid hinter jeder gutbürgerlichen Fassade lauert.

Der raue Ton setzt sich fort: Direkt nach ihrer Entführung sieht sich Melissa einem weiteren Vergewaltigungsversuch durch einen von Franks Männern ausgesetzt, den dieser nur mit brachialer Gewalt verhindern kann. Lang dauert es, bis sich etwas sanfter Humor in das Geschehen schleicht: Trotzig weigert sich Melissa anfangs, Nahrung von ihren Entführern anzunehmen. Nach langer Fast spachteln ihr Frank und sein Kumpel Doc, gespielt von Mitch Ryan [→ ZWEI STAHLHARTE PROFIS], jedoch minutenlang so genüsslich ein paar Pfirsiche vor, bis sie schlichtweg nicht mehr widerstehen kann. Bei aller Komik ist dieser Moment essentiell für die Psychologie des Charakters: In dem Augenblick, in welchem Melissa die Pfirsiche in sich hineinstopft, ist sie zur anderen Seite übergelaufen.

Candice Bergen [→ DAS DOMINO-KOMPLOTT] spielt ihre schwierige Rolle mit an Perfektion grenzender Intensität, doch wäre es fatal, ihr Schauspiel dem der anderen Darsteller unterzuordnen. Auch Oliver Reed [→ GLADIATOR] mimt fantastisch den eigentlich brutalen Verbrecher, für den nicht nur Melissa, sondern auch der Zuschauer nach und nach immer mehr Sympathien entwickelt, bis er am Ende menschlicher erscheint als die Mitglieder der feinen Gesellschaft, die ihre Grausamkeit lediglich unter geschicktem Blendwerk zu verstecken wissen. Gene Hackman [→ FRENCH CONNECTION] spielt ihren Rädelsführer als bemerkenswert hassenswerte Drecksau, der man die Flinte am liebsten selbst ins Gesicht drücken möchte. Sich rein äußerlich als seriöser Geschäftsmann gebend, zerbröckelt diese Fassade auf beängstigende Weise oft innerhalb von Sekunden und offenbart somit sein eigentliches sadistisches Wesen. Denkwürdig geriet der Moment, in welchem sogar Brandt von seinen inneren Abgründen überrascht zu sein scheint: Nachdem er seinen ersten Mann auf dem Kerbholz hat, hockt er wie in Trance neben der Leiche, in grenzenloser Verwunderung über den Kick, den er dabei verspürte, und erliegt nachfolgend mit Haut und Haar der morbiden Faszination des Mordens.

Der deutsche Titel klingt zwar wunderbar poetisch, der Originaltitel THE HUNTING PARTY jedoch unterstreicht nochmals den unerbittlichen Zynismus des Werks: Natürlich kann man diesen ganz simpel als 'Die Jagdgesellschaft' interpretieren, in schönster Doppeldeutigkeit jedoch die brutale Menschenjagd auch als große Party auslegen, bei welcher jeglicher Humanismus im Pulverdampf verschwindet.

LEISE WEHT DER WIND DES TODES leistet sich nur wenige Schwächen. Eine davon (freilich eine technische) ist der Moment, in welchem Brandt und sein Kumpan vor einer (auch für die Entstehungszeit) extrem miesen Rückprojektion auf der Zugpritsche stehen. Auf inhaltlicher Ebene erscheint es zudem etwas seltsam, dass Frank und seine Männer sich immer völlig arglos im Schussfeld Brandts herumtreiben, obwohl dieser bereits mehrere von ihnen erschossen hat (die Quittung folgt dann freilich auch auf dem Fuße). Eingehüllt in die düsteren Klänge Riz Ortolanis [DIE LETZTE RECHNUNG ZAHLST DU SELBST], die das hässliche Sterben perfekt untermauern, ist THE HUNTING PARTY dennoch ein bemerkenswert trostloses und in seiner brutalen Konsequenz beachtliches Werk, das zu jagen sich lohnt.

Laufzeit: 110 Min. / Freigabe: ab 18

Sonntag, 16. September 2012

KUNG-FU-BRIGADE SCHWARZER PANTHER


DU HOU MI SHI
Hongkong 1976

Regie:
Suen Chung

Darsteller:
Chen Ping,
Yueh Hua,
Si Wai,
Wang Hsieh,
Angela Yu Chien,
Tin Ching,
Chan Shen,
Lee Pang-Fei



„Ein Strom aus Blut und Leichen.“


Inhalt:

Krankenschwester Gao Wanfei [Chen Ping] muss hilflos mit ansehen, wie ihre kleine Schwester der Drogensucht anheimfällt – ein mächtiges Gangstersyndikat hat das junge Mädchen gefügig gemacht und versorgt sie als Gegenleistung für sexuelle Gefälligkeiten ständig mit neuem Stoff. Als sie mit einer Überdosis ins Krankenhaus kommt und anschließend dem Wahnsinn verfällt, sinnt Wanfei auf Rache. Sie wendet sich an den befreundeten Polizisten Deng Weipin [Yuen Hua]. Dieser vermutet, dass Wanfeis Verlobter He Jingye [Si Wai] mit der Drogenmafia im Bunde ist, was sie jedoch vehement abstreitet. Da sie von Weipin keine Hilfe erwarten kann, plant sie, ihre Vergeltung allein durchzuziehen: Als Nutte getarnt, gelingt es ihr, sich Zugang zur Organisation zu beschaffen. Dort räumt sie tüchtig auf, und es bleiben einige Leichen zurück. Weipin ahnt, dass Wanfei hinter dem Massaker steckt und erinnert sie an die Illegalität von Selbstjustiz. Doch Wanfei setzt ihren Weg fort. Bei einer weiteren Infiltrierung wird sie von den Gangstern jedoch frühzeitig enttarnt. Ein brutaler Kampf beginnt, bei dem einige auf der Strecke bleiben.

Kritik:

1973 sah Pam Grier rot: Als und in COFFY entfesselte die dunkelhäutige Blaxploitation-Ikone eine höchst publikumswirksame Vergeltungsorgie und machte dabei ein ganzes Drogenkartell quasi im Alleingang dem Erdboden gleich. Die Shaw Brothers schienen davon dermaßen beeindruckt zu sein, dass sie die (fraglos wenig originelle) Geschichte kurzerhand adaptierten, nach Hongkong verlegten, und drei Jahre später ihren eigenen Racheengel aufs geifernde Publikum losließen.

Die Brüder Runme und Run Run Shaw gründeten ihr Produktionsstudio zwar bereits 1930, feierten ihre größten Erfolge jedoch erst ab den 60er Jahren, als sie zur führenden Adresse für Kung-Fu- und Kampfsportfilme wurden – durchaus zurecht, waren die Beiträge aus dem Hause Shaw doch meistens deutlich aufwändiger gefilmt und choreographiert als viele ihrer Konkurrenzprodukte. Werke wie DAS GOLDENE SCHWERT DES KÖNIGSTIGERS, DIE 36 KAMMERN DER SHAOLIN oder DER TEMPEL DER SHAOLIN gelten mittlerweile als Klassiker und treiben bei Martial-Arts-Fans den Pulsschlag nach oben. Die größten Erfolge der Shaw Brothers waren dann auch überwiegend im historischen Kontext angesiedelte Ausstattungsschinken. Eine Minderheit der Werke spielte jedoch auch in zeitgenössischer Umgebung. Aufgrund ihrer Seltenheit erscheinen gerade diese Beiträge sehr reizvoll – allein schon, um sich vom Anblick der immer gleichen Kostüme und Kulissen ein wenig erholen zu können.

KUNG-FU-BRIGADE SCHWARZER PANTHER, die COFFY-Variante der Shaws, ist dafür ein schönes Beispiel: Die geballte Ladung 70er-Jahre-Kolorit ergießt sich von der ersten Sekunde an über das Publikum – einlullend, betäubend, zur Kapitulation zwingend. Die Blaxploitation-Wurzeln versuchte man dabei gar nicht erst großartig zu leugnen: Look, Dramaturgie und Ausführung orientieren sich eindeutig an den berühmten amerikanischen Vorlagen des Schwarzen Kinos. Bereits nach Einblendung des berühmten Shaw-Brothers-Logos wird die 'funky music' eingespielt, während ein Haufen barbusiger Weiber sich im Drogennebel in den Kissen wälzt. Dass man nun unbedingt das Wort „Kung Fu“ in den deutschen Titel quetschen musste, ist denkbar ungeschickt – mal ganz abgesehen davon, dass sich hier weder ein irgendwie gearteter Militärverband, noch eine bissige Großkatze die Ehre geben, spielen Handkante & Co. auch eine deutlich untergeordnete Rolle. Zwar wird auch mal heftig hingelangt, mit den tänzerisch durchchoreographierten Kampfkunst-Balletten, wie man sie aus dem Hause Shaw gewohnt ist, hat das allerdings nur herzlich wenig zu tun. Gekämpft und gestorben wird hier hauptsächlich ganz auf der Höhe seiner Zeit: via Kimme und Korn. DIE TIGERIN VON HONGKONG lautet dann auch ein viel schönerer Alternativtitel, der auch gleich eine brauchbare Vorstellung vom Thema liefert: eine ebenso schicke wie rabiate Braut auf Rachefeldzug.

Chen Ping [→ DIE HERRSCHAFT DES SCHWERTES], eine bei Shaw oft eingesetzte Darstellerin, bekleidet die Hauptrolle und macht in dieser auch beileibe keine schlechte Figur. Zwar fehlt ihr das Charisma einer Pam Grier, dafür ist sie sich nicht zu fein, ihren Feinden zur Not auch mal oben ohne das Fell zu gerben. Die Story kommt, im Gegensatz zur Hauptdarstellerin, natürlich ein wenig flach daher: Wanfeis Racheplan ist nicht wirklich brillant durchdacht und besteht im Wesentlichen darin, sich mithilfe ihrer Reize immer wieder in die Verbrecherorganisation einzuschleusen, zu warten, bis ihr jemand an die Wäsche will, und den betreffenden Unhold dann fachgerecht zu massakrieren. Warum sie bis zur nächsten Offensive jedes Mal so lang wartet, erscheint etwas merkwürdig, ebenso wie die Naivität betreffend ihrem Verlobten: Mal abgesehen von der Tatsache, dass der von Si Wai [→ DAS BLUT DER ROTEN PYTHON] verkörperte Charakter schon rein optisch dem Aussehen eines typischen Drogenbosses entspricht, ist auch sein Verhalten dermaßen verdächtig, dass selbst beim merkbefreitesten Einfaltspinsel die Alarmglocken läuten müssten. Liebe macht halt blind.

Zwischen der Action vergeht recht viel Zeit mit im Prinzip unwichtigem Sermon – der Konsens ist schließlich auch ohne großartige Erklärungen ersichtlich, und wirklich tiefgründiger wird das Geschehen durch das Geplänkel auch nicht. Aber spätestens, wenn Wanfei im Finale zur Flinte greift, um nach allen Regeln der Kunst klar Schiff zu machen, ist dieser Mangel passé. Auffallend ist dabei der relativ kritische Umgang mit dem Thema ‚Selbstjustiz‘: So gibt es mit dem integren Polizisten Weipin, souverän verkörpert durch Yuen Hua [→ IN DEN KRALLEN DES ROTEN PHÖNIX], einen seriösen Gegenpol, und auch Wanfei stellt die Richtigkeit ihrer Rache mehrmals in Frage. Das ergibt gewiss noch lang keine ernsthafte Abhandlung, langt aber immerhin für eine interessante Fußnote. Die eingestreute „Drogen sind böse“-Botschaft geriet ebenfalls sehr putzig, zudem gefallen leicht surreale Einlagen wie der Folterkeller des Gangsterbosses, der seine Nachmittage liebend gern dazu nutzt, geisteskrank kichernd textilbefreite Frauen auszupeitschen. Bemerkenswert zudem, welch trostloses Hongkong-Bild hier vermittelt wird: Die Gesellschaft ist verkommen, Polizei und Politik fast ausschließlich korrupt, mächtige Verbrecher schmieren alles und jeden, Frauen werden behandelt wie Freiwild. Ziemlich harter Stoff! 

THE SEXY KILLER (internationaler Titel) bleibt insgesamt ein wenig hinter den gebotenen Möglichkeiten zurück, gibt sich trotz einiger Nacktheit und recht grober Brutalität auch etwas zu ‚zahm‘. Als Freund des gepflegten Bahnhofskinos hat man hier dennoch 90 Minuten lang seine Freuden. Wer braucht da noch Drogen?

Laufzeit: 88 Min. / Freigabe: ungeprüft

Donnerstag, 13. September 2012

JACK THE RIPPER - DER DIRNENMÖRDER VON LONDON


JACK THE RIPPER
Schweiz, BRD 1976

Regie:
Jess Franco

Darsteller:
Klaus Kinski,
Josephine Chaplin,
Andreas Mannkopff,
Herbert Fux,
Hans Gaugler,
Lina Romay,
Angelika Arndts,
Lorli Bucher



Inhalt:

London 1888: Ein Mörder geht um! Seine Opfer: Prostituierte. Seine Methode: Brutale Verstümmelung. Der einzige Zeuge: Ein blinder Bettler. Die Polizei: ratlos! Niemand ahnt, dass sich hinter der Identität des Mörders der unscheinbare Dr. Orloff [Klaus Kinski] verbirgt. Tagsüber ein Menschenfreund, frönt er des Nachts seinem unstillbaren Tötungsdrang. Zufällig jedoch kommt ihm der Fischer Charlie [Herbert Fux] auf die Schliche und beschließt, den werten Herrn Doktor ein wenig zu erpressen. Eine denkbar schlechte Idee …

Kritik:

Die Geschichte 'Jack the Rippers', des mutmaßlichen Serienmörders, welcher Ende des 19. Jahrhunderts mehrere Prostituierte brutalst ermordete, ohne jemals gefasst zu werden, beflügelt seit jeher die Fantasie von Autoren und Filmemachern. Da über die tatsächlichen Hintergründe kaum etwas bekannt ist und die Taten aufgrund ihrer historischen Ferne bereits Legenden-Charakter besitzen, sind den ausschweifendsten Verschwörungstheorien kaum Grenzen gesetzt.

Sex, Brutalität und Mord – die ideale Spielwiese also für einen Regisseur wie Jess Franco, haben doch ein Großteil seiner Werke genau diese Themen zum Schwerpunkt. Franco, der mit vollem Namen eigentlich Jesús Franco Manera heißt, wird von der Mehrheit gern als billiger Schundfilmer verspottet. Das liegt vermutlich – neben seinem zweifelsfrei enormen Output (in der Regel drehte er mehrere Filme pro Jahr) – in erster Linie an den oftmals auffallend niedrigen Budgets, mit welchem er arbeiten musste, den in der Regel unverhohlen sensationsheischenden Inhalten seiner Werke (Nacktheit und Gewalt gegen Frauen sind wiederkehrende Motive) und vor allem an seiner eigenwilligen, sich gängigen Mustern widersetzenden Art der Inszenierung, die, in Verbindung mit häufig verweigerter stringenter Erzählweise, mit gängigen Seherfahrungen bricht, was bei unbedarftem Publikum vielfach zu heilloser Verwirrung führt. Oft und gern jedoch wird dabei übersehen, dass gerade sein eigenwilliger Stil einen angenehm-bizarren Reiz ausmacht, wirkt der Ausbruch aus klassischer Dramaturgie und Darstellung doch nicht nur ungemein erfrischend, sondern sorgt aufgrund seiner Unberechenbarkeit auch für einen beachtlichen Unterhaltungswert.

JACK THE RIPPER hingegen gibt sich in seiner Machart erstaunlich konventionell und wurde deutlich auf Massentauglichkeit gemünzt – die für Franco so typische Inkohärenz ist hier quasi völlig verschwunden. Hauptgrund dafür dürfte die Zusammenarbeit mit Erwin C. Dietrich gewesen sein, einem vor allem im Schmuddelbereich höchst aktiven Schweizer Produzenten, welcher die kostengünstige, aber publikumswirksame Arbeit Francos zu schätzen wusste und diesen daher als Regisseur mehrerer auf Kassenerfolg getrimmter Projekte einspannte. So griff man für JACK THE RIPPER dann auch auffallend tiefer in die Tasche: Ausstattung und Kostüme können sich durchaus sehen lassen und schaffen es zumindest im Ansatz, dem Publikum eine Art Großproduktion vorzugaukeln. Jess Franco, welcher auch das Drehbuch schrieb, verzichtete auf ein großangelegtes Rätselraten um die Identität des Mörders – was durchaus vernünftig erscheint. Wenn Klaus Kinski auf der Besetzungsliste steht, erübrigt sich im Grunde ohnehin jede Spekulation. So geht es hier nicht etwa um Frage 'Wer ist der Täter?', sondern 'Wann und wie wird er am Ende gefasst?' Die Antwort darauf geriet dann allerdings denkbar simpel: Die ohnehin nicht besonders aufregende (und schon gar nicht historisch akkurate) Mörderhatz gipfelt in einem ernüchternd unspektakulären Finale, das der bis dahin geschürten Erwartungshaltung kaum gerecht werden kann.

Nun war Franco fraglos noch nie ein Meister des raffinierten Spannungsbogens, daher plätschert auch die eigentliche Handlung in etwa so eintönig vor sich hin wie das Flüsschen, das hier die Themse darstellen soll. Das liegt nicht unbedingt an der Tatsache, dass die Identität des Mörders von Anfang an feststeht, sondern eher daran, dass es keinen geeigneten Gegenpart gibt, mit welchem sich das Publikum großartig identifizieren könnte. Zwar sorgen die zahlreichen Prostituierten-Morde für ein wenig Nervenkitzel, verkommen im Prinzip jedoch zur dramaturgisch immer gleichen Nummernrevue – zweckmäßig und ohne besondere Raffinesse dienen sie in erster Linie der Zurschaustellung rüder Brutalitäten.

Dazwischen sorgt Andreas Mannkopff als ‚ermittelnder‘ Inspektor Selby für Amüsement. So scheint der nicht besonders helle wirkende Gesetzeshüter den ganzen Tag im Büro zu hocken und sich darüber zu ärgern, dass der Mörder nicht zu fassen ist, anstatt zwecks Spurensuche einfach mal das stille Kämmerlein zu verlassen. Fast jeder sonstige Beteiligte wirkt dann auch cleverer als der Inspektor, was besonders für die Rolle Hans Gauglers gilt. So erstellt er als blinder Bettler allein anhand wahrgenommener Gerüche im Nullkommanix ein astreines Täterprofil, zu welchem die doch arg vertrottelte Polizei wohl nicht mal imstande gewesen wäre, hätte der Mörder selbst mit persönlicher Vita auf der Schwelle gestanden. Schließlich muss des Inspektors Freundin, gespielt von Charlie Chaplins zweiter Tochter Josephine, selbst die Initiative ergreifen, wenngleich sie sich als Ripper-Köder in Dirnen-Montur ebenfalls nicht herausragend klug anstellt.

Ein Hammer ist natürlich die Besetzung Herbert Fux' als Herumtreiber Charlie, welcher sich anfangs in einer unnötig ekelerregenden Szene eine eitrige Geschwulst vom Bein pulen lässt, um seinen behandelnden Arzt später anhand einer (denkbar albernen) Phantomzeichnung als Mörder zu identifizieren und einen Erpressungsversuch zu starten. Im feinsten Ösi-Schmäh nuschelt er seine Dialoge herunter, was der Illusion, sich im viktorianischen London zu befinden, doch mehr als nur ein wenig abträglich ist.

Trotz deutlich goutierbarerer Inszenierung ließ sich Franco sein Steckenpferd natürlich nicht komplett aus der Hand reißen und würzte das Schauermärchen mit einer ordentlichen Portion Sex & Crime: Für die erotische Komponente sorgt dabei (von einer entkleideten Prostituierten mal abgesehen) einmal mehr Francos damalige Ehefrau Lina Romay, die hier eine etwas seltsam anmutende burleske Tanzdarbietung aufs Parkett legt, die eigentlich nur aus Arschwackeln besteht. Für die Gewalt hingegen ist natürlich Klaus Kinski höchstpersönlich zuständig, welcher in der wohl drastischsten Sequenz sein Opfer brutal vergewaltigen und abschlachten darf. Gleichzeitig!

Kinski (der mit Franco bereits bei dem herrlich surrealen PAROXISMUS zusammenarbeitete) ist als irrer Frauenmörder natürlich die Idealbesetzung, zumal man kaum überrascht wäre, zockelte er nach Feierabend tatsächlich los, um ein paar Dirnen kaltzumachen. Ausgerechnet hier hält er sich jedoch erstaunlich zurück und wirkt als seelengepeinigter Dr. Orloff eher ein wenig schwunglos. Dennoch geriet seine Rolle durchaus interessant, gibt er sich doch tagsüber als pflichtbewusster und – trotz missmutiger Visage – durchaus freundlicher Charakter, der, obwohl selbst am Hungertuch nagend, seinen oftmals bettelarmen Patienten für die Behandlung nichts berechnet, während sein Mordtrieb – Freud lässt grüßen! – einem grausamen Kindheitstrauma geschuldet ist, dem er nicht entkommen kann.

JACK THE RIPPER ist weder das beste Werk Francos, noch ein herausragender Genre-Beitrag. Doch trotz seiner Defizite sorgt der solide Grusler für angenehmen Kurzweil, wird die fehlende Spannungskurve durch gekonnt erzeugte Atmosphäre doch überwiegend ausgeglichen. Die verwinkelten, von grotesken Gestalten bevölkerten Gassen des nächtlichen Londons (was natürlich eigentlich nicht London ist, sondern Zürich) erzeugen dank geschickt-unheimlicher Ausleuchtung und großzügigem Nebelmaschinen-Einsatz ein schaurig-schönes Flair, den Edgar-Wallace-Filmen nicht unähnlich. Unheimliche Wälder, geistig verwirrte Figuren und schmierig-spekulative Effekte sorgen für angenehm-ruchloses Vergnügen. Zwar werden die mörderischen Malträtierungen deutlich erkennbar an steifen Schaufensterpuppen begangen und das Blut ist auch viel zu rot, um tatsächlich echt zu sein, doch die offenherzige Gewaltdarstellung dürfte damals schon den ein oder anderen Zuschauer schockiert haben. So empfiehlt sich JACK THE RIPPER für alle Freunde naiv-nostalgischen Grusel-Kintopps und unermüdliche Klaus-Kinski-Fans. Schlaflose Nächte wird die (teilweise ironisch gebrochene) Krimi-Horror-Sex-Melange fraglos keinem mehr bereiten – für 90 Minuten amüsanten Schauder im reißerischen Stil einer billigen Jahrmarkts-Attraktion reicht es allerdings immer noch.

Laufzeit: 92 Min. / Freigabe: ab 18

Sonntag, 9. September 2012

DIE MUTIGEN


ZHONG LIE TU
Hongkong, Taiwan 1975

Regie:
King Hu

Darsteller:
Pai Ying,
Roy Chiao,
Sammo Hung,
Hsu Feng,
Simon Yuen Siu-Tin,
Han Ying-Chieh,
Yuen Biao,
Yuen Wah



Inhalt:

China im 16. Jahrhundert: Marodierende Piratenbanden machen das Land unsicher. Der Kaiser ist ebenso unfähig wie ratlos. General Yu Da You [Roy Chiao], welcher als äußerst integer gilt, erhält den Auftrag, mit List und Tücke gegen die Verbrecher vorzugehen. Yu schart eine Truppe exzellenter Kämpfer um sich. Der beste von ihnen ist der sich geheimnisvoll gebende Schwertkämpfer Wu Yi-Juan [Pai Ying], welcher trotz seiner Bescheidenheit unbesiegbar zu sein scheint. Schon bald kommt es zum Feindkontakt. Nach den ersten Kämpfen verschanzen sich die Piraten um ihren japanischen Anführer Hakatatsu [Sammo Hung] auf einer Insel. Wu fasst den Plan, sich mithilfe eines untreuen Staatsdieners in die Truppe einschleusen zu lassen. Um das Vertrauen der Banditen zu gewinnen, muss er sich nun in einem Wettkampf gegen verschiedene Gegner behaupten.

Kritik:

Regisseur King Hu machte bereits 1966 mit seinem zeitweise recht experimentellen DAS SCHWERT DER GELBEN TIGERIN auf sich aufmerksam. War das später zum kleinen Klassiker sich mausernde Kung-Fu-Spektakel in seiner Gesamtheit jedoch noch dem Stil des produzierenden Shaw-Brothers-Studio verpflichtet, erarbeitete sich Hu spätestens 1971 mit dem meditativen Martial-Arts-Epos EIN HAUCH VON ZEN, welcher auf dem Filmfestival in Cannes als erster chinesischer Actionfilm überhaupt eine Auszeichnung erhielt, seinen Ruf als Regisseur ästhetisch-anspruchsvoller Kung-Fu-Filme (was für das als primitives Gewaltspektakel verschriene Genre bis dahin undenkbar war) und ebnete somit den Weg für spätere Klassiker á la TIGER & DRAGON.

DIE MUTIGEN ist nach DER LETZTE KAMPF DES LEE KHAN der zweite Film, den Hu für die Produktionsfirma Golden Harvest realisierte. 'Schuster, bleib bei deinen Leisten!' dachte sich der Mann dabei wohl und griff hauptsächlich auf sein bereits aus dem Vorgänger bekanntes Stammpersonal zurück – weswegen sich hier auch überwiegend wieder dieselben Darsteller tummeln. Darf EIN HAUCH VON ZEN tatsächlich als eine Art Meilenstein betrachtet werden, erscheint DIE MUTIGEN, trotz zweifelsfrei technisch kompetenter Umsetzung, hingegen fast schon bemerkenswert konventionell. Phasenweise doch arg belang- und einfallslos wirkt die Story, die einen in den ersten Minuten regelrecht mit einem Überfluss an aus dem Off vorgetragenen Informationen erschlägt und deren Vielzahl unzureichend vorgestellter Personen den Betrachter zunächst in einen nicht unerheblichen Verwirrungsmodus versetzt.

So dauert es ein wenig, bis man Personal und dessen Ambition entsprechend zugeordnet hat. Dann jedoch hält das gewiss nicht innovative, aber immerhin kurzweilige Ränkespiel um Kompetenzwettstreit, Eifersuchtsgerangel und gegenseitiges Misstrauen ganz angenehm bei Laune – um einen nach gut einem Drittel Laufzeit erneut zu irritieren: Hat man gerade erst General Yu Da You als vermeintliche Identifikationsfigur auserkoren, verschiebt sich der Handlungsschwerpunkt unerwartet in Richtung des erst recht spät eingeführten Wu Ji-Yuan, welcher als nahezu unbesiegbarer Superkämpfer nun plötzlich die Hauptrolle zu bekleiden scheint. Scheint des Generals wackere Kämpfer-Truppe die Geschichte zu diesem Zeitpunkt verlassen zu haben, taucht sie gegen Ende aus ebenso heiterem Himmel dann doch wieder auf, um das große Finale mitzubestreiten.

Spätestens hier kommt der Actionfreund auf seine Kosten: Die letzte halbe Stunde besteht tatsächlich fast ausschließlich aus kernigem Kampfgetümmel und entschädigt sowohl für die Startschwierigkeiten als auch für die temporäre dramaturgische Holprigkeit. Mit Pfeil und Bogen, Lanze und Schwert, Hand- und Fußkante rückt man sich hier auf die Pelle, mit einer ordentlichen Portion Feuerzauber garniert, rasant geschnitten und auch von Härten nicht befreit – da landet der Wurfstern schon mal in der nächstgelegenen Stirn. Die Choreographie der Kampfszenen übernahm dabei, wie bereits bei DER LETZTE KAMPF DES LEE KHAN, abermals Sammo Hung, welcher sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen Ruf als zuverlässiger Qualitätsgarant erarbeitet hatte. Neben dieser Funktion übernahm Hung außerdem auch noch die Rolle des Bösewichts Hakatatsu. Zur käsigen Kalkleiste zurechtgeschminkt bleibt er hier jedoch hinter seinen Möglichkeiten zurück und wirkt als leicht tuckig angehauchter japanischer Piratenschurke wie eine realitätsferne Comicfigur.

In der Rolle des Wu Ji-Yuan sieht man Pai Ying [→ DER RÄCHER AUS DER TODESZELLE], welcher für King Hu nun bereits das vierte Mal vor der Kamera steht. Seine Rolle des trotz seiner ständigen Überlegenheit immer bescheiden bleibenden Schwertkämpfers meistert er mit sympathischer Verschmitztheit (auch wenn seine übertriebene kämpferische Dominanz arg unglaubwürdig wirkt). Die Figur des Generals ist historisch verbürgt – tatsächlich kämpfte während der Ming-Dynastie ein Yu Da You gegen japanische Piraten. Verkörpert wird die Rolle hier gewohnt souverän von Roy Chiao, welcher später als böser Klischee-Chinese in der Anfangsszene von INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES die Titelfigur vergiften durfte („Etwas zu viel getrunken, Dr. Jones?“).

Der geschulte Genre-Freund blickt während des Trips noch in weitere bekannte Gesichter: So ist hier u. a. auch Yuen Siu-Tin, der als 'Drunken Master' in SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER Jackie Chan Kung-Fu-Unterricht geben durfte, als abtrünniger Shaolin-Mönch zu bewundern, welcher zunächst seine Kette in Richtung der Wand schleudert, zu seinem Bogen greift und einen Pfeil hinterherschießt. Der Pfeil bohrt sich in die Wand, die zuvor geschleuderte Kette baumelt ein paar Sekunden später an selbigem. Sensationell! Im Wettkampf gegen die Piraten darf Pai Ying dann außerdem gegen Yuen Biao antreten (welcher später in DER SUPERFIGHTER abermals mit Sammo Hung vor der Kamera stand), um sich im Anschluss gegen Yuen Wah [→ KUNG FU HUSTLE] behaupten zu müssen – ebenfalls ein oft gesehenes Gesicht im Hongkong-Kino.

Letztendlich benötigt man, sollte man sich auf DIE MUTIGEN einzulassen gedenken, ein wenig Geduld, bis sich das anfängliche Übermaß an Information und Charakteren entwirrt hat. Wem das gegeben ist, der wird mit zwar nicht wegweisender, doch hochwertiger Prügelware belohnt, die nicht nur, aber vor allem dank des flotten Finales die Reise wert ist. Nur Mut!

Laufzeit: 102 Min. / Freigabe: ab 16

Mittwoch, 5. September 2012

THE RAID - REDEMPTION


SERBUAN MAUT
Indonesien 2011

Regie:
Gareth Evans

Darsteller:
Iko Uwais,
Pierre Gruno,
Tegar Satrya,
Eka Rahmadia,
Doni Alamsyah,
Yayan Ruhian,
Ray Sahetapy,
Joe Taslim



Inhalt:

Der brutale Gangsterboss Tama [Ray Sahetapy] hat sich in einem heruntergekommenen Hochhaus in Jakarta verschanzt. Die einzelnen Wohnungen hat er an unzählige Kriminelle vermietet. Jeder Raum kann von ihm über eine Videoanlage beobachtet werden. Ein Sondereinsatzkommando erhält den Auftrag, das Haus zu stürmen und Tama zu verhaften. Doch bereits kurz nachdem die Polizisten den Wohnblock betreten haben, bricht ein Inferno los: Das Kommando sieht sich einer unerwarteten Überzahl bis an die Zähne bewaffneter Gangster gegenüber. Innerhalb weniger Minuten wird ein Großteil der Einheit zerschlagen. Die wenigen Überlebenden, darunter auch der junge Idealist Rama [Iko Uwais], können sich in eine der Wohnungen retten. Während der Einsatzleiter zugeben muss, dass der Einsatz illegal und mit Verstärkung nicht zu rechnen ist, ertönt Tamas Stimme über Lautsprecher und verspricht jedem seiner Mieter, der einen Polizisten tötet, eine reichliche finanzielle Belohnung. Ein infernales Gemetzel beginnt …

Kritik:

Als 'Guilty Pleasure' bezeichnet man das Gefühl, etwas zu mögen, obwohl man weiß, dass es sich eigentlich nicht gehört. Als eben solch ein ‚sündiges Vergnügen‘ präsentiert sich die indonesische Meuchelmär THE RAID: Fast ausschließlich auf den brutalen Exzess geeicht, wird kaum verhehlt, dass Story und Figuren einzig und allein im Dienste der brachialen Action stehen. Da gibt es keine Alibihandlung, die vermeintlichen Gehalt vorgaukelt, keine pseudotiefgründige Charakterzeichnung, die fadenscheinige Entschuldigungen für das blutige Treiben heuchelt, keine an den Haaren herbeigezogene Wendung, die Gewitztheit vorgeben soll. Hier wird tatsächlich gehauen, geschossen, getreten und gestorben nur um des Hauens, Schießens, Tretens und Sterbens wegen. Das ist zwar nicht originell, aber immerhin von sympathischer Ehrlichkeit.

THE RAID ist pure Lust an der Zerstörung. Zerstörung von Leibern. Zerstörung von Mobiliar. Zerstörung von allem! Eingepfercht auf engstem Raum, in rasantem Stakkato-Rhythmus geschnitten, wenn nötig in hypnotischer Zeitlupe zelebriert, wechseln sich schweißtreibende Schießereien mit knochenknackendem Faustkampf ab und entfesseln einen wahren Orkan aus Action, Gewalt und Kinetik, bei dem keine Gefangenen gemacht werden: Bereits nach wenigen Minuten beißen ganze Heerscharen ins Gras, Gangster wie Gesetzeshüter siechen in einem infernalen Kugelhagel dahin. Der Härtegrad ist dabei enorm hoch und lässt in seiner zeigefreudigen Prägnanz gar Assoziationen zu Horrorware á la SAW zu. Die Geradlinigkeit, mit welcher THE RAID seine Prämisse bis zum Finale durchzieht, ist dabei von bemerkenswerter Konsequenz – nicht selten wähnt man sich in einem filmgewordenen Videospiel, in welchem sich der Hauptcharakter von Level zu Level (=Stockwerk zu Stockwerk) durchkämpfen muss, um sich am Ende dem großen Endgegner behaupten zu müssen. Gewiss ist das weder von größeren Überraschungen geprägt, noch gewinnt es Originalitätspreise. Was zählt, ist die pure Attraktion: THE RAID wirkt wie eine wüste Achterbahnfahrt für cineastische Adrenalinjunkies, die einem in ihrem Höllentempo ohnehin keine Zeit lässt, sich über inhaltliche Defizite zu sorgen.

Gestaltet sich der Beginn aufgrund recht verwackelter Kamera und schneller Schnittabfolge noch etwas unübersichtlich, verflüchtigt sich dieses Manko spätestens, wenn der Fokus schließlich auf die direkte Konfrontation Mann gegen Mann verlagert wird. Ist das Gewaltepos anfangs noch hauptsächlich von Schusswechseln geprägt, steht im weiteren Verlauf nämlich hauptsächlich klassische Kampfkunst im Mittelpunkt (das geht so weit, dass einer der Gangster seine Schusswaffe beiseite legt mit der Bemerkung, einen guten Gegner erkenne man lediglich im guten, altmodischen Direktkontakt). Diese Entwicklung verwundert kaum, haben doch Regisseur Gareth Evans und Hauptdarsteller Iko Uwais bereits einen gemeinsamen Beitrag zum Martial-Arts-Genre geliefert: Der 2009 entstandene MERANTAU versank jedoch, trotz gut inszenierter (wenn auch etwas zu spärlicher) Action, in sinnloser Schwülstigkeit, was vor allem daran lag, dass man versuchte, die banale Handlung in einen gewollt tiefgründigen Mantel zu hüllen. Es lässt aufmerken, dass THE RAID nun im Gegenzug auf jeden Feinsinn verzichtet. Zwar kommt es hin und wieder mal zu kleineren Anflügen von Sentimentalität (so darf sich Rama zwischen den Gefechten mal kurz an seine schwangere Freundin erinnern), doch werden diese stets nach bereits wenigen Sekunden fast verschämt wieder fallengelassen.

Großartige schauspielerische Ambitionen sind bei einem Genrevertreter wie diesem gewiss nicht erforderlich. Dennoch ist es bedauerlich, dass Iko Uwais als so ziemlich einzige Identifikationsfigur beinahe sämtliches Charisma abgeht. Zwar erfüllt seine Darstellung ihren Zweck, doch fehlt ihm die Leinwandpräsenz, die Unverwechselbarkeit eines Jet Li oder selbst eines Tony Jaa (von Chow Yun-Fat ganz zu schweigen). Sind Uwais physischen Stärken zweifelsfrei beeindruckend, bleibt sein Charakter doch ernüchternd uninteressant und unterscheidet sich zu allem Überfluss rein optisch auch kaum von der anonymen zur Analogie uniformierten Metzelmasse, die ihn umgibt. Als eigentlicher Hauptdarsteller THE RAIDs entpuppt sich somit im Prinzip sein Schauplatz: Der alte, verranzte Wohnkomplex, vom walisischen Regisseur gekonnt ins Bild gerückt, sorgt für dreckig-morbide Atmosphäre und urbane Bilder voller Kälte und Trostlosigkeit.

Taugt THE RAID also als Schauspektakel beinharter Action, bleibt ein vernünftiger Spannungsbogen freilich aus. Uninteressante Figuren und kaum vorhandene Dramaturgie verhindern reelles Mitfiebern ebenso wie emotionale Erregung. Dass Gefühlsregungen trotz anhaltender Gewalttätigkeit nicht zwangsläufig im Widerspruch stehen müssen, bewies John Woo mit seinem 1991er Action-Inferno HARD BOILED, an welchen THE RAID nicht selten erinnert (freilich ohne diesem dabei das Wasser reichen zu können). Von Genialität ist THE RAID denn auch weiter entfernt als Paris Hilton von der Jungfräulichkeit. Stattdessen bietet es dem geifernden Actionfreund genau das, was er verlangt: ein mörderisches Schlachtfest, das so lang andauert, bis die letzte Kugel verfeuert und der letzte Knochen gebrochen ist. Guilty Pleasure.

Laufzeit: 97 Min. / Freigabe: ab 18

Samstag, 1. September 2012

FRISS ODER STIRB


VIVI O, PREFERIBILMENTE, MORTI
Italien, Spanien 1969

Regie:
Duccio Tessari

Darsteller:
Giuliano Gemma,
Nino Benvenuti,
Sydne Rome,
Antonio Casas,
Cris Huerta,
George Rigaud,
Julio Peña,
Dan van Husen



„Dann wird der Vater erstmal einen Schluck hinter das verträumte Chemisett laufen lassen, Marke Haudichblau und Schlagdichgrün.“


Inhalt:

Monty Mulligan [Giuliano Gemma] macht ständig einen auf dicke Hose und verkehrt im feinsten Zwirn in bester Gesellschaft. Doch der Reichtum ist nur Fassade: Die Moneten, die er verpulvert, gehören tatsächlich den Gebrüdern MacIntosh, die ihn für einen Börsenspekulanten halten. Als diese den Schwindel bemerken, sind sie leicht angesäuert. Mit Müh und Not gelingt es Monty jedoch im wahrsten Sinne des Wortes, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Denn als die Geprellten gerade im Begriff sind, ihn für seine Verfehlung am Kronleuchter aufzubammeln, stört ein zauseliger Rechtsanwaltsgehilfe die Zeremonie und verkündet eine Erbschaft in Höhe von 300 000 Dollar zu Montys Gunsten. Der Haken: Damit es zur Auszahlung kommt, muss dieser sich ein halbes Jahr lang mit seinem verhassten Bruder Ted [Nino Benvenuti) Tisch und Bett teilen. Dieser lebt in absoluter Einsamkeit in einer Holzhütte irgendwo im Nirgendwo und ist nicht sehr begeistert, als das unbeliebte Brüderchen so plötzlich auf der Matte steht. Da sich Monty auch gleich auf Anhieb mit dem örtlichen Schutzgelderpresser Jim [Cris Huerta] anlegt, woraufhin dieser Teds Behausung den Flammentod sterben lässt, stehen beide bald ebenso obdach- wie mittellos auf der Straße. Notgedrungen beschließen sie nun, sich zusammenzuraufen und ins lukrative Bankraubgeschäft einzusteigen …

Kritik:

Das Bemerkenswerteste an FRISS ODER STIRB ist sein Erscheinungsjahr: Bereits 1969 erschienen, nahm der in Deutschland auch als HALLELUJA FÜR 2 GALGENVÖGEL bekannte Italo-Western-Klamauk bereits etliche Elemente des erst ein Jahr später entstandenen Kultfilms DIE RECHTE UND DIE LINKE HAND DES TEUFELS sowie der durch dessen Sensationserfolg losgetretene Lawine unzähliger Fortsetzungen, Variationen und Epigonen vorweg. Bereits bevor es zur fast unabdingbaren Handlungsprämisse jeder mehr oder weniger vernünftigen Genre-Parodie wurde, müssen sich hier zwei einander missgünstige Parteien zusammenraufen und ihre gemeinsame Hassliebe überwinden, um nach vielen Fehlschlägen und wechselseitigem Ausgetrickse schließlich doch noch zum Erfolg zu gelangen. Wie später bei Bud Spencer und Terence Hill gibt es auch hier bereits zahlreiche mit Situationskomik aufgelockerte Faustkämpfe und eine humorvolle Grundstimmung, die man bis dahin aus dem eher harten Italo-Western-Genre weniger gewohnt war.

Weswegen FRISS ODER STIRB im Gegensatz zu Enzo Barbonis späterem Kassenschlager der große Einfluss auf das Genre verwehrt blieb, liegt jedoch auf der Hand: Zu Beginn noch recht flott, gleitet dieser Beitrag nämlich allzu hurtig in passable Durchschnittlichkeit, was vor allem dessen Episodenhaftigkeit geschuldet ist. So fällt es der Handlung mit fortschreitender Laufzeit immer schwerer, ihre Inkonsistenz zu verbergen und erweckt den Eindruck, aus Restideen anderer Klamotten zusammengeklaubt worden zu sein. Und als wäre das nicht genug, sorgt die deutsche Fassung nochmals für zusätzliche Verwirrung, wurde doch fast der gesamte Handlungsstrang, in welchem Monty der Liebe anheimfällt, Opfer der berüchtigten Straffungs-Schere. Da sich einige der folgenden Dialoge jedoch auf diesen Umstand beziehen, kommt es somit hin und wieder mal zu leichten Konfusionen. Dennoch ist der Weg der Gebrüder Mulligan, die ständig vergebens versuchen, es zu Reichtum zu bringen, mit einigen guten Lachern gepflastert – in Ermangelung eines konsequenten Spannungsbogens jedoch treten recht schnell Ermüdungserscheinungen auf.

Das liegt fraglos nicht an Giuliano Gemma, welcher in seiner Paraderolle als charmantes Schlitzohr ebenfalls bereits etliche der Mechanismen vorwegnimmt, die Terence Hill später den Weg zum Weltstar ebnen sollten (nicht ohne Grund durfte Gemma später nochmals neben Bud Spencer in AUCH DIE ENGEL ESSEN BOHNEN als Hill-Ersatz überzeugen). Nino Benvenuti [DAS ULTIMATUM LÄUFT AB] hingegen enttäuscht und bleibt als sein Gegenpart schlichtweg uninteressant. Das liegt weniger an seinem durchaus soliden Schauspiel, als vielmehr daran, dass er Gemma sowohl optisch als auch charakterlich viel zu ähnlich ist, wodurch ein Großteil des komödiantischen Potentials sinnlos verpufft. Auch hier zeigte Barboni dann ein Jahr später, wie man sowas richtig macht: Regte bereits das äußere Erscheinungsbild Bud Spencers und Terence Hills aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit die Lachmuskeln an, sind Giuliano Gemma und Nino Benvenuti einfach nur zwei sich ständig kabbelnde große Jungs ohne besondere Unterscheidungsmerkmale.

Wo ein Gemma ist, ist auch ein Brandt nicht weit – schon gar nicht in einem Genre-Werk wie diesem. So fungiert der olle Rainer auch hier als Gemmas deutsches Sprachorgan und legt ihm in dieser Funktion abermals eine ordentliche Portion Flapsigkeit auf die Lippen. Obwohl nicht zu seinen besten Arbeiten zählend, sorgt die angenehm alberne Synchronisation trotzdem für ein fröhlich-flottes Geschnodder, was dem Unterhaltungswert doch sehr zuträglich ist. So erklärt Monty ein paar Ganoven, die ihn zu überfallen gedenken: „Ich werd euch gleich in’n Keller schicken, 'n paar Liter Heizöl hacken!“ und rät einem anschließend Angeschossenen: „Den zerschossenen Ärmel lässt du dir von der Omma nachstricken.“

Regisseur Duccio Tessari, welcher mit Gemma bereits den zum kleinen Klassiker avancierten EINE PISTOLE FÜR RINGO und dessen Fortsetzung RINGO KOMMT ZURÜCK verwirklichte (und später – ebenfalls mit Gemma in der Hauptrolle – mit TEX UND DAS GEHEIMNIS DER TODESGROTTEN wahrhaft 'grottige' Unterhaltung präsentierte), sorgt somit gemeinsam mit seinem bewährten Hauptdarsteller und nicht zuletzt dank der tatkräftigen Unterstützung Rainer Brandts für denkbar anspruchsloses, aber gemütliches Nachmittagsamüsement. Wer das nicht fressen will, der wird allerdings auch nicht gleich sterben.

Laufzeit: 85 Min. / Freigabe: ab 12