Donnerstag, 31. August 2023

J & M - DYNAMIT IN DER SCHNAUZE


ARRIVANO JOE E MARGHERITO
Italien, Frankreich, Spanien, BRD 1974

Regie:
Giuseppe Colizzi

Darsteller:
Keith Carradine,
Tom Skerritt,
Cyril Cusack,
Sybil Danning,
Gianfranco Bullo,
Raymond Bussières,
José Calvo,
Tito García



Inhalt:

Joe [Keith Carradine] verdingt sich als Leibwächter für die Mafia-Größe Pacco [Emilio Messina]. Als sein Boss auf die Abschussliste gerät, versuchen sie verzweifelt, den Auftragsmördern zu entkommen. Es gelingt Joe, ein Segelboot zu kapern und den Verfolgern fürs Erste ein Schnippchen zu schlagen. Unfreiwillig mit an Bord befinden sich allerdings noch der kauzige Mr Parkintosh [Cyril Cusack] sowie dessen Tochter Betty [Sybil Danning]. Um jemanden mit Seefahrtkenntnissen dabei zu haben, wird auf offenem Meer zusätzlich noch der kodderschnäuzige Fischer Margherito [Tom Skerritt] aufgelesen. Zwar können sich Joe und Margherito zunächst nicht besonders gut riechen, aber schon bald müssen sich beide zwangsweise zusammenraufen. Denn die Mafia hat noch nicht aufgegeben und bringt alle Beteiligten in akute Lebensgefahr.

Kritik:

Der italienische Regisseur Guiseppe Colizzi hat die Geschichte des Kinos entscheidend mitgeprägt: Unter seiner Ägide entstand der erste gemeinsame Leinwand-Auftritt des legendären Zweier-Gespanns Bud Spencer und Terence Hill. Zwar war sein knochentrockener Rache-Western GOTT VERGIBT – DJANGO NIE! (1967) noch weit entfernt von der unbekümmerten Heiterkeit, für die das Duo später bekannt wurde, aber der Grundstein war gelegt. Nachdem Spencer/Hill als pikareskes Prügel-Pärchen populär geworden waren, lieferte er mit ZWEI HIMMELHUNDE AUF DEM WEG ZUR HÖLLE (1972) auch gleich noch eine der besten Arbeiten der beiden Haudegen ab (ironischerweise gleichzeitig auch die erste, die nicht im Western-Setting verortet war). Colizzis Qualifikation steht also außer Frage und sein Schaffen war unbestritten von immenser Bedeutung für die weitere Entwicklung nicht nur der italienischen Film-Industrie. Wenn man die fantasielose Gauner-Groteske J & M – DYNAMIT IN DER SCHNAUZE betrachtet, käme man allerdings niemals auf den Gedanken, es mit einer weiteren Kreation dieser Koryphäe zu tun zu haben.

Oft und gern wird J & M mit den Werken Bud Spencers und Terence Hills verglichen und auch der deutsche Video-Titel ZWEI TOLLE HECHTE AUF DEM WEG ZUM HIMMEL versucht Assoziationen zum wohl größten Erfolg Colizzis zu wecken. Tatsächlich aber dürfte die einfallslose Posse dem Vorbild nicht einmal die Schuhe putzen, fehlt es ihr doch an allen Ecken und Enden an Vision und Innovation. Mehr als nur simpel erdacht ist die Handlung, die zu keinem Zeitpunkt so etwas wie Spannung oder wenigstens Interesse aufbauen kann, geht sie doch kaum über die Installation der Ausgangssituation hinaus: Eine Handvoll Leute versteckt sich vor Mafia-Killern auf einer Segel-Yacht. Das war es eigentlich auch schon. Darauf fußend finden zwar ein paar belanglose Episödchen statt, ein übergeordneter Spannungsbogen fehlt dabei aber ebenso wie eine greifbare Charakterzeichnung. Joe und Margherito, die als Sympathieträger fungieren sollen, bleiben nahezu ohne Profil und sind sich zudem auch viel zu ähnlich. Wenn Bud Spencer und Terence Hill auf der Leinwand miteinander in Streit geraten und sich schließlich unausgesprochen wieder vertragen, dann liegt das daran, dass sie eigentlich zwei völlig unterschiedliche Persönlichkeiten verkörpern, die sich am Ende aber eben doch so gut ergänzen, dass sie nicht mehr ohneeinander können. J & M hingegen kabbeln sich quasi grundlos, hauen einander Beleidigungen um die Ohren und fangen ohne erkennbare Motivation an, sich zu verwemsen.

Dass beide zudem einen nur wenig liebenswerten Eindruck machen, ist auch nicht gerade sonderlich hilfreich. Dass Joe zu Beginn einfach mal eine Yacht kapert, ließe sich noch mit seiner Notsituation erklären. Dass er jedoch vollkommen ohne jede Not den Schiffseigner fesselt, knebelt und gefangenhält, ist hingegen schon wieder ein ganz anderes Kaliber. Und wenn später tatsächlich noch ein weiteres Boot geräubert wird, stößt man dessen verständlicherweise lautstark protestierenden Besitzer einfach mal so mir nichts, dir nichts ins Wasser. Sympathie sieht anders aus! Gut, beide sollen Gauner sein und Joe verdingt sich immerhin sogar für die Mafia, aber wenn die Helden eines Stückes so gar keinen moralischen Kompass mit auf den Weg bekommen haben, dann fällt es doch arg schwer, sich auf ihre Seite zu schlagen. Nun ist J & M kein NATURAL BORN KILLERS und im Großen und Ganzen natürlich eher harmlos. Dennoch gibt es unterwegs auch den einen oder anderen Toten zu beklagen, die jedoch fast alle auf das Konto der skrupellosen Verfolger gehen (lediglich gen Ende wird einem vermeintlich Unschuldigen von den „Helden“ per Bombe das Lebenslicht ausgepustet). Der also durchaus vorhandene harte Unterton ist ungewöhnlich für eine Komödie und erinnert sogar ein wenig an den brutalen Mafia-Massaker-Auftakt des Travestie-Klassikers MANCHE MÖGEN’S HEISS – wobei das nicht die einzige Assoziation bleibt, denn im Laufe der Handlung werfen sich J & M tatsächlich in Frauenkleider. Wer allein über diesen Umstand bereits lachen kann, der sitzt hier humorspezifisch schon richtig.

Aufmerksamkeit erregt J & M allerdings weniger durch seine behäbigen Scherze und schleppende Erzählweise, als vielmehr durch seine ungewöhnliche Besetzung der Hauptrollen. Keith Carradine und Tom Skerritt sind nun so ziemlich die letzten, die man in einer 70er-Jahre-Italo-Klamotte erwartet hätte. Während Carradine später vor allem ein beliebtes Serien-Gesicht wurde, erlangte Skerritt Berühmtheit durch Kultfilme wie ALIEN oder TOP GUN. Vor allem Letzterer ist hier allerdings kaum zu erkennen, zumal er seine Gesichtszüge auch noch durch eine wildwüchsige Bartpracht verschleiert. Ein weiterer bekannter Name auf der Besetzungsliste ist der von Sybil Danning [→ DER TAG DER KOBRA], die allerdings die typische dumme Nudel spielt, die ohne ihre übergroße Brille quasi blind ist – was natürlich für weitere tiefergelegte Witzeleien genutzt wird. Verantwortlich für die deutsche Sprachfassung war dabei übrigens Rainer Brandt, der auch aus dem Munde Tom Skerritts zu hören ist. Zwar bewies Brandt zuvor schon oft Gespür für passende Pointen, aber in diesem Falle wirkt das verbale Dauerfeuer meist eher bemüht als locker vom Hocker.

Das Einzige, was wirklich für gute Laune sorgt, ist das beschwingte Titellied von Guido und Maurizio De Angelis, das, wäre es für einen besseren Film entstanden, im Laufe der Zeit wohl ähnlichen Klassikerstatus erlangt hätte wie ihre Arbeiten für Spencer/Hill. Wer infantiler Blödelei prinzipiell offen gegenübersteht und seine Ansprüche in den Keller schrauben kann, der darf J & M – DYNAMIT IN DER SCHNAUZE dennoch auf seine Abarbeitungsliste setzen. Immerhin erlebt man hier eine Hauptrollen-Konstellation, die man nicht alle Tage sieht. Und um der Ehrlichkeit Genüge zu tun: Die Sprunghaftigkeit und Erklärungsarmut der Ereignisse könnte auch darin begründet liegen, dass die bundesdeutsche Schnittfassung mit gerade einmal 75 Minuten Laufzeit wirklich extrem kurz geraten ist. Dass man sich viele Verhältnisse selbst zusammenreimen muss, wäre somit also hauptsächlich Folge großflächiger Auslassungen und einer Vertonung, der eher an spaßigem Spruchgut als an Informationsübermittlung gelegen war. Das Original läuft etwas über 100 Minuten (wobei sich in der deutschen Version wiederum Szenen befinden, die dort fehlen). In Ungarn und der Türkei kommt die Nummer sogar auf satte 115 Minuten. Insgesamt scheint sich so ziemlich jedes Land seine eigene Version von dem Ding gebastelt zu haben. Die deutsche Variante ist mit Abstand die kürzeste. Ob das nun gut oder schlecht ist, darüber könnte man diskutieren.

Laufzeit: 75 Min. / Freigabe: ab 16

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