Freitag, 25. August 2023

ZWEI SCHLITZOHREN IN DER GELBEN HÖLLE


QUESTA VOLTA TI FACCIO RICCO!
Italien, Hongkong, BRD 1974

Regie:
Gianfranco Parolini

Darsteller:
Antonio Sabato,
Brad Harris,
Gianni Rizzo,
George Wang,
Karin Schubert,
Rudy Roland,
Eva Lin,
Danny Lee



„Das Kennwort heißt: 'Mundgeruch macht Feinde'. Ihnen als Reklamemann muss das ja leicht von den Lippen gehen.“

[Und das nächste Mal lernen wir den Unterschied zwischen ‚Kennwort‘ und ‚Parole‘!]

Inhalt:

Die beiden Herumtreiber Joe Esposito [Antonio Sabàto], genannt ‚Spaghetti‘, und Brad McCoy [Brad Harris], genannt ‚Keule‘, befinden sich stets auf der Jagd nach dem schnellen Geld. Dieses Mal versuchen sie ihr Glück in Hongkong, doch zunächst ohne Erfolg: Brads Plan, mittels gezinkter Würfel die Urlaubskasse aufzubessern, schlägt fehl und führt zu einer zünftigen Keilerei. Aufgrund ihrer Unerschrockenheit erregen sie allerdings die Aufmerksamkeit des Drogenbarons Giorgiakis [Gianni Rizzo], der sie vom Fleck weg als Kuriere engagiert. Nun befinden sich Joe und Brad nicht nur auf der Flucht vor der Polizei, sondern auch vor Giorgiakis’ Widersacher Wang [George Wang], der ihnen die heiße Ware abluchsen will. Noch ahnen sie nicht, dass sie in Wahrheit lediglich Spielbälle in einer hinterhältigen Intrige sind.

Kritik:

Mit der SABATA-Trilogie (1969/'70/'71) erschuf Gianfranco Parolini ein echtes Bravourstück, das bei Italo-Western-Fans völlig zurecht sehr hoch im Kurs steht. Und auch seine Beiträge zur KOMMISSAR X-Reihe (ab 1966) können sich sehen lassen. Darüber hinaus produzierte der 1925 in Rom geborene Regisseur allerdings auch viel Schund und Unterdurchschnittliches, wozu der vorliegende ZWEI SCHLITZOHREN IN DER GELBEN HÖLLE strenggenommen auch gehört. Bereits der deutsche Verleihtitel macht unmissverständlich klar, dass man es hier mit einem der zahlreichen Epigonen der erfolgreichen Bud Spencer- und Terence Hill-Komödien zu tun hat, ist die klangliche Nähe zu ZWEI HIMMELHUNDE AUF DEM WEG ZUR HÖLLE, einem der beliebtesten Filme des berühmten Vorbilds, doch nicht zu leugnen. Originalität oder gar große Visionen sind also schon von Haus aus nicht zu erwarten, wenn sich mal wieder ein flugs herbei fantasiertes ungleiches Duo durch die Gegend kabbelt, prügelt und juxt. Dennoch gelang Parolini (der auch am Drehbuch mitschrieb) im Großen und Ganzen recht passable Unterhaltung – immer vorausgesetzt, man schämt sich nicht für sein kindliches Gemüt und ist sich im Vorhinein bewusst, dass die Veranstaltung ein paar Qualitäts-Etagen unter der Spencer-/Hill-Liga spielt. Der große Lachanfall bleibt dann zwar immer noch aus, aber der ein oder andere generöse Schmunzler ist durchaus gegeben.

Dabei ist die Produktion mit dem Begriff „zweckdienlich“ wohl noch am besten beschrieben. Parolini lieferte artig Dienst nach Vorschrift, ging aber keinen Schritt weiter als zwingend notwendig. Strenggenommen ist es sogar verblüffend, wie vergleichsweise trist hier alles daherkommt, immerhin drehte man direkt vor Ort in China – eine Location, die von vielen Produzenten zu dieser Zeit ganz bewusst gewählt wurde, da sie, zumindest für damalige westliche Augen, viel exotisches Flair atmete und mit zahlreichen schönen Kulissen aufwarten konnte. ZWEI SCHLITZOHREN IN DER GELBEN HÖLLE jedoch spielt gefühlt immer an denselben drei Plätzen und gab sich auch keine Mühe, diese in irgendeiner Form anschaulich in Szene zu setzen. Die unvermeidlichen Prügel-Szenen sind ebenfalls eher schlecht als recht choreographiert und auch in Sachen Fabulierlust regierte der Sparstift: Erklärungen, woher sich die beiden Protagonisten überhaupt kennen und was sie antreibt, bleibt man dem Publikum schuldig. Während Spencer und Hill sich in der Regel zunächst zufällig über den Weg liefen und erst zusammenraufen mussten, bevor sie ein Team bildeten, welches dann auch ein festes Ziel vor Augen hatte, sind Brad und Joe bei ihrer ersten Begegnung bereits alte Bekannte, die sofort anfangen, einander anzufrotzeln, und dann ambitionslos in den Tag hineinleben.

Stehen und fallen tut solch eine Nummer natürlich mit ihren Hauptdarstellern und da ist ZWEI SCHLITZOHREN IN DER GELBEN HÖLLE nun ein sehr ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite hat man da den grandiosen Brad Harris [→ DAS GEHEIMNIS DER CHINESISCHEN NELKE], ein veritables Muskelpaket voller Präsenz und Energie, dessen infantiles Gemüt beinahe ansteckend wirkt. Einst war Harris in der Athleten- und Bodybuilder-Szene unterwegs und kam eher zufällig zum Film, erst als Stuntman, Statist und Nebendarsteller, bevor er aufgrund seiner Physis schließlich antike Heldenfiguren verkörpern durfte. Der deutsche Produzent Wolfgang Hartwig wurde auf den amerikanischen Schauspieler aufmerksam und bewilligte ihm für europäische Produktionen nicht nur Hauptrollen, die über Toga und Sandale hinausgingen, sondern engagierte ihn auch als Choreographen für darin vorkommende Action-Sequenzen. Hier erlebt man Harris als krachledernen Bud Spencer-Verschnitt, wobei sein Erscheinungsbild vielmehr an eine fleischgewordene Reinkarnation der Comic-Figur Popeye, dem Seemann erinnert (was von den Machern wohl auch intendiert war, immerhin gibt es eine sehr deutliche Anspielung darauf). Wenn Harris sich zu Beginn im wahrlich kriminell knappen Beinkleid ganz ungeniert zum Affen macht, dann hat er die Gunst des Publikums definitiv auf seiner Seite.

Deutlich weniger begeisternd ist hingegen die Besetzung seines Kompagnons: Vermutlich wollte Antonio Sabàto [→ THE RIFFS II] mit seiner Art smart und lässig wirken, aber das enorm breite und unechte Grinsen, dass er meist mit sich herumführt, lässt ihn eher leicht debil erscheinen. Zudem begleitet er seine Dialoge oft mit sehr eigentümlichen Gesten und Bewegungen, was ihm in manchen Momenten gar psychotische Züge verleiht. Ob dieses Auftreten auf Regie-Anweisungen oder persönliche Überforderung beim Anlegen der Figur zurückgeht, ist eine Frage, auf die es wohl niemals eine Antwort geben wird. Fest steht nur, dass Sabàto sowohl charismatisch als auch darstellerisch deutlich hinter seinem Partner zurückbleibt und kaum Sympathiepunkte sammeln kann. Tüchtig Kastanien aus dem Feuer holt hingegen ein Mann, der hier eigentlich eher Nebendarstellerstatus besitzt: George Wang, der sich bei allen Fans italienischer Comedy durch seine Rolle als Naka Kata in AUCH DIE ENGEL ESSEN BOHNEN (1973) unsterblich gemacht hat, indem er Opfer von Guiliano Gemmas Blütenstil mit den zwei Knospen-Trick wurde, ist eine Schau als gegnerischer Drogenboss, der immer und immer wieder auf der Bildfläche erscheint, um den beiden Helden die Suppe zu versalzen.

Die weibliche Belegschaft hat indes traditionsgemäß nur wenig zu tun, wobei man mit der gebürtigen Hamburgerin Karin Schubert [→ LASST UNS TÖTEN, COMPAÑEROS] immerhin einen bekannteren Namen an Bord hat. Allerdings darf sie hier kaum mehr als taff aussehen und Sabàto schöne Augen machen, wenngleich ihre Figur am Ende zumindest etwas vielschichtiger ist als angenommen. Noch ärger getroffen hat es allerdings Eva Lin [→ KUNG-FU-BRIGADE SCHWARZER PANTHER], die als Liebes-Anhängsel für Brad Harris herhalten muss und lediglich das Klischee der devoten Asiatin erfüllt (wobei sie sich immerhin einmal erfolgreich gegen ungewollte Avancen erwehren darf).

Die Defizite in Sachen Kampf-Chereographie und Bildgestaltung sind vor allem deswegen so ernüchternd, weil die im Original QUESTA VOLTA TI FACCIO RICCO! (=Diesmal mache ich dich reich!) genannte Knallschote eigentlich – man glaubt es kaum!  eine Produktion der Shaw Brothers ist, die damals bekanntermaßen die professionellste Kung-Fu-Film-Fabrik der Welt mit jeder Menge Klassiker-Output unterhielten. Hier jedoch lag die Gewalt über so ziemlich alle Gewerke offenbar fest in italienischer Hand, was doch recht bedauerlich ist: Ein paar Shaw-Profis an den richtigen Hebeln hätte das in vielen Punkten dilettantisch wirkende Werk deutlich aufwerten können. Zum Ausgleich gibt es immerhin einen kuriosen Gastauftritt des späteren Shaw-Stars Danny Lee [→ CITY ON FIRE], der hier bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit auftaucht, um Brad Harris Orangen, Ballons oder ähnlichen Klimbim anzudrehen.

Am Ende ist ZWEI SCHLITZOHREN IN DER GELBEN HÖLLE zwar ziemlich blöd und leidenschaftslos kredenzt, tut aber auch nicht sonderlich weh. Vor allem Brad Harris und George Wang machen richtig Dampf und können damit viel rausreißen. Im Original läuft das Ganze übrigens satte 100 Minuten. Die deutsche Kino-Version war mit 85 Minuten Spielzeit bereits auffallend erleichtert, in der hier besprochenen Video-Variante fehlen nochmal zusätzliche 10 Minuten. Das erklärt den teils etwas holprigen Schnitt. Das Gefühl, etwas Großartiges verpasst zu haben, hat man dabei allerdings auch nicht.

Laufzeit: 76 Min. / Freigabe: ab 16

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