Samstag, 25. November 2023

DIE SÖHNE DES GENERALS YANG


ZUNG LIT JOENG GAA ZOENG
Hongkong 2013

Regie:
Ronny Yu

Darsteller:
Adam Cheng,
Xu Fan,
Ekin Cheng,
Raymond Lam,
Wu Chun,
Jerry Li Chen,
Vic Chou,
Yu Bo



Inhalt:

China im Jahre 986: Die Khitan, angeführt von Ye Luyuan [Shao Bing], fallen in das Song-Reich ein. General Yang Ye [Adam Cheng] wird samt seiner Armee zur Verteidigung einberufen. Problem: Er muss unter der Ägide seines persönlichen Rivalen General Pan Renmei [Leung Kar-yan] agieren. Auf dem Schlachtfeld lässt dieser ihn auch prompt ins Messer laufen und liefert ihm den Feind aus. Aber Yang hat sieben Söhne, Yanping [Ekin Cheng], Yanding [Yu Bo], Yan'an [Vic Chou], Yanhui [Li Chen], Yande [Raymond Lam], Yanzhao [Wu Chun] und Yansi [Fu Xinbo], die es sich zur Aufgabe machen, ihren Vater wieder aus der Gefangenschaft zu befreien. Der Weg hinter die feindlichen Linien wird zur verlustreichen Zerreißprobe.

Kritik:

Dass der deutsche Titel ZUNG LIT JOENG GAA ZOENGs an die von Kung-Fu-Klassiker wie DIE 13 SÖHNE DES GELBEN DRACHEN (1970) erinnert, kommt nicht von ungefähr: DIE SÖHNE DES GENERALS YANG wirkt wie eine um ein paar Jahrzehnte verspätete Shaw Brothers-Produktion und spielt ebenso wie die legendären Historien-Epen des einst wegweisenden Studios auf der klassischen Klaviatur aus Ehre, Treue und Pflichtbewusstsein. Dabei basiert die Geschichte auf eine im Ursprungsland hinlänglich bekannten Sage, die der Yang-Familie nämlich, die dort in regelmäßigen Abständen immer mal wieder zum Gegenstand kultureller Erzeugnisse wird. Der dortigen Bekanntheit ist es vermutlich auch geschuldet, dass das Autoren-Trio allzu weitschweifige Expositionen aussparte und das Publikum mehr oder minder unvermittelt ins Geschehen wirft. Bereits der Auftakt hat’s in sich: Verbalisierung von Familienfehden, eine verbotene Liebelei, rachsuchtintendierter Schlagabtausch mit Todesfolge, intrigantes Herumgezicke, Invasion feindlicher Mächte … Und dann sind gerade mal die ersten 5 Minuten um. Da kommt man sich dann schon ein wenig überrumpelt vor, wenn nachfolgend im Eiltempo Verteidigungspläne geschmiedet und Allianzen geschlossen werden, da die Relationen noch längst nicht klar sind.

Als weitere Parallele zu älterer Shaw Brothers-Tradition erweist sich dabei die noch zusätzlich verwirrende Personalfülle, denn sieben Söhne inklusive Rest der Familie, deren Rivalen, Sympathisanten und Liebschaften müssen ja irgendwie untergebracht werden. Die obligatorischen kurzen Einblendungen zur Etablierung von Namen und gegebenenfalls Rang helfen da wenig. Und dass die Söhne zudem Nummern tragen und sich meist auch nur entsprechend anreden, trägt auch nicht gerade zur Identifikationserleichterung bei. So etwas funktioniert ausschließlich bei DIE DREI ??? („Ausgezeichnet, Zweiter!“ - „Danke, Erster!“) Diese Mankos schwinden freilich im Laufe der Zeit. So erweist sich die Story im Nachhinein als doch eher simpel und der Einstieg als unnötig überladen und verklausuliert; viele einleitende Konstituierungen wie Liebesnöte, Machtpoker und Rachemotivationen werden hinfällig. Und auch die Söhne gewinnen nach und nach an Profil, spätestens, wenn sich ein jeder als Unikum in einer bestimmten Sache erweist, sei es Schwertführung, Geschick mit Pfeil und Bogen oder gar Heilkunde.

Das Auffinden des Familienoberhauptes passiert dann auch verblüffend hurtig, die eigentlichen Konflikte beginnen erst im Anschluss. Denn der Feind will die frisch Wiedervereinten auf keinen Fall ziehen lassen und startet ein potenziell tödliches Intermezzo aus Angriff und Heimtücke, was bisweilen an ein Belagerungsszenario der Marke RIO BRAVO oder ASSAULT erinnert. Jede Menge Gelegenheit also, die Klingen zu kreuzen und Sehnen zu spannen, was dann auch ausgiebig zelebriert wird. Da weicht die Komplexität des Beginns dann endgültig dem archaischen, aufs Notwendigste reduzierten Urkampf, der mehr und mehr zur privaten Vendetta wird. Dass die Brüder es tatsächlich schaffen, sich allein gegen eine ganze Armee zu behaupten, gehört natürlich ins Reich der Fabeln, kann hier aber spielend als Teil der Fiktion akzeptiert werden. Als zusätzliches Spannungselement fungiert die Vergiftung des zu rettenden Vaters, der zudem anfängt, mittels Fieberträumen in Bibelfilmoptik sein Leben zu hinterfragen. Hier ist also Not am Mann und Eile geboten, bevor die Zielperson doch noch das Zeitliche segnet und die ganze Aktion final vergebens war.

Über allem schwebt dabei stets das Konzept von „Ehre“ und „Familie“, was für beide Seiten gilt. Denn auch der Kontrahent scheint irgendwann gar nicht mehr die Annektierung eines Landes im Sinn zu haben, sondern sich auf einer persönlichen Vergeltungsmission zu befinden, macht er doch den Yang-Clan für den Verlust seiner eigenen Sippschaft verantwortlich. Das scheint etwas weit hergeholt und dezent übertrieben, sorgt aber natürlich für das nötige Konfliktpotential. Shao Bing [→ THE LOST BLADESMAN] agiert als Schurke dabei leicht am Rande der Lachhaftigkeit, wie ein Schulhof-Rambo, der einen auf dicke Hose macht und in seinem Auftreten für die behauptete Zeitepoche ein wenig zu modern rüberkommt. Fast noch mehr gilt das für sein Heer, das aus einer Schar von Paradiesvögeln und Türstehern mit modischen Uppercut-Frisuren besteht. Wenn sich dann noch ein tuntiger Beobachter in kaiserlichem Auftrage zur Truppe gesellt, ergibt das in der Summe doch einen ziemlich schrillen Haufen, der nicht unbedingt zu 100 Prozent ernstzunehmen ist.

Die zum Teil ausufernden Schlachtszenen bieten nur wenig, was man nicht bereits an anderer Stelle in ähnlicher Form gesehen hätte. Der obligatorische Pfeilteppich fehlt dabei ebenso wenig wie die altbekannte Feuerwalze. Trotzdem geriet das Getümmel durchaus imposant, wenn es auch allzu offensichtlich per Computertechnik aufgebrezelt wurde. Als optischer Maßstab scheint dabei Zack Znyders Comic-Verfilmung 300 (2006) gegolten zu haben, manche Momente scheinen doch arg inspiriert. Das ist zwar kompetent gemacht, lässt jedoch eine gewisse Eigenständigkeit vermissen. Höhepunkt ist darum die Sequenz, die nicht wie ein Abziehbild bekannter Vorbilder wirkt, nämlich ein gegen Ende stattfindendes Pfeil-und-Bogen-Duell in einem sonnenstrahlgetränkten Kornfeld. Wenn die Geschosse gefährlich durch die Reihen zischen und auf ihrem Weg zum Ziel auch ein paar Ähren in Stücke sprengen, dann ist das ebenso imposant wie spannungsfördernd.

Dass DIE SÖHNE DES GENERALS YANG trotz fehlender Innovationen so angenehm rund läuft, liegt in erster Linie daran, dass an den Hebeln echte Profis saßen, deren Arbeit man nur als routiniert bezeichnen kann. Regisseur Ronny Yu [→ FEARLESS] ist ein alter Hase auf dem Gebiet großbudgetierter Unterhaltungsware und die Choreographien stammen vom renommierten Tung Wei [→ BODYGUARDS AND ASSASSINS]. Mit knapp 100 Minuten Spielzeit ist die Erzählung auch angenehm kompakt verpackt. Man denke zum Vergleich nur an John Woos überbordendes Schlachtgemälde RED CLIFF (2008), das es in seiner Gesamtheit auf satte 280 Minuten bringt und sich somit nicht mal eben schnell weggucken lässt. Auf der Besetzungsliste sticht vor allem Ekin Cheng [→ RETURN TO A BETTER TOMORROW] als ältester Bruder hervor, aufgrund seiner Mitwirkung in zahlreichen Fantasy-Streifen und Action-Krimis wohl das im Westen bekannteste Gesicht. Zum Schluss sei noch der eindrückliche Soundtrack Kenji Kawais [→ BATTLE OF KINGDOMS] positiv hervorgehoben, der die brachialen Bilder passend untermalt und dabei so steil geht, dass man sich am liebsten gleich selbst mit aufs Ross schwingen möchte.

„Die Geschichte der Familie Yang lebt als Legende weiter bis zum heutigen Tag“, heißt es am Ende (in der deutschen Fassung eingesprochen vom großartigen Frank Schaff). „Sie steht für Werte wie Geradlinigkeit, Achtung, Güte und Rechtschaffenheit.“ Nachhaltig in Erinnerung bleiben wird diese Adaption der Sage dennoch nicht. Aber als kleines Epos für den Hunger zwischendurch taugt sie allemal.

Laufzeit: 102 Min. / Freigabe: ab 16

Samstag, 18. November 2023

RISE OF THE LEGEND


HUANG FEI HONG ZHI YING XIONG YOU MENG
China 2014

Regie:
Chow Hin-Yeung

Darsteller:
Eddie Peng,
Sammo Hung,
Leung Ka-Fai,
Angelababy,
Wong Cho-Lam,
John Zhang,
Byron Mann,
Jing Boran



Hurra, die Legende steht auf. Da kommt Freude auf! Aber, Moment mal … Welche denn überhaupt? Immerhin ist die Kino-Landschaft voll von Ikonen und hochstilisierten Heldenfiguren. Während sich der englische Titel (und damit auch der gleichlautende deutsche) über den Namen des Protagonisten ausschweigt, sorgt ein Blick auf den originalen Schriftzug für Klarheit: Huang Fei Hong ist da zu lesen – ein Name, den der asienaffine Filmfreund auf Anhieb als Wong Fei-Hung identifiziert, denn so wird er im Westen meist transkribiert. Wong lebte einst tatsächlich (nämlich von 1847 bis 1924), war Arzt und Kampfkünstler zugleich (ein Martial-Arzt, sozusagen), lehrte sowohl traditionelle chinesische Medizin als auch Kung-Fu und setzte sich dem Vernehmen nach vehement für die Rechte der Schwachen und Hilflosen ein. Da die Leinwand solche Vorbilder liebt und das chinesische Publikum von Nationaltrophäen nie genug bekommen kann, entstand eine schwindelerregende Anzahl an cineastischen Adaptionen, die es mit historischen Fakten zwar nicht allzu genau nahmen, aber dafür den Namen erfolgreich ins Kollektivgedächtnis einbrannten.

In Deutschland am bekanntesten wurden dabei die DRUNKEN MASTER- sowie die ONCE UPON A TIME IN CHINA-Reihe – was vor allem an deren Hauptdarstellern liegt. Denn in der einen schickt Springfloh Jackie Chan seine Gegner auf die Bretter, während in der anderen Jet Li gekonnt zwischen Keile und Heilkunde pendelt. In RISE OF THE LEGEND darf sich nun erstmals Eddie Peng [→ COLD WAR] den begehrten Doktortitel anheften, um nach allen Regeln der (Kampf-)Kunst durchschlagende Rezepte auszustellen.

Inhalt:

China, 1868: Das Land ist zerrissen, auf den Straßen ist Gewalt allgegenwärtig. Im Hafenviertel der Provinz Guangzhou kämpfen zwei Verbrecherbanden verbissen um die Vorherrschaft: der Black Tiger Clan, angeführt von Master Lui [Sammo Hung], und der North Sea Clan unter dem Kommando von Master Wu [Chen Zhihui]. Als es dem jungen Kämpfer Wong Fei-Hung [Eddie Peng] gelingt, Wu einen Kopf kürzer zu machen, wird er zum Dank von Master Lui ins Syndikat aufgenommen und ohne Umschweife zur Nummer 4 in der Rangordnung ernannt, was seinen Kollegen 1 bis 3, nämlich North Evil [Jack Feng], Black Crow [Byron Mann] und Old Snake [Li Kaixian], so gar nicht schmecken möchte. Tatsächlich haben sie allen Grund zur Missgunst, wenn auch aus völlig anderen Gründen: Wong Fei-Hong gehört mit seinen Freunden Fiery [Jing Boran], Chun [May Wong] und Xinlan [Angela Yeung-Wing] nämlich eigentlich zur Orphan Gang, die plant, Master Luis Geldreserven zu rauben. Das Unternehmen gestaltet sich allerdings schwieriger als gedacht. Denn nicht nur, dass Nummer 1 bis 3 gegen Fei-Hung intrigieren, um ihn wieder loszuwerden - auch Long [Max Zhang], der Sohn Master Wus, ist hinter ihm her und sinnt auf Rache für den Tod seines Vaters.

Kritik:

'Selbst, wenn es bis zum allerletzten Herzschlag sein muss: Ich muss dafür sorgen, dass mein Gegner fällt', denkt der junge Mann, der gerade im strömenden Regen steht und sich, bereits in konzentrierter Kampfpose, in einer finsteren Gasse von einer Gruppe angriffslustiger Gestalten umringt sieht. Es sind die ersten Sekunden von RISE OF THE LEGEND und besagter Denker ist eben genau jene vom Titel behauptete Legende, die somit ob dieser feindlichen Offensive bereits zum Auftakt der Veranstaltung in wuchtiger Wehrhaftigkeit Tritte und Schläge verteilen und ihre Kontrahenten dekorativ in den Schlamm schleudern darf. Die Kamera wirbelt dabei mit wie wild, Blut und Wasser spritzen in effektiver Zeitlupe in Richtung des Betrachters und beim Landen eines Treffers bollert es von der Tonspur fortwährend, als sei soeben ein Güterzug mit Lichtgeschwindigkeit in ein Paukenlager gerast. Schon jetzt ist klar: Hier werden keine kleinen Brötchen gebacken, hier rappelt’s im Karton. Den Grund für das Geplänkel erfährt der Zuschauer (sofern es ihn denn überhaupt interessiert) allerdings erst später, denn das heftige Hand- und Fußgemenge war lediglich ein Ausblick auf kommende Ereignisse. Nach ein paar anschließenden Szenen, die den eben noch so prachtvoll prügelnden Protagonisten als Kleinkind unter der Schirmherrschaft seines klugen Vaters zeigen, folgt eine ausgiebig zelebrierte Vogelperspektive des Hafenviertels von Guangzhou, in dem emsiges Treiben herrscht und wo die Neugestaltung der Wong-Fei-Hung-Saga ihren Anfang nimmt.

Bereits der Beginn als Ganzes macht deutlich, dass die Reform von Erzählung und Figur Gemeinsamkeiten mit Vertrautem größtenteils vermissen lässt. Dieser generalüberholte Wong Fei-Hung ist alles andere als ein gelassener Gentleman, viel mehr ein ungestümer Wüterich, der bereits nach wenigen Minuten Laufzeit einem seiner Gegner die Hirse vom Halse hobelt. Zugegeben: So ganz getraut, seinen Helden zum kaltblütigen Killer umzudeuten, hat das Drehbuch sich dann doch nicht: Zum einen kullert der Kontrahenten-Kopf nicht aufgrund einer aktiven Abtrennungsmaßnahme, sondern weil dessen Besitzer hinterrücks doch sehr unglücklich in die scharfe Klinge stolpert. Und zum anderen ist für Fei-Hung das Ableben des ohnehin arg unsympathischen Fiesberts zwingender Mittel zum Zweck, sich das Vertrauen eines noch viel größeren Fisches zu angeln, dessen Verbrecherorganisation er fachgerecht zu infiltrieren und auszuhöhlen gedenkt. Und dennoch: Mit der prägenden Portraitierung durch Jet Li, der die Figur als liebenswert-edelmütigen Zeitgenossen in den Publikumsherzen verankerte, hat diese buchstäblich über Leichen gehende Darstellung nichts mehr zu tun. Von den schlitzohrigen Kapriolen von Schnapsnase Jackie Chan mal ganz zu schweigen.

Als hauptsächlichen Antriebsmotor für das ungewohnte Verhalten der Titelrolle fügte Autorin Christine To [→ TRUE LEGEND] ein – wie originell! - dringliches Vergangenheitsbewältigungsbegehren hinzu: Entgegen historischer Tatsachen stirbt der gütige Vater Wong Fei-Hungs hier nämlich, in salbungsvollen Rückblenden dargeboten, bei einer Rettungsaktion im Flammenmeer, wofür der verbleibende Sprössling alsbald den mächtigen Master Lui als Hauptverantwortlichen ausgemacht hat. Im festen Vorhaben, ihm seinen Verlust fachmännisch heimzuzahlen, erschleicht er sich durch die vorangegangene Tötungsaktion das Wohlwollen des gefürchteten Moguls und wird zur Tarnung vermeintlicher Teil des Biotops des Bösen, in welchem er rasch die Rangliste emporklettert. Im Grunde erzählt RISE OF THE LEGEND somit eine klassische Undercover-Story, wie man sie hauptsächlich aus dem Genre des Polizeifilms kennt: Der Gute gibt sich als Gauner aus, gliedert sich, das Damokles-Schwert der Entlarvung stets über sich wissend, in die Gemeinschaft ein, findet unerwartet Freunde auf gegnerischer Seite und beginnt mit sich selbst zu hadern, bevor ein großer Befreiungsschlag final die Fronten klärt.

Keine neue, aber auch keine schlechte Zutat, die hier jedoch arg verwässert wurde. Offenbar wollte sich die Autorin mit einem stringenten Handlungsablauf nicht zufrieden geben, weswegen RISE OF THE LEGEND unterwegs mehrfach die Richtung wechselt und bisweilen sogar komplett auf der Stelle tritt. So wird auf halber Strecke der Nebenschauplatz eines großangelegten Geldraubes eröffnet, den Fei-Hung mit seiner Orphan Gang genannten Gruppierung elternloser Versprengter durchführen will, was kurzzeitig für eine Art Genre-Wechsel in Richtung Rififi sorgt – zwar nicht ganz Ocean’s Eleven, aber immerhin Fei-Hungs Vier. Diese Aktion wird zwar als Baustein des Racheakts verkauft, doch schadet sie der Konsequenz der Story, führt sie doch zur Entwicklung zahlreicher Einzel-Episoden, welche den Hauptstrang regelrecht aufs Hintertreppchen schicken. Tatsächlich hat To merklich Mühe, die vielen nun mitmischenden Akteure unter einen Hut zu bringen, weswegen am Ende dann quasi jeder Charakter zu kurz kommt. Und wenn dann noch versucht wird, ein tragisches Liebesdreieck zu involvieren und der Held zwischen die Fronten zweier Frauenherzen gerät (samt schwülstiger Schwüre und kitschiger Bekundungen), dann herrscht sogar narrativer Stillstand.

Am Ende scheitert RISE OF THE LEGEND daran, der berühmten Figur eine überzeugende Frischzellenkur zu verpassen. Dass der kickende Arzt in seiner Darstellung hier überwiegend auf links gedreht wurde, fällt freilich unter den Aspekt der künstlerischen Freiheit und kann nicht wirklich negativ angelastet werden. Schon die vorangegangenen Interpretationen unterschieden sich teils stark. Allerdings wird man hiermit auch kaum neue Fans rekrutieren können. Dafür schindet Eddie Peng in der Hauptrolle auch schlichtweg zu wenig Eindruck – zumal sein Charakter keine erkennbare Entwicklung durchläuft. Fei-Hung ist am Ende eigentlich noch genauso wie am Anfang: ein Jungspund mit leichtem Aggressionsproblem, der an seinen Fehlern nicht wirklich zu wachsen scheint. Dafür darf er immerhin gegen eine Ikone des Hongkong-Kinos zu Felde ziehen: Sammo Hung. Der alteingesessene Star, der 2004 in IN 80 TAGEN UM DIE WELT witzigerweise noch selbst Wong Fei-Hung verkörperte, gibt hier mit Inbrunst den Oberschurken und Endgegner und reißt die Aufmerksamkeit in jeder seiner Szenen an sich. Das Finale in einem in Flammen stehenden Lagerhaus haut dann noch mal tüchtig aufs Mett und verdeutlicht, dass man als Genre-Fan hier trotz diverser Defizite eigentlich recht gut aufgehoben ist. Immerhin kommt es in regelmäßigen Abständen zu saftigen Auseinandersetzungen, die mit vollem Einsatz von Lanze, Schwert und Körper ausgetragen werden und zudem vom renommierten Profi Corey Yuen [→ THE MAN WITH THE IRON FISTS] gewohnt präzise choreographiert wurden. Mag das Ziel, eine neue Generation von Fei-Hung-Enthusiasten heranzuzüchten, auch verfehlt worden sein, so bleiben immerhin 2 Stunden aufwändig gestaltete Kampfkunst-Unterhaltung vor historischem Hintergrund. Da gibt’s Schlimmeres.

Laufzeit: 132 Min. / Freigabe: ungeprüft

Samstag, 11. November 2023

SEVEN ASSASSINS - IRON CLOUD'S REVENGE


KWONG FAI SHUI YUE
China 2013

Regie:
Xiong Xin-Xin

Darsteller:
Eric Tsang,
Felix Wong,
Gigi Leung,
Ray Lui,
Ni Hongjie,
Michael Wong,
Xiong Xin-Xin,
Simon Yam



Nach Ende des Ersten Japanisch-Chinesischen Krieges (August 1894 bis April 1895) fürchteten sich die Dorfbewohner Nordchinas vor einem zu starken Einfluss ausländischer Interessen. Als mehrere Naturkatastrophen das Land zusätzlich beutelten, machten viele (natürlich wider jeder Logik) westliche Mächte für das Unglück verantwortlich. Infolgedessen begannen sogenannte „Boxer“ (sprich: Kampfkunstkundige) aufzubegehren, indem sie ausländisches Eigentum zerstörten und (leider) auch Menschen töteten. Sogar die Kaiserin begann schließlich, die Rebellion zu unterstützen, die später als „Boxer-Aufstand“ in die Geschichtsbücher eingetragen wurde. Nach ersten Teilerfolgen unterlagen die Aufständischen schließlich der ausländischen Allianz, was die ohnehin bereits angeschlagene Qing-Dynastie weiter schwächte. In der Aufarbeitung wurden die Boxer von Gelehrten zunächst eher negativ rezipiert, beklagt wurden vor allem Rückständigkeit, Naivität und Aberglaube. So waren z. B. viele Kämpfer davon überzeugt, chinesische Körper seien unempfindlich gegen ausländische Gewehrkugeln. Dummerweise konnten die meisten dann hinterher nicht mehr von ihrem Irrtum berichten. Im Laufe der Zeit jedoch wurden die Umstürzler vor allem in der künstlerischen Darstellung mehr und mehr glorifiziert und als erstes großes Bollwerk gegen den Imperialismus gefeiert.

In dieser turbulenten Zeit spielt auch SEVEN ASSASSINS, ein Hybrid aus Historienschinken und Comic-Strip mit einem beachtlichen Aufgebot an Altstars des Hongkong-Kinos.

Inhalt:

China zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Das einstmals stolze Kaiserreich ist zerrissen zwischen Tradition und Revolution; gewaltsame Unruhen beherrschen das Land. Einer der Rebellenführer ist Tie Yun [Felix Wong], der mit einer großen Menge Gold durch das Reich zieht, das der Rekrutierung neuer Streitkräfte dienen soll. Klar, dass das nicht gut geht: Kaiserliche Soldaten überfallen den Transport. Tie kann lediglich sein Leben retten und flüchtet in eine „Das goldene Tal“ genannte Kommune, die es bisher geschafft hat, friedlich und abseits aller Konflikte weiterleben zu können. In ihrem Anführer Boss Mao [Eric Tsang] findet Tie schnell einen neuen Freund und Seelenverwandten. Als die Armee das Dorf überfällt und einen Teil der Gemeinschaft kaltblütig massakriert, erwacht der Kampfgeist und die Überlebenden verbünden sich mit dem Revolutionär.

Kritik:

Das verspricht fraglos jede Menge Spannung, Action und Abenteuer. Doch SEVEN ASSASSINS kann die an das Sujet geknüpften Erwartungen am Ende kaum einlösen. Dabei sind die Voraussetzungen hervorragend: ein packender historischer Hintergrund, eine ansprechende Ausstattung, viele gern gesehene Gesichter und an den Hebeln Verantwortliche, die ihr Handwerk durchaus verstehen. Doch viel zu behäbig kommt die Erzählung daher, der es vor allem an der nötigen Dramatik fehlt. Die Fallhöhe der zahlreichen Figuren wird nie so recht deutlich, zumal sie einem bis zum Schluss überwiegend unnahbar bleiben und keine rechte Verbundenheit hervorrufen können. Sogar Eric Tsang [→ SHAOLIN BASKETBALL HERO], der eigentlich ein großartiger Schauspieler ist und hier als schwerpunktmäßiger Sympathieträger fungieren soll, kommt ungewohnt langweilig und leidenschaftslos daher – was vor allem deswegen überrascht, weil er zusätzlich als Produzent hinter dem Projekt stand. Mancherorts wird ihm sogar anteilig die Regie zugeschanzt, aber das scheint schlichtweg ein Fehler zu sein. Die Inszenierung übernahm der überwiegend als Darsteller, Kampfkünstler und Choreograph bekannte Xiong Xin-Xin [→ KILL FIGHTER], der hier ebenfalls als Dorfbewohner zu sehen ist und in einer pseudotiefsinnigen Dialog-Szene versuchen darf, seiner Rolle Profil zu verleihen.

Womöglich lag es an seiner Unerfahrenheit in Sachen ganzheitlicher Spielleitung, dass das Werk über weite Strecken so dröge geriet. Selbstverständlich reißt auch das Drehbuch keine Bäume aus und bietet inhaltlich kaum etwas Neues. Aber der Freiheitskampf einer friedlebenden Dorfgemeinschaft verspricht prinzipiell Aufregung, selbst, wenn die zu Grunde liegenden Mechanismen im Kino bereits mehrfach durchexerziert wurden. SEVEN ASSASSINS (ein Titel, der gewiss nicht zufällig Assoziationen zu DIE SIEBEN SAMURAI oder dessen Neuausrichtung DIE GLORREICHEN SIEBEN erweckt) wirkt allerdings gar nicht wie für die Leinwand konzipiert und erweckt vielmehr den Eindruck einer zwar engagierten, aber nichtsdestotrotz in Sachen Mitteln und Möglichkeiten zurückgeschraubten Fernseh-Produktion. Epische Breite will sich partout nicht einstellen und oftmals entsteht ein eher theaterhafter Eindruck - zumal es auch an variantenreichen Schauplätzen mangelt und wiederholt die altbekannte Dorfkulisse bemüht wird. Dafür sind die Action-Szenen prinzipiell gut gelungen, wobei vor allem das Finale tüchtig Versäumnisse nachholt. Zu dieser Epoche neuartige Waffen wie Pistolen oder Maschinengewehre sorgen für triftig Trommelfeuer, während das gute, alte Schießpulver für zusätzliche Lärmbelästigung inklusive Rauch und Feuer sorgen darf. Und natürlich fliegen neben Kugeln und Funken auch fleißig Faust und Fuß, um dem Gegner additional auf klassische Weise einzuheizen.

Realistisch ist das freilich kein Stück. SEVEN ASSASSINS wirkt in solchen Momenten wie ein überzogener Action-Comic - wozu auch der Look der von Ni Hongjie [→ SILENT WITNESS] verkörperten Schurkin beiträgt, die als attraktive Assassine im Aussehen zwischen Django und Domina direkt einem Manga entlaufen scheint. Stilistisch beißt sich das schon arg mit dem Rest der Darbietung, der einen eher geerdeten und nüchternen Ansatz verfolgt. Dabei ist es gerade dieses kleine Quäntchen Verrücktheit, das man sich gern häufiger gewünscht hätte, etwas mehr Mut, auch mal über die Stränge zu schlagen und den Wutz von der Kette zu lassen. So bleibt dem Genre-Fan als Primärantrieb zum Fahrscheinkauf das illustre Star-Ensemble, gelang es den Produzenten doch, eine ansehnliche Runde altgedienter Recken zusammenzutrommeln. Während Felix Wong [→ VENGEANCE], der als Rebellenführer die eigentliche Hauptrolle bekleidet, eher zur unbekannteren Garde gehört, kann man in einer kleinen, aber feinen Nebenrolle als Gouverneur Ti Lung erspähen, einst mit Epen wie DIE BLUTSBRÜDER DES GELBEN DRACHEN (1973) einer der größten Action-Helden Asiens. Michael Wong, der dank kerniger Cop-Reißer wie FINAL OPTION (1993) wohl ewig mit der Figur des harten, doch herzlichen Ausbilders verbunden bleiben wird, sieht man hier ungewohnterweise als das Gespräch suchenden Geistlichen. Weitere Gastauftritte absolvieren unter anderem Waise Lee [→ BULLET IN THE HEAD], Dick Wei [→ EASTERN CONDORS] sowie der vor allem aus Polizei- und Gangsterfilmen bekannte Simon Yam [→ DRAGON KILLER].

Summa summarum bleibt SEVEN ASSASSINS hinter seinen Möglichkeiten zurück. Leider passt sich auch die deutsche Nachvertonung der allgemein vorherrschenden Trägheit an und bietet neben einer miesen Abmischung meist unterdurchschnittliche Sprecherleistungen, vor allem bei den kleineren Rollen (Talsohle bildet dabei der Sprecher Simon Yams, der so heiser klingt, dass man ihm direkt nen Kamillentee aufbrühen möchte). Dabei ist GLORY DAYS (wie er manchmal auch deutlich weniger martialisch, dafür romantisch verklärt genannt wird) auch kein Totalausfall, bietet gediegenen, solide dahinplätschernden Zeitvertreib, der seine Stärken gegen Ende richtig ausspielt und damit einigen zwischenzeitlichen Leerlauf wieder wettmachen kann. Wer nur die Höhepunkte historischer Action-Unterhaltung mitnehmen möchte, darf diesen Beitrag dennoch gern überspringen, ohne sich dafür ein schlechtes Gewissen aufbürden zu müssen.

Laufzeit: 99 Min. / Freigabe: ab 16

Samstag, 4. November 2023

SPY DADDY


THE SPY NEXT DOOR
USA 2010

Regie:
Brian Levant

Darsteller:
Jackie Chan,
Amber Valletta,
Madeline Carroll,
Will Shadley,
Alina Foley,
Magnús Scheving,
Billy Ray Cyrus,
George Lopez



Mit Kindern und Tieren kannst du niemals verlieren! Diese Faustformel gilt eigentlich für die Boulevard-Presse, wenn es darum geht, auf möglichst unkomplizierte Weise stagnierende Absatzzahlen anzukurbeln. Doch da sich dieser Leitspruch quasi mühelos auf die Film-Industrie übertragen lässt, bekamen es viele Leinwand-Stars mit trudelndem Marktwert im Laufe ihrer Kino-Karriere mindestens ein Mal aus irgendwelchen dahergelaufenen Gründen mit rebellischem Kindsvolk zu tun. Dass es dabei auffallend oft Action-Helden trifft, ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass allein aus dem Umstand, eine Person mit Hartem-Hund-Image in ein familienfreundliches Umfeld zu verlagern und somit zwei völlig verschiedene Welten und Wertsysteme korrelieren zu lassen, bereits eine gewisse Grund-Komik entsteht. Das Paradebeispiel dafür ist KINDERGARTEN COP mit Arnold Schwarzenegger, der sogar als harter Action-Streifen beginnt und seinen Hauptdarsteller als unbesiegbare Killer-Maschine etabliert, bevor er als Kindergärtner durch die Renitenz altkluger Dreikäsehochs an die Grenzen seiner Belastbarkeit katapultiert wird. Im Jahre 2010 traf es dann schließlich auch die Kung-Fu-Ikone Jackie Chan, deren Hollywood-Laufbahn trotz des Kassenschlagers RUSH HOUR [1997] nie so richtig in Gang kam. Um das Ruder der Publikumsgunst herumzureißen, ging man dabei auf fast schon sträflich einfallslose Weise auf Nummer sicher und kreierte ein fadenscheiniges Drehbuch von der Stange, das alle vermeintlichen Erfolgs-Faktoren ebenso pflichtschuldig wie innovationslos durchexerziert.

Inhalt:

Die alleinstehende Mutter Gillian [Amber Valletta] müht sich nach Leibeskräften, Job, Privatleben und Erziehung dreier Kinder unter einen Hut zu bringen. Schützenhilfe bekommt sie dabei von ihrem netten Nachbarn, dem chinesischstämmigen Bob Ho [Jackie Chan], zu dem sie außerdem eine Liebes-Beziehung aufgebaut hat. Die Kinder hingegen mögen den bieder wirkenden Vater-Ersatz so gar nicht und machen dem Paar regelmäßig das Leben schwer. Was weder die Kinder noch die Mutter ahnen: Hinter der harmlosen Fassade Hos verbirgt sich ein gut ausgebildeter Geheimagent. Als Gillian für ein paar Tage das Haus verlassen muss, sieht Ho das als Chance, sich bei ihrem Nachwuchs beliebt zu machen und erklärt sich damit einverstanden, für die Zeit als Aufsichtsperson einzuspringen. Doch die vermeintlich leichte Aufgabe wird zum turbulenten Abenteuer, als Gillians Sohn Ian [Will Shadley] unbemerkt in den Besitz einer vertraulichen Formel gelangt, auf die es der gefährliche Gangster Poldark [Magnús Scheving] ebenfalls abgesehen hat. Schon bald ist eine Unzahl finsterer Gestalten hinter der arglosen Familie her und Bob muss plötzlich nicht nur rebellische Kinder, sondern auch feindliche Agenten unter Kontrolle bringen.

Kritik:

SPY DADDY beginnt recht überraschend mit einer Schnittmontage aus älteren Werken Jackie Chans – inklusive Szenen aus MISSION ADLER [1991], einem seiner großen Klassiker. Der Grund dafür ist klar: Das Publikum soll eingeschworen werden auf den Star der Show, alles dreht sich hier nur um den beliebten Wirbelwind aus Fernost. Doof nur, dass das, was dann folgt, so rein gar nichts mit dem eigentlichen Œuvre der Kampfkunst-Legende zu tun hat. Denn das auf Niedlich- und Familientauglichkeit setzende Szenario tauscht die oft sprachlos machende Rasanz früherer Vorstellungen gegen biedere Behäbigkeit und serviert dazu puritanische Paradigmen aus Hollywoods moralinsaurer Mottenkiste. „Familie hat nichts mit Blutsverwandtschaft zu tun. Familie, das sind die Menschen, die du liebst und die dich lieben“, lautet eine der Plattitüden, die dem Publikum hier ums Ohr gehauen werden. Auf solch banale Erkenntnisse hat die Welt natürlich gewartet! Derlei Floskeln wirken hier gleich doppelt fehl am Platze, da die Autoren auf jedweden Realitätsbezug verzichteten und stattdessen lieber eine pulpige Comic-Welt entwarfen. So handelt es sich bei der mysteriösen Formel, um die es hier neben der Familienzusammenführung geht, um eine Rezeptur zur Herstellung ölfressender Bakterien (die auch schon mal Designer-Schuhe gleich mitverputzen, wie eine der Antagonistinnen am eigenen Leib erfahren muss). Die Schurkenschaft besteht aus stereotypisch gezeichneten Russen, die sich selbst unter ihresgleichen stets auf Englisch (bzw. in der Synchronfassung Deutsch) mit schlecht gefälschtem Akzent unterhalten. Irgendjemand hätte den Produzenten sagen müssen, dass der Kalte Krieg schon seit ein paar Jahrzehnten vorbei war. In einer Szene enttarnt Jackie Chan (alias Bob Ho) einen Spion übrigens dadurch, dass er durch eine List herausfindet, dass sein Gegenüber Russisch spricht. Ja, so einfach ist das hier: Wer Russisch spricht, ist automatisch auch ein feindlicher Agent.

Allerdings ist es gerade diese altmodisch-naive Herangehensweise, die SPY DADDY noch ein paar Bonus-Punkte zusichern kann. Man fühlt sich erinnert an die blauäugigen Agenten-Abenteuer der 1960er Jahre, als man dem Publikum noch allen möglichen Nonsens andrehen konnte und ständig irgendwelche Formeln und Seren entwickelt wurden, welche die unmöglichsten Dinge anstellen konnten. Dazu kommen ein paar wenige Kampf-Szenen, die an Chans goldene Jahre erinnern, wenn beispielsweise ein stinknormales Fahrrad in den Händen des Helden zur Waffe wird. Zugutehalten darf man auch, dass die Handlung zwar in absehbaren Bahnen verläuft, aber immerhin in solch unterhaltsamer Routine abgespult wird, dass es quasi keinen Leerlauf gibt. In dramaturgischer Hinsicht holpert es hingegen mehr als nur einmal. Warum die Kinder zu Beginn überhaupt eine so starke Abneigung gegen den ja doch sehr netten Herrn Ho hegen, vergaß das Skript irgendwie zu thematisieren. Eben noch ist die pubertierende Tochter aus irgendwelchen Gründen stinksauer auf ihren Ersatzvater, in der nächsten Szene führen beide Parteien dann plötzlich ein extrem freundschaftliches Gespräch auf dem Dach. Woher der Sinneswandel? Man weiß es nicht.

Generell werden Konflikte hier lediglich behauptet. Leute zürnen einander und vertragen sich wieder, immer so, wie es dem Drehbuch gerade in den Kram passt. Das Publikum steht daneben und wundert sich. Das Hauptproblem aber, warum SPY DADDY einfach nicht funktionieren will, ist die Tatsache, dass Jackie Chan eben niemals ein Arnold Schwarzenegger war. Klar, zu seinen besten Zeiten schickte der agile Chinese pro Minute mehr Gegner auf die Bretter als seine amerikanische Konkurrenz im gesamten Film. Aber dabei war er doch niemals die knallharte Kampfmaschine, die kompromisslos ihre Kontrahenten ausradiert, sondern stets ein massentauglicher Publikumsliebling, dem man seine Sprösslinge ohne Weiteres anvertrauen würde. Ihm nun bei der Kinder-Betreuung zuzusehen hat einfach nicht automatisch die Komik, die es beim Terminator hätte.

Am Hauptdarsteller liegt es im Grunde nicht, dass SPY DADDY scheitert. Der spielt nämlich wirklich mit einer Extra-Portion Chan-Charme und strahlt durchaus die nötige Spielfreude aus. Aber die einfallslos zusammengedoktorte Story könnte am Ende ohnehin nichts und niemand mehr retten. THE SPY NEXT DOOR (wie die Nummer eigentlich im Original heißt) ist dermaßen belanglos, dass man am Ende des Abspanns schon vergessen hat, worum es überhaupt ging. So bleibt der Höhepunkt der viel zu harmlosen Familien-Komödie der einleitende Ausschnitt aus MISSION ADLER. Ein Kompliment ist das nicht.

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ab 6