Eigene Forschungen

Dienstag, 4. Dezember 2012

THE MAN WITH THE IRON FISTS


THE MAN WITH THE IRON FISTS
USA 2012

Regie:
Robert Diggs

Darsteller:
Robert Diggs, Russell Crowe,
Lucy Liu,
Rick Yune,
Dave Bautista,
Jamie Chung,
Byron Mann,
Daniel Wu,
Gordon Liu



„Bei ner Messerstecherei hab ich immer ne Pistole dabei.“ [Jack Knife]


Inhalt:

China, 19. Jahrhundert: Gold Lion [Kuan Tai Chen], der Anführer des Lion Clans, übernimmt den Geleitschutz für eine Ladung Gold des Gouverneurs. Doch sein Companion Silver Lion [Byron Mann], selbst scharf auf das Gold, wird zum Verräter und lässt Gold Lion durch den Mörder Poison Dagger [Daniel Wu] töten. Als Gold Lions Sohn X-Blade [Rick Yune] von dem Attentat erfährt, sinnt er auf Rache. Er reist nach Jungle Village, wo er Silver Lion vermutet. Doch X-Blade unterliegt Brass Body [Dave Bautista], einem Kämpfer mit magischen Fähigkeiten, der seinen Körper in Metall verwandeln kann. Schwer angeschlagen wird er vom Schmied des Dorfes [Robert Diggs] gerettet, der einst als schwarzer Flüchtling nach China kam. Doch sein Einsatz bekommt ihm teuer zu stehen: Als er sich weigert, X-Blades Versteck zu verraten, hacken ihm Silver Lions Schergen beide Arme ab. Doch der verschlagene Engländer Jack Knife [Russell Crowe], frisch im Dorf eingetroffen, rettet ihm das Leben und schmiedet ihm unter seiner Anweisung zwei metallene Arme, dessen eiserne Fäuste jeden Feind besiegen können. Gemeinsam mit der Prostituierten Silk Blossom [Jamie Chung] und deren Chefin Madame Blossom [Lucy Liu] nehmen sie den Kampf gegen die Unholde auf.

Kritik:

Robert Diggs, alias RZA, neben seiner Funktion als Mitglied und Mitbegründer der Hip-Hop-Combo 'Wu-Tang Clan' auch großer Bewunderer des Martial-Arts- und Exploitationkinos der 70er Jahre, suchte, während bereits seine Musikvideos wiederholt mit Kung-Fu-Elementen kokettierten, auch immer wieder die Nähe zur großen Leinwand. So streifte er durch Jim Jarmuschs verträumte Samurai-Reflexion GHOST DOG und pimpte den Soundtrack des Shaw-Brothers-Kniefalls KILL BILL von Regisseur Quentin Tarantino, in dessen Dunstkreis schließlich auch seine erste eigene Regiearbeit entstand.

Nachdem das GRINDHOUSE-Projekt von Quentin Tarantino und Robert Rodriguez im Jahre 2007 die Hommage an die B-Movies der 70er quasi salonfähig gemacht hatte, erblickten in den darauffolgenden Jahren bereits mehrere auf alt getrimmte Ehrerbietungen an vergangene Bahnhofskinotage das Licht der Filmwelt. Originell war RZAs Idee, im Jahre 2012 einen Kung-Fu-Streifen im 70er-Jahre-Stil zu drehen, somit also nicht mehr wirklich. Das Ergebnis jedoch geriet dermaßen frisch und arglos, dass es einem fast vorkommt, als hätte es einen derartigen Einfall noch nie zuvor gegeben. Diggs bewies nicht nur, wie sehr er die Originale verinnerlicht hat, sondern inszenierte auch mit Geschick und Fingerspitzengefühl: Angefangen vom Titel (inklusive dessen wackeliger Einblendung vor eingefrorenem Hintergrund) über Handlungskonzeption und Schnitttechnik bis hin zur dem klassischen Look entsprechenden Besetzung, gelingt es THE MAN WITH THE IRON FISTS die bekannten Elemente dermaßen perfekt zu imitieren, dass man tatsächlich den Eindruck gewinnen könnte, hier wäre ein vergessenes Kampfsport-Spektakel der Vergangenheit ins neue Jahrtausend katapultiert worden.

Dabei verzichtete RZA darauf, durch absichtliche Bildstörungen, Fehlschnitte oder vermeintlich fehlende Filmrollen den Eindruck zu erwecken, eine alte, verschlissene Kinokopie zu betrachten, wie es viele seiner Kollegen vor ihm taten, und vertraut zur Erweckung seliger Nostalgiegefühle stattdessen ganz auf die klassische Optik, den altmodischen Inszenierungsstil und die antiquierte Handlung, die ebenso dünn und selbstzweckhaft daherkommt, wie es zu früheren Zeiten der Fall war. Die Werke der Shaw Brothers sind es vor allem, denen RZA seinen Respekt zollt, sowie deren zahllose Plagiate, die sich durch immer unsinnigere Kampftechniken und verrücktere Figuren gegenseitig zu übertrumpfen versuchten. Aber auch der zarte Schlenker zum Blaxploitation-Kino (der vor allem erklären soll, warum mit RZA ein schwarzer Protagonist im alten China weilt) gelingt quasi mühelos und bettet sich fast nahtlos ins Martial-Arts-Szenario ein.

Dass die überbordenden Gewaltexzesse nicht wie 40 Jahre zuvor mit Kunstblut und Prothesen getrickst wurden, sondern überwiegend am Rechner entstanden und im Hintergrund statt der Peking Oper moderne Rap-Musik erschallt (wozu natürlich auch der Wu-Tang Clan seinen Beitrag leistet), mag für Puristen empörend klingen, funktioniert jedoch allen Vorurteilen zum Trotz ohne jede Schwierigkeit, was vor allem daran liegt, dass die Verwendung nicht unnötig inflationär, sondern mit Bedacht und Sorgfalt erfolgte: Tatsächlich findet RZA eine wohlige Balance zwischen altmodischen und modernen Elementen, benutzt er letztere doch nicht etwa zur bloßen Anbiederung an den Zeitgeist, sondern zur bestmöglichen Unterstützung klassischer Bestandteile.

Für Fans strotzt THE MAN MIT THE IRON FISTS nur so vor Zitaten und Gastauftritten: Während John Woos THE KILLER lediglich musikalisch gehuldigt wird, hält Shaw-Brothers-Recke Gordon Liu, der bereits Quentin Tarantinos KILL BILL veredeln durfte, sein Antlitz ebenso in die Kamera wie (die gewaltig aus dem Leim gegangene) Blaxploitation-Ikone Pam Grier [→ FOXY BROWN]. Auch die übliche Besetzung ist vortrefflich ausgewählt und Freunden des asiatischen Kinos gewiss nicht unbekannt: Rick Yune [→ NINJA ASSASSIN] hat nach recht ausführlicher Einleitung zwar wenig zu tun, überzeugt auf guter Seite aber dennoch als furchtloser Kämpfer X-Blade, der mit seinem abgefahrenen Messeranzug selbst noch in gefesseltem Zustand seine Gegner plattmacht. Dazu gesellt sich die zierliche Allzweckwaffe Lucy Liu [→ 3 ENGEL FÜR CHARLIE], die als graziöse Bordellinhaberin Madame Blossom ihr geheimnisvoll-exotisches Flair voll ausspielen kann.

Auf der bösen Seite bekommt man Byron Mann [→ CRYING FREEMAN] zu sehen, der als Silver Wolf einen herrlich klassischen Klischeeschurken abgibt, und Daniel Wu [→ NAKED WEAPON], als heimtückischer Poison Dagger die meiste Zeit allerdings unter seiner Kutte verborgen, der seine Gegner – getreu seinem Namen – mit vergifteten Klingen ins Jenseits befördert. Ausgerechnet Zugpferd Russell Crowe [→ GLADIATOR] jedoch, sicherlich aufgrund seiner Popularität beim breiten Publikum in den Cast gehievt, wirkt in dem Szenario wie ein Fremdkörper. Weder mit dem Thema, noch mit dem Genre harmonierend, sorgt seine Präsenz eher für Irritation und reißt einen mehr aus der Illusion, ein altmodisches Kung-Fu-Spektakel zu betrachten, als jeder CGI-Effekt es je könnte. Zwar darf Crowe (der hier einen nicht unbeträchtlichen Wanst vor sich herschiebt) ein paar muntere Einzeiler aus der Lippe fallen lassen und mit seinem rotierenden Monstermesser einigen bluttriefenden Schaden anrichten, wirkt aber dennoch reichlich verloren, zumal auch das Skript nicht viel mit ihm anzufangen weiß.

Fraglos könnte das auch Folge der massiven Kürzungen sein, die THE MAN WITH THE IRON FISTS über sich ergehen lassen musste. Ursprünglich deutlich ausführlicher geplant, merkt man es der Handlung phasenweise schon an, dass sie erst im Nachhinein auf 90 Minuten eingedampft wurde. So werden unzählige durchaus interessante Figuren eingeführt, die im späteren Verlauf jedoch kaum noch ein Rolle spielen oder zur Entwicklung der Story beitragen. Bezogen auf deutsche Verhältnisse ist das auf sarkastische Weise schon fast wieder konsequent: Nicht selten wurden damals hierzulande allzu epische Shaw-Brothers-Werke, die durchaus schon mal an der 2-Stunden-Marke kratzten, auf kompakte Neunzigminüter zurechtgestutzt, so dass sich Motivation und Schicksale der Protagonisten während des verbleibenden Handkantengewitters häufig in Rauch auflösten.

Martial Arts, Blaxploitation und etwas Hokuspokus, mit modernem Sprechgesang verrührt, dazu haufenweise schöne Frauen und überzeichnete Comic-Gewalt, die durch ihre CGI-Wurzeln jeden Schrecken verliert – es ist eine wahre Freude zu sehen, mit welch selbstverständlicher Leichtigkeit diese Mischung funktioniert. RZA war klug genug, sein Werk nicht als polternde Parodie zu inszenieren, welche sich aus arrogantem Überlegenheitsgefühl heraus über die Trivialität der Klassiker amüsiert, sondern eine überaus stilvolle Respektsbekundung zu erschaffen, die sich selbst und ihre Vorbilder ernst nimmt. Im Gegensatz zu Robert Rodriguez’ MACHETE, welcher zwei Jahre zuvor auf eher verkrampfte Art und Weise versuchte, das klassische Exploitation-Kino wiederaufleben zu lassen und dabei (wenn auch auf hohem Niveau) scheiterte, gelingt es THE MAN WITH THE IRON FISTS quasi spielend, den unschuldigen Geist vergangener Kinozeiten wieder zum Leben zu erwecken – als knallbunte, quietschfidele, unbekümmert groteske Posse, deren Mut zu maßloser Übertreibung und Massenuntauglichkeit ein diebisches Vergnügen bereitet.

Passt! Wie die Faust aufs Auge!

Laufzeit: 96 Min. / Freigabe: ab 16

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen