Samstag, 27. April 2024

AIR STRIKE


DA HONG ZHA
China 2018

Regie:
Xiao Feng

Darsteller:
Liu Ye,
Bruce Willis,
Song Seung-heon,
William Chan Wai-Ting,
Fan Wei,
Nicholas Tse,
Fan Bingbing,
Adrien Brody



Inhalt:

1937: Japan greift China an. Eine Flugzeug-Armada legt die Hauptstadt Nanjing in Schutt und Asche. Um weiteren Angriffen etwas entgegensetzen zu können, wird unter der Schirmherrschaft des amerikanischen Colonels Jack Johnson [Bruce Willis] eiligst eine Fliegerstaffel formiert. Dabei bereitet ihm vor allem der Heißsporn An Minxun [Song Seung-heon] Sorgen, da dieser persönliche Befindlichkeiten über den Dienst stellt. Gleichzeitig erhält der ehemalige Pilot Xue Gangtou [Liu Ye] den Auftrag, eine Dekodiermaschine per Lastwagen quer durch das Land nach Chongqing zu bringen. Auf seiner Reise begleiten ihn der junge Soldat Jim Xiang [Geng Le], der Wissenschaftler Zhao Chun [Wu Gang] sowie die Krankenschwester Dianna [Ma Su]. Der Trip wird zum Himmelfahrtskommando, denn die Japaner überwachen die Straßen aus der Luft und werfen Bomben auf alles, was sich bewegt.

Kritik:

Der meuchelwütige Japaner wird von der chinesischen Filmindustrie in zuverlässiger Regelmäßigkeit als altbewährtes Feindbild aus der Mottenkiste geholt. Einerseits ist das nicht vollends unverständlich, war die japanische Besatzung während des Zweiten Weltkrieges für Land und Leute fraglos eine schwere Bürde, gesäumt von Leid, Leichenbergen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Andererseits dürfte die Mehrzahl der Beiträge aufgrund ihrer plumpen Parteilichkeit und einseitigen Präsentation weniger Interesse an einer ernsthaften Vergangenheitsaufarbeitung haben als vielmehr daran, dem Publikum patriotische Gefühle zu entlocken. Das Schüren von Nationalstolz ist immerhin etwas, was die Landesführung sich in Großbuchstaben auf die Fahnen gestickt hat, da trommeln die Produktionsfirmen zwecks Renditensicherung auch gern mal mit. Der Originaltitel AIR STRIKEs schreit einem dann auch bereits bar jeder Subtitilität ins Gesicht, womit man es hier eigentlich zu tun hat: UNBREAKABLE SPIRIT! Nein, das ist nicht einfach nur ein simpler historischer Kriegsfilm. Das ist ein Hohelied auf den unbeugsamen Willen des chinesischen Volkes, ein Manifest des Mutes, der Standfestigkeit und prinzipiell der allgemeinen eigenen grandiosen Superkeit.

Gut, so war es zumindest geplant. Denn die verschwenderisch budgetierte Mammutproduktion, die eigentlich weltweit für Begeisterung und Beifallsbekundungen sorgen sollte, wurde zur genierlichen Lachnummer, an der kaum ein gutes Haar gelassen wurde. Wie konnte das passieren? An Ambitionen mangelte es jedenfalls nicht. Um UNBREAKABLE SPIRIT auch international interessant zu machen, sicherte man sich die Mitwirkung von Action-Ikone Bruce Willis [→ LAST BOY SCOUT]. Der hatte den Zenit seines Ruhmes zu dem Zeitpunkt zwar schon längst überschritten und spielte pro Jahr in gut einem Dutzend Billigheimern mit, aber sein Name auf der Besetzungsliste sorgte durchaus noch für Aufmerksamkeit. Als Sargnagel der Schöpfung erwies sich hingegen die Beteiligung einer ganz anderen Person: Fan Bing-Bing [→ BODYGUARDS AND ASSASSINS]. Im Westen nahezu unbekannt, war die Dame in China ein Star auf dem Gipfel seiner Popularität. Doch nach Drehschluss wurde enthüllt, dass Frau Fan mutmaßlich Steuern hinterzogen hatte, woraufhin die Regierung kurzerhand den heimischen Kino-Start untersagte. (Was das eine mit dem anderen zu tun hat... Weiß der Geier!) Daraufhin verschwand die Schauspielerin quasi spurlos von der Bildfläche und tauchte erst nach mehreren Monaten wieder auf. Angeblich soll sie in einem Urlaubsresort festgehalten worden sein, um den Behörden dabei zu „helfen“, den Steuer-Skandal „aufzuklären“. Zudem gab sie zu Prokoll, dass die Kommunistische Partei so richtig knorke sei. Schau an, schau an...

Nachdem das einstige Prestige-Projekt in dessen Heimat im Prinzip wie eine heiße Kartoffel fallengelassen wurde, ging das Werk in die USA, wo es im Schnitt ein wenig umstaltet (sprich: gestrafft) wurde, um als THE BOMBING vergeblich um die Gunst des Publikums zu buhlen, bevor diese Fassung, abermals unter neuem Titel, AIR STRIKE nämlich, dann auch über Deutschland herfallen durfte. Es ist vermutlich ein wenig ungerecht, das Produkt lediglich anhand dessen zu beurteilen, was schließlich beim Rezipienten ankam. Ursprünglich hatte das Ding nämlich wohl tatsächlich mal epochale Ausmaße; eine Lauflänge von mehreren Stunden wurde kolportiert. Am Ende blieben in der asiatischen Originalfassung immerhin noch 2 Stunden übrig, die nach der amerikanischen Sonderbehandlung dann allerdings nur noch relativ mickrige 97 Minuten betrugen. Das Resultat ist nicht viel mehr als eine Fragment-Show, in der mehrere halbherzig ausformulierte Handlungsstränge parallel laufen, die sich weder gegenseitig tangieren, noch einzeln mitreißen können und teilweise sogar sinnlos im Sande versickern. Dabei existieren zwar ein paar zentrale Charaktere, aber am laufenden Meter tauchen weitere vermeintlich wichtige Figuren auf, um sich nach einem stattlichen Stelldichein wieder in Luft aufzulösen und nie mehr gesehen zu werden. Ein wenig wirkt das wie der komprimierte Zusammenschnitt einer Fernseh-Serie, der angrund der originalen Materialfülle in Sachen Rhythmus und Dramaturgie auf keinen grünen Zweig kommt.

Doch den Schnittmeistern die alleinige Schuld an der Misere zuzuschatzen, wird der Sache nicht gerecht. Denn die einzelnen Episoden passen auch tonal nicht die Bohne zueinander und wirken, wie von verschiedenen Regisseuren mit verschiedenen Vorstellungen inszeniert. Am besten funktioniert dabei noch die Erzählung des gefahrvollen Quer-durchs-Land-Transports mit Liu Ye [→ POLICE STORY 2014] als ehemaligem, nun hinterm Lastwagensteuer sitzendem Piloten, die in ihrer schlichten, wenngleich effektiven Dramaturgie an pulpige Abenteuer-Romane und -Comics erinnert, abgeschmeckt mit ein bisschen klassischer Spionage-Soße. Die Geschichte um Bruce Willis und seine jungen Flugschüler huldigt indes bereits mehrfach erprobten TOP GUN-Tugenden inklusive deren peinlicher Pathos-Anwandlungen und ist formal und inhaltlich insgesamt am wenigsten ernstzunehmen. Wenn es schließlich zur Luftschlacht kommt und Willis wie ein fliegender John Wayne jauchzend und zigarreschmauchend am Steuer seiner Propellermaschine sitzt, wirkt das wie eine überspitzte Persiflage historischer Militär-Werbe-Propaganda. Eine weitere, in Sachen Sinn und Zweck maximal mysteriöse Storyline erörtert, wie ein Haufen kauziger alter Leute sich im Teehaus zum Mahjongg-Spiel trifft, sich zankt, sich verträgt und sich schlussendlich mit einer verirrten Bombe ein sagenhaft skurriles Slapstick-Duell liefert, das mit Charlie Chaplin für Arme wohl am besten beschrieben wäre.

Und als würde es nicht schon reichen, dass diese voneinander unabhängigen Ereignisse völlig unterschiedliche atmosphärische Sprachen sprechen, kommt es zusätzlich zwischendurch immer mal wieder zu Szenen grausiger Gewalttaten, die mit dem dann doch eher trivialen Rest abermals kaum in Einklang zu bringen sind. Wenn einem als Bunker dienendem Bergwerk per Bombenbeschuss die Luftzufuhr abgeschnitten wird, was im Inneren erst zu Panik, dann zum Massensterben führt, hat das mit der ansonsten vorherrschenden, an Groschenromane gemahnende Stimmung so rein gar nichts am Hut. So fügt sich hier schlichtweg nichts zusammen, wenn grausige Geschehnisse von Momenten munterer Possenreißerei abgelöst werden, während der artifizielle Look der Flug-Action an die Optik einschlägiger Computerspiele erinnert – oder an als Stilmittel bewusst erzeugte Künstlichkeit in comicartigen Extravaganzen wie SKY CAPTAIN AND THE WORLD OF TOMORROW. Das besitzt zwar schon eine gewisse schicke Ästhetik, ist aber nichts, was sich mit einer authentischen Abhandlung über die Schrecken des Krieges in Einklang bringen ließe.

Die bittere Pointe des Ganzen ist, dass Fan Bing-Bing, der Stein des Anstoßes, die Wurzel allen Übels, zumindest in dieser Version tatsächlich nur noch ein paar wenige Takte an Text hat und zwar von einer Kürze, dass man sie bei einem spontanen Anfall von Sekundenschlaf direkt verpasst. Sprich: Bei ernsthaftem Interesse hätte man besagtes Bing-Bing-Problem ganz einfach per Schere aus der Welt schaffen können, ist sie am Ende doch auch nur einer der vielen Stars, die hier hurtig durchs Bild huschen, ohne inhaltlich auf irgendetwas Einfluss zu haben, oder abseits einst überschwänglicher Vorankündigungen final gar nicht mehr auftauchen. Davon betroffen ist im Übrigen auch Rumer Willis [→ ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD], die Tochter vom Bruce, die flink ihr Näschen ins Szenario steckt und dann sang- und klanglos wieder abtaucht, wofür sie in der US-Version - obgleich kein großer Name - prominent im Vorspann platziert wurde, als hätte ihr Auftritt irgendeine Relevanz oder gar Werbequalität. Es ist symptomatisch für das Werk, in dem alles chaotisch ist, sich nichts im Gleichklang befindet. Das fängt schon bei den drei verschiedenen englischen Titeln an, die offenbar gleichberechtigt nebeneinander stehen, sodass man sich am Ende nicht einmal sicher sein kann, ob man es jetzt gerade mit einem UNBREAKABLE SPIRIT, einem THE BOMBING oder einem AIR STRIKE zu tun hatte.

Eine gewisse Schadenfreude darüber, dass die als Referenz geplante Patriotismus-Parade so pompös baden ging und von der Kritik ungewohnt einhellig in der Luft (höhö!) zerrissen wurde, lässt sich freilich nicht leugnen. Derartig nationalistisch geprägte Propagandaschleudern haben ja prinzipiell immer etwas grundlegend Unsympathisches und zu viel Pathos kann schnell lachhaft wirken. Wer aber nun meinte, der Misserfolg leite diesbezüglich den Anfang vom Ende ein, war entschieden auf dem Holzweg. Denn mit 800 [2020], SACRIFICE [2020] sowie BATTLE OF LAKE CHANGJIN [2021] standen schon die nächsten Schlacht-Epen Spalier, um alte Feindbilder neu zu erwecken und die Überlegenheit des eigenen Volkes zu demonstrieren. Und diese Male klingelte auch die Kasse. AIR STRIKE bleibt somit nicht mehr als eine kuriose Fußnote, die ohne die Mitwirkung von Bruce Willis schon längst vergessen wäre.

Laufzeit: 97 Min. / FSK: ab 16

Samstag, 20. April 2024

CITY UNDER SIEGE


CHUN SING GAI BEI
Hongkong 2010

Regie:
Benny Chan

Darsteller:
Aaron Kwok,
Shu Qi,
Collin Chou,
Wu Jing,
Zhang Jingchu,
Yuen Wah,
Ben Wong,
Tie Nan



Inhalt:

Sunny Li [Aaron Kwok] ist Zirkusakrobat. Nicht gerade ein Traumjob, zumal er auch nur die zweite Geige spielt und vom Rest der Truppe überwiegend Verachtung und Spott kassiert. Sein Leben wird allerdings spektakulär auf den Kopf gestellt, als er eines Tages seine Kollegen dabei überrascht, wie sie in einer Höhle einen Schatz aus Zeiten des Zweiten Weltkrieges bergen. Wider Erwarten befindet sich in dem gefundenen Behältnis aber kein Gold oder Ähnliches, sondern ein geheimnisvolles Gas, von welchem Sunny eine volle Ladung abbekommt. Seitdem ist nichts mehr, wie es war, denn Sunny entdeckt an sich neue metaphysische Fähigkeiten. Doch auch seine Kompagnons verändern sich, wenn auch auf andere Art und Weise: Ihre Körper mutieren, sie entwickeln übermenschliche Kräfte und eine enorme Aggressionswut. Schon bald werden sie für ihre Mitmenschen zur kolossalen Bedrohung. Um die Welt zu retten, muss Sunny nun beweisen, was wirklich in ihm steckt.

Kritik:

Die finanziellen Höhenflüge von Hollywoods Heldenkollektiven konnte auch Hongkongs Filmindustrie irgendwann nicht mehr ignorieren. Um auf den gewinnträchtigen Zug aufzuspringen, engagierte man darum schließlich Regisseur Benny Chan, der seine Erfahrungen mit actionaffinen Stoffen hatte und mit lärmenden Spektakeln wie NEW POLICE STORY (2004) oder INVISIBLE TARGET (2007) auch internationale Aufmerksamkeit erregen konnte. Das Vertrauen in seine Expertise war dabei so groß, dass man ihm mit den Funktionen Produzent, Co-Autor und Co-Editor auch gleich noch weitere Zügel in die Hand gab. Die X-MEN waren es, die offensichtlich Pate standen für die abstruse Erzählung mutierter Schausteller, die eine großangelegte Schlacht um das Schicksal der Menschheit schlagen. Dabei bewies man keinerlei Scheu, die Pulp-Parameter bis aufs Maximum auszupegeln, scheint die Herleitung der Prämisse (ein Zirkus-Clown muss die Welt vor den Eroberungs- und Zerstörungsplänen seiner größenwahnsinnigen Kollegen retten) einem naiven Comic-Strip der 1950er Jahre entsprungen: Ein biochemisches Experiment verbrecherischer Japaner während des Zweiten Weltkrieges ist verantwortlich für die Misere, hegten die skrupellosen Nazi-Kollaborateure doch den Plan, mittels Eingriff in die menschliche Genetik unbezwingbare Super-Soldaten zu kreieren. In Folge des eigens dafür zusammengerührten Gas-Gemisches entstanden grauenerregende, kaum zu zügelnde Monster-Mensch-Hybriden, die gewiss Land und Leute ausradiert hätten, wäre nicht just in diesem Augenblick ein Bombenhagel niedergegangen, welcher die Kreaturen samt der unheilvollen Substanz direkt am Ort des Geschehens, einer unterirdischen Höhle nämlich, verschüttet hätte.

Dass eben jenes alptraumhafte Wundermittel im Hongkong der Gegenwart durch die Neugierde und Unachtsamkeit einer Zirkus-Truppe wieder freigesetzt wird, wollte allein das schwach erdachte Drehbuch, denn eine nachvollziehbare Motivation haben die unfreiwilligen Unheilstifter überhaupt nicht. Aber da die Handlung ja irgendwie in Gang kommen muss, kriechen nun ein paar erwachsene Männer und Frauen, die garantiert Besseres zu tun hätten, wie abenteuerlustige Kleinkinder durch Erdreich und Gestein, um einen vermeintlichen Kriegsschatz zu finden. Warum die unfreiwillige Chemie-Keule den Großteil der Gruppe zu Schurken werden lässt, den Haupt-Protagonisten aber nicht, wird auch nicht recht erklärt, aber das könnte man sich gedanklich immerhin noch selbst hinbiegen, indem man annimmt, dass die Droge einfach den eigentlichen inneren Charakter entfesselt und potenziert. Warum sich der Held aber vor der finalen Entfaltung seiner Superkräfte kurzzeitig zum fetten Schwamm umformt, hinterlässt dann wieder reichlich Fragezeichen.

Besagter Held wird von Aaron Kwok [→ MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN] verkörpert, der keine Hemmungen hat, sich dafür auch mal anständig zum Affen zu machen. Zu Beginn noch der Clownerie verschrieben (was natürlich auch der Rolle geschuldet ist), entwickelt er sich im Laufe der Ereignisse mehr und mehr zum integren Weltenretter - wobei es aufgrund der anfänglichen Kaspereien durchaus schwerfällt, ihn später als große Nummer ernstzunehmen. Als Chef-Kontrahent schält sich alsbald sein früherer Mobber Zhang Dachu heraus, gespielt von Collin Shou [→ SPECIAL ID], der in seinem klobigen Ganzkörperkostüm beim Drehen gewiss keine einfache Zeit hatte. Dazu gesellt sich Shu Qi [→ EXTREME CRISIS], die als Nachrichtensprecherin den Helden unter ihre Fittiche nimmt – nicht ganz uneigennützig, versucht sie doch mit dessen medialer Ausschlachtung, ihre stagnierende Karriere wieder in Schwung zu bringen. Und zu guter Letzt agieren noch Zhang Jungchu [→ BEAST STALKER] und Wu Jing [→ WOLF WARRIOR] als von der Polizei eingesetzte Mutantenjäger, die dem Helden erst argwöhnisch gegenüberstehen, sich schließlich aber mit ihm verbünden und anständig mitprügeln.

Denn natürlich läuft alles auf eine deftige, mit viel Drahtseilgezurre und Computereffekten unterfütterte Zerstörungsorgie hinaus, bei der meterweit durch die Luft geflogen und allerhand Mobiliar zerstört wird. Diese Augenblicke gehören dann auch zum Besten, was CITY UNDER SIEGE zu bieten hat, denn hier war Benny Chan ganz in seinem explosiven Element. Stagnieren tut die Sache indes immer dann, wenn man mehr sein wollte als simpler Krawall und emotionale Zwischentöne anklingen ließ. So liegen die beiden miteinander verbandelten Polizei-Protagonisten im Clinch betreffend der geplanten gemeinsamen Zukunft, der Bösewicht hegt urplötzlich Gefühle für die Fernsehfrau, welche sich wiederum aus völlig unerfindlichen Gründen in den Helden verguckt, der seinerseits - wie eingeschobene Erinnerungsbruchstücke verdeutlichen – an einer komplizierten Beziehung zu seinem Vater zu knabbern hat. All das funktioniert nicht die Bohne, da man es nicht mit echten Charakteren zu tun hat, sondern mit Abziehbildern, und führt zu zahlreichen Momenten der Lähmung und Lächerlichkeit. Seinen Höhepunkt findet das im Finale, als Shu Qis Figur zwischen Destruktion und Feuerfunken dem Schurken klarzumachen versucht, was das Wesen wahrer Liebe ist.

Abseits seiner Action ist CITY UNDER SIEGE somit eine reichlich misslungene Veranstaltung, da sie ihre Defizite im Bereich der Narration nicht aufwiegen kann. Dazu kommt, dass die eingesetzten Monstermasken und -kostüme für das Produktionsjahr recht altbacken daherkommen und sich mit dem deutlich moderneren Pixel-Popanz visuell nicht vertragen. Collin Shous schwerfällig anmutendes Eidechsen-Outfit (oder was immer das für ein Vieh sein soll) scheint wie direkt aus dem Fundus des 90er-Jahre-TURTLES-Artefakts gezogen. Vor allem aber wirkt das Werk seltsam unsympathisch, da allzu offensichtlich ist, dass man im Sinne der Finanzmaximierung lediglich ein paar in Übersee funktionierende Formeln kopieren wollte. Statt Eigenständigkeit regiert simples Nachgeäffe; eine Verknüpfung der Vorbilder mit eigenen Tugenden bleibt ebenfalls aus (Grimassenschneiden zählt nicht). Benny Chans nachfolgende Arbeit SHAOLIN (2011) begab sich dann glücklicherweise wieder auf vertrautes Terrain.

Laufzeit: 110 Min. / Freigabe: ab 16

Samstag, 13. April 2024

SHAOLIN BASKETBALL HERO


GONG FU GUAN LAN
China, Taiwan 2008

Regie:
Kevin Chu Yen-Ping

Darsteller:
Jay Chou,
Eric Tsang,
Charlene Choi,
Chen Bolin,
Baron Chen,
Ng Man-Tat,
Eddy Ko,
Kenneth Tsang



Inhalt:

Das Schicksal meinte es bisher nicht besonders gut mit Fang Shi-jie [Jay Chou]: Als Säugling im Park ausgesetzt, wurde er erst von einem Landstreicher gefunden, dann der Obhut eines ansässigen Kung-Fu-Klosters übergeben, wo er zu einem jungen Mann heranwuchs, zwar sportgestählt, aber ohne Orientierung und Lebensziel. Als er sich eines Nachts mit Schurken herumprügelt, wird er von seinem Meister verstoßen und ist gezwungen, ohne Geld und Obdach im Park zu übernachten. Dort trifft er auf den alternden Überlebenskünstler Li Zhen [Eric Tsang], der Fangs Treffsicherheit beim Werfen bemerkt und ihm die Mitgliedschaft im Basketball-Team der Universität verschaffen kann. Tatsächlich erweist Fang sich als Naturtalent und wird quasi unbesiegbar, als er seine natürliche Gabe mit seinem Wissen um Kung-Fu-Taktiken kombiniert. Als es Li gelingt, ihn als „Basketball-Waisenkind“ zu vermarkten, wird Fang urplötzlich zum umjubelten Star.

Kritik:

Dem chinesischen Regisseur und Schauspieler Stephen Chow gelang im Jahre 2001 mit SHAOLIN SOCCER ein Überraschungserfolg. Die Erschaffung einer neuen Sportart, einer (natürlich realitätsfernen) Mixtur aus Kung Fu und Fußball (in der deutschen Fassung folgerichtig Kung-Fußball genannt), ließ, in Verbindung mit viel Klamauk und Typenkomik, kräftig die Kassen klingeln. Seitdem wurde das zugrunde liegende Konzept mehrere Male kopiert und auch SHAOLIN BASKETBALL HERO bildet da keine Ausnahme. Zwar gab man zwischenzeitlich auch mal zu Protokoll, die eigentliche Inspiration sei der bereits 1990 erschienene Manga SLAM DUNK gewesen, aber selbst, wenn das der Wahrheit entspräche, spielte es keine große Rolle, existieren zur vermeintlichen Vorlage doch kaum Parallelen. Stattdessen orientierte man sich merklich an der Erfolgsformel des 7 Jahre zuvor entstandenen Publikumslieblings: Als Aufmerksamkeitserreger und Alleinstellungsmerkmal dient abermals die Kombination einer bekannten Sportart mit Kung-Fu-Elementen, während man auf inhaltlicher Ebene der klassischen Ein Außenseiter sucht seinen Platz im Leben-Regel gehorcht, die spätestens seit ROCKY (1976) das Körperertüchtigungs-Kino bestimmt.

Überbordende Originalität ist somit schonmal nicht die Komponente, mit der Autor und Regisseur Kevin Chu [→ ISLAND OF FIRE] hier auf Stimmenfang geht. Aber das muss ja nichts Schlechtes sein, zumal im Grunde jede Geschichte schon irgendwann einmal erzählt wurde. Die Prämisse des Waisenknaben auf dem Wege der Selbstfindung funktioniert zudem immer wieder gut, während die hier präsentierte Kung-Fu-Ausbildung wohlige Erinnerungen an frühere Shaw-Brothers-Glanzlichter wie DER TEMPEL DER SHAOLIN (1976) weckt. Anders als dort trägt die Lehre der Kampfkunst hier jedoch nicht zur inneren Ausgeglichenheit und Charakterfestigung bei (kein Wunder, sonst wäre SHAOLIN BASKETBALL HERO bereits nach dem Vorspann vorbei), sondern bildet die Basis für den weiteren Prozess des Protagonisten Fang (Jay Chou [→ CITY UNDER SIEGE]), welcher nach zwangsauferlegtem Ausschluss aus dem Bildungs- und Bindungstempel mittellos und ohne die geringste Zukunftsvision auf der Straße landet. Folgerichtig vom Drehbuch konstruiert, trifft er dort auf den sympathischen Herumtreiber Li, der sich in einer ähnlich trostlosen Situation befindet. Doch wo Fang desillusioniert und antriebslos ist, ist Li - unnachahmlich herzeinnehmend verkörpert vom schauspielerischen Schwergewicht Eric Tsang [→ INFERNAL AFFAIRS] - ein Quell des Optimismus' und sieht das Leben als ein Hort an Möglichkeiten. Natürlich erkennt er auf Anhieb, dass in Fang verborgenes Talent schlummert, und auch die Chance, darauf eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Die Bekanntschaft der beiden Männer gipfelt schließlich im gewinnendsten Moment des Films, in dem Li seinen jungen Schützling zum Essen einlädt. Da Li sich aber selbst kaum die Butter auf dem Brot leisten kann, platziert er einen Tisch im Hinterhof eines Nobel-Restaurants, wo ihm seine Tochter, die in besagtem Fresstempel als Bedienung arbeitet, all die Dinge serviert, die das dekadente Besuchertum verschmäht. Li und Fang jedoch bedeuten diese (vermeintlichen) Reste eine Menge und sie genießen ihr Mahl. Ein sehr schöner, sehr intimer Moment, der Herz für die von der Gesellschaft Ignorierten zeigt und den Blick auf den Wert der kleinen Dinge lenkt.

Leider verkannte Chu in seiner Funktion als Autor, dass eben diese fabelhaft funktionierenden Chemie zwischen Fang und seinem späteren Mentor Li die große Stärke seines Werkes ist. Stattdessen wird der Fokus im Nachfolgenden auf überwiegend nutzlose Nebenschauplätze verlagert. Vor allem Fangs flugs herbeizitierte Zuneigung zur zwar zuckersüßen, aber völlig profillosen Standard-Frauenrolle Lily trägt keinen Deut zu irgendetwas bei, weder zur Charakterbildung, noch zum Fortlauf der Ereignisse. Lily ist allzu offensichtlich nur deswegen im Skript, weil es ohne Liebes-Gelüste wohl einfach nicht gehen darf - und weil ihre Darstellerin Charlene Choi [→ NEW POLICE STORY] in ihrer Heimat dank ihrer Gesangs-Karriere wohl immer noch populär genug war, um noch ein, zwei Eintrittskarten mehr verkaufen zu können. Dass die Dame dabei künstlerisch kriminell unterfordert wurde (sie muss wirklich nichts weiter tun, als ein paar Mal durchs Bild zu laufen und dabei niedlich auszusehen), hat sie vermutlich nicht weiter gestört. So simpel sichert sich schließlich nicht jeder seine Miete.

Aber auch derlei Romantik-Anwandlungen werden nur halbherzig behandelt – wie eigentlich alles nur kurz angerissen, dann aber kaum vertieft wird. Das gilt paradoxerweise auch für das eigentliche Herzstück der Erzählung: den sportlichen Wettkampf. Dieser wird ja unter anderem auch deshalb so gern zum Gegenstand cineastischer Unterhaltung gemacht, weil er eben eine gewisse Grundspannung und -dramatik verspricht. Hier ist davon allerdings rein gar nichts zu spüren. Gegen wen eigentlich gerade gespielt wird und warum, wie die Taktik des Teams lautet und was vom Ausgang des Spiels abhängt, all das wird gar nicht oder nur unzureichend thematisiert, weswegen jedwedes Potential verpufft. Wobei Spannung schon allein aufgrund des mangelnden Realitätsbezugs nicht aufkommen mag. Da dürfen schon mal während des Turniers aus heiterem Himmel ein paar neue Spieler zum Team hinzustoßen, ohne dass das irgendwie ein Problem wäre. Dass Fang und seine Leute dann nicht einmal fair spielen, indem sie beispielsweise Betäubungspfeile auf ihre Gegner abfeuern, verführt auch nicht gerade zum Daumendrücken.

Letztendlich reiht SHAOLIN BASKETBALL HERO mehrere erfolgversprechende Versatzstücke aneinander und vergisst dabei überwiegend, sie miteinander in Relation zu setzen. So wirkt es befremdlich, wenn gegen Ende plötzlich vehement an Zusammenhalt appelliert wird, obwohl ein Fehlen von Mannschaftsgeist bis dahin gar nicht hinreichend herausgearbeitet und somit auch kein Konflikt installiert wurde. Die Figur des Fang wirkt zudem insgesamt eher langweilig, da sie keine sichtbare Entwicklung durchmacht. Der Bursche ist einfach ein Naturtalent in Sachen Basketball, kann von Beginn an quasi alles und muss sich weder äußeren noch inneren Herausforderungen stellen. Fangs einzige Seelenpein, nämlich die ungewisse Antwort auf die Frage, wer seine Eltern sind und warum sie ihn ausgesetzt hatten, löst sich am Ende einfach in Luft auf, ohne dass er irgendetwas dafür hätte tun müssen. Effektives Geschichtenerzählen geht anders. Einzelnen gelungenen Momenten steht somit eine dramaturgische Planlosigkeit gegenüber, die KUNG FU DUNK (internationaler Titel) insgesamt verzichtbar macht. Lediglich Fans von Eric Tsang können hier wieder ihre Erinnerung daran auffrischen, warum sie Fans von Eric Tsang sind.

Laufzeit: 95 Min. / Freigabe: ab 12

Freitag, 5. April 2024

GODZILLA X KONG - THE NEW EMPIRE


GODZILLA X KONG - THE NEW EMPIRE
USA 2024

Regie:
Adam Wingard

Darsteller:
Rebecca Hall,
Brian Tyree Henry,
Kaylee Hottle,
Alex Ferns,
Rachel House,
Ron Smyck,
Chantelle Jamieson,
Greg Hatton



Eigentlich begann alles recht seriös: Mit GODZILLA kam anno 2014 die amerikanische Neuauflage einer japanischen Leinwand-Legende in die Lichtspielhäuser und war erfolgreich genug, um das sogenannte Monsterverse zu begründen, ein Universum, das verschiedene Riesenmonster, teils bereits erdacht und renommiert, teils völlig neu erfunden, unter einer Kino-Kuppel vereinte. Zehn Jahre, vier Filme und eine Fernsehserie später ist es mit der einstigen Ernsthaftigkeit Essig: GODZILLA X KONG ist inhaltlich dermaßen drüber (beziehungsweise eigentlich ja drunter), dass ein dickes Fell allein schon nicht mehr ausreicht: Da muss schon ein ganzer Riesenaffenpelz her, um die amtliche Unfug-Überdosis angemessen abperlen lassen zu können. Interessanterweise jedoch steht die Kokolores-Offensive der Kaijū-Saga ganz gut zu Gesicht - sofern man gewillt ist, sich auf das buchstäblich tiefergelegte Story-Niveau einzulassen:

Inhalt:

Menschen und „Titanen“ leben mittlerweile in einer gebrechlichen Co-Existenz zusammen – über- und unterirdisch. Eines Tages taucht „Godzilla“ überraschend in Frankreich auf und säuft ein Atomkraftwerk leer. Die von Nuklearenergie lebende Bestie scheint Kräfte für einen großen Kampf zu sammeln. Gleichzeitig laufen bei Monarch, der Institution zur weltweiten Überwachung von Monsteraktivitäten, die Drähte heiß: Ein Signal dringt aus dem Inneren der Erde – offenbar ein Hilferuf. Der Techniker Mikael [Alex Ferns] sowie ein paar teils bereits aus dem Vorgänger bekannte Figuren, die Wissenschaftlerin Ilene Andrews [Rebecca Hall], ihre Adoptivtochter Jia [Kaylee Hottle], der Tierarzt Trapper [Dan Stevens] sowie der Verschwörungsideologe Hayes [Brian Tyree Henry], begeben sich mittels eines speziellen Fluggerätes unter die Erdoberfläche. Dort vegetiert auch der gigantische gorillaartige „Kong“, der ziemlich zeitgleich eine überraschende Entdeckung macht: In einem verborgenen Winkel der Hohlerde lebt eine Spezies aggressiver Affen. Und sie scheint nichts Gutes im Schilde zu führen.

Kritik:

GODZILLA X KONG verlagert die Ereignisse dieses Mal überwiegend in besagte „Hohlerde“, jene bereits innerhalb der Reihe etablierte Jules-Verne-artige Welt unter der Welt, was prinzipiell sinnvoll ist: Hier konnten die Autoren nach Belieben über die Stränge schlagen, ohne ihren Irrsinn großartig erklären zu müssen. Und tatsächlich erinnert das nicht selten an den naiven Kintopp früherer Tage, als man sich mit Schmu wie DER SECHSTE KONTINENT (1976) noch traute, dem Publikum eine Ungeheuerlichkeit nach der nächsten aufzutischen. So lauern auch hier hinter jedem Stein und Strauch neue Monstrositäten, was oftmals selbst diejenigen überrascht, die in dieser Umgebung leben: Flugechsen, Seeschlangen, fleischfressende Bäume, vergessene Völker, aggressive Affenstämme, alles gibt sich gegenseitig die Klinke in die Hand. Das ist teilweise schon recht unterhaltsam, wirkt aber niemals wirklich echt. Während das Team um James Cameron z. B. für AVATAR eine Welt erschuf, bei der alles penibel durchdacht erscheint (so wie – wenn man im Sujet bleiben möchte – Peter Jackson & Co. das auch bei KING KONG [2005] taten), warf man bei GODZILLA X KONG einfach alles, was einem irgendwie gerade brauchbar vorkam, in den großen Titanen-Topf und rührte anschließend ein paar Panoramen dazu, die zwar imposant anzusehen sind, aber ebenfalls kein stimmiges Ganzes ergeben wollen, weswegen die Hohlerde an so ziemlich jeder Ecke ein wenig anders aussieht.

Trotz gleichberechtigter Names-Nennung im Titel liegt der Fokus der Erzählung dabei dem Schauplatz entsprechend auf dem Riesenaffen Kong, der vielleicht auch deshalb menschlicher agieren darf als jemals zuvor. Wenn er sich eine Wasserfall-Dusche gönnt oder nach anstrengendem Zweikampf eine Mahlzeit einverleibt, hat er kaum noch etwas Animalisches an sich und wirkt fast wie ein gewöhnlicher Straßen-Typ mit Bauarbeiter-Charme. Es liegt an einem selbst, ob man sich davon irritieren lassen möchte oder nicht. Dass Kong es im weiteren Verlaufe mit einem Stamm kriegerischer Affen zu tun bekommt, erinnert gewiss nicht zufällig an die erfolgreiche PLANET DER AFFEN-Reihe der Konkurrenz. Auf jeden Fall nutzte man das Thema, um ein paar horrorartige Momente unterzubringen, könnte sich der Anführer der blutdürstigen Horde, der Scar-King, ohne Mühe auch als Antagonist für HELLRAISER bewerben.

Mit Godzilla hingegen wussten die Macher dieses Mal nicht allzu viel anzufangen. Dessen Auftritte wirken recht ziellos - was auch damit zusammenhängt, dass man sich offenbar immer noch nicht entschieden hat, auf welcher Seite der nukleare Gigant denn nun eigentlich stehen soll: Einerseits hilft er zwar nach wie vor den Menschen, indem er andere Ungeheuer bekämpft, andererseits haut er auch gewissenlos befahrene Autobahnbrücken entzwei, was garantiert mehreren Unglücklichen gehörig den Tag versaut. Dass man im einen Moment nochmals betont, es mit einem Schutzpatron zu tun haben, während man ihm im anderen dann aber doch eine Fliegerstaffel auf den Hals hetzt, hilft ebenfalls nicht dabei, Widersprüche aufzulösen. Und dann darf sich Godzilla auch wieder einen kleinen Kampf mit Kong liefern, was auch nicht so richtig schlüssig ist, da beide eigentlich auf gleicher Seite stehen. Hier sparte man offenbar absichtlich mit hauseigener Logik, um dem Fan das bieten zu können, was er (vermeintlich) am meisten begehrt.

Und natürlich sind Freunde sich kloppender Kolosse hier prinzipiell schon an der richtigen Adresse. Zur Auswahl stehen unter anderem noch ein neu erschaffenes Monster, das ein wenig wirkt, wie die etwas zurückgebliebene Schwester von Gamera, der Riesenschildkröte, und ein altbekanntes aus dem klassischen Godzilla-Universum, das zwar toll designt und animiert ist, hier aber wirklich rein gar nichts zu tun hat und nur dabei ist, damit es eben dabei ist. Im Finale gingen den Machern dann ganz schön die Gäule durch, wenn Godzilla und Kong aus dem Boden brechen und losstolpern wie zwei Superhelden, die den letzten Bus in Richtung Erdrettung noch erreichen müssen. Dass ausgerechnet der bewegungstechnisch eher als behäbig bekannte Godzilla nun plötzlich sprinten kann, als habe er eine Atomrakete im Allerwertesten, stiftet dabei fast noch mehr Verwirrung, als das allzu menschliche Gebaren Kongs. Spielt allerdings ohnehin bald keine Rolle mehr, denn wenn schließlich auch noch die Schwerkraft aufgehoben wird (ja, das geht!) und sich die Riesen folglich einander im Schwebezustand verwemsen, ist eh egal, wer wann wie schnell laufen kann.

Bei aller grundsätzlichen Verbundenheit zur infantilen Übertreibung muss man konzedieren, dass der schrille Showdown der Sache insgesamt eher schadet als nützt. Ein bisschen mehr Bodenständigkeit (gern auch im buchstäblichen Sinne) wäre dem Gesamteindruck gewiss zuträglich gewesen. Es ist nicht unironisch, dass ausgerechnet der Westen, der sich für die Naivitäten des asiatischen Monsterkinos jahrzehntelang überwiegend im Spott erging, nun den diesbezüglich mit Abstand albernsten Aufwurf produzierte, während die Tōhō-Studios nur vier Monate zuvor mit GODZILLA – MINUS ONE einen neuen japanischen Beitrag vorlegten, der mit seiner Rückbesinnung auf die düsteren Wurzeln des destruktiven Wesens selbst seriöse Kritiker zu Kreuze kriechen ließ. Der Kontrast zum vorliegenden Spektakel könnte somit größer kaum sein – wobei es mit seinem Hang zum hemmungslosen Nonsens nicht grundlegend unsympathisch geriet. Man kann ihm gewiss viel vorwerfen, Langeweile gehört nicht dazu. GODZILLA X KONG (Was wohl das „x“ im Titel bedeuten soll? Dass man die Logik zu Grabe getragen hat?) ist daher mit tiefergelegtem Anspruch durchaus einen Blick wert. Aber den Affenpelz nicht vergessen! Denn das hier ist so blöd, das brüllt schon!

Laufzeit: 115 Min. / Freigabe: ab 12

Montag, 1. April 2024

CREATION OF THE GODS - KINGDOM OF STORMS


FENG SHEN DI BU - ZHAO GE FENG YUN
China 2023

Regie:
Wuershan

Darsteller:
Yu Shi,
Kris Phillips,
Huang Bo,
Chen Muchi,
Li Xuejian,
Narana Erdyneeva,
Yang Le,
Xia Yu



Inhalt:

China, Shang-Dynastie, zur Zeit der Zauberer und Dämonen: Der König entsendet Yin Shou [Kris Phillips], um ein Heer Aufständischer niederzuschlagen. Siegreich kehrt Shou zurück. Aber die anschließenden Feierlichkeiten werden zum Desaster: In einem unerklärlichen Fall geistiger Umnachtung tötet Kronprinz Qi [Gao Shuguang] seinen eigenen Vater, woraufhin das Land aus heiterem Himmel ohne König dasteht. Im Rahmen des Thronfolge-Gesetzes wird daraufhin Yin Shou zum Herrscher ernannt. Doch dessen Sohn Jiao [Chen Muchi] entdeckt Schreckliches: Die sirenenhafte Su Daji [Narana Erdyneeva], eine Art „Mitbringsel“ aus Feindeshand und nun Gespielin seines Vaters, ist von einem Fuchsdämon besessen und scheint des Königs Verstand sukzessive zu vergiften. Der Versuch Jiaos, auf die Gefahr aufmerksam zu machen, wird als Verrat interpretiert, woraufhin er alsbald die Flucht antreten muss.

Währenddessen beschließen die Unsterblichen von Kunlun, den Menschen die magische „Schriftrolle der Investitur“ anzuvertrauen, welche die Macht besitzt, die weltliche Ordnung wiederherzustellen. Der kauzige Jiang Ziya [Huang Bo] opfert 40 Jahre seiner Unsterblichkeit, um das Artefakt Yin Shou zu überreichen. Doch als er dessen wahren Charakter erkennt, flieht er mitsamt der Schriftrolle wieder aus dem Palast. Nun hat Ziya nicht nur die Häscher des Königs an den Fersen, sondern auch den bösartigen Alchemisten Shen Gongbao [Xia Yu], der ebenfalls auf das Utensil aufmerksam wurde und nun alles daransetzt, dieses mächtige Werkzeug an sich zu reißen.

Kritik:

Eine Inhaltsangabe zu KINGDOM OF STORMS muss, möchte man nicht den Rahmen sprengen, unvollständig bleiben. Denn was hier an Gestalten und Geschichten aufgefahren wird, ist regelrecht maßlos und geht in Richtung der staffelreichen TV-Saga GAME OF THRONES. Allerdings war INVESTITURE OF THE GODS, die Buch-Vorlage der überbordenden Leinwand-Phantasmagorie, deutlich früher da: Bereits im 16. Jahrhundert erdachte Schriftsteller Xu Zhonglin diese alternative Historie Chinas, eine von Fantasy und Folklore geprägte Version der politischen Ereignisse nach dem Aufstieg des letzten Königs der Shang-Dynastie, eine Welt, in der Menschen, Götter und Dämonen aufeinandertreffen in einem großen Ränkespiel um Macht, Intrige und Verrat. Um das Werk angemessen adaptieren zu können, hielt man sich gar nicht erst mit halben Sachen auf: Umgerechnet 400 Millionen US-Dollar nahm man (zumindest offiziellen Angaben nach) in die Hand, um selbstbewusst und siegessicher gleich drei überlange Großereignisse am Stück zu produzieren und unter dem Haupttitel CREATION OF THE GODS zu firmieren. Rund 15.000 Vorsprechen hielt man angeblich ab, um die Besetzung zusammenzustellen, woraufhin sich die Sieger erst einmal sechs Monate in ein Trainingslager begeben durften, um eine Ausbildung in Sachen Schauspiel, Kämpfen, Reiten und Schießen zu erhalten, damit Körper und Muskeln im Anschluss denen damaliger Krieger entsprachen. Ganz schön viel Aufwand, um eine Epoche zu rekonstruieren, die es in dieser Form ja niemals gab!

Ob diese Maßnahmen übertrieben waren oder nicht, ist gewiss diskussionswürdig, geschadet haben sie dem Werk jedenfalls nicht: Dem Team um Regisseur Wuershan [→ MOJIN] gelang es, eine Welt zu entwerfen, die sich, trotz durchschnittlicher digitaler Effekte, auf Anhieb echt und glaubwürdig anfühlt, obwohl hier wirklich am laufenden Meter lauter fürs Publikum wundersame Dinge passieren. Die bedingungslose Akzeptanz der Anwesenheit von Magie und Übernatürlichem muss freilich Prämisse sein, um kein Stirnrunzel-Trauma zu erleiden. Bereits zu Beginn, der noch am ehesten einem klassischen historischen Schlachtengemälde gleicht, kündigt sich schon der erste Hokuspokus an. Allerdings ist man an dieser Stelle noch viel zu beschäftigt damit, sich zurechtzufinden, wird man doch unversehens hineingeworfen ins gewalttätige Gewühl und eh man überhaupt begriffen hat, wer gegen wen und warum, haben auch schon mehrere Leute dekorativ ins Gras gebissen. Die Vielzahl an Figuren, die einem auch im weiteren Verlaufe um die Ohren fliegt, mag vielleicht zunächst abschrecken, irritiert aber nur kurzzeitig. Denn obwohl KINGDOM OF STORMS jede Menge an Personal auffährt, das einem stets per viel zu kurzer Texteinblendung vorgestellt wird, gelang es der vierköpfigen Autorenschaft, die Ereignisse schlussendlich doch in erstaunlich übersichtlichen Bahnen ablaufen zu lassen. Und das will schon was heißen bei dem amtlichen Aufgebot an Akteuren, die alle ihren eigenen Hintergrund und seelischen Zwiespalt mitbringen. Gut eine Stunde dauert es, bis allein die Exposition geschafft und die konstitutive Konfliktsituation installiert ist. Aber auch dann bleiben ja noch 90 Minuten, die bestmöglich genutzt werden.

Inhaltlich ist das kaum neu (wie denn auch, bei einer Vorlage, die aus der Zeit der Ming-Dynastie stammt?) und auch nur leidlich originell, aber doch erstaunlich frisch und schwungvoll erzählt. Die Figuren gehorchen zwar gängigen Rollen-Klischees, aber man interessiert sich für sie und ihre Schicksale, da die moralischen Dilemmata, denen sie ausgesetzt werden, ebenso nachvollziehbar wie fortwährend aktuell sind - wobei eine kleine, aber durchaus bedeutsame Fußnote nicht unter den Tisch fallen sollte: Während in China produzierte Kampfgelage in ihrer Botschaft oft einer menschenverachtenden Ideologie folgen, die den Wert des Individuums geringer schätzt als das Erreichen eines (vorgeblich) hehren Ziels, dreht KINGDOM OF STORMS diese Perspektive nämlich auf links und plädiert für die Würde des Einzelnen unter dem Joch misanthropischer Regeln und Regentschaft. So erkennt z. B. der „Teilzeit-Unsterbliche“ Jiang Ziya die Verworfenheit des Königs, als dieser ohne zu zögern einen Bediensteten opfert, um seine Interessen durchzusetzen. Ohnehin sterben hier ganze Wagenladungen unschuldiger Menschen teils aus reiner Willkür und verbohrter Weltanschauung, was der bonbonbunten Optik eine nihilistische Note hinzufügt.

Trotz diverser dramatischer und düsterer Elemente ist der Auftakt zur CREATION OF THE GODS-Reihe jedoch in erster Linie ein spaßiges Spektakel, das durchaus humorvoll ist, ohne dabei der Albernheit anheimzufallen. Das liegt auch an besagtem Jiang Ziya, einem von Huang Bo herrlich kauzig verkörperten „Gott-Opi“, der stets zwei „Arbeitskollegen“ im Gefolge hat, darunter auch ein temperamentvoller Halbwüchsiger, der bei Bedarf zwecks raketenartiger Fortbewegung Feuerringe unter den Füßen aktivieren kann und lange rote Bänder als Lasso einsetzt. Da das Trio nicht auf Anhieb als „allmächtig“ erkannt werden will, fragt der Junge in jeder brenzligen Situation immer erst artig, ob er jetzt seine Kräfte einsetzen darf, was an den Comic-Helden Obelix erinnert, der auch immer erst brav um Erlaubnis bittet, seinen Gegner aus den Schuhen hauen zu dürfen.

Dass CREATION OF THE GODS so oft mit DER HERR DER RINGE in Verbindung gebracht wird, hat nicht nur den Grund, dass manche Kritiker offensichtlich den Zwang haben, ständig Vergleiche ziehen zu müssen, sondern liegt auch daran, dass die Macher das in diesem Falle gewissermaßen selbst forcieren: So gab Wuershan zu Protokoll, die legendären Verfilmungen Peter Jacksons haben ihn ermutigt, selbst ein Projekt dieser Größenordnung anzugehen. Zudem engagierte man Barrie M. Osbourne, den Produzenten der bahnbrechenden Trilogie, als Berater. Aufs Glatteis führen lassen sollte man sich dadurch allerdings nicht; beide Werke sind inhaltlich wie stilistisch sehr verschieden. Eine viel naheliegendere Assoziation wäre die mit diversen Klassikern der Shaw Brothers, an deren Optik sich die Macher unter anderem in Sachen Kostüm und Kulisse offenbar orientiert haben. Fantasy-Freunde kommen bei dieser Eröffnungsveranstaltung dennoch voll und ganz auf ihre Kosten und bekommen aus wilde Mixtur aus Machtgerangel, Magiegewusel und Monsterquatsch, bei der die Zeit trotz Überlänge wie im Flug vergeht. Beziehungsweise im Sturm.

Laufzeit: 148 Min. / Freigabe: ab 16