Freitag, 24. Mai 2024

FURIOSA


FURIOSA
Australien 2024

Regie:
George Miller

Darsteller:
Anya Taylor-Joy,
Alyla Browne,
Chris Hemsworth,
Tom Burke,
Lachy Hulme,
Charlee Fraser,
Nathan Jones,
Angus Sampson



Am Anfang war MAD MAX. Es war 1979, als der damals noch unbekannte australische Regisseur George Miller mit dem damals noch unbekannten australischen Schauspieler Mel Gibson in der Hauptrolle unter diesem Titel die pessimistische Parabel einer untergehenden Zivilisation ins Kino brachte. Aufgrund des unerwarteten Erfolges wurde die Nummer in mehreren Fortsetzungen mit deutlich größerem Budget zur ausufernden Action-Installation umgedeutet. Die Figur der Furiosa trat dabei erstmals 2015 im Kapitel FURY ROAD auf und war bereits von Anfang an mehr als nur eine größere Nebenrolle, gönnte Miller, der sich stets auch für die Drehbücher verantwortlich zeichnete, der endzeitlichen Kriegerin doch ungewöhnlich viel Raum. Neun Jahre später durfte der Name FURIOSA schießlich ein ganzes Plakat schmücken und die kampferprobte Heldin ihren Lebens- und Leidensweg (im wahrsten Sinne) mutterseelenallein bestreiten. Ganz ohne Max, aber doch mit sehr viel Madness.

Dass diese dabei nicht mehr von Charlize Theron verkörpert wird, sondern von der deutlich jüngeren Anya Taylor-Joy, liegt vor allem darin begründet, dass hier die Vorgeschichte erzählt wird - der weite Weg zur Fury Road quasi. Genau genommen sind es deshalb sogar gleich zwei neue Schauspielerinnen in der Rolle, hat doch selbst die Vorgeschichte noch eine Vorgeschichte, in der sich die Protagonistin bereits als Dreikäsehoch als äußerst robust erweist, obgleich sie zum Auftakt direkt in die Hände brutaler Plünderer gerät.

Inhalt:

Der Lebensraum, in dem die noch kindliche Furiosa [Alyla Browne] aufwächst, ist so schön nicht mehr: Die Zivilisation ist im Eimer, die Welt fast nur noch Wüste, Ressourcen jeglicher Art sind teure, hart umkämpfte Handelsware. Doch Furiosa hat noch Glück im Unglück: Sie lebt in einer der wenigen verbliebenen Oasen, in einer Gemeinschaft friedlicher Menschen, die sich gegenseitig unterstützen. Doch eines Tages wird sie diesem Paradies brutal entrissen: Eine Bande von Plünderern entführt sie ins Ödland, um sie ihrem Anführer zu überreichen, dem skrupellosen Warlord Dementus [Chris Hemsworth]. Dieser tötet ihre Mutter, die erfolglos versucht hat, sie zu retten, und zieht sie als eine Art Ersatztochter auf. Nach einiger Zeit wechselt Furiosa jedoch den „Besitzer“: Um einen Handel zu besiegeln, wird sie an einen weiteren Machtmenschen verkauft: den maskierten, monsterartigen Immortan Joe [Lachy Hulme], der sie seinem Harem zuführen möchte. Furiosa kann durch eine List entkommen und übt sich fortan in der Kunst des Überlebens. Die Jahre vergehen und sie reift zur jungen Frau [nun: Anya Taylor-Joy]. Ihr Überlebenswille: Vergeltung für den Mord an ihrer Mutter.

Kritik:

An FURIOSA überrascht zunächst, dass die Geschichte kapitelweise erzählt und dabei jeder Teilabschnitt Quentin-Tarantino-artig per Einblendung benannt wird. Das ist schon ein kleiner Stilbruch, aber da bisher jeder Teil der Reihe in irgendeiner Form mit seinem Vorgänger brach, war das wohl das Zugeständnis an diese Tradition. Ansonsten behält man im Großen und Ganzen Stil und Optik des Vorgängers (beziehungsweise ja eigentlich ja Nachfolgers) bei, weswegen man sich auch sofort wieder in vertrauten Gefilden wähnt. Diese Welt ist definitiv die, die man aus FURY ROAD kennt, eine raue, ungastliche Wüstenlandschaft, bevölkert von motorisierten marodierenden Horden, in der das Recht des Stärkeren und Skrupelloseren gilt.

Mit der Realität hat das freilich kaum noch etwas am Hut und mit der Anfängen der Reihe ebenfalls nicht. Teil 1 der Saga, noch mit einer Handvoll Dollar gedreht, weist zwar auch schon ein paar comicartige Elemente auf, ist im Kern jedoch ein dreckiger Polizeifilm alter Schule, in dem Motorrad-Bulle Max Rockatansky zunächst zur Verzweiflung, dann zum Vergeltungsakt gegen die Mörder seines Sohnes getrieben wird. Erst die Fortsetzung siedelt die Handlung dann in der Post-Apokalypse an, in der sich schrille Figuren im Hochgeschwindigkeitsrausch gegenseitig das Leben zur Hölle machen. Das zelebriert zwar bereits mit kindlicher Lust die Übertreibung, hat aber immerhin noch eine gewisse Bodenhaftung. FURIOSA jedoch scheint inzwischen auf einem anderen Planeten zu spielen, der der Erde höchstens noch im Ansatz ähnlich ist. Aufgrund des Ambientes drängt sich einem zeitweise gar ein Vergleich mit DUNE auf (bei dessen 2024er Kino-Interpretation Anya Taylor-Joy kurioserweise auch dabei war) und tatsächlich würde es gar nicht groß überraschen, schraubte sich hier plötzlich ebenfalls ein gigantischer Wurm aus dem Sand. 

Zu Beginn der Reise huldigt Miller allerdings einem ganz anderen, eigentlich mausetoten Genre, nämlich dem Barbarenfilm. Mehrere anfängliche Momente könnten direkt aus CONAN & Co. stammen, wenn die grausamen Horden des Tyrannen Dementus – teils sogar mit gehörten Helmen unterwegs – ihr blutiges Tagwerk verrichten, rauben, plündern, kreuzigen und morden. Nur eben mit Motorrädern. Bereits hier lernt man den Antagonisten mit Leidenschaft hassen. Chris Hemsworth [→ VACATIONspielt den menschenlebenverachtenden Anführer Dementus im formvollendeten Berserker-Modus und man wünscht sich, die Titelfigur würde ihm, obwohl noch im zarten Kindesalter, bereits an Ort und Stelle den Garaus machen. Dass er sich im gleichen Moment, in dem er ihr Mutter, Glück und sorglose Jugend raubt, auch noch als Gefühlsmenschen inszeniert, der um den Verlust seiner eigenen Tochter trauert, macht ihn nur noch verabscheuungswürdiger. Aber das war wohl notwendig, da das Skript zumindest eine halbwegs brauchbare Entschuldigung dafür benötigte, dass Furiosa tatsächlich am Leben gelassen wird und fortan eine nicht unbeträchtliche Zeit in der Obhut ihres Peinigers verbringt.

Hier schält sich langsam, aber sicher ein weiterer Unterschied zum Rest der Reihe heraus. Denn während sich die anderen Beiträge inhaltlich jeweils auf einen nur kurzen Zeitabschnitt konzentrieren, erstreckt sich FURIOSA über mehrere Jahre, beschreibt fast schon akribisch die langsame Frauwerdung der Protagonistin, die schließlich – so viel zur geliebten „Ersatztochter“ – von Dementus an einen Handelspartner verschachert wird, an den bereits aus FURY ROAD bekannten Immortan Joe, der sie zur Haremsdame umfunktionieren will. Furiosa denkt nicht mal daran, kann durch einen (bemerkenswert billigen) Trick entkommen, tarnt sich fortan per Kurzhaarfrisur als Junge und agiert so mehrere Jahre als „War Boy“ in der Armee Immortan Joes, was schon etwas weit hergeholt erscheint und leichte MULAN-Schwingungen mit sich bringt. Es ist faszinierend, wie beinahe unmerklich hier der Darstellerwechsel vonstatten geht, denn irgendwann dazwischen tauscht Furiosa ihren Körper und wird die verbleibende Spielzeit von Anya Taylor-Joy personifiziert. Beide Frauen bilden eine wunderbar konsistente Kombination und verströmen eine identische Präsenz, sodass der Übergang nahezu nahtlos und beinahe unbemerkt über die Bühne geht.

Furiosa geht ihren Weg weiter, wobei das anfangs prominent platzierte Rachemotiv dabei für geraume Weile ins Hintertreffen gerät. Lange Zeit (also innerhalb der Handlung: mehrere Jahre) geht es der Protagonistin lediglich darum, zu überleben, sich anzupassen, ihre Stärken zu entdecken und auszubauen, herauszufinden, wem sie vertrauen kann und wem nicht. Das Element Action spielt dabei – obwohl niemals völlig abwesend – keine so große Rolle wie noch in FURY ROAD, wo gefühlt niemals jemand länger als 20 Sekunden mal irgendwo stehen blieb. FURIOSA hingegen setzt eher auf das große Abenteuer. Aber wenn was passiert, dann ist wahrlich was los! Anspieltipp dafür ist der Überfall auf das „War Rig“, einerseits ein gigantischer Tanklaster, andererseits aber auch eine fahrende waffenstarrende Festung - was einige trotzdem nicht von dem Versuch abhält, das Ding kapern zu wollen. Mit Autos, Motorrädern und Fluggeräten attackiert eine Bande Verrückter das gepanzerte Superfahrzeug und wer Glück hat, kommt einfach nur unter die tonnenschweren Räder. Und wer es für schlau hielt, vom Luftraum aus anzugreifen, wird kurzerhand per eingebautem Kranarm vom Himmel gepflückt. Die Kinetik, die dabei entfesselt wird, macht in ihrem perfekt inszenierten Irrwitz fast sprachlos und lässt einen minutenlang alles vergessen. Dabei – und das ist die große Kunst – bleibt alles stets übersichtlich und fokussiert. Miller, der dem Genre vor FURY ROAD lange Zeit abtrünnig war, weiß, wie man Action auf die Beine stellt, die diese Bezeichnung auch verdient.

Der Überfall verbindet Furiosa unvermittelterweise mit dem „War Rig“-Steuermann Praetorian Jack, der für sie zur quasi einzigen Vertrauensperson wird. Dass bei der Gelegenheit noch völlig fehl am Platze wirkendes Kurzzeit-Geschmuse ins Skript gemogelt wurde, liegt wohl daran, dass Furiosa ihr Finale nicht als Jungfrau bestreiten sollte, denn zwischen all dem Den-Haremshäschern-entkommen, Sich-als-Junge-verkleiden und Unter-einem-fahrenden-Truck-hängen war für das gute, alte Pimperino natürlich nie so wirklich Zeit. Obwohl reichlich spät eingeführt, wirkt Tom Burke [→ ONLY GOD FORGIVESin der Rolle auf Anhieb extrem cool und sympathisch. Zudem sieht er, vor allem hinter dem Steuer seines Trucks, Mel Gibson recht ähnlich, was natürlich wunderbar ins Universum passt. Ohnehin ist es abermals bemerkenswert, wie schillernd das auftretende Personal geriet, selbst wenn es nur Miniauftritte absolviert. Miller liefert die Freakshow frei Haus, oft auch missgestaltete, aber stets charakterstarke Figuren in extragaganten Kostümen, mit Namen, die offenbar bei einer feucht-fröhlichen Teehaus-Zeremonie entstanden: Organic Mechanic, Rictus Erectus, Scrotus, Octoboss - und nicht zuletzt der „Geschichtenerzähler“, ein greiser Mann im wallenden Gewand, der sich hin und wieder im Erklärbär-Modus zu Wort meldet und aussieht wie ein chrystal-meth-süchtiger Saruman mit Mikrofon.

Am Ende – das wird keinen überraschen – bekommt Furiosa ihre Rache. Dieser Abschnitt wird von manchem Kritiker als Schwäche empfunden, weil er sich Erwartungen widersetzt und darum als unspektakulär abgekanzelt wird. Tatsächlich besitzt aber gerade das nach all dem donnernden Getöse eine ungeheure Wucht. Miller hat verstanden, dass Action nur funktioniert, wenn man sie in Ruhe einbettet. So herrscht nach der brachialen „War Rig“-Sequenz für ein paar Sekunden eine Stille, die regelrecht in den Ohren dröhnt. Der Abspann wird später untermalt sein von entspannten Klängen, die so gar nicht nach Weltuntergang tönen. Und Furiosa kriegt ihre Vergeltung eben nicht zwischen kreischenden Motoren und schepperndem Blech, sondern in einem Moment gezügelten Stillstands. Und da schließt sich der Kreis. Denn das erinnert doch stark an Mel Gibsons finalen Akt aus dem 1979er MAD MAX, der eben auch nicht laut und schnell war, sondern bedacht und perfide. 

Mit FURIOSA hat George Miller seine eigene Welt abermals neu erfunden, ohne bereits Etabliertem den Stinkefinger zu zeigen. Der Einfallsreichtum ist überbordend (Dementus fährt z. B. einen Streitwagen, der anstelle von Pferden von drei Motorrädern gezogen wird), die wuchtigen Bilder sind präzise durchgeplant und der Soundtrack unterstützt das Geschehen angemessen brachial. Und Anya Taylor-Joy hat sich mitsamt stechendem Blick (ihre Augen werden szenenweise fast schon penetrant überbetont) einen Platz im Action-Olymp gesichert.

Falls noch Fragen offen sind: FURIOSA brennt alles nieder! Weil Miller nicht nur daran gelegen war, es krachen zu lassen. Sondern weil er auch etwas zu erzählen hatte. Jede Figur, jeder Satz, jedes Sandkorn ist mit Bedeutung aufgeladen.

Furios? Ja!

Laufzeit: 148 Min. / Freigabe: ab 16

Sonntag, 19. Mai 2024

TOP SQUAD


BA WONG FA
Hongkong 1988

Regie:
Chin Sing Wai

Darsteller:
Sibelle Hu,
Cynthia Rothrock,
Kara Hui,
Sandra Ng,
Ann Bridgewater,
Regina Kent,
Stanley Fung,
Bill Tung



Inhalt:

Als es der Sicherheitsbeamtin Madam Wu [Sibelle Hu] gelingt, ein Attentat auf einen Staatsgast zu vereiteln, dämmert es Kommissar Tung [Bill Tung], dass eine rein weibliche Elite-Einheit durchaus Vorteile hätte. Also wird Wu beauftragt, eine schlagkräftige Frauentruppe zu rekrutieren. Gut ein Dutzend Frauen qualifiziert sich am Ende für das Trainings-Lager, in dem die eigentliche Ausbildung erst beginnt – unter anderem geleitet von der Nahkampf-Expertin Madam Law [Cynthia Rothrock]. In Konkurrenz steht die Kompanie dabei zur rein männlich besetzten Tiger Squad unter der Leitung des leicht dümmlichen Inspektors Kan [Stanley Fung]. Nach vielen turbulenten Wochen der Keile und Kaspereien muss sich das Kollektiv bewähren, als eine Bande skrupelloser Juwelenräuber zum Coup ansetzt.

Kritik:

TOP SQUAD wird in deutschen Breitengraden gern als heißer Action-Reißer verkauft. Das fängt beim griffigen Titel an, geht weiter mit Werbesprüchen wie „Gnadenloser Drill – bittere Rache!“ (ja, mit Ausrufezeichen) und endet auch nicht bei prominent platzierten Namen wie der von Kampfsport-Ikone Cynthia Rothrock (Trägerin von fünf Schwarzen Gürteln) oder Kung-Fu-Legende Jackie Chan (dem hier stellenweise sogar die Regie zugeschanzt wird). Die Realität hingegen sieht anders aus: Rothrock tritt insgesamt nur wenige Minuten auf, Jackie Chan übernahm lediglich die Produzenten-Funktion, der Drill ist drollig statt gnadenlos und Rachemotive glänzen im Allgemeinen ebenfalls durch Abwesenheit. Der eigentliche englische Titel THE INSPECTOR WEARS SKIRTS macht dann endgültig deutlich, dass das vermeintliche Knallhart-Bonbon in Wahrheit zu einem ganz anderen Genre gehört – nämlich zu dem der in den 1980er Jahren sehr beliebten Cop-Komödie. Die zeitliche Nähe zum amerikanischen Sensationserfolg POLICE ACADEMY [1984] dürfte dabei kein Zufall sein, sind die inhaltlichen Parallelen doch kaum zu übersehen: Eine Schar von Außenseitern im Qualifizierungs-Programm zur Polizei-Einheit, dabei jede Menge Komik und Konflikte und am Ende dann aus heiterem Himmel die Bewährungsprobe, die natürlich mit Bravour gemeistert wird. Als Alleinstellungsmerkmal fungiert dabei in diesem Fall der Umstand, dass das Personal ausschließlich weiblichen Geschlechts ist – damals eine Art Novum. Zwar hatte Krawall-Kino wie ULTRA FORCE [1985] zuvor bereits professionell prügelnde Polizistinnen aufs Publikum losgelassen, aber eine rein aus Frauen bestehende Spezial-Einheit erschien tatsächlich noch als absurd genug, um als Komödien-Stoff zu taugen.

Diese völlig überholte Auffassung lässt TOP SQUAD wie ein Relikt aus grauer Vorzeit wirken. Was zumindest noch durch Vorreiterei in Sachen Gleichberechtigung Punkte hätte sammeln können, wurde in den Autoren-Händen von Cheng Kam-Fu [→ CONTRACT KILLER] und Abe Kwong Man-Wai [→ PRINCE OF THE SUN] jedoch zur strapaziösen Sexismus-Parade. Zwar versteht man sich selbst offenbar sogar als feministisches Manifest, lässt man zu Beginn doch zwei Beamte sich darüber echauffieren, dass Frauen in manchen Kulturkreisen Männern nicht mal die Hand reichen dürfen (die deutsche Synchronisation zauberte noch ein charmantes „Die haben doch nicht alle Höcker auf dem Kamel!“ hinzu). Doch der wuselige Weiber-Haufen, der einem dann nachfolgend präsentiert wird, lässt kaum ein Stammtisch-Klischee aus und besteht aus nervig-naiven Dummchen, die postwendend nach Zusammengruppierung anfangen, über Haut-Hygiene und süße Jungs zu diskutieren. Und da man die Idee einer Damen-Mannschaft wohl als selbsttragend ansah, ruhte man sich auf diesem vermeintlichen Super-Witz quasi bis zum Schluss aus und fügte ihm im Prinzip nichts Nennenswertes mehr hinzu. Die Ausbildung verläuft unspektakulär und nahezu höhepunktsfrei (so viel zum „gnadenlosen Drill“) und auch aus dem Kräftemessen mit der männlichen Konkurrenz-Kompanie wird kaum Spannung herausgeholt. Stattdessen gibt es oberflächliche Konflikte, banale Liebeleien und vorpubertäre Späße, die in ihrer Fasson fatal an die seichten amerikanischen Teenager-Komödchen ab Mitte der 1970er Jahre erinnern, inklusive Rollschuhbahn-Geplänkel, Saufgelagen und alberner Gesangs- und Tanz-Einlagen. Da man es hier aber mit eindeutig erwachsenen Figuren zu tun hat, verführt das unreife Gebaren nicht selten zum genierten Kopfschütteln.

Eine der zahlreichen halbgaren Nebenhandlungen macht die Truppe sogar ungewollt unsympathisch: Als die Ladys herausfinden, dass der Lebensgefährte einer ihrer Kameradinnen ein falsches Spiel treibt, rotten sie sich zusammen und vermöbeln besagten Kerl in einer illegalen Nacht-und-Nebel-Aktion nach Strich und Faden (inklusive Malträtierung mit Baseball-Schläger und glühender Eisenstange). Diese völlig unverhältnismäßige Selbstjustiz-Maßnahme sorgt nicht gerade dafür, einem die Protagonistinnen näherzubringen. Nachdem viel zu lange Zeit viel zu wenig passiert ist, kommt TOP SQUAD auf den letzten Metern dann doch noch in mittlerweile gar nicht mehr für möglich gehaltene Fahrt. Der Einsatz gegen eine Bande von Juwelenräubern sorgt nicht nur für überraschend witzige Humor-Einlagen (herausgehoben sei hier der verzweifelte Versuch, per Morse-Alphabet zu kommunizieren), sondern auch für gelungene Action-Attraktionen, die wohl vor allem deshalb so dynamisch ausfielen, weil sich das Stunt-Team um Jackie Chan dafür verantwortlich zeichnete. Typisch für das damalige Hongkong-Kino, das Gewalteinlagen gern auch mal genreunabhängig unterbrachte, kommt es dabei (wie auch bereits im Auftakt) zu ein paar härteren Momenten, die nach westlichem Verständnis in einem humororientierten Szenario eher fehl am Platze wirken. Nach derlei gutgemachtem Boden irritiert dann allerdings das plötzliche Ende, bei dem man den Eindruck gewinnt, den Machern sei soeben das Film-Material ausgegangen und nun müsse schnell der Abspann her.

So ist TOP SQUAD am Ende dann doch ein eher zweifelhaftes Vergnügen, was vor allem dem extrem einfallslosen Drehbuch geschuldet ist. Zwei attraktive Action-Episoden zu Beginn und zum Finale bilden den Rahmen um ein eher affröses Geschehen im viel zu langen Mittelteil, den die deutsche Sprachfassung zwar bemüht war, aufzupeppen, der aber schlichtweg nicht genügend begeistern kann. Die Darstellerinnen taten sich mit ihrer Teilnahme keinen großen Gefallen, entwickeln nicht die Spur an Charakter und dürfen mit ihrem Gehabe letztendlich lediglich geltende Vorurteile bestätigen. Einzig Sibelle Hu [→ DEADLY CHINA DOLLS] darf sich als Ausbilderin ein bisschen von der Masse abheben (auch, wenn sie viel zu zart und niedlich aussieht, um ihr die behauptete Funktion abzukaufen). Fans der groß angekündigten Kampfkunst-Koryphäe Cynthia Rothrock [→ SHANGHAI POLICE] blicken ein wenig in die Röhre, denn die Dame betritt nur zu Beginn und gegen Ende die Bühne. Stark aufwerten kann das Szenario hingegen die waschechte Type Bill Tung, der hier im Prinzip 1:1 seine launige Vorgesetzten-Rolle aus Jackie Chans POLICE STORY-Reihe wiederholt. Auch Stanley Fung [→ ACTION HUNTER], der zwar eigentlich als Kontrahent agiert, aber ein Auge auf Madame Wu geworfen hat und sich in ihrer Gegenwart herrlich töffelig anstellt („Madame, bitte entschuldigen Sie, dass ich mich hier so einfach hinsetze! Äääh … Wollen wir heiraten?“), kann Gefallen finden.

Laufzeit: 91 Min. / Freigabe: ab 18

Montag, 13. Mai 2024

BLOODY STONES


GWAI MA BO BIU CHAAK MEI YAN
Hongkong, Großbritannien 1988

Regie:
Frankie Chan

Darsteller:
Frankie Chan,
Kent Cheng,
Anthony Chan,
Cherie Chung,
Maria Cordero,
Bill Tung,
Kitty Chan,
Sandra Lang



Dass im Hongkong-Kino seit jeher andere Konventionen gelten als im überwiegenden Rest der Welt, dafür tritt BLOODY STONES bereits in seinen ersten 5 Minuten den schlagenden Beweis an. Denn während es woanders als vorprogrammiertes Kassengift gilt, ein Genre nicht passgenau zu bestimmen und dessen Regeln im Laufe der Erzählung penibel einzuhalten, werden hier ohne Rücksicht auf Verluste und Homogenität verschiedene als publikumswirksam erachtete Elemente in einen Topf geworfen und mit ordentlich Schmackes verrührt. So beginnt die Geschichte in fideler Unbekümmertheit, als der ebenso gemütliche wie korpulente Kent Cheng auf dem Nachhauseweg ein kleines Mädchen trifft, das herzzerreißend schluchzt, da ihr Kätzchen unerreichbar im Baum sitzt. Cheng, kein Unmensch, klettert zwecks Rettung galant ins Geäst und bemerkt erst, dass er übers Ohr gehauen wurde, als sich das nun plötzlich gar nicht mehr so traurige Kind am Boden mit seinen zwecks Haustierrettung abgelegten Einkäufen aus dem Staub macht. Als am gegenüberliegenden Fenster dann auch noch eine schimpfende Schreckschraube erscheint und ihn lauthals und faktisch falsch als Sittenstrolch beschimpft (Chengs Reaktion: „Quatsch mit Soße! Das hätte die Tante wohl gern!“), kommt aus heiterem Himmel Chengs Kumpel Ho des Wegs, um ein paar hämische Kommentare abzulassen. Das geht so lang gut, bis die Keiferin anfängt, die beiden mittels Zwille zu malträtieren und Cheng deswegen vom Baum fällt. Dabei kracht er auf einen wie zufällig bereitstehenden Rollwagen, auf welchem er jetzt in Zeitraffer und von lustiger Slapstick-Musik begleitet die Straße hinunterbollert, bevor der Zusammenprall mit einem von Ho extra zu diesem Zwecke gestoppten Taxi seinen unfreiwilligen Trip beendet. „Wo soll's hingehen?“, fragt ihn der Fahrer noch, als wäre das alles völlig normal.

Bis hierhin: Harmloser Humor mit Aszendent Hirnverödung, der auch aus einem deutschen Lustspiel-Verbrechen mit Rudi Carrell & Co. KG hätte stammen können. Doch unmittelbar nach diesen infantilen Ereignissen bricht aus heiterem Himmel neben den Protagonisten ein bewaffneter Raubüberfall aus. Cheng und Ho zücken die Knarren, rufen „Hände hoch, Polizei!“ und befinden sich unversehens in einem amtlichen Kugelhagel, der massig Tote und Verletzte fordert. Es folgt eine wüste PS-unterstützte Verfolgungsjagd, die final in einen Fahrstuhl führt, in welchem Ho dem letzten noch verbliebenen Räuber einen saftigen Kopfschuss verpasst, sodass sich dessen Hirn nun formvollendet in Chengs Gesicht verteilt. Zwar wurde diese Sequenz aus vielen internationalen Fassungen herausgeschnitten, aber der ebenso krasse wie unvermittelte Wechsel von argloser Albernheit zu hammerhartem Action-Sturm macht dennoch staunend. Umso mehr, da diese einleitenden Ereignisse mit der darauf folgenden eigentlichen Handlung rein gar nichts zu tun haben und nur existieren, um die beiden Hauptfiguren, die Polizisten Cheng und Ho, einzuführen. Und die Tonart des Films freilich.

Inhalt:

Stewardess Ko [Cherie Chung] und ihre Freundin Cai [Ngau Choi-Ling] werden vom Syndikat gezwungen, Diamanten zu schmuggeln. Doch die Damen drehen den Spieß um und setzen sich mit den Steinen ab. Als sie ihren Erfolg des Nachts am Strand feiern wollen, werden sie plötzlich von zwei Killern angegriffen, wobei Cai ums Leben kommt. Der zufällig sich vor Ort befindliche Inspektor Ho [Frankie Chan] kann zumindest verhindern, dass Ko ebenfalls getötet wird. Die geschwächte Frau wird ins Krankenhaus eingeliefert, wo Ho und sein Kollege Cheng [Kent Cheng] für ihre Sicherheit sorgen sollen. Doch das erweist sich als schwieriger als gedacht. Denn der kriminelle Geschäftsmann Li [Lee Ji-Kei] ist auf die Beute scharf und schickt seine besten Leute los, um Ko zu schnappen. Kurzerhand quartieren die beiden Polizisten die gefährdete Frau in ihrer Wohngemeinschaft ein.

Kritik:

Fraglos: Die Handlung von THE GOOD, THE BAD & THE BEAUTY (so der eigentliche englische Titel in recht sinnfreier Anlehnung an den eines berühmten Italo-Westerns) ist fern von gesteigerter Kreativität, um nicht zu sagen: ziemlich einfallslos. So geht es in der Quintessenz um nicht viel mehr als um eine Zeugin, die geschützt werden muss, und einen Gangsterboss, der ihr nach Hab und Leben trachtet. Dies dient als Aufhänger für eine relativ lose Aneinanderreihung von recht ruppigen Mord-Szenen (vor allem Krankenhauspersonal hat, wenn Boss Li seine Leute losschickt, nur wenig zu lachen), vereinzelten Action-Sequenzen mit Hauen, Stechen und Schießen sowie reichlich Situations- und Synchronisationskomik - denn zumindest die deutsche Fassung ist mit verbalem Frohsinn zugepflastert. In erster Linie zugunsten der beiden männlichen Hauptfiguren, die sich nicht nur eine Bude teilen wie ein altes Ehepaar, sondern sich auch so benehmen wie eines, indem sie sich den lieben langen Tag innigste Insultationen an den Kopf werfen.


„Sie hätten dir wenigstens ein Bein brechen können oder den halben Arm abschießen oder sowas.“
[Cheng verleiht seiner Freude Ausdruck, dass Ho den Kampf mit den Killern unbeschadet überstanden hat.]


Diese Dauer-Stichelei zwischen den beiden Gesetzeshütern funktioniert überraschend gut, da BLOODY STONES diesbezüglich anders konzipiert ist als die klassische Cop-Komödie der Marke NUR 48 STUNDEN oder RED HEAT: Während sich die Protagonisten dort anfangs nicht ausstehen können und erst noch zusammenraufen müssen, ist hier von Anfang an klar, dass Cheng und Ho eigentlich die dicksten Kumpels sind und füreinander durchs Feuer gehen würden. Als die zu beschützende Zeugin in ihre bis dahin zwanglose Wohngemeinschaft einzieht, sorgt das für einigen Trubel, der in humoristischer Hinsicht glücklicherweise weitaus weniger beschämend ausfällt als z. B. bei den ähnlich konzipierten MY LUCKY STARS-Klamotten, in welchen bei den Herren regelrecht der Restverstand aussetzt, wird die verschworene Männergemeinschaft von unerwarteter Weiblichkeit heimgesucht. Eher schon bietet sich der Vergleich einer Episode aus POLICE STORY an, in welcher Jackie Chan als Hongkong-Cop ebenfalls einer vom Mob bedrohten Dame Unterschlupf im eigenen Domizil gewähren muss, was zu amüsanten Schlagabtauschen führt.

Dass durch die Anwesenheit einer Frau die Freundschaft der Männer trotzdem auf die Probe gestellt wird, verlangt das Drehbuch, das immerhin 80 Minuten zu füllen hat, obwohl es im Prinzip kaum etwas zu erzählen gibt. Erfreulich allerdings, dass dabei nicht der Fehler begangen wurde, besagte Kronzeugin als hilfloses Opfer zu zeichnen, das passiv durch die Handlung torkelt. Cherie Chung [→ PEKING OPERA BLUES] verkörpert die von reichlich krimineller Energie erfüllte Stewardess als taffe Gangsterbraut, die den harten Konfrontationskurs selbst nicht scheut und auch schon mal mit Pistole im Anschlag verbrecherischen Stuhlgang unterbricht.

Schade, dass dann ausgerechnet der Showdown so wenig Schmiss hat. Das Hin und Her zwischen Gut und Böse mündet in einer gut 15-minütigen Motorbootjagd, die nichts mehr von der bis dahin vorherrschenden Härte hat und in Sachen Action vielmehr an die Schwerfälligkeit der späteren POLICE ACADEMY-Folgen erinnert. Zwar wird hier fleißig Dynamit geschleudert und Munition verfeuert, aber so richtig begeisternde Stimmung möchte nicht aufkommen. Nach der exzessiven Eröffnungsveranstaltung ist das schon eine ziemliche Anti-Klimax. Trotzdem werden sich Action-Fans hier gut aufgehoben fühlen. Frankie Chan [→ BORN TO FIGHT IV] (der hier übrigens auch Regie führte) und Kent Cheng [→ HARD TO DIE] harmonieren gut miteinander und wenn letzterer im Schlafrock samt Bommelmütze Bösewichtern Kugeln in die Köpfe ballert, ist das definitiv ein Anblick, den man nicht alle Tage sieht. Der zusätzliche Gastauftritt von Schauspiel-Veteran Bill Tung [→ TOP SQUAD] trägt zwar nichts zur Story bei, aber der kauzige Charakterdarsteller (der hier wieder seine Paraderolle spielt, nämlich die des liebenswerten Vorgesetzten) ist ebenfalls stets gern gesehen. Wer Gewalt und Geblödel miteinander vereinbaren kann, der darf sich die BLOODY STONES gefahrlos auf die Einkaufsliste schreiben.

Laufzeit: 75 Min. / FSK: ab 18

Dienstag, 7. Mai 2024

THE ROOKIES


SU REN TE GONG
China 2019

Regie:
Alan Yuen

Darsteller:
Talu Wang,
Sandrine Pinna,
Milla Jovovich,
Timmy Xu,
Liu Meitong,
David Lee McInnis,
Daytoy Sean Xiao,
Lam Suet



Inhalt:

Zhao Feng [Talu Wang] ist ein leicht lebensmüde agierender Extremsportler, der bevorzugt auf hohe Bauwerke klettert und dies live ins Internet überträgt. Eines Tages platzt er dabei versehentlich in ein Treffen zweier Gangster-Parteien, die gerade im Begriff illegaler Waffengeschäfte sind. Als Zhao mit guter Miene zum bösen Spiel versucht, seine heile Haut zu retten, platzt plötzlich auch noch die Agentin Bruce [Milla Jovovich] ins Zimmer und sorgt für nachhaltigen Wirbel. Zwar sieht Zhao zu, dass er schnellstens Land gewinnt, aber zur Ruhe kommt er nicht. Denn Bruce sucht ihn zu Hause auf und erklärt ihm, dass sie die Leiterin eines Geheimbundes ist, der bemüht ist, der Terror-Organisation 'Iron Fist', die an der geplatzten Aktion beteiligt war, den Garaus zu machen. Da Zhao von den Gangstern aufgrund des Zwischenfalls nun für jemand der ihren gehalten wird, kann sie ihn überreden, sich ihrer Organisation anzuschließen und rekrutiert ihn für eine Mission in Budapest. Vor Ort stoßen noch der Tüftler Ding Shan [Timmy Xu], die Ärztin LV [Meitong Liu] sowie die geschasste Interpol-Mitarbeiterin Miao Yan [Sandrine Pinna] dazu. Die Nachwuchs-Weltretter bekommen es nachfolgend mit dem verrückten Milliardär Liam Wonder [David Lee McInnis] zu tun, der die Menschheit mittels einer neuen Droge unterjochen will.

Kritik:

Nach der Rückgabe von Hongkong an China befand sich die ansässige Filmindustrie auf der Suche nach einer neuen Identität. Als eine der Folgen entstand kurz vor der Jahrtausendwende eine Reihe technikaffiner Action-Streifen, die extrem auf eine jugendliche Zielgruppe zurechtgezimmert wurden. Die Hauptfiguren waren dann in der Regel unangepasste, auf Konventionen pfeifende junge Leute, die sich mehr oder minder freiwillig zum Team formieren müssen, um die Welt im besten Bond-Modus vor Terrorismus und sonstigem Ungemach zu bewahren. Dabei wurde ausgiebig mit damals innovativen technischen Spielereien geprotzt und – weil seitens der Produzenten auf den internationalen Markt geschielt wurde - rund um den Globus gejettet. Als Anschauungsmaterial dienen diesbezüglich Beiträge wie DOWNTOWN TORPEDOES [1997], HOT WAR [1998] oder ...AND NOW YOU'RE DEAD [1997]. Das Drehbuch zu dem erst 2019 entstandenen THE ROOKIES wirkt indes, als sei es bei der damaligen Offensive versehentlich liegengeblieben, erst 20 Jahre später wieder entdeckt und dann flugs doch noch verfilmt worden. So wird hier – als seien nicht etwa zwischenzeitlich zwei Jahrzehnte ins Land gegangen - abermals ein Kollektiv gesellschaftlicher Außenseiter eingespannt, um im Auftrage einer obskuren Geheimorganisation die Apokalypse auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

Die Inszenierung freilich geriet doch auffallend aufgeregter als noch zu früheren Tagen. Nervöse Schnitte und flirrender Sound suggerieren pausenlose Panik, selbst dann, wenn eigentlich gar nichts Nennenswertes passiert. Ohnehin ordnet sich die Erzählung devot der Präsentation unter, was, so kristallisiert sich schnell heraus, durchaus problematisch ist. So lässt die schrille Attitüde von THE ROOKIES beim Betrachter partout keine Bindung zu, weswegen Inhalt und Figurenkonstellation achtlos an einem vorbeirauschen. Wobei man in beides allerdings ohnehin nicht allzu viel Aufwand investiert hat. Die eigentlich sehr simple Story besteht im Grunde nur aus sattsam bekannten Versatzstücken, wird einem aber dennoch dermaßen verklausuliert aufgetischt, dass man ständig meint, irgendetwas verpasst zu haben. Und bereits die Herleitung der Haupthandlung, sprich: die Erklärung, warum es angeblich unabdinglich war, einen jugendlichen Fassadenkletterer auf Agentenmission zu schicken, ist so absurd und unzureichend herbeifabuliert, dass man am besten einfach nur die Segel streicht.

Dazu kommt die Crux, dass der von Talu Wang [→ RAILROAD TIGERS] verkörperte Zhao Feng zwar der Identifikation dienen soll, tatsächlich aber einen verblüffend unnahbaren Eindruck hinterlässt. Die merkwürdige Melange aus tollkühnem Todesmut und trantütiger Trotteligkeit funktioniert schlichtweg nicht. Den Schwarzen Peter dafür muss man natürlich abermals den Autoren zuschieben, die es für eine gute Idee hielten, ihren Helden in Momenten abseits ihres Draufgängertums als eine Art jugendlichen Mr. Bean (oder doch besser: Johnny Chinese?) auftreten zu lassen. Wobei der hoffnungslos ineffektive Humor dann gleich den nächsten Stolperstein darstellt. Da behauptet das Skript inbrünstig, dass es verdammt lustig sei, wenn der noch bei Mutti wohnende Zhao verzweifelt versucht, eine Sex-Puppe vor seiner Erzeugerin zu verstecken. Da beginnt man sich schon zu fragen, wer hier eigentlich die Zielgruppe sein soll, denn selbst Jugendliche schütteln bei solch verklemmter Kleinkinder-Komik lediglich den Kopf. Und auch nachfolgend bleibt der Witz bloß unbewiesene Behauptung, wenn Zhao geschäftig Grimassen schneidet, Klebstoff mit Lippenstift verwechselt oder auch – als den Schreibern dann komplett die Ideen ausgingen - während einer Lagebesprechung einfach mal so vom Stuhl fällt. Weil's ja lustig ist!

Im Kontrast zu derlei Kaspereien steht ein gewisser brutaler Zynismus, den man normalerweise eher im Erwachsenen-Kino verortet, als da wären: abgeschossene Finger, herausgerupfte Augäpfel, amputierte Beine, perforierte Hirnschalen - oder gar das intendierte Überfahren eines Übeltäters als arglos verkauften Slapstick-Moment. Die Action, zwischen der all das stattfindet, bietet dabei durchaus Abwechslung und besteht hauptsächlich aus Beinarbeit, Explosionen und Blaue-Bohnen-Ballett. Höhepunkt ist eine ausufernde motorisierte Verfolgungsjagd durch die verkehrsintensive Innenstadt, auf deren Gipfel ein vermeintlich regulärer VW Käfer urplötzlich Transformers-Allüren entwickelt und mechanische Spinnenbeine ausfährt, um saugnapf- und räumschaufelverstärkt durch die Straßen zu staksen und dabei einen riesigen Haufen Blechmüll zu produzieren. An dieser Stelle ist natürlich endgültig Feierabend mit jedwedem Realitätsbezug und man lehnt sich schulterzuckend zurück, gewahr, dass hier einfach jede noch so abstruse Idee irgendwie ihre Heimat gefunden hat.

Zugeben muss man unumwunden, dass das alles rein optisch durchaus augenschmeichelnd geriet. Gedreht wurde überwiegend in Budapest – ein Name, der beim gemeinen Action-Freund sofort die Alarmglocken läuten lässt. Denn nur allzu oft diente der Ort als preiswerte Spielwiese für fragwürdige Appel-und'n-Ei-Produktionen ausrangierter Altherren-Recken wie Jean-Claude Van Damme oder Steven Seagal, in welchen die ungarische Hauptstadt stets in bleierner Tristesse versank. Hier hingegen erstrahlt sie in ganz ungewohntem Glanze und wird für das alberne Kuriositätenkabinett zur ausnehmend attraktiven Kulisse. Die bonbonbunte Ästhetik, aufgepeppt durch knallige Animationen und schnittige Übergänge, geht mit der inhaltlichen Infantilität also zumindest eine stimmige Symbiose ein. Ohnehin darf man sich gern eingestehen, dass das Gezeigte zwar stets haarscharf am Affront vorbeischrammt, aber immerhin keine Langeweile verbreitet. Hier ist wirklich ständig etwas los. Man weiß zwar nicht immer genau, was, aber die Zeit vertreibt der kunterbunte Cocktail dennoch. Doch gewiss wäre das Treiben noch ein Quäntchen schöner, wenn deutlicher würde, was denn eigentlich des Schurkens Beweggründe zur Missetat sind und worin genau sein Plan besteht. Oder warum man als Zuschauer um ein unvermittelt den Löffel reichendes Team-Mitglied trauern sollte, wenn das plötzlich hereinbrechende Tragik-Gehabe inmitten des bis dahin ausgiebig zelebrierten Froh- und Unsinns wie ein Fremdkörper wirkt und man eh keine Gelegenheit hatte, die Charaktere hinter den Karikaturen kennenzulernen.

Wie man etwas Ähnliches weitaus begeisternder umsetzt, zeigt die Comic-Verfilmung WANTED [2008] des russischen Regisseurs Timur Bekmambetov, in welcher Morgan Freeman (in der Rolle, die hier quasi Milla Jovovich [→ DAS FÜNFTE ELEMENT] innehat) einen juvenilen Tunichtgut auf halsbrecherische Weltenrettungsaktionen schickt. THE ROOKIES wirkt wie der kleine, leicht zurückgebliebene Bruder dieses Vorbilds und braucht als solcher ein tolerantes Publikum. Dann kann man sich mit ihm anfreunden. Ein bisschen.

Laufzeit: 113 Min. / FSK: ab 16

Donnerstag, 2. Mai 2024

1911 - REVOLUTION


XIN HAI GE MING
China 2011

Regie:
Zhang Li

Darsteller:
Jackie Chan,
Winston Chao,
Li Bingbing,
Sun Chun,
Joan Chen,
Jiang Wu,
Jaycee Chan,
Hu Ge



Inhalt:

1911: Die Qing-Dynastie beherrscht China seit gut 250 Jahren. Das ist genug, finden ein paar Aufständische und gehen in den Widerstand. Nachdem Kaiserwitwe Cixi [Joan Chen] bereits mehrere Rebellionen erfolgreich niederschlagen konnte, scheint sich das Blatt nun zu wenden: Der Hof liegt finanziell wie moralisch am Boden und das Revolutionsbündnis um Huang Xin [Jackie Chan] und den Chirugen Sun Yat-sen [Winston Chao] erhält immer mehr Rückhalt aus der Bevölkerung. Als sich überraschenderweise auch die Armee Wuchangs auf ihre Seite schlägt, rückt der Traum vom Sturz der Monarchie plötzlich in greifbare Nähe.

Kritik:

Wer Nachholbedarf in Sachen Chinesische Geschichte verspürt, der sollte sich in der nächstgelegenen Stadtbibliothek um ein gutes Buch bemühen. Keinesfalls jedoch sollte er stattdessen zu 1911 greifen. In diesem aufwändig gestalteten Historienfilm mögen zwar die Eckdaten stimmen. Doch ist die Aufklärungsattitüde lediglich vorgeschoben. Recht schnell bewahrheitet sich nämlich, was im Vorfeld schon zu erahnen war: 1911 ist primär ein prominent besetztes Propagandastück, das ein (natürlich parteigestütztes) Hohelied auf die ach so herrliche Nation China anstimmt. „Prominent besetzt“ bezieht sich dabei freilich auf Jackie Chan, einer der wenigen wirklichen Weltstars, die China je hatte. Einst durch komödiantische Kung-Fu-Kapriolen berühmt geworden, fand er im Alter nicht mehr zu alter Stärke, was ja per se keine Schande ist. Dass er seinem guten Ruf nachhaltigen Schaden zufügte, indem er sich als regimetreuer Repräsentant zum Erfüllungsgehilfen eines menschenverachtenden Systems machte, wiegt hingegen schon deutlich schwerer. Da passt es natürlich, dass 1911 ihn als aufrechten Revolutionshelden porträtiert, der zwecks Installierung einer „richtigen“ Regierung ruhmreich gegen den korrupten Kaiserhof zu Felde zieht.

Eine Hauptrolle ist das, anders als vom Marketing postuliert, allerdings nicht. Chans Charakter Huang Xin (der übrigens – wie viele andere Figuren hier – tatsächlich existierte) hat insgesamt nur wenige Auftritte, was hauptsächlich der eigenwilligen Dramaturgie des Werkes geschuldet ist. 1911 handelt zwar von Geschichte, erzählt aber nicht wirklich eine. Statt Protagonisten agieren hier Stichwortgeber und anstatt eine Story zu erzählen, springt man im nüchternen Doku-Duktus von Dialog zu Dialog, Schauplatz zu Schauplatz und Ereignis zu Ereignis und verweilt dabei nur selten längere Zeit an einem Ort. Dem Beitrag eines Historien-Senders gleich hakt man so die einzelnen Stationen ab und ignoriert dabei bewusst das gängige Regelwerk kinokonformen Erzählens, was natürlich den Eindruck von Seriosität erwecken soll. Allerdings wird gerade dieses Anliegen durch teils wirklich plumpe Manipulationsversuche wieder untergraben. Denn der Feind des chinesischen Volkes, so die Quintessenz, ist der Ausländer. Frei ist das Land nur, wenn es autark ist vom Rest der Welt, der stets nur Unterjochung und Ausbeutung im Sinn hat. In einer besonders grotesken Episode besucht der von Winston Chao [→ THE TOUCH] enorm weltmännisch verkörperte Revolutionsführer Sun Yat-sen (gleichfalls eine historische Figur) eine Zusammenkunft fremder Nationen, deren Teilnehmer fett und vollgefressen am dekadent gedeckten Tisch hocken und bereits darüber beratschlagen, wie man China unter sich aufteilen werde. Sun veranschaulicht der versammelten Mannschaft dann die Situation seines Heimatlandes anhand eines Lammbratens, was tatsächlich noch alberner ist als es klingt.

Entsprechend wird man auch nicht müde, die Monarchie als inkompetent und verkrustet darzustellen, wenn der Hof, längst an der Schwelle zum Ruin und mit einer Kaiserin an der Spitze, die mehr als nur offensichtlich einen kleinen Piepmatz mit sich spazieren trägt, die Eisenbahn (eine der großen technischen Errungenschaften der Nation) an schmierige Langnasen zu verscherbeln gedenkt. Ehern und aufrichtig ist dann am Ende tatsächlich nur das geknechtete chinesische Volk, das sich nichts sehnlicher wünscht als die Ausrufung der ersten Republik, was als Universal-Lösung aller Sorgen und Nöte unwidersprochen bleibt. Dementsprechend wurden auch Ambivalenzen keinerlei Platz eingeräumt; die Revolutionäre stehen unmissverständlich auf der rechten Seite, argumentieren und handeln stets moralisch vollkommen korrekt (so sehr, dass man Flüchtigen auch schon mal in den Rücken schießen darf, der Zweck heiligt schließlich die Mittel). Und da hier natürlich auch wirklich niemand mal zwischenzeitlich mit sich selbst oder der Idee hadert, wirkt die Truppe entsprechend unnahbar und langweilig.

Dass in der Realität wenig überraschend nicht immer alle an einem Strang zogen und es zwischen Huang Xin und Sun Yat-sen, hier stets ein Herz und eine Seele, sogar zum Zerwürfnis kam, dafür war im Skript natürlich kein Platz mehr. Das hätte auch so gar nicht ins schöne Märchen der alle Widerstände überwindenden Einheit gepasst. Nun sind dramaturgische Anpassungen wie diese natürlich nicht das Problem von 1911 (zumal sich das Werk damit ja in guter Gesellschaft befindet). Das eigentlich Perfide an der ganzen Sache ist die Suggerierung, das Volk habe damals den hier propagierten Zustand von Glück, Freiheit und Demokratie tatsächlich erreicht, was wohl kaum in größerem Widerspruch zu den bei Produktionsbeginn vorherrschenden Verhältnissen stehen könnte (Gut, die Republik China ging in Taiwan auf, aber dessen Eigenständigkeit wurde man des Negierens nie müde). Der klebrige Pathos, der sich im Finale zu ungeahnten Höhen aufschwingt und sich verpflichtet fühlt, die Großartigkeit der Nation immer und immer wieder zu betonen, versetzt dem Ganzen schließlich den Todesstoß und lässt selbst den kompromissbereitesten Betrachter das Handtuch werfen.

1911 kann zwar Punkte sammeln durch seinen sichtbaren Aufwand in Sachen Ausstattung, versagt aber am Ende sowohl als Geschichtsstunde als auch als Unterhaltungs-Programm auf ganzer Linie. Dass so etwas auch anders geht, beweist z. B. BODYGUARDS AND ASSASSINS, der sich ebenfalls mit der Figur Sun Yat-sen befasst. Der verbreitet zwar teils ähnlich zweifelhafte Botschaften (wie die auch hier lancierte Idee, dass der Wert des Individuums weniger wiegt als das große Ziel des Kollektivs), ist dabei aber immerhin ein packendes Stück Kino. 1911 hingegen eiert orientierungslos herum und schafft es nie, auch nur einen seiner Charaktere nahbar werden zu lassen. Ohne Jackie Chan als Zugpferd – und das wussten die Macher natürlich – hätte der pappige Propagandaschinken wohl kaum eine Chance auf eine Veröffentlichung außerhalb Chinas gehabt. Dieser verspielt hier allerdings nicht nur endgültig seinen Sympathiebonus, sondern ist zudem als Kopfschüsse verteilender Revolutionsführer auch völlig fehlbesetzt (dass man ihm der alten Zeiten wegen auch eine kurze Alibi-Kampfszene ins Skript mogelte, kann daran nichts ändern). Dass 1911 sein Publikum schließlich mit einem wirklich grauenhaften Song wieder in die Freiheit entlässt, ist somit am Ende das einzige ehrliche Statement. Auf zur Stadtbibliothek!

Laufzeit: 120 Min. / Freigabe: ab 16