Sonntag, 25. August 2024

COLD WAR II


HON  ZIN II
China 2016

Regie:
Luk Kim-Ching,
Leung Lok-Man

Darsteller:
Aaron Kwok,
Leung Ka-Fai,
Chow Yun-Fat,
Janice Man,
Eddie Peng,
Aarif Lee,
Waise Lee



Beim Hongkong-Kino bedeutet das Vorliegen eines „2. Teils“ nicht zwangsläufig, es tatsächlich mit einer Fortsetzung zu tun zu haben. Denn wenn Cast und Crew sich nach einem Erfolg wieder vereinen, dann häufig nur deswegen, um eine thematisch ähnliche, oft auch im gleichen Milieu spielende, aber nichtsdestotrotz völlig neue Geschichte mit neuen Figuren zu erzählen. So geschehen z. B. bei der SPL-, SHOCK WAVE- oder OVERHEARD-Reihe: Autoren, Regisseure und Darsteller überwiegend identisch, die einzelnen Beiträge aber inhaltlich autark. Da darf man es fast schon als kleine Überraschung werten, dass der vorliegende COLD WAR II wirklich eine waschechte Weitererzählung darstellt und haargenau dort ansetzt, wo beim Kassenschlager COLD WAR vier Jahre zuvor der Abspann ins Bild kam.

Inhalt:

Der Drahtzieher der Entführungsaktion, welche einst die Operation Cold War initiierte, sitzt zwar hinter Gittern, aber sein Einfluss ist ungebrochen. So gelingt es ihm, die Frau von Einsatzleiter Sean Lau [Aaron Kwok] gefangennehmen zu lassen und einen Austausch zu erzwingen. Obwohl alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, wird die Aktion, dank Bombenterror und Massenpanik im U-Bahn-Schacht, zum Desaster. Während sich Lau für diese Sache vor einem Komitee verantworten muss, wittert sein Konkurrent Lee [Leung Kar-Fai] die Möglichkeit, dessen Posten als Police Commissioner zurückzuerobern. Aus diesem Grunde liebäugelt er auch mit dem verlockenden Angebot eines gewissen Peter Choi [Chang Kuo-Chu], seines Zeichens ehemaliger Polizeipräsident, der mit seinen Leuten den gesamten Sicherheitsapparat zu unterwandern gedenkt. Wind von dieser Verschwörung bekommt allerdings der ehemalige Richter Oswald Kan [Chow Yun-Fat], ausgerechnet Mitglied im Untersuchungsausschuss zum Fall Lau, woraufhin er die junge Anwältin Isabel Au [Janice Man] engagiert, um Beweismaterial zu sammeln. Aber auch Lau selbst ist nicht untätig und sichert sich die Unterstützung seines ehemaligen Rivalen Billy Cheung [Aarif Lee] aus der Antikorruptionsbehörde, der nun ebenfalls eigenständig Ermittlungen anstellt, um Laus Ruf wieder reinzuwaschen.

Kritik:

Fast schon übertrieben viel Personal also, das sich hier gegenseitig belauert und beharkt, als ob’s kein Morgen gäbe. Allianzen werden geschlossen, Bündnisse geschmiedet und Intrigen initiiert, aber involvieren kann das alles kaum. Dabei haut der Vorspann noch so richtig auf die Kacke, wenn in einer aufwändig gestalteten Animation lauter in Eisblöcke eingeschlossene Figuren sich aus ihren glitzernden Gefängnissen heraussprengen, um sich im Anschluss gegenseitig per Schusswaffe zu malträtieren. In Kombination mit der bombastischen akustischen Untermalung wird klargemacht: Was jetzt folgt, wird nicht mehr und nicht weniger sein als die absolute Sensation. Ziemlich schnell jedoch schält sich heraus, dass dieses Versprechen nicht eingehalten wird. Dabei ist es vor allem eben jene so anschaulich skizzierte Kälte, die nachfolgend zum Problem wird, wirken die zahlreichen Charaktere doch viel zu eisig, als dass man sich empathisch mit ihnen verbinden könnte.

COLD WAR II schert sich keinen Deut um Figurenzeichnung und Persönlichkeitsentwicklung und präsentiert Prota- wie Antagonisten als unnahbare Pappkameraden, die fast schon bemitleidenswert freudlos operieren. Die sich daraus entwickelnde Handlung ist eher minimalistisch und ähnlich reservierter Natur. Nach Etablierung der Prämisse dominiert ein Konglomerat aus angeregten Diskussionen, angestrengten Grübeleien und konzentriertem Mienenspiel, das viel zu selten von alternativem Geschehen unterbrochen wird. Als Abwechslung fungiert allenfalls ein mittiges Geschwindigkeits- und Geschossaustausch-Intermezzo im Autobahntunnel, welches die Gesetze der Physik geringfügig neu arrangiert. Zum Finale dürfen zwar abermals ein paar Kugeln durch die Gegend und zudem ein paar Container in die Luft fliegen, aber zum Action-Spektakel langt das beileibe nicht. Das muss es freilich auch nicht, wäre aber zur Kompensierung der spröden Dramaturgie durchaus von Reiz gewesen.

Denn was Teil 1 zu viel hat, hat Teil 2 zu wenig: Setzte man dort noch auf eine heillos übertriebene Spannungsdramaturgie, bei der gefühlt jeder zweite Satz mit einem pompösen Paukenschlag bedacht wurde, war man hier offenbar der Ansicht, die dargebotenen Ereignisse und Erkenntnisse gerieten bereits von Haus aus fesselnd genug und ließ das Publikum damit ziemlich allein. Gab es beim Vorgänger mit dem Kompetenzwettstreit zwischen Lau und Lee noch einen zentralen Konflikt, der sich auf zwei wesentliche Personen beschränkte, existiert in diesem Falle eine ganze Wagenladung an Parteien und Interessen, was final die eigene Interesselosigkeit zur Folge hat. Zwischenzeitlich hat es dabei den Anschein, COLD WAR II mausere sich zu einer Art Gerichts-Drama, wenn sich „Krawatten-Cop“ Sean Lau (wie im Vorgänger verkörpert von Aaron Kwok) vor einem Untersuchungsausschuss für seine Entscheidungen rechtfertigen und um seine Karriere bangen muss. Das hätte immerhin eine klare Linie reingebracht. Aber viel zu wenig kümmert sich das Skript um diese Sache; die entsprechenden Sequenzen sind viel zu kurz, um Spannung aufzubauen. Und auch die Verschwörungskiste, die im Hintergrund läuft, verzichtet beinahe auf jedweden Nervenkitzel: Da das Publikum schon längst weiß, was die Protagonisten erst in mühevoller Kleinarbeit ermitteln müssen, gestalten sich die Enthüllungen nur wenig aufregend und völlig überraschungsfrei.

Die einzige Überraschung, die COLD WAR II in gewissem Maße zu bieten hat, ist der Umstand, dass er in seiner Botschaft doch erstaunlich subversiv geriet. Immerhin wird hier die Möglichkeit in den Raum gestellt, es könnte einer dunklen Macht tatsächlich gelingen, die Polizei Hongkongs zu unterwandern. Klar, es klappt am Ende nicht. Aber nur deswegen, weil eine Handvoll Leute zur richtigen Zeit den richtigen Riecher hatte und keine Scheu davor, das Richtige zu tun. Und auch, dass die unrühmlichen Ereignisse am Ende ohne jede Not vertuscht werden, um einem Misstrauen der Bevölkerung entgegenzuwirken, ist ein Zugeständnis, das man bei der unter ständiger Regierungskontrolle stehenden Film-Industrie Hongkongs kaum erwartet hätte.

Auf darstellerischer Ebene gibt es kaum etwas zu mosern – wobei man zumindest anmerken muss, dass speziell Aaron Kwok [→ MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN] mittlerweile eher für Belustigung sorgt, wirkt er doch in jeder Szene, als gelte es, den Oscar in der Kategorie „Versteinertes Starren“ abzustauben. Während Leung Kar-Fai [ HARD GAMEdieses Mal deutlich weniger zu tun hat als im Vorgänger und sogar fast zur Nebenfigur verkommt, fallen als neue Namen auf der Besetzungsliste zwei Ikonen des Hongkong-Kinos ins Auge: Hinzugekommen ist einerseits Chow Yun-Fat [DER FLUCH DER GOLDENEN BLUME], der sich seine Brötchen nach seiner Karriere als Komiker, TV-Star und Actionheld schließlich mit kleinen größeren Nebenrollen wie diesen hier verdiente. Als ehemaliger Richter mit feinem Näschen für Lug und Betrug spielt er mit nur wenig Aufwand einen Großteil seiner Mitstreiter locker an die Wand (auch, wenn er sich inzwischen offenbar im Gesicht hat herumbasteln lassen). Und auch sein A BETTER TOMORROW-Kollege Waise Lee schiebt sein Antlitz für ein paar Szenen in den Bildrahmen. Viel zu tun hat er dabei zwar nicht, von inhaltlicher Relevanz kann auch kaum die Rede sein, aber dennoch schön, ihn zu sehen.

Am Ende muss man konzedieren, dass man sich die Zeit auch deutlich schlimmer vertreiben könnte als mit COLD WAR II, aber im Großen und Ganzen ist das dennoch ne ziemlich lahme Angelegenheit - nicht wirklich schlecht, aber eben doch ernüchternd belanglos und uninvolvierend. Dass man die Palette an Schauplätzen gegenüber dem Vorgänger deutlich erweiterte und die Handlung aus dem prätentiösen Polizeirevier hinausführte, sorgt zwar für visuelle Abwechslung, aber nicht unbedingt für gesteigertes Interesse. So ist die abermals auf Hochglanz polierte Fortsetzung in erster Linie für all jene attraktiv, die sich gern am Schauspiel altgedienter Recken erfreuen oder vom Intrigenkrieg vor Edel-Kulisse schlichtweg nicht genug bekommen.

Laufzeit: 110 Min. / Freigabe: in Deutschland nicht erschienen

Sonntag, 18. August 2024

COLD WAR


HON ZIN
China 2012

Regie:
Luk Kim-Ching,
Leung Lok-Man

Darsteller:
Aaron Kwok,
Leung Ka-Fai,
Charlie Yeung,
Gordon Lam,
Chin Ka-Lok,
Andy On,
Andy Lau



Inhalt:

Auf den Straßen Hongkongs: 5 Polizisten stoppen einen betrunkenen Autofahrer. Dieser verweigert sich der Festnahme, will Beziehungen geltend machen. Was dann passiert, ist unklar. Am nächsten Morgen sind die Beamten verschwunden, scheinbar spurlos, samt Einsatzfahrzeug. Die Lage spitzt sich zu, als sich ein unbekannter Anrufer bei der Hongkong Police meldet, zu der Entführung bekennt und eine astronomisch hohe Lösegeld-Summe fordert. Von nun an läuft der Sicherheitsapparat auf Hochtouren. Die Einsatzleitung hat der radikale M. B. Lee [Tony Leung Ka-Fai] inne, dessen Sohn sich pikanterweise unter den Geiseln befindet. Doch aufgrund seiner herrischen Vorgehensweise und mutmaßlicher Befangenheit regt sich in den eigenen Reihen rasch Widerstand. Rädelsführer der internen Gegenbewegung ist der aufstrebende Sean Lau [Aaron Kwok], der statt auf Gewaltaktionen auf Dialog und Taktik setzt. Es kommt zum offen ausgetragenen Kompetenzwettstreit, der schließlich in einer Meuterei endet. Währenddessen läuft das Ultimatum der Entführer langsam, aber sicher ab.

Kritik:

Und jetzt alle im Chor: „Hongkong ist die sicherste Stadt Asiens.“ Diese tollkühne Behauptung kam bereits beim Marketing COLD WARs ausgiebig zum Einsatz und zieht sich in gebetsmühlenartiger Dauerschleife auch wie ein Leitfaden durch das Endprodukt. Natürlich ist das nicht mehr als eine unverifizierte Propaganda-Parole (was eine Reihe von Rezensenten jedoch nicht davon abhielt, sie treudoof als angebliche Tatsache wiederzukäuen). Wenn der prätentiöse Polizei-Thriller für einen selbst auf erzählerischer Ebene funktionieren soll, muss diese Beteuerung allerdings tatsächlich als gegeben hingenommen werden, wird doch die enorme Fallhöhe aller hier skizzierten Figuren ansonsten gar nicht klar. Denn dank Drehbuch passiert genau das, was laut Prämisse eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit sein sollte: In Hongkong, der sichersten Stadt Asiens, auf deren Straßen die Polizei als quasi unantastbare Instanz agiert (Zitat: „Wir sind Polizisten. […] Wenn du Polizisten angreifst, darf ich dich sogar totschlagen.“), wird eine fünfköpfige, bestens ausgebildete Einheit samt Einsatzfahrzeug und dazugehörigem High-Tech-Equipment Opfer einer Entführung. Als diese Nachrichtenbombe ins Führungsgebäude platzt, versetzt das die Belegschaft kurzzeitig in eine kollektive Schockstarre, die nicht großartig anders ausgefallen wäre, hätte sie stattdessen erfahren, ein Meteorit sei soeben auf die Erde geknallt. Was dann folgt, ist eine permanent unter Starkstrom stehende katastrophennotstandähnliche Betriebsamkeit, die zumindest die Protagonisten-Pulse heftigst hämmern lässt und alle Regler aufs Maximum schiebt.

Die Werbekampagne bezeichnete COLD WAR als die Rückkehr zum großen Hongkong-Polizeifilm der 1990er Jahre, aber das stimmt vorne und hinten nicht. Übten sich damals die Bullen, stets das Herz auf der Zunge und die Flinte im Anschlag, noch im rauen Straßenkampf, inklusive blutverspritzender Exekutiv-Maßnahmen und Blaue-Bohnen-Ballett, agieren hier nun schnöselige Anzugträger, die wirken, als wären sie einer Anwaltsschule für neureiche Fatzkes entlaufen. Über weite Strecken könnte man sogar regelrecht vergessen, es mit einem Polizei-Krimi zu tun zu haben und sich stattdessen in einem Polit- oder Wirtschafts-Thriller aus dem Milieu der Hochfinanz wähnen. Raus in den gemeinen Großstadtrummel geht es nämlich nur selten. Stattdessen verbringt man die Zeit überwiegend in ausladenden Büro- und Konferenzräumen, in bis unters Dach mit Gerätschaften vollgestopften Schaltzentren, die eine Bühne bieten für Machtgerangel und Intrigenspinnerei. Passend dazu ist alles bis in die Haarspitzen blankpoliert; der Mensch verschwindet hinter maßgeschneiderter Garderobe und akkurat ausgerichtetem Interieur; die verglasten Gebäudekomplexe vermitteln Sterilität und seelenlose Kälte. Auf die Charaktere scheint diese Umgebung längst abgefärbt zu haben. Ob Freund, ob Feind: Alle wirken sie unnahbar, wie Figuren einer fremden, futuristischen Welt, die den Bezug zur Unbeschwertheit schon vor langer Zeit verloren haben. Dass einen die Erzählung trotz kaum vorhandener Berührungspunkte mit der erlebten Alltags-Realität durchaus packen kann, liegt somit nicht etwa an ausreichend zur Verfügung gestellten Identifikationsmöglichkeiten, sondern an der gekonnten Kombination aus manipulativer Inszenierung und darstellerischer Intensität.

Denn wenn Aaron Kwok und Tony Leung in den kollegialen Konkurrenzkampf treten und wilde Wortgefechte austragen, quillt den Männern die Energie nur so aus jeder Pore. Jeder von ihnen verkörpert einen bis ins Mark überzeugten Idealisten, der sich mit seinem Gegenüber ein feuriges Duell um Kompetenzen und Vorgehensweisen liefert, das einen den eigentlichen Handlungs-Hintergrund (die Befreiung der entführten Polizisten nämlich) eine Zeit lang fast vergessen lässt. Die Szene, in der die beiden sich vor versammelter Mannschaft lautstark und unnachgiebig ihre Argumente um die Ohren schmettern, erinnert – das ist kein Witz und gewiss auch kein Zufall – an ein Äquivalent aus Tony Scotts U-Boot-Reißer CRIMSON TIDE, in dem sich Denzel Washington und Gene Hackman einen ähnlich vehementen Schlagabtausch liefern. Dort allerdings hing vom Ausgang der Ereignisse nicht weniger als das Schicksal der Welt ab. Und wer sich das vor Augen führt, erhält eine ziemliche Ahnung davon, wie COLD WAR sich ziemt. Nämlich haargenau so. Die Regie haut hier dermaßen auf die Kacke, als ginge es nicht darum, ein paar Geiseln zu befreien, sondern die gesamte Menschheit vor ihrem Untergang zu bewahren. Dementsprechend werden hier auch keine kleinen Brötchen gebacken: schnelle Schnitte, große Gesten, besorgte Blicke bei jeder neuen Erkenntnis, begleitet von einem brachialen Soundtrack, der genauso gut für ARMAGEDDON hätte komponiert sein können und bei jeder Kleinigkeit suggeriert, im nächsten Moment ginge eine Bombe hoch. Ganz gleich, ob jemand nur einen Gang entlang geht, in eine Dokumentenmappe schaut oder lediglich sein Gegenüber fragend anstarrt: Die Musik verspricht Hochspannung. Und hätte man zusätzlich noch abgelichtet, wie einer der ansonsten emsig umherwuselnden Gestalten auf dem Donnerbalken hockt, man hätte es vermutlich mit den kreischenden Geigen aus PSYCHO unterlegt.

Das ist zwar in der Absicht durchschaubar, aber man muss zugeben: Die fiebrige Inszenierung macht schon schwer was her. Ohnehin ist es erstaunlich, dass das Regie-Duo Luk Kim-Ching und Leung Lok-Man hiermit erst seine erste Arbeit ablieferte. COLD WAR wirkt bereits wie das Routine-Werk eines alten Hasen. Ebenfalls kaum zu glauben, dass sich Aaron Kwok, der hier als Seriosität in Person auftritt, nur kurz zuvor als Clown (im Wortsinne!) durch den grandios vergeigten Superhelden-Stinker CITY UNDER SIEGE alberte. Und wer den seinen Kontrahenten gebenden Tony Leung noch als den sensiblen Träumer aus DER LIEBHABER (wohl auf ewig seine bekannteste Rolle) im Kopf hat, wird ihn hier als harten Hund wohl kaum wiedererkennen. Der Rest des Ensembles verblasst gegen diese in den Fokus gerückten Platzhirsche zwangsläufig. Fans der ersten Stunde freuen sich trotzdem über kurze Gastauftritte von Leuten wie Andy Lau [→ INFERNAL AFFAIRS], Michael Wong [→ BORN HERO] oder Andy On [→ BLACK MASK II].

Für relevante weibliche Rollen haben die Produzenten hingegen keinen Platz mehr gefunden. Dafür aber für mehr oder minder unterschwellige Werbung für die Hongkonger Polizei (obwohl man nach dieser eitlen Pfauenparade keinem Beamten mehr auch nur sein Käsebrot anvertrauen würde): „Wir dienen mit Stolz und Umsicht“, prangt als Schriftzug oft nur wenig dezent im Hintergrund. Dass das in etwa so glaubwürdig ist wie die Behauptung, Hongkong sei ein sicheres Pflaster, bestätigt wohl so ziemlich jeder chinesische Demonstrant, dem vom Polizei-Knüppel vor lauter Umsicht noch der Schädel brummt. Und auch, dass einem die Totalüberwachung als Segen verkauft wird, überrascht kaum: „Das heißt, jeder Polizeibeamte wird überwacht?“fragt einer ganz überrascht, als er erfährt, dass sich die Funkgeräte selbst in ausgeschaltetem Zustand noch orten lassen. „Nicht überwacht“, bekommt er als Antwort, „das ist eine Geheimwaffe.“ Chapeau! Die NSA hätte kaum besser reagiert.

Am Ende ist COLD WAR durchaus ansehnlich geworden. Zwar von klinischer Kälte und insgesamt nicht sehr nachhallend, aber dennoch gekonnt in Szene gesetzt und rasant die Zeit vertreibend. Freunde von Kinetik und Kugelhagel könnten sich aufgrund falscher Werbeversprechungen freilich vergrätzt fühlen. Zwar sprechen durchaus auch mal die Pistolen und hin und wieder hetzt man sich amtlich über den Asphalt, aber insgesamt wird Action nur punktuell und mit Bedacht eingesetzt. Es dominiert das verbale Dauerfeuer; als Waffe dienen Worte statt Wummen. Punktabzug gibt es schlussendlich noch für die teils lausigen Computer-Effekte, die für eine solch optisch penibel durchkomponierte Prestige-Produktion fast schon peinlich sind.

Laufzeit: 102 Min. / Freigabe: ab 16

Sonntag, 11. August 2024

TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK


CEWEK JAGOAN BERAKSI KEMBALI
Indonesien 1981

Regie:
Danu Umbara

Darsteller:
Debbie Cinthya Dewi,
Dana Christina,
Eva Arnaz,
Barry Prima,
George Rudi,
Edy S. Jonathan,
Eddy Haryono,
Alwi A. S.



Eigentlich will TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK die Fortsetzung des 1980er Billigheimers DEADLY ANGELS sein, in dem sich fünf Frauen zum Kämpferkollektiv formierten, um der örtlichen Polizei ein wenig unter die Arme zu greifen. Allerdings stimmt das nur so zum Teil, denn anstatt dessen, dass man den bekannten Figuren bei einem weiteren Abenteuer zusehen darf, serviert man hier einfach mal ein paar neue Friedenswächterinnen auf sprunggelenkstrapazierender Gerechtigkeitsmission. Zwar kehren immerhin drei der fünf Darstellerinnen zurück, aber halt in ganz anderen Rollen. Geblieben sind Regisseur und Studio – und die schäbige Schlichtheit in Sachen Präsentation und Produktionsaufwand, versteht sich.

Inhalt:

Der Fischer John [Barry Prima] verdient sich nebenbei ein bisschen was dazu, indem er auf seinem Kahn Heiße Ware für den Gangsterboss Handoko [George Rudy] schmuggelt. Eines Tages jedoch beschließt er, seine langjährige Freundin Windy [Eva Arnaz] zu heiraten und nur noch ehrbar zu leben. Seine Ankündigung, aus dem Geschäft auszusteigen, wird nicht sehr wohlwollend aufgenommen: Handokos Handlanger bringen ihren Missmut dadurch zum Ausdruck, dass sie ihn hinter einem Jeep herschleifen und im Anschluss in eine Fackel verwandeln. All das geschieht vor den schreckgeweiteten Augen Windys, die noch an Ort und Stelle Zukunftspläne schmiedet: „Oh, mein Gott! Ich werde dich rächen. Ich verspreche es, ich verspreche es!“ Ihre erste Anlaufstelle ist folgerichtig ein Kung-Fu-Lehrer, der ein klassisches Trainingslager irgendwo in der Pampa betreibt.

Kritik:

Ihren Namen trägt Windy vermutlich deswegen, weil sie mit ihrer Ausbildung wirklich in Windeseile fertig ist. Tatsächlich scheint gerade mal eine Woche vergangen zu sein, in der sich die arglose Durchschnittsbürgerin zur knallharten Kampfsau gewandelt hat. Zeitliche Abfolgen sind allerdings ohnehin nicht die große Stärke von TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK. Zumindest zu Beginn wirkt doch alles arg sprunghaft und verwirrend, wenn mehrere Handlungen parallel stattfinden und man nie mit Sicherheit sagen kann, wann und warum das Gezeigte jetzt eigentlich genau passiert. Zum Glück bessert sich das im weiteren Verlaufe, was natürlich in erster Linie daran liegt, dass die Ereignisse eigentlich alles andere als kompliziert sind. Ihre neu gewonnen Fähigkeiten darf Windy jedenfalls gleich bei ihrer Heimreise unter Beweis stellen, als sie die Ausraubung mehrerer Buspassagiere vereitelt und dabei auch ohne jede Not einen der Täter ins Reich der Ahnen schickt, als habe sie zuvor niemals etwas anderes gemacht.

Bereits an dieser Stelle fällt auf, dass zumindest die Action auffallend versierter in Szene gesetzt wurde als noch beim Vorgänger. Mit echtem Kung-Fu-Hand- und Fußwerk wird das wohl abermals niemand verwechseln, aber die Dynamik passt und Tritte und Schnitte sitzen. Auch generell gelang hier eine deutlich dichtere Erzählweise ohne ins Auge fallende Durststrecken, zumindest ist wirklich ständig etwas los. Dabei glänzen sogar die Verfolgungsjagden, die dem ersten Teil der DEADLY ANGELS mehr oder minder erfolgreich über manch narrativen Stillstand hinweghalfen, dieses Mal durch Abwesenheit. Zum Ausgleich gibt es dafür in verrauchter Kaschemmen-Atmosphäre ein paar leidenschaftslose Bauchtanz-Nummern mit Schlangentier und Achselhaar. Der Fokus der Veranstaltung bleibt aber dennoch bei Eva Arnaz als Windy, die eine regelrecht prototypische Racheengel-Reise absolvieren darf. Ihre Figur erinnert dabei an eine damalige Musterrolle Pam Griers, die sich in kostengünstigen Krachern wie FOXY BROWN ebenfalls vom Vergeltungsdrang beseelt in Syndikatstrukturen hineinarbeitet, um den Schuldigen näher und näherzukommen. So lässt sich Windy zunächst als Fahrer anheuern und kutschiert von da an halbseidenes Gesindel zu illegalen Untergrundkämpfen, in deren Dunstkreis sie die Täter vermutet. Einerseits ist das tatsächlich ein ziemlich cleverer Schachzug - wer erwartet schon eine potenzielle Gefahr hinterm Lenkrad des eigenen Herrenbeschleunigers? Andererseits verkleidet sie sich dafür als Mann, was wirklich in keiner Sekunde auch nur im Ansatz glaubwürdig aussieht. Zudem hätte ihr vor ihrer Maskerade mit aufgeklebtem Schnurrbart, Chauffeursmütze, Lederjacke und Fick-mich-Stiefeln ruhig mal jemand sagen dürfen, dass nicht jeder Kerl rumläuft wie ein raubauziger Homofürst.

In der schnöden Realität wäre ihr Possenspiel fraglos auf den ersten Blick aufgeflogen, aber in der herrlich blauäugigen Welt von TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK funktioniert so etwas zum Glück prächtig - selbst dann noch, als Windy schließlich höchstselbst in den Ring steigt, um mittels ihrer Schlagkraft sogar die härtesten Gegner zum Glauben zu bekehren. Ab da dauert es nicht mehr lang, bis die Heldin auch außerhalb der Arena die Fäuste schwingt, um Informanten das ein oder andere Wort zu entlocken. Als ihre Tarnung irgendwann dann doch auffliegt, scheint sie plötzlich auch ihre Kräfte zu verlieren, weswegen sie erstmals ernsthaft in Bedrängnis gerät („Was sagt man dazu? Das ist ne Frau!“ - „Egal, wir hängen sie auf!“). Zum Glück erinnert sich das Drehbuch an dieser Stelle daran, dass es laut Titel ja eigentlich um mehrere Engel gehen sollte, weswegen die Rettung auf fliegendem Fuße naht. Ohne nachfolgende Standpauke geht es natürlich trotzdem nicht: „Wann wirst du endlich mal vernünftig? Ich find’s nicht komisch, sich nen Bart anzukleben und sich zu prügeln. Dazu dieser ganze Kung-Fu-Schwachsinn!“

Bis zum Finale vergeht dabei noch einige Zeit, die mit überwiegend höchst vergnüglichem Unfug angereichert wurde. So kämpfen die Engel u. a. auch noch gegen einen grunzenden Buschmann mit fellfarbenem Lendenschurz, Horn auf dem Haupt und Hauern im Mundwinkel, der allerdings sein Leben aushaucht, nachdem man ihm besagtes Utensil von der Birne geschraubt hat. Zwar bleibt das im Grunde die einzige richtige Verrücktheit, aber TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK amüsiert dennoch durchgehend durch sein naives Gebaren. Da trägt einer der Gangster, die anfangs Windys Zukünftigen kalt machen, eine Maske, damit man ihn nicht erkennt. Doof nur, dass der Typ anstelle seines rechten Arms eine klobige Prothese mit Messerklinge als Fingerersatz trägt, was die Identifikation notfalls doch entschieden erleichtern sollte. Als die Mörder ihr Opfer hinter dem Auto herschleifen, ruft Windy dem Unglücklichen hinterher: „Was wollen die denn von dir?“ Berechtigte Frage! Ganz schön unhöflich von ihm, nicht zu antworten. Und als der mundfaule Ehemann in spe danach noch angezündet wird, schreit er zwar pflichtschuldigst, bleibt aber dennoch ganz ruhig liegen (was natürlich daran liegt, dass Schaufensterpuppen mit Zappelfunktion bei Drehbeginn bereits ausverkauft waren).

Dazu kommen herrliche Klischees wie Afrofrisuren, die kaum durch den Türrahmen passen, der schmierige Oberschurke, der sich mit Pott-Haarschnitt und übergroßer Pornobrille wohl ursprünglich als Bruce-Lee-Imitator beworben hatte, und halbgares Ninja-Gehopse in des Kung-Fu-Meisters Vorgarten, was eher nach Kinderbelustigung aussieht als nach hartem Training. Mit launigen Elementen wie diesen ist TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK deutlich abwechslungsreicher als sein Vorgänger, hat mehr Tempo und bringt bisweilen sogar seichtes Abenteuerflair ins Spiel, wenn auch noch Schlangengruben oder angriffslustige Skelettbanden eine Rolle spielen. Wer also seine Lebenszeit nur für ein einziges Engel-Event verschwenden möchte, der sollte sich zumindest für das zweite entscheiden.

Laufzeit: 88 Min. / Freigabe: ab 18

Sonntag, 4. August 2024

DEADLY ANGELS


LIMA CEWEK JAGOAN
Indonesien 1980

Regie:
Danu Umbara

Darsteller:
Yatti Octavia,
Lydia Kandou,
Debbie Cinthya Dewi,
Dana Christina,
Eva Arnaz,
Bram Adrianto,
Suzy Bolle,
Dorman Borisman



Weibliche Schlagkraft war im asiatischen Action-Kino deutlich früher etabliert als im Rest der Welt. Während die Mehrheit der professionellen Arschtreterinnen aus Hongkong kam, wo eine gut geölte Filmindustrie existierte, scheuten andere Länder trotzdem nicht davor zurück, ihre eigenen Körperertüchtigungsfachkräfte ebenfalls auf die Leinwand zu bringen. Die DEADLY ANGELS kommen aus Indonesien und das sieht man auch: Die filmischen Gehversuche der Nation im Bahnhofskino-Bereich sind nicht selten von ausgemachter Tapsigkeit, zwar mit wenig Budget und oft noch weniger Talent umgesetzt, dafür aber mit ungebremstem Elan und Mut zur qualitativen Lücke. Die vorliegende Bemühung, ein halbwegs brauchbares Hieb-, Stich- und Ballerfest auf die Beine zu stellen, ist diesbezüglich ein Paradebeispiel, bricht sich die Unbeholfenheit doch ab der ersten Minute ungeniert Bahn. Eigene Ideen hat man dabei wenig überraschend keine; die Autorenschaft reiht ein räudiges Klischee an das nächste.

Inhalt:

Hardi [Cok Simbara] ist Wissenschaftler. Also, zumindest trägt er nen weißen Kittel, steht unter einem Plakat mit der Aufschrift „Gefährliche Materialien“ und schüttet angestrengt Flüssigkeit aus einem Reagenzglas in ein Gebilde, das aussieht, als habe man vier Shisha-Pfeifen zusammengeschraubt und auf eine mobile Herdplatte gestellt. Danach dreht er ein paar Knöpfe, setzt sich an den Schreibtisch, greift zu einem angeketteten Edding und schreibt mit unsichtbarer Tinte etwas auf den Bildschirm eines Radargeräts. Jap, eindeutig Wissenschaftler! Danach setzt er sich nen Mundschutz auf. Warum? Vielleicht, weil seine Freundin Yanti [Yatti Octavia] in diesem Moment den Raum betritt. „Du kommst im richtigen Augenblick“, freut er sich und nimmt den Mundschutz auch schon wieder ab (lag wohl doch nicht an ihr). „In ein paar Minuten bin ich mit meinem Experiment fertig.“ Yanti freut sich mit ihm: „Du bist wirklich ein Riesentyp!“ Hardi lässt dann auch gleich die Katze aus dem Sack: Er hat die Formel für einen „hochbrisanten“ Sprengstoff ertüftelt, mit dem alles noch ein bisschen geiler explodiert als mit herkömmlicher Handelsware. „Ich werde sie unserer Regierung zum Kauf anbieten“, erklärt er, „denn meine Entdeckung darf nur zu friedlichen Zwecken genutzt werden.“ Ein Patriot aus echtem Schrot(t) und Korn! Staatsfeinde werden dann demnächst nur noch ganz friedlich weggesprengt!

Auf dem Nachhauseweg, der durch brachliegendes Tagebau-Gelände führt (wo wohnt der Typ denn?), werden er und Yanti plötzlich von zwei Finstermännern zum Anhalten gezwungen. „Keine Angst, das ist kein Überfall“, erklärt der erste, was glaubwürdiger wäre, hätte sein Komplize nicht bereits die Pistole im Anschlag. Und so geraten der Forscher und seine Freundin in die Gefangenschaft des Klischee-Gangsters Broto [Rachmat Hidayat], der natürlich die Formel haben will, von deren Existenz er eigentlich noch gar nichts wissen kann. Während Yanti recht schnell und schlagkräftig entkommen kann, bleibt Hardi in der Hand des Feindes. Noch während der Flucht lernt Yanti die kaum weniger resolute Anita [Anita Suwu] kennen, die ihr aus einer weiteren Gefahrensituation heraushilft. Die Frauen verbünden sich und suchen nach weiteren Genossinnen, um Hardi zu retten. Wird es ihnen gelingen? Wird die Regierung ihren pazifistischen Sprengstoff bekommen? Und wird der Herr Professor sich bald mal ne richtige Bude leisten können oder muss er weiterhin im Bergwerk hausen?

Kritik:

Als Aufhänger dient also mal wieder eine geniale Formel. Eine hochorginelle Idee! Wäre sie ein Pferd, müsste sie zum Abdecker. Weil sich besagtes Bombenbaurezept ausschließlich in den Hirnwindungen desjenigen Wissenschaftlers befindet, der es ausgebrütet hat, läuft es final auf einen dann doch sehr simplen Entführungsfall hinaus. Sogar die titelgebenden „Tödlichen Engel“ fragen sich am Schluss, warum man nicht einfach die Polizei verständigt, und hätte man diesen Einfall früher gehabt, wäre die Sache in der Tat schon längst zu den Akten gewandert. Da man aber ohnehin schon genug Mühe damit hat, die Zeit bis zum Finale mit Vorkommnissen zu füllen, wird die Idee geflissentlich ignoriert. Dafür dürfen sich die Kämpferinnen, immerhin fünf an der Zahl, erst noch kennenlernen und zum Selbstjustizkollektiv formieren. Wie sich die „Engel“ hier fast alle zufällig über den Weg laufen, unverzüglich Freundschaft schließen und schließlich eine waffenstarrende Rettungsmission starten, als ginge es dabei um einen zwanglosen Junggesellinnenabschied, lässt sie auf unbekümmerte Art sympathisch wirken. Damit hat es sich dann aber eigentlich auch schon. So etwas wie Persönlichkeit entwickeln die Protagonistinnen nie, und woher sie die Nerven haben, bösen Buben teils doch recht hemmungslos das Handwerk zu legen, bleibt ebenfalls ein Rätsel. Während die meisten Kino-Kolleginnen aus Fernost immerhin Polizistinnen sind, Agentinnen oder generell Kampfkünstlerinnen, was besagte Befähigung ja recht plausibel erklärt, sind die Tödlichen Engel … nunja … nichts! Trotzdem schicken sie reihenweise Gegner auf die Matte, verteilen Tritte, verballern Kugeln und werfen Messer in feindliche Brustkörbe, als sei das völlig normal.

Weil bloßes Kennenlernen noch nicht ausreicht, um akuter Inhaltsarmut Herr zu werden, verläuft man sich auf halber Strecke noch in einer Nebenhandlung, in der ein schmieriger Supermacho eine der Damen entführt, um sich für seine Zurückweisung zu rächen. Nun kann ein fragiles Ego ja so einiges bewirken, aber diese Reaktion erscheint dann doch leicht übertrieben. Grund genug immerhin für den Rest der Truppe, seine Fähigkeiten schon einmal unter Beweis zu stellen und die Kollegin wieder rauszuhauen. Freilich bleibt die kämpferische Qualifikation auch hier reine Behauptung: Schläge und Tritte sind auffallend unbeholfen umgesetzt und überwiegend inkompetent in Szene gesetzt. Da ist nicht ein Hauch Dynamik im Spiel und nicht ein einziger Cut kaschiert, dass hier wirklich niemand Ahnung von Kung Fu hat. Dafür ist die Montage in anderen Momenten dann wieder so wirr, dass sich nur noch raten lässt, was gerade passiert. Da wird anscheinend mal jemand von Hunden angefallen, von Schlangen bedroht oder per Feuerstoß gegrillt. Die einzelnen Szenen passen dabei allerdings nicht wirklich zusammen und der Schnitt ist zudem so schlecht gesetzt, dass auch kein einheitlicher Fluss entsteht. Nur aufgrund der sattsam bekannten Situationsklischees lässt sich in Kombination mit eigener Seherfahrung erahnen, was hier im wahrsten Sinne des Wortes gespielt wird.

Auch die restliche Action ist auffallend unzulänglich umgesetzt. Während manche Sequenzen beschleunigt abgespielt werden, um Rasanz vorzutäuschen (was aber eher an alte Slapstick-Nummern erinnert), wird an anderen Stellen wiederum Zeitlupe zelebriert, wie bei Sprüngen über Motorhauben oder durch Fensterglas, einmal aber auch bei der Flucht zu Fuß, was ein wenig merkwürdig wirkt, weil der Rest in normaler Geschwindigkeit abläuft und es darum nun so aussieht, als könne die Dame tatsächlich nicht schneller rennen. Größter Quell der Freude aber sind die zahlreichen Verfolgungsjagden. Immer wieder kommt es nämlich aus fadenscheinigsten Gründen zu PS-gestützter Geschwindigkeitsübertretung, bei der überwiegend grundlos durch Karren, Holzverschläge oder Glasscheiben gebrettert wird, die stets wie zufällig im Weg rumstehen. „Wieder einer weniger!“, freut sich einer der Engel beim Blick durch die Heckscheibe. Ja, weil einer der Verfolger mit Anlauf gegen einen Baum gefahren ist. Einfach so! Vermutlich vor die Karre gesprungen, das garstige Gehölz!

Für zusätzliche Heiterkeitsschübe sorgt die handfeste Hackfressen-Parade, die einem hier mit Schmackes vor die Schuhe geschmettert wird: Oberschurke Broto sieht aus ein schmieriger Porno-Produzent vom Hinterhof und seine Handlanger haben sich ihre Rubel in der Vorwoche garantiert noch als Rübenbauern verdient (wobei zumindest einer darauf zu spekulieren scheint, am kommenden Tag den Che-Guevara-Ähnlichkeitswettbewerb zu gewinnen, um endlich frei zu sein). Brotos erklärtes Ziel ist es übrigens, mittels der brisanten Sprengstoff-Formel die Herrschaft über ganz Südostasien zu erlangen. Klar, warum sollte man auch kleinere Brötchen backen!? Der Typ macht zwar den Eindruck, nicht mal unfallfrei nen Bahnhofs-Kiosk leiten zu können, aber so ein halber Kontinent, der regiert sich doch sicher ganz locker weg! Auch dieser Widerspruch zwischen behaupteter Gigantomanie und tatsächlicher Präsentation provoziert ein permanentes Maß an ausgemachter Munterkeit: Einerseits hat man keine Scheu davor, mit einem James-Bond-artigen Bösewicht zu protzen, der direkt mal Teile der Welt zu unterjochen gedenkt, andererseits eiert man die ganze Zeit durch denkbar triste Käffer und bedient sich generell eines ausnehmend schäbigen Looks, was mit der gelobten Großmannssucht nicht die Bohne in Einklang zu bringen ist.

Gerade deswegen jedoch machen die DEADLY ANGELS durchgehend gute Laune und sind damit manch höher budgetierten und besser geplanten Produktion überlegen. Dazu ballert die deutsche Synchronisation noch einen amtlichen Sprücheteppich ins Mikro, und zwar dermaßen zügellos, dass mancher Kalauer sogar mehrmals fällt. So beglücken einen die Damen zwischendurch immer mal wieder mit Weisheiten wie: „Zwischen Leber und Milz passt immer noch’n Pils“ oder (besonders schön!): „Verbittert ist der Kakadu, sagt man zu ihm: ‚Du Kacker, du!‘“. Am Ende kommt dann doch noch die Polizei vorbei und der zuständige Kommissar schimpft auch ein bisschen mit den Engeln, weil Selbstjustiz ja eigentlich doof ist und in der Regel bitteschön unterlassen werden sollte. Allerdings ist er doch begeistert genug von den Qualitäten des Quintetts, um noch an Ort und Stelle einen neuen „Fall“ anzubieten. Die Frauen freuen sich, das Bild friert ein und „Fortsetzung folgt“ wird eingeblendet. Entweder war man also von Anfang an selbstbewusst genug, an einen Kassenerfolg zu glauben, oder man hatte nach Drehschluss einfach noch genügend Glasscheiben und Baumstämme zum sinnlosen Durch- und Dagegenfahren übrig. Nur ein Jahr später hieß es dann auch schon: TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK. Der Witz daran: Wer sich darauf gefreut hat, die hier so mühsam etablierten Damen tatsächlich bei einem neuen „Fall“ zu erleben, der schaut in die Röhre. Im vermeintlichen zweiten Teil wird nämlich plötzlich ein komplett neuer Hühnerhaufen präsentiert. Verbittert ist der Kakadu!

Laufzeit: 80 Min. / Freigabe: ab 18

Montag, 29. Juli 2024

KÜSS MICH, MONSTER


BÉSAME, MONSTRUO
BRD, Spanien 1967

Regie:
Jess Franco

Darsteller:
Janine Reynaud,
Rosanna Yanni,
Chris Howland,
Adrian Hoven,
Michel Lemoine,
Manuel Velasco,
Manolo Otero,
Jess Franco



Inhalt:

Diana [Janine Reynaud] und Regina [Rosanna Yanni], die gemeinsam das Detektiv-Duo Rote Lippen bilden, sind nicht wenig überrascht, als eines Tages ein junger Bote vor der Türe ihres rustikalen Domizils steht, um ihnen ein Notenblatt zu überreichen. Ehe er erklären kann, was es damit auf sich hat, kippt er tot um. Grund dafür: vermutlich das Messer, das jemand in seinen Rücken geschleudert hat. Das Lied, zu dem die Noten passen, wurde komponiert von einem gewissen Professor Bertrand, dessen Spuren die beiden Damen aufgrund beruflicher Neugierde nun folgen. Das führt sie zur spanischen Insel Lo Pagan, wo sie erfahren, dass der Gesuchte seit einiger Zeit vom Erdboden verschwunden zu sein scheint. Um weitere Informationen zu erhalten, suchen sie jetzt dessen Frau auf, aber diese haucht just bei Ankunft ebenfalls gerade ihr Leben aus. Doch damit nicht genug: Eine mysteriöse Vereinigung maskierter Kuttenträger nimmt Kontakt zu den Roten Lippen auf und beauftragt sie damit, eine Formel zu finden, die der Professor an einem geheimen Ort versteckt hat. Liegt die Lösung des Rätsels in der Komposition Bertrands?

Kritik:

KÜSS MICH, MONSTER ist die Fortsetzung der kuscheligen Krimi-Kuriosität SADISTEROTICA und entstand, obwohl erst mit beträchtlicher Verspätung veröffentlicht, gleich nach Fertigstellung ihres Vorgängers. Und das merkt man auch, geht die wonnige Urlaubs-Wohlfühl-Atmosphäre doch nahezu nahtlos weiter, als wäre sie eigentlich niemals weg gewesen. Tatsächlich wirkt alles so arglos und tiefenentspannt, als habe man sich nach Ende der originalen Dreharbeiten dazu entschlossen, die Kamera einfach noch ein paar Tage länger laufen zu lassen und Teil 2 kurzerhand dazuzuimprovisieren. Aber natürlich stimmt das nicht, hinter der Arbeitsweise stecken ernüchternd freudlose Zahlenspielereien: Wenn man Cast und Crew schon einmal vor Ort hat, ist es schlichtweg kostenschonender, sie gleich für zwei Beiträge einzuspannen, sofern ein Erfolg berechenbar ist. Und da Regisseur Jess Franco für seine Sparfuchs-Mentalität bekannt war und seine Ware zur Not bereits für ein paar warme Mahlzeiten in den Kasten kurbeln konnte, war die Gefahr eines Verlustes denkbar gering.

Es geht sogar die Sage, beide Teile wurden gar nicht hintereinander gedreht, sondern parallel, sprich: Die erste Hälfte des Tages agierte man für die eine Nummer, die nächste dann für die andere, weswegen die Darsteller bisweilen unmöglich hätten garantieren können, für welches Werk sie sich denn eigentlich gerade die Gesichtsmuskeln verbiegen. Franco bestritt dieses Vorgehen zwar später, aber am Ende ist es eh wurscht. Wusste man die Qualitäten SADISTEROTICAs zu schätzen, fühlt sich KÜSS MICH, MONSTER nämlich an wie ein Wiedersehen mit guten, alten Bekannten, sind sie doch quasi alle wieder da, in unveränderter Frische und Form: Janine Reynaud und Rosanna Yanni geben wieder die Roten Lippen und Chris Howland hampelt sich abermals als Interpol-Agent durch die Szenerie. Manolo Otero und Michel Lemoine lassen sich dazu ebenso wieder blicken wie Produzent Adrian Hoven und Regisseur Jess Franco persönlich - zwar teilweise zwangsläufig in anderen Rollen als noch im Vorgänger, aber geändert hat sich dennoch nichts.

Der Aufhänger der Geschichte ist dabei durchaus geglückt und erinnert gar an ein prototypisches Sherlock-Holmes-Abenteuer: ein Bote mit Messer im Rücken, eine ominöse Partitur, die offenbar eine verschlüsselte Nachricht enthält, sowie eine mysteriöse Formel, die so wertvoll zu sein scheint, dass gleich mehrere Parteien für sie buchstäblich über Leichen gehen. Aber wo Arthur Conan Doyle seinen Helden als eine Ausgeburt an Logik beschrieb, die zwischen jedem Ereignis und jeder Erkenntnis hoch konzentriert zwingende Zusammenhänge eruierte, handelt und reagiert hier wirklich niemand in irgendeiner Weise nachvollziehbar und schüttelt sich Eingebungen und Reaktionen stattdessen leger aus dem Ärmel. Das fängt schon bei den beiden hauptrollenden Detektivinnen an, die darauf, dass ihnen zum Auftakt direkt ein toter Mann durch die Türe vor die Füße fällt, reagieren, als soeben lediglich der Kleiderständer umgestürzt. Eine Prüfung, ob der arme Kerl womöglich noch zu retten wäre, entfällt komplett, da zumindest eine der Damen es für wichtiger hält, stattdessen ein paar Takte auf der Klampfe zu zupfen – hatte ja immerhin Notenblätter dabei, der Verblichene. Anschließend entsorgen die beiden den Leichnam dann in den Tiefen der See, als hätten sie etwas mit der Tat zu tun und müssten nun Beweismittel beseitigen.

Es ist nicht der letzte Akteur, der direkt vor den Augen der Protagonistinnen per Dolchwurf den Löffel reicht. Tatsächlich kippt fast jeder, der er wagt, mit dem Duo ein paar zarte Worte zu wechseln, kurz darauf tödlich getroffen vornüber. Einer davon ist Jess Franco höchstselbst, der sich hier als klassischer „Informant“ verkleidet hat: Sonnenbrille drauf, Glimmstängel drin, stets nervös von einem Bein aufs andere hüpfend, lässt er sein brandheißes Info-Material nicht etwa direkt an Ort und Stelle vom Stapel, sondern trifft sich erst in extra-einsamer Umgebung, da man sich dort ja viel besser killen lassen kann. Sein Abgang ist dann auch ganz besonders gelungen: Kaum getroffen reißt er theatralisch die Arme gen Himmel, stürzt in Richtung der Detektivinnen und lässt sich von ihnen in schwungvoller Darbietung auffangen. Das ist logisch gedacht: Wenn man schon frühzeitig abtreten muss, dann doch bitte mit zwei Schönheiten im Arm. Wie schon die Male davor machen die Damen danach nicht die geringsten Anstalten, den Attentäter – der sich der Logik nach ja immerhin in Wurfweite befinden muss - mal zu fassen und kommentieren das unfreiwillige Ableben ihres Gegenübers lieber mit: „Ich glaub, der hat was mit der Atmung.“

Gerade diese kindliche Unbekümmertheit ist es, die KÜSS MICH, MONSTER so attraktiv und liebenswert macht. Spannend im klassischen Sinne ist das freilich nicht – zumal die Präsentation auch arg verwirrend geriet, wenn oft bar jeder Erklärung von einer Szene zur nächsten gesprungen wird. Da sieht man Reynaud und Yanni dann schon mal in irgendwelchen Nachtclubs in Männer-Montur Saxophon spielen, ohne Montur die Hüften schwingen und in sonst irgendeiner Form durch verruchte Etablissements schwofen. Das ist natürlich in erster Linie dazu da, die Laufzeit zu strecken, kommt aber stets stilvoll und elegant des Wegs. Am eigentlichen Fall jedoch, so schält sich schnell heraus, haben weder Jess Franco noch seine Story-Konstrukteure ein gesteigertes Interesse, obwohl es eigentlich sogar recht stringent beginnt. Bald aber werden alle naslang neue Beteiligungsparteien aus dem Hut gezaubert, deren Sinn und Zweck oft zweifelhaft sind. So stoßen die Protagonistinnen u. a. auf ein Kuttenträger-Kollektiv, das sich bei der Auswahl seiner Garderobe offenbar vom Ku-Klux-Klan beraten ließ, zwei amazonenartige Zimtzicken mit geräuschintensiver Dschungelimitation auf der Terrasse, die ihre Gegner am liebsten in Käfige sperren, einen halbseidenen Anzugträger, der ein herrisches Arschloch-Kind im Schlepptau hat, das sich „Señorita Yolanda“ nennt und offenbar den Ton angibt, einen klassischen verrückten Wissenschaftler, der in einem Klischee-Labor zwischen Reagenzgläsern mit wild blubberndem Inhalt in toten Körpern herumstochert, und schließlich diverse muskelbepackte „Supermenschen“, die sich mittels Tierlauten verständigen und das zweifelhafte Resultat unmoralischer Forschungsarbeit darstellen sollen.

Das alles ist enorm verwirrend zusammenmontiert und obwohl teils ausufernd parliert wird, erschließen sich viele Zusammenhänge schlichtweg nicht. Vermutlich, weil es keine gibt. Gerade dieses Fehlen klarer Strukturen jedoch sorgt für eine höchst angenehme Atmosphäre, die so wohl nur Jess Franco kreieren konnte. Abseits jeglicher Vernunft entspinnt sich ein herrlich absurdes Spionage-Abenteuer zwischen Sandstrand, Swimming-Pool und Striptease-Bar, das sich dem Augenblick hingibt und nie den schnöden Zwängen normierter Narration unterwirft. Urgemütlich ruckert und tuckert alles vor sich hin, wie die riesigen Zahnräder, die am Ende zu des Rätsels Lösung führen. Der Unterhaltungswert ist überraschend hoch, die Optik edel, die Landschaft augenschmeichelnd eingefangen, die Ausstattung todschick und der Sound dazu ungeheuer schmissig. Reynaud und Yanni in den Hauptrollen bestechen durch eine fabelhafte Chemie, verstehen sich, trotz gelegentlicher Neckereien, großartig und gehen dieses Mal auch ganz schön rabiat vor, wenn sie ihre Widersacher per Maschinenpistole niederstrecken als wär es nix. Ist es eigentlich auch, denn der Gegner legt sich einfach hin, völlig unblutig, wie damals im Sandkasten. Alles hier ist nur ein großes, teils seltsames, aber stets sehr erquickliches Spiel.

Die Kritiken dazu sind und waren stets vernichtend. Aber man muss schon ausgesprochen miesepetrig sein, um KÜSS MICH, MONSTER nicht zu mögen. Die Unbeschwertheit, in der hier traumartig von Station zu Station getänzelt wird, ist pure, angenehme Alltags-Zerstreuung, fabelhaft unterfüttert von der spritzigen Synchronisation Gert-Günther Hoffmanns, die wahrscheinlich mit dem Champagnerglas in der Hand entstanden ist. Man muss das Monster ja nicht gleich küssen. Aber so eine kleine Jess-Franco-Sterbe-Umarmung sollte doch wohl drin sein. Hoch die Hände!

Laufzeit: 80 Min. / Freigabe: ab 18

Dienstag, 23. Juli 2024

SADISTEROTICA


EL CASO DE LAS DOS BELLEZAS
Spanien, BRD 1967

Regie:
Jess Franco

Darsteller:
Janine Reynaud,
Rosanna Yanni,
Adrian Hoven,
Chris Howland,
Michel Lemoine,
Marcelo Arroita-Jáuregui,
Manolo Otero,
Jess Franco



Inhalt:

Diana [Janine Reynaud] und Regina [Rosanna Yanni], zwei als nicht gerade als hässlich zu bezeichende Frauen, bilden unter dem Namen „Rote Lippen“ ein ziemlich unkonventionelles Detektivduo. Eines Tages bekommen sie von dem Anwalt Radek [Adrian Hoven] den Auftrag, eine verschwundene Tänzerin zu suchen. Radek glaubt, sie auf einem aktuellen Gemälde des geheimnisvollen Künstlers Claus Tiller erkannt zu haben. Diana gibt sich als Dame von Welt aus, besucht eine der Ausstellungen Tillers, bezirzt den Ausstellungsleiter und lädt ihn zu sich nach Hause ein, um ihm nutzbringende Informationen zu entlocken. Doch noch bevor letzteres passiert, wird er von Unbekannt mittels eines Blasrohrs ins Jenseits befördert. In einer Bar schafft es Regina schließlich doch, den scheuen Künstler Tiller kennenzulernen. Und dieser sieht in ihr das perfekte Modell für sein nächstes Werk.

Kritik:

Jess Franco schlägt wieder zu und entführt sein Publikum in seine spezielle Filmwelt, in der eigene Gesetze gelten.

Der am 12. Mai 1930 in Madrid geborene Regisseur pflegte zeit seines Lebens einen sehr eigenwilligen, oft als provokativ und kontrovers aufgefassten Stil und erkundete gern Themen wie Sexualität, Gewalt und Tabus. Da er sich dabei häufig surrealer Elemente und experimenteller Techniken bediente (nicht selten bei minimalistischem Budget), manchmal mehrere Werke pro Jahr vom Stapel ließ und bei seiner Inszenierung Schwerpunkte auf Dinge setzte, die der Masse meist unverständlich erschienen, gilt er bei vielen Kritikern als talentloser Stümper, während andere gerade diese aufrührerische Andersartigkeit zu schätzen wissen.

Beim vorliegenden SADISTEROTICA hat man es im Grunde mit der Jess-Franco-Version des Klassikers AUGEN DER ANGST zu tun. Allerdings sollte man sich weder davon noch von dem martialischen deutschen Titel in die Irre führen lassen. Denn obwohl der Verleih sich redlich Mühe gab, das Werk als sadismusgetränkte Ausbeutungsorgie zu verkaufen, handelt es sich doch um ein erstaunlich seichtes Krimi-Abenteuer mit einer Extra-Portion entspannten Urlaubsflairs. Das weibliche Detektiv-Duo bildet dabei eine willkommene Abwechslung zu den überwiegend männlichen Kollegen, die zum Produktionszeitpunkt auf der Leinwand Ermittlungsarbeiten leisteten und dabei – dem Zeitgeist entsprechend - meist arg machohaft agierten. Dass Diana und Regina in erster Linie ihre optischen Reize einsetzen, um erfolgreich zu sein, trägt fraglos auch chauvinistische Züge, aber da hier alles so sagenhaft sorglos und unbekümmert daherkommt, tut das niemandem weh.

Dabei scherten sich alle Beteiligten keinen Deut um solch langweilige Dinge wie Logik, Sinn oder Nachvollziehbarkeit. Gesetze von Zeit und Raum scheinen nicht mehr existent, werden wild durcheinander gewürfelt und neu geordnet, das Regelwerk plausibler Narration dient lediglich als Anregung, nicht als erdrückende Doktrin. Stattdessen herrscht eine zwanglose und stilvolle Lässigkeit, die die Zeit auf hochangenehme Weise vertreibt. Zu Beginn spricht eine der Damen sogar einmal kurz in Richtung Kameramann, er möge bitte doch etwas näher heranfahren, da man ansonsten ja ihre Brüste sähe. Schon hier wird klar, dass alles, was folgt, eher spielerisch zu verstehen ist und keinerlei Anspruch auf Realitätskompatibilität erhebt. Spannung im klassischen Sinne existiert daher auch nicht, sogar Momente, aus denen man prinzipiell etwas Derartiges hätte herausholen können, wirken locker-flockig aus der Hüfte geschossen. Generell ist der Fall der verschwundenen Tänzerin auch wenig aufregend, da selbst dem unbedarften Zuschauer eigentlich von Beginn an klar ist, wie alles zusammenhängt und wer dahintersteckt.

Ein paar Nebelkerzen werden dennoch gezündet, wenn weitere Verdächtige eingeführt werden. Wie der junge Charmeur Vittorio (gespielt von Manolo Otero), der arg unmotiviert die Detektei der Damen betritt, um von ihnen auf Anhieb flachgelegt zu werden. Freilich lediglich, indem sie ihn statt einer ordentlichen Begrüßung auf den Boden schmettern – könnte ja schließlich der Mörder sein, und ohnehin kann man ja nie vorsichtig genug sein. Offenbar gefiel dem Herren diese Behandlung aber außerordentlich, verbringt er doch die meiste folgende Zeit damit, den Ladys auf Schritt und Tritt nachzusteigen, was diese allerdings prinzipiell nicht unangenehm zu finden scheinen. Am Ende enttarnt sich der Schurke dann ziemlich unspektakulär einfach selbst, was aber nur völlig Merkbefreite überrascht. Denn dass einer der Beteiligten sich eine zweite Persönlichkeit zulegt hat, ließ sich durch die spärliche Maskerade kaum verdecken. Dass man besagter Person zudem eine der markantesten Synchronstimmen des Universums in den Mund legte, war freilich auch nicht sonderlich hilfreich dabei, das Publikum zu täuschen. Und dass auch das Motiv der Untat lediglich Mittel zum Zweck ist und sich ebenfalls allgemeiner Schlüssigkeit verweigert, ist dementsprechend natürlich kaum die Fußnote wert.

Fast ein wenig aufdiktiert wirken bei all der launigen Wohlfühlattitüde die wenigen spekulativen Elemente. So hält sich der Unhold zwecks Entführung junger, argloser Frauen ein behaartes Untier namens Morpho, das wohl Werwolf-Assoziationen wecken soll, in Wahrheit aber aussieht, als sei jemand an dem Versuch gescheitert, sich zum Schulball als Wolverine zu verkleiden. Ein paar zahn- und harmlose Striptease-Nummern in loungiger Club-Atmosphäre gibt es ebenfalls noch zu vermelden, aber die bringen nun auch keine Hose zum Platzen. Trotz dieses leichten Dralles zur Unmoral ist SADISTEROTICA am Ende beinahe familienfreundlich, ist er doch viel näher an der Komödie als an allem anderen. Wie sonst soll man sich die Besetzung Chris Howlands als Inspektor erklären, der sich zwecks Tarnung auch schon mal als „Bond! James Bond!“ vorstellt. Und auch die Synchronisation nahm die Sache nicht ganz so ernst und gibt sich – wie für diese Zeit üblich – betont lässig. Als der Nachtwächter eines Museums (gespielt von Jess Franco persönlich) gefragt wird, ob der weibliche Eindringling auch ordentlich Holz vor der Hütte hatte, erwidert dieser lapidar: „Wissen Sie, ich hab schon lauter gelacht!“ Und als der schleimige Schönling Vittorio in einer eigentlich völlig überflüssigen Szene in einem Restaurant auftaucht, um ein schräges Liedchen zu trällern, nuschelt einer der Gäste am Bildrand völlig zu Recht: „Der sieht von mir keinen Peso!“

Das irrationale Handeln der Figuren findet indes seinen Höhepunkt, als die schönen Detektivinnen aus heiterem Himmel beschließen, Urlaub in Ankara zu machen. Kaum liegen die Grazien am Strand (eine davon in einem selten abenteuerlichen Badeanzug), kommen auch schon die ersten Bekannten vorbei: Als Erstes kommt Vittorio, um die beiden wieder mal ordentlich zu hofieren. Und es dauert ungelogen keine drei Minuten, da sind alle wichtigen Personen wieder da: der Maler Claus Tiller, der Inspektor, und auch Morphorine schaut bald wieder unheilvoll zum Fenster rein. Die Welt ist ein Dorf - erst recht im Werk Jess Francos, für dessen Zugang das hier die perfekte Einstiegsveranstaltung ist. SADISTEROTICA ist eine fröhliche filmische Wundertüte für alle, die eine nostalgische Abkehr von gängigen Sehgewohnheiten wünschen, ein von geschmeidiger Easy-Listening-Musik getränkter Griff in die Kuriositätenkiste, ein vor Charme strotzendes Krimi-Vergnügen ohne jeden Anspruch (außer an den der guten Unterhaltung), das man besten direkt mit Cocktail serviert. Prost!

Laufzeit: 79 Min. / Freigabe: ab 18

Mittwoch, 17. Juli 2024

KÄPT'N RAUHBEIN AUS ST. PAULI


KÄPT'N RAUHBEIN AUS ST. PAULI
BRD 1971

Regie:
Rolf Olsen

Darsteller:
Curd Jürgens,
Heinz Reincke,
Johanna von Koczian,
Herbert Fleischmann,
Sieghardt Rupp,
Elisabeth Flickenschildt,
Angelika Ott,
Christine Schuberth



Inhalt:

Als Käpt’n Jolly [Curd Jürgens], genannt "Rauhbein", verfrüht von einer Reise nach Hause kommt, um seine Frau (Fraubein?) zu überraschen, ist er selbst überrascht, denn die Gute teilt sich gerade das Bett mit jemandem, der nicht er ist. Flunschig packt er seine Sieben Sachen zusammen, um die untreue Gemahlin für immer zu verlassen. Das führt zu einem Handgemenge im Treppenhaus und dieses wiederum mündet in einem tödlichen Sturz der Gattin durchs Geländer. Nachdem Jolly von jeder Schuld freigesprochen wurde, verlässt er seine Heimatstadt und sticht mit seinem Vertrauten Kniehase [Heinz Reincke] wieder in See. Als sie in einer obskuren Bananenrepublik landen, wollen sich die korrupten Behörden auf Anhieb die Fracht unter den Nagel reißen. Nach einer zünftigen Keilerei geht es für Jolly und Kniehase direkt in den Knast, wo immerhin auch die attraktive Ärztin Andersen [Johanna von Koczian] agiert. Eben jene aber wird – gemeinsam mit ein paar knackigen Kolleginnen – alsbald von einer bewaffneten Gaunerbande entführt und in einer Dschungelfestung zwecks Lösegelderpressung gefangengehalten. Jolly, für den die Flucht aus dem Kittchen natürlich ein Kinderspiel war, organisiert unversehens eine hauseigene Rettungsmission, für die er auch seinen alten Kumpel Nico [Herbert Fleischmann] ins buchstäbliche Boot holt.

Kritik:

Bereits die Inhaltsangabe deutet dezent das Defizit der von Autor und Regisseur Rolf Olsen selbstsicher auf den Weg gebrachten Sause an: Episodenhaftigkeit! Schon das einleitende Ereignis spielt für den Rest eigentlich gar keine Rolle, denn warum Käpt’n Jolly (was für ein Name!) in die Ferne schweift, ist völlig egal und hätte im Prinzip gar keiner Erklärung bedurft. Aber gut, dass sie trotzdem da ist, sorgen so doch schon die ersten Minuten für die Art von angenehmer Heiterkeit, die das launige Seemannsgarn die folgenden 80 Minuten noch begleiten wird. Allein der enttäuschte Gesichtsausdruck Jollys, nachdem er sein Weib in flagranti ertappt hat, ist reines Schauspiel-Gold. Bockig wie ein kleines Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat, packt er im Anschluss seine Tasche und schmettert mit missmutiger Miene alles rein, was er gerade so findet: Hier mal ne Socke, dort mal ein Büchlein, egal, kann man ja alles irgendwann mal brauchen. „So lass ich mich von dir nicht abschieben“, kolportiert die Gattin daraufhin vor der Wohnungstür, woraufhin Jolly sie kurzerhand sehr wohl abschiebt. Direkt über das Geländer nämlich, in des Treppenhauses triste Tiefen. Aber kein Problem: Schon in der folgenden Szene bescheinigt ihm das Gericht, völlig unschuldig am Tode der Dame zu sein. Nur stimmt das eben gar nicht, wie das Publikum ja gerade eben erst hochpersönlich miterleben durfte. Da kaum anzunehmen ist, dass Olsen hier einen ambivalenten Charakter erschaffen wollte, der die Schuld eines ungerechtfertigten Freispruchs mit sich herumtragen muss, ist die Szene vermutlich einfach nur ungeschickt inszeniert, aber ein unglücklicher Unfall sieht nun mal definitiv anders aus.

Von Belang ist dieser Vorfall, wie gesagt, später ohnehin nicht mehr, wird der Schauplatz doch alsbald verlassen, wenn Jolly & Crew in See stechen, um in fernen Gefilden neue Abenteuer zu erleben. Der Titel erweist sich somit im Prinzip als Mogelpackung, denn wer halbseidene Geschäfte auf sündiger Meile erwartet, hat das Nachsehen. Lediglich besagte Eröffnung bietet ein paar Hamburg-Bilder, danach glänzt die Hansestadt durch Abwesenheit. Wo genau die nachfolgenden Ereignisse dann eigentlich stattfinden sollen, wird indes vage gehalten - vielleicht sogar, um etwaigen Beschwerden aus dem Weg zu gehen. Jedenfalls stranden Jolly und seine Mannen in einem zwielichtigen Dschungelstaat, der vor Klischees nur so trieft und wohl genauso aussieht, wie Papa Piefke sich damals die weite Welt vorgestellt hat: exotische Wälder, rassige Weiber, korrupte Bullen und grobschlächtiges Ganoventum an jeder Straßenecke. Als anständiger Deutscher (von denen es hier merkwürdigerweise nur so wimmelt) kann man sich da nicht einmal in Ruhe die Puschen überziehen, ohne dabei überfallen oder sonstwie drangsaliert zu werden. Im Nullkommanix legt sich der Kapitän darum auch mit den böswilligen Behörden an, die ihn postwendend gesiebte Luft atmen lassen. Macht aber nix, denn auf lächerlich kindliche Art und Weise kann er auch schon wieder entkommen. Sowohl der Grund für die Inhaftierung als auch der Umstand, dass Jollys Kollege Kniehase sich eine ganze Wagenladung Medikamente unter dem Hintern hat wegklauen lassen, werden allerdings irrelevant, sobald ein Trupp Krankenschwestern von einer Räuberbande entführt und gefangengehalten wird. Kaum anzunehmen, dass Jolly sich auch so ins Zeug gelegt hätte, eine Befreiungsaktion anzuleiern, wären da ein paar bierbäuchige Mandolinenspieler hopps genommen worden, aber bei einer Schaar attraktiver Arzthelferinnen sieht die Sache natürlich schon wieder ganz anders aus.

Bis die Damen tatsächlich rausgehauen werden, vergeht allerdings noch einiges an Spielzeit, die mit ähnlich elliptischen Erlebnissen angereichert wurde, wie es bisher der Fall war. Stringentes Erzählen ist KÄPT’N RAUHBEIN VON ST. PAULIs Stärke nicht, aber das macht auch nichts. Denn die unbeschwert-naive Art der Präsentation hält das Stimmungsbarometer ständig oben. Das liegt vor allem an dem Star der Show, denn natürlich dreht sich hier alles um Curd Jürgens, einem der wenigen deutschen Schauspieler, denen auch internationale Aufmerksamkeit zuteil wurde. Jürgens agiert hier in einem solch unerschütterlichen Selbstbewusstsein, dass man direkt neidisch werden könnte. Denn eigentlich ist der Gedanke, ausgerechnet so einen zur sakralen Heldenfigur zu machen, völlig absurd. Das fängt schon bei der Optik an, gibt der Käpt’n doch nur ein wenig heroisches Erscheinungsbild ab, um nicht zu sagen: Er läuft in der Regel rum wie der letzte Penner. Siffig und ungepflegt, sichtbar abgehalftert und den Zenit schon seit längerer Zeit überschritten, markiert er trotzdem ständig den Dicken, weiß immer alles besser, motzt und schimpft (so nach dem Motto: „Nein, nein, so geht das nicht! Du musst das alles ganz anders machen!“) und wird dafür auf Schritt und Tritt mit zufliegenden Frauenherzen belohnt. So erklärt sich in Nachhinein wohl auch sein anfänglicher Freispruch: Wäre das Urteil anders ausgefallen, hätte er die Richter vermutlich zurechtweisen müssen. In einer Kaschemme stimmt der Kapitän schließlich sogar ein Seemannslied an („Überall ist es schön auf der Welt“), was von den Gästen pflichtschuldig mit urdeutschem, den Takt zuverlässig verfehlendem Mitgeklatsche quittiert wird. Dass Jürgens dabei rüberkommt wie der Klassenbeste kurz vor der Abschlussprüfung zum Vollzeit-Alkoholiker, verwundert kaum. „Die knackigsten Arschbacken von Buenos Aires bis Alaska!“, grölt er beim Anblick der hüftenschwingenden Damenschaft, und wer würde es wagen, seine Expertise anzuzweifeln? Als Ober-Arschbacke kennt man schließlich seine Pappenheimer!

Jürgens’ proletenhaftes Auftreten ist hier tatsächlich die halbe Miete, und das wussten wohl auch die Macher. So schrieben sie, als ihnen wirklich gar nichts anderes mehr einfiel, eine weitere, inhaltlich völlig belanglose Episode ins Skript, in der Jolly sich auf einem Luxusdampfer als Stewart ausgibt und die feine Gesellschaft am laufenden Band durch derbes Spruchgut und ungehobelte Manieren verschreckt. Hier findet auch anderweitig der humoristische Höhepunkt statt, wenn der Käpt’n eine junge Dame vor dem Todesbiss einer Tarantel bewahrt. Gut, zumindest soll es eine Tarantel sein oder etwas Artverwandtes. Da die gesamte Belegschaft aber offenbar Bammel davor hatte, sich beim Dreh mit einem echten Achtbeiner anzulegen, behalf man sich mit einer Attrappe, die selbst bei gestandenen Arachnophobikern akuten Niedlichkeitsalarm auslösen dürfte. Respekt geht raus an die (natürlich halbnackte) Schauspielerin, die die ganze Zeit so tun muss, als befalle sie tatsächlich waschechte Panik, wenn ihr der putzige Plüsch-Polyp über das aparte Bäuchlein bummelt. Natürlich obliegt es Herrn Rauhbein höchstpersönlich, hier zu intervenieren und, während dem Rest der Welt gebannt der Atem stoppt, den kuscheligen Krabbler gaaaaaaaanz vorsichtig auf den eigenen Handrücken zu bugsieren, mit ihm hochkonzentriert zur Rehling zu schleichen und ihn dort schließlich mit erlösender Geste den Weiten des Meeres zu überantworten. Der heilige Ernst, mit dem Jürgens diese durchsichtige Lachnummer spielt, ist ein echter Brüller und verortet KÄPT’N RAUHBEIN endgültig im Bereich der unfreiwilligen Komödie.

Dass sich an Bord des Schiffes auch ausgerechnet einer der Rädelsführer der Entführerbande befindet, liegt dann nicht etwa an Kunst und Können Käpt’n Rauhbeins, sondern ist bloßer Zufall. Jolly kommt ihm eigentlich auch gar nicht wirklich auf die Schliche, er mutmaßt einfach – ohne jeden Anhaltspunkt – besagter Herr könne doch etwas mit dem Verbrechen zu tun haben. Bingo, so ist es dann auch! Die sich anschließende Befreiungsaktion ist die einzige wirkliche Action-Sequenz KÄPT’N RAUHBEINs und miserabel in Szene gesetzt. Vor allem der Kapitän fällt auf durch alberne Aktionen ohne Sinn und Verstand. In einer Szene steht eine Flasche in der Gegend rum, auf deren Etikett jemand mit Filzstift „Salzsäure“ geschrieben hat, was schon ziemlich lustig ist. Bei Helge Schneiders 00 SCHNEIDER stand auf der Zeitung ja schließlich auch „Zeitung“. Seltsamerweise geht es nach dem vermeintlichen Finale noch eine ganze Weile weiter, wenn man sich mit den befreiten Ladys durch den mit Archivaufnahmen bevölkerten Dschungel schlägt. Irgendwann, nach der überraschenden Enttarnung eines weiteren Übeltäters, ist es dann aber tatsächlich vorbei (der Schurke stellt sich am Ende übrigens selbst – der Käpt’n hat nichts zur Überführung beigetragen und dieses Mal noch nicht einmal was gemutmaßt).

Obwohl die Nummer somit schließlich doch ein paar Minütchen zu lang geriet, ist die kolportageartige Abenteuer-Kriminal-Melange ein ziemlich launiges Feierabendprogramm. Curd Jürgens stiehlt allen die Schau, während Heinz Reincke als sein vermeintlich komischer Kompagnon so nervig geriet, dass man ihn fürs letzte Drittel aus der Handlung schrieb. Schade, dass die Veranstaltung trotz einiger reißerischer Elemente insgesamt doch ziemlich brav und bieder geriet. Dabei hatte man schon gute Zutaten zur Hand; Abenteuer-, Gangster-, Söldner- und Frauenknast-Motive fließen fröhlich ineinander. Aber am Ende bleibt es dann doch eher familienfreundlich. Zumindest an die Action jedoch hätte man gern jemanden ranlassen dürfen, der sich mit sowas auskennt.

KÄPT’N RAUHBEIN AUS ST. PAULI - die feudale Filmwerdung des fleckigen Feinripp-Unterhemds. Ahoi und Alaaf!

Laufzeit: 91 Min. / Freigabe: ab 16

Donnerstag, 11. Juli 2024

DIE BESTIE AUS DEM WELTRAUM


LA BESTIA NELLO SPAZIO
Italien 1980

Regie:
Alfonso Brescia

Darsteller:
Sirpa Lane,
Vassili Karis,
Lucio Rosato,
Umberto Ceriani,
Maria D'Alessandro,
Giuseppe Fortis,
Dada Gallotti,
Robert Hundar



Der Weltraum. Unendliche Oberweiten!

1980 befand sich der gemeine Kinogänger – STAR WARS sei Dank! - im Sternenfieber. Zahlreiche Nachahmer des als Science-Fiction deklarierten Fantasy-Märchens buhlten, mal mehr, mal weniger ambitioniert, um die Gunst des Publikums. Der italienische Regisseur Alfonso Brescia [→ 100.000 VERDAMMTE DOLLAR], der sich Zeit seiner Karriere vollkommen dem Kommerz verschrieben sah, stellte sich da die Frage, mit welchem kassenträchtigen Element man eine obligatorische All-Saga denn wohl verknüpfen könnte, um noch mehr Zahlungswillige ins Lichtspielhaus zu locken. Dann die Erkenntnis! Klar: Rudelbumsen!

So oder so ähnlich dürfte es sich wohl zugetragen haben, bevor Brescia zusammen mit seinem Mitstreiter Aldo Crudo [→ WENN DU KREPIERST, LEBE ICH] diesen crudon kruden Hybriden aus Kosmos-Kokolores und Schmuddelgeknuddel zu Papier brachte, in Szene setzte und unter dem Titel LA BESTIA NELLO SPAZIO auf die arglose Menschheit losließ. Der deutsche Titel dieses Universums-Unikums ist dabei zwar überraschend nah am Original, aber deutlich inspirierender ist fraglos die Alternative, die einem bei der zu Grunde liegenden Kopie per ungefragter Einblendung offeriert wird: Tier im Raum. Das ist natürlich noch viel, viel besser und erweckt auf Anhieb anregende Assoziationen zu einer elitären Kunst-Installation, bei der die Gäste mit von der Sektflöte abgespreiztem Finger Sachen sagen wie: ‚Faszinierend, wie das Fehlen jeglicher Bedeutung uns zur Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz zwingt.‘ - ‚Gewiss doch, Gutester! Wobei in der Akzeptanz dieser Leere natürlich auch eine gewisse Freiheit liegt‘.

Aber am Ende hat man es dann eben doch nur mit DIE BESTIE AUS DEM WELTRAUM zu tun, jenem schreiend schäbigen Science-Ficktschön-Cocktail, bei dem die Dialoge so klingen:

„Wie heißt du denn, himmlische Vision?“ - „Ich bin Sandra und wer bist du?“

Inhalt und Kritik:

Prämisse: In der Zukunft der Menschheit ringen zwei mächtige Fraktionen um die Vorherrschaft im Weltraum, die Galaktische Flotte und die Handelsföderation. Das klingt zwar episch wie Sau, hat am Ende jedoch die Dramatik eines Sandkasten-Gekabbels um das schönere Förmchen.

Ein schönes Förmchen hat fraglos auch Sirpa Lane [→ PAPAYA], welche hier als Sandra Richardson (oder Sondra im Original, die deutsche Fassung nahm ihr ein o und gab ihr ein a) die weibliche Hauptrolle geben darf - und das definitiv nicht wegen ihres schauspielerischen Talentes. Denn eigentlich – und daraus wird im Prinzip auch kein Geheimnis gemacht - zielt DIE BESTIE AUS DEM WELTRAUM von Beginn an auf primitive Triebe ab, weswegen sich auch jede Figur früher oder später einmal mehr oder weniger motiviert aus ihrer Pelle schälen darf.

Zumindest zum Auftakt bemüht man sich immerhin noch, dabei trotzdem auch so eine Art Geschichte zu erzählen – und das sorgt tatsächlich für gute Laune, da es von vergnüglichen Stereotypen nur so wimmelt. Die schmierige Spelunke, die der männliche Protagonist, der vom gebürtigen Griechen Vassili Karis [→ SABATA KEHRT ZURÜCK] verkörperte Raumschiffkapitän Larry Madison, gleich nach Verklingen des Vorspanns betritt, macht jedenfalls schwer was her und auch ein wenig Hoffnung: Auch in ferner Zukunft wird es sie also noch geben, diese schummerigen Hafenkneipen, in der Betrunkene sich aufs Maul hauen, während gelangweilte Weibchen im Eck auf den dümmsten Anmachspruch warten.

Exakt auf diese Weise lernen sich der Käpt’n und Sandra hier dann auch kennen - wobei er ihr Herz vor allem dadurch erobert, dass er den Kontrahenten um ihre Gunst kurzerhand K.O. schlägt. So etwas lässt natürlich nicht nur Knie weich werden, weswegen es auch bereits den ersten Beischlaf zur Folge hat, der allerdings noch relativ züchtig bebildert ist, obwohl der Kollege an der Kamera schon fleißig Brust-, Po- und Schambereiche ins Visir nimmt.

Diese Eröffnungsveranstaltung porträtiert schon ganz gut, wie viel DIE BESTIE AUS DEM WELTRAUM mit Subtilitäten am Hut hat. Nämlich gar nichts. Frauen wirken wie Flittchen oder Huren, während Männer meist wie grobschlächtige Cowboys ohne Rücksicht auf Renommee und Verlust durch die Gegend holzen. Vassili Karis ist als Käpt’n Madison vermutlich das, was man bekommt, wenn man Burt Reynolds bei Wish bestellt, wohingegen Sirpa Lane bereits diesen verderbten Blick draufhat, der annehmen lässt, sie wäre eigentlich viel lieber als Matratze zur Welt gekommen. Ein perfektes Paar also, dem es quasi vorherbestimmt war, in den Federn zu landen. Wie sehr die beiden füreinander geschaffen sind, merkt man übrigens direkt nach erfolgter Kopulation, als Sandra dem Kapitän erstmals von dem eigenartigen Traum berichtet, den sie regelmäßig hat und in dem sie von einem unheimlichen Verfolger durch den Wald getrieben wird. Das nimmt ihren Bettgenossen dermaßen mit, dass er noch während der spannenden Erzählung sanft ins Reich des Schlafes hinübergleitet. Hoffentlich träumt er wenigstens gut.

Bevor es dem Publikum noch ähnlich ergeht, bringen Brescia und Crudo lieber ein bisschen Schwung in die Bude. So wird auf dem weitestgehend unerforschten Planeten Lorigon das Element Autalium entdeckt, was einen Bergungs-Wettlauf beider eingangs erwähnten Parteien zur Folge hat. Denn wer das Autalium kontrolliert, kontrolliert das Universum. Seitens der Galaktischen Flotte wird Käpt’n Madison für diese Mission abkommandiert, der nicht schlecht staunt, als ihm gewahr wird, dass sich seine Vorabend-Eroberung Sandra ebenfalls unter den Crew-Mitgliedern befindet. Wahrlich ein Traumpaar also, das sich nie gesucht und dennoch gefunden hat und nun mit ein paar anderen Knallchargen ähnlichen Kalibers ins All geschossen wird, um das Schicksal der Welt zu bestimmen.

Das Ziel, der Planet Lorigon, entpuppt sich nach der Landung als ein Hort der Skurillitäten, obwohl er zunächst nur aus ein paar Birkenwäldern zu bestehen scheint. Schon hier läuten beim aufmerksamen Betrachter die Alarmglocken, sieht die Landschaft doch haarklein so aus wie in Sandras Alpträumen. Allerdings kommt die Crew beim anschließenden Wandertag durch die Botanik auch mindestens fünf Mal am selben Baum vorbei, eventuell hatte man also schlichtweg gar nicht die Genehmigung, an anderer Stelle auch noch was drehen zu dürfen. Dafür gönnte man sich allerdings eine Archivaufnahme, die für den wohl kuriosesten Moment des Szenarios herhalten darf: So hält die Besatzung beim ziellosen Herumstromern zwischendurch mal kurz inne und beobachtet fasziniert zwei Pferde, von denen das eine das andere … nun ja … bespringt. Diese Ansicht scheint zumindest die anwesenden Weiber derart in Wallung zu versetzen, dass sie direkt damit anfangen, mit apathischer Miene ihre körpereigenen Rundungen abzutasten – wobei allerdings auch die Herren plötzlich ganz glasige Blicke bekommen. Am meisten Augen aber macht an dieser Stelle das Publikum, denn die knatternden Klepper sind derart dilettantisch zwischen die Bilder kopiert (im falschen, zusammengestauchten Format nämlich), dass man zur Annahme gezwungen ist, der dafür Verantwortliche habe selbst gerade ein paar Rundungen abgetastet, wenn auch ganz sicher nicht die vom Schneidepult.

Egal, die Schau muss weitergehen und das tut sie auch, wenn die Crew schließlich ein schlossähnliches Domizil entdeckt, in welchem sie nach Betreten und Ohnmachtsanfall einen Mann kennenlernt, der sich ganz bescheiden als „Onaf, Herrscher des Kontinents“ vorstellt und der – schau an, schau an! - der Typ aus Sandras Träumen ist. Dieser, gespielt vom hünenhaften Robert Hundar [→ DER MANN MIT DER KUGELPEITSCHE], klärt die Neuankömmlinge erst einmal über die Verhältnisse auf Lorigon auf: Ein gigantischer Computer namens Zocor hat den gesamten Planeten unterworfen und eine Herrschaft des Terrors errichtet („Er ist so mächtig, dass er in der Lage ist, zu seinem Vergnügen unseren Planeten quer durch den Kosmos zu jagen.“). Seine Kraft bezieht er aus dem Element, dessentwegen man vor Ort ist: Autalium. Dieses kann allerdings nicht nur alten Schaltkreisen neuen Schwung verleihen, sondern mittels seiner Strahlung auch den Alterungsprozess der Bevölkerung verhindern („Mein derzeitiges Alter ist 800 Jahre.“ - „Hochachtung!“).

Genug geredet! Jetzt wird gepimpert! Onaf scheint nämlich großer Fan des berühmt-berüchtigten Kaisers Caligula zu sein, weswegen er Heim und Kleid auch bereits den Look spät-römischer Dekadenz verpasst hat. Irgendwas war wohl im Alkohol, denn unvermittelt folgt dem Vorbild entsprechend eine ausufernde Matratzensport-Orgie, die, je nachdem, welche Version man erwischt hat, mal mehr, mal weniger explizit zelebriert wird. Und während auf Lorigon der Knutsch- und Knettag eingeläutet wird, bewahrheitet sich dann endlich auch Sandras Alptraum, entpuppt sich Onaf unter seiner Tunika doch als Satyr, also als Mischwesen aus Mensch und Ziegenbock. Getrickst wurde das auf dem Wege des geringsten Widerstands, indem man Herrn Hundar einfach die olle Zottelhose nebst Ziegenhuf-Clogs übergestreift hat. Und da Sandra ja genügend gute Gründe braucht, um vor dem Wesen durch den Wald zu fliehen, pappte man ihm final noch eine monströse Pimmel-Prothese in den Schritt. Was eine griechische Sagengestalt bei einer perniziösen Penetrations-Parade zwischen pseudorömischem Putz auf einem fernen Planeten verloren hat? Vermutlich nix. Aber man ist ja kein Fachmann.

Die plötzlichen Porno-Anwandlungen stehen der BESTIE AUS DEM WELTRAUM nicht wirklich gut zu Gesicht. Wer Schmuddelware will, der greift auch zu solcher und will dabei nicht von Raumschiffen und freidrehenden Super-Computern belästigt werden. Und wenn man auf billigen Sci-Fi-Schlonz abfährt, ist grenzwertiges Genital-Algebra nun auch nicht unbedingt das, was einem gerade noch zum großen Glück gefehlt hat. Viel zu lang dauert zudem das unappetitliche Rudel-Gerödel und irgendwie erholt sich das Machwerk danach auch nicht mehr so wirklich davon, obwohl man immerhin noch eine satte Viertelstunde Mumpitz vom Stapel lässt. So kämpfen die Helden gegen die Goldmänner, die Bytegarde des Rechner-Verbrechers, die aussehen, als habe man ein paar Oompa Loompas aus Charlies Schokoladenfabrik entführt, per Streckbank großgezogen und golden angemalt. So bewegen die sich dann auch. Dazu werden Lichtschwerter gezückt, die wer weiß woraus bestehen. Licht ist es nicht. Aber es scheint gutes Material zu sein, immerhin kippt der Gegner selbst dann noch aus den Latschen, wenn man kilometerweit daneben keult. Und natürlich taucht pünktlich zum Finale auch noch der diktatorische Daddelkasten höchstpersönlich auf, ist dann aber doch nicht viel mehr, als nur ne bessere Brotdose auf zwei Beinen. Das alles und noch viel mehr nur hier und heute bei: Tier im Raum!

Am Ende macht die Nummer dann weitaus weniger Spaß, als es eigentlich der Fall sein müsste. Immerhin wird hier schon alles Mögliche aufgefahren, um den Interessenten bei der Stange zu halten: bunte Plastikbauten, die so tun, als seien sie voll futuristisch, Laserpistolen, die gar nicht schießen können (wofür zum Ausgleich allerdings ein gelbes Lämpchen aufleuchtet), Birkenwäldchen, die einem als ferne Vegetationen verkauft werden, dazu wirklich niedliche Raumschiffmodelle, Höhlenkulissen und Badekappen als Helmersatz. Und die latexartigen Ganzkörperkondome, die hier als Raumanzüge herhalten müssen, wären garantiert der Knaller auf jeder Fetisch-Party. Dennoch ist es etwas ernüchternd, wie wenig Brescia & Co. hier eigentlich zu erzählen haben. Woher Sandras Wahrträume, immerhin einer der Neugierde schürenden Aufhänger zu Beginn, denn nun eigentlich rührten, wird z. B. niemals aufgeklärt – wie so ziemlich alles, was anfangs zumindest halbgar etabliert wurde, schließlich sang- und klanglos im Sande verläuft. So wird auch der prinzipiell nicht uninteressante Wettlauf um die seltene Substanz später vollkommen vergessen, um stattdessen unansehnliche Reproduktionsgymnastik in den Fokus zu rücken.

Für gute Laune sorgen wiederum die vielen Statisten, die an Deck der Raumschiffe hilflos im Hintergrund herumlaufen und schlichtweg nicht wissen, was sie tun sollen, sowie die deutsche Synchronisation, die eigentlich Asynchronisation heißen müsste, passt das gesprochene Wort doch nicht für fünf Lira auf die Lippen. Dafür seiern die Protagonisten ständig Quatsch raus wie „Bist du besoffen?“, „Ich muss kotzen!“ oder „Let’s go!“

Let’s go!

Laufzeit: 94 Min. / Freigabe: ungeprüft