Eigene Forschungen

Montag, 30. Dezember 2024

DIE 18 TODESSCHLÄGE DER SHAOLIN


SHI BA LUO HAN QUAN
Hongkong 1978

Regie:
Yang Ching-Chen

Darsteller:
Stephen Tung Wai,
Dean Shek Tien,
Wen Chiang-Long,
Sze-Ma Lung,
Shen Hai-Rong,
Shih Chung-Tien,
Kwan Hung,
Shih Ting-Ken



Inhalt:

China zur Zeit der Qing-Dynastie: Die Mandschus sind im Land und knechten das Volk. Der Shaolin-Mönch Wen Hung [Wen Chiang-Long] führt einen Widerstand an, muss sich jedoch vor dem feindlichen Anführer Wong Wu Ti [Sze-Ma Lung] in Sicherheit bringen. Auf der Flucht erhält er unerwartete Schützenhilfe von den beiden harmlosen Herumtreibern Hsiao Tung [Tung Wai] und Tai Peng [Shek Tien], die seine Häscher erfolgreich auf die falsche Fährte führen und ihm dadurch das Leben retten. Um eine Verletzung auszukurieren, versteckt sich der Abt fortan in der Hütte seiner Wohltäter und beginnt damit, sie in die geheimen Kampfkünste der Shaolin einzuführen – ein Wissen, das die Freunde schneller brauchen werden, als ihnen lieb ist.

Kritik:

Dass DIE 18 TODESSCHLÄGE DER SHAOLIN im selben Jahr wie Jackie Chans Durchbruch SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER erschien, ist gewiss kein Zufall. Der Kassenerfolg war nämlich Auslöser einer horrenden Wagenladung ähnlich gearteter Werke, die klassisches Kung-Fu-Kino mit (teils sehr alberner) Komik verbanden und den bewährten Plot dabei nur rudimentär variierten. Anstatt eines zauseligen Bettlers darf hier nun also ein Shaolin-Mönch zwei Durchschnittstaugenichtsen die Kunst des Kampfes lehren, um den Drangsalen eines brutalen Schurken etwas entgegensetzen zu können.

Dabei verspricht die Einleitung episches Entertainment, wenn ein Erzähler bedeutsam vom Sturz der Ming-Dynastie berichtet, von der gewaltsamen Übernahme des Landes durch die Mandschurei, vom verzweifelten, doch fruchtlosen Widerstand des Volkes. Dazu werden statistenreiche Schlachtbilder serviert, ein emsiges Rennen, Hauen, Stechen und Sterben, dreckig und dramatisch. Auch der Bösewicht wird bei der Gelegenheit etabliert, Wong Wu Ti, der „Goldene Adler“, der zum Auftakt direkt den Shaolin-Tempel niederbrennen lässt, um das geistige Zentrum der Aufständischen zu zerstören. Abt Wen Hung, Anführer der Rebellen, flieht vor den Flammen und läuft seinem Widersacher Wong auf einer Wiese direkt in die Arme. Das wirkt schon alles sehr aufbrausend und medienwirksam und klingt in 30 Sekunden komprimiert nach großem Kino. Allerdings ist der Ofen danach auch schon wieder so ziemlich aus. Der nationale Freiheitskampf weicht mehrheitlich persönlichen Konflikten im kleinen Kreis; dem epochalen Einsteig folgt dramaturgisch eher ungeschickt eine überwiegend unzeremonielle Komödie. Und obwohl die Lage prinzipiell bedrohlich bleibt, erscheint es nicht mehr sonderlich staatstragend, wenn man sich mit dem Feind nur noch auf freiem Felde, zwischen schroffen Felsen und wogenden Gräsern, um die Zukunft des Landes prügelt.

Das ist zwar nicht auffallend aufregend, aber immerhin angenehm unterhaltsam. Tung Wai [→ ONCE UPON A TIME IN CHINA V], hier in einer Rolle zu sehen, die bei einem höheren Budget mit Sicherheit an Jackie Chan gegangen wäre, macht sich gut in der Haupt-Hauptrolle und sorgte, gemeinsam mit Yuen Cheung-Yan [→ LAST HERO IN CHINA], auch für die Kampf-Choreographien, die sehr ordentlich geraten sind, obwohl sie mit echtem Schlagabtausch abermals wenig zu tun haben und eher Tanz-Charakter besitzen. Die Neben-Hauptrolle ging an Shek Tien [→ DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS], der Dauergast in Produktionen wie diesen war und erneut den grimassierenden Scherzkeks gibt. Ungewöhnlich ist allenfalls, dass er das hier auf sympathischer Seite tut und nicht etwa, wie so oft, als infantiler Rivale des Protagonisten. In der Rolle des Mentors strahlt Wen Chiang-Long [→ DIE GELBE HÖLLE DES SHAOLIN] als weiser Kung-Fu-Abt eine ausreichende Menge Würde aus, während Sze-Ma Lung [→ DIE TODESKÄMPFER DER SHAOLIN] als Endgegner mit bösem Blick und wallender weißer Haarpracht doch etwas sehr klischeehaft in Szene gesetzt wurde.

Aber Klischees erwartet man ja regelrecht bei einem Genre-Beitrag wie diesem, und im Prinzip werden alle Mechanismen zuverlässig bedient. Dazu gehören freilich auch die zahlreichen körperbetonten Konfrontationen, meist eingeleitet durch Nennung des verwendeten Kampfstils, wobei des Schurkens Zuckungen teils eher auf nen Epileptischen schließen lassen als auf Anwendung einer ausgefeilten Konzentrationsmethode. Allerdings trägt der Widersacher im Englischen tatsächlich auch den Spitznamen „Shaking Eagle“, was den Auftritt immerhin zum Teil plausibler erscheinen lässt – wobei „Zitternder Adler“ eigentlich genauso albern klingt wie es aussieht. Trotzdem ist diese Technik wohl so tödlich, dass selbst versierte Kung-Fu-Mönche wie Wen Hung lieber Fersengeld geben, als sich ihr in den Weg zu stellen. Dass es hier durchaus ernst zugeht, wird spätestens im letzten Drittel deutlich, wenn DIE 18 TODESSCHLÄGE DER SHAOLIN seine humoristischen Pfade verlässt und es anständig dramatisch und brutal wird – durchaus auch mit tragischem Ausgang, was auf emotionaler Ebene erstaunlich gut funktioniert, da die Figuren mit genügend Liebeswürdigkeit ausgestattet wurden.

Natürlich läuft auch dabei alles in eher vertrauten Bahnen und etwas Leerlauf lässt sich trotz knapper Laufzeit nicht leugnen. Ein paar Nebenhandlungen hätte man da gern noch etwas ausbauen dürfen. Wie der Strang um die wehrhafte Tochter eines Wirtshausbetreibers, die sich ebenfalls als Anführerin einer Rebellengruppe entpuppt, was eine willkommene Abwechslung bedeutet in einem Genre, das Frauen meist als passiv und schutzbedürftig porträtiert. Aber viel zu schnell ist das schon wieder kein Thema mehr, weswegen man die Chance auf ein wenig narrative Varianz überwiegend verspielt hat. Bahnbrechend wäre natürlich auch das nicht gewesen, aber zumindest doch ganz nett. Positiv anzurechnen ist, dass DIE 18 TODESSCHLÄGE DER SHAOLIN eine gute Balance findet zwischen Komik und Ernst, wobei er es angenehmerweise mit ersteren auch nicht übertreibt, was im Hongkong-Kino nämlich durchaus strapaziös sein kann. Hier sind die Kaspereien eher zurückhaltend, was den Übergang zu den härteren Elementen (inkl. des von Rachegelüsten bestrittenen Showdowns) flüssiger erscheinen lässt.

Die deutsche Fassung bricht den Film frecherweise ein paar Sekunden zu früh ab, als im Finale des Helden Fuß des Feindes Hinterkopf trifft. Das sollte wohl suggerieren, dass der Tritt tödlich oder zumindest mit einer besiegenden Ohnmacht endet. In der Originalfassung hingegen balgen sich beide noch ein paar Bilder länger, bevor beim Gegner dann tatsächlich die Lichter ausgehen. Das geschieht zwar nicht wirklich weniger plötzlich – aber zumindest halt etwas später. Warum man sich für den Titel ausgerechnet für 18 Todesschläge entschieden hat, könnte man sich nun abschließend auch noch fragen. So viele kommen nämlich nicht einmal ansatzweise vor. Mentor-Mönch Wen Hung kann seinen Schützlingen gerade einmal 6 Schläge beibringen, der Gegner beherrscht laut seiner Aussage „doppelt so viele“. Schön und gut, aber auch das wären ja laut Adam Riese immer noch längst keine 18. Hier wurde der unschuldige Kinogänger also ganz eindeutig um mindestens 6 Todesschläge betrogen. Das ist, als würde man im China-Restaurant 8 Kostbarkeiten bestellen und dann bekäme man nur 7. Wenn man dann vom Ordnungsamt wäre …

Laufzeit: 78 Min. / Freigabe: ab 16

Montag, 23. Dezember 2024

DIE SOLO-KAMPFMASCHINE


WHEELS OF FIRE
USA, Philippinen 1985

Regie:
Cirio H. Santiago

Darsteller:
Gary Watkins,
Laura Banks,
Lynda Wiesmeier,
Linda Grovenor,
Joe Anderson,
Joseph Zucchero,
Jack S. Daniels,
Steve Parvin



Inhalt:

Müsste Trace [Gary Watkins] jemals ein Formular ausfüllen, gäbe er als Beruf vermutlich „Harter Hund“ an. Aber in der postakokalyptischen Welt, in der er lebt, gibt es keine Formulare mehr, nur noch Steine, Staub und das Recht des Stärkeren. Als seine jüngere Schwester Arlie [Lynda Wiesmeier] ihm ihren neuen Lebensgefährten Bo [Steve Parvin] präsentiert, ahnt er sofort, dass der Typ keine gute Wahl ist. Tatsächlich verliert der Taugenichts wenig später bei einem Wettkampf seinen fahrbaren Untersatz – in diesem Universum vergleichbar mit dem Verlust von Haus und Hof. Es liegt an Trace, ihn aus der Sache wieder rauszuhauen (wortwörtlich) und ihm und Arlie die Flucht zu ermöglichen. Aber es dauert nicht lang, da geraten die Geretteten in die Fänge des Tyrannen Scourge [Joe Mari Avellana] und seiner Handlanger, wo sich Bo endgültig als feiger Kriecher entpuppt, der, um seine heile Haut zu retten, keine Skrupel hat, seine Geliebte dem Gegner zu überlassen. Abermals ist es also an Trace, der Fährte des Feindes zu folgen, um Arlie zu befreien. Dabei trifft er auf die Kopfgeldjägerin Stinger [Laura Banks], die ebenfalls hinter Scourge her ist.

Kritik:

Ab den 1980er Jahren drehte der philippinische Regisseur Cirio Hermoso Santiago bis in die frühen 1990er quasi am Fließband, um erst das Bahnhofskino, später auch die Videotheken mit leicht konsumierbarer Action-Ware zu beglücken. Nicht selten durfte dafür der Vietnam-Krieg als Spielwiese herhalten. Aber auch die Post-Apokalypse ließ sich mittels ein paar alter Steinbrüche und Kiesgruben immer ganz gut nachstellen. WHEELS OF FIRE gehört in letztere Kategorie - wobei man dieses Mal sogar so weit ging, sich jedwede Erklärung für den kargen Zustand der porträtierten Welt auszusparen. Warum liegt denn hier bitteschön alles in Trümmern? Nuklearexplosion? Naturkatastrophe? Michael-Wendler-Konzert? Man weiß es nicht! Nicht einmal die obligatorische Atompilzaufnahme zu Beginn wurde integriert. Somit könnte die Geschichte ebenso gut auf einem fremden Planeten spielen. Oder im Wilden Westen einer alternativen Zeitrechnung, in der die Hottehüs gegen schmauchende Benzin-Boliden ausgetauscht wurden. Eine gewisse Cowboy-Mentalität lässt sich jedenfalls nicht leugnen, wird hier doch hauptsächlich scharf geschossen und geschlagen – mal, um Recht zu brechen, mal, um es wiederherzustellen.

Vorbild der Veranstaltung war natürlich abermals der australische Meilenstein MAD MAX von 1979 mit Mel Gibson als frustriertem Motorrad-Cop auf ruppigem Rachefeldzug sowie dessen Fortsetzung, die nach dem endgültigen Zusammenbruch der Zivilisation spielt. Während die Blaupause allerdings nicht nur durch Kinetik und durchdachte Bildsprache besticht, sondern bei allem Spektakel auch eine sinnvoll arrangierte Dramaturgie besitzt, bemühten sich Santiago und Konsorten gar nicht erst und warfen irgendwie alles in den Topf, was gerade zur Verfügung stand. Eines kann man WHEELS OF FIRE somit ganz gewiss nicht vorwerfen: Ereignisarmut. Im Prinzip ist wirklich immer etwas los und trotz schmalem Budget bekommt der Action-Freund viel geboten: Kämpfe, Überfälle und Verfolgungen dominieren das Geschehen, tatkräftig unterstützt von Maschinengewehr, Handgranate und Flammenwerfer. Mitreißen kann das alles trotzdem nicht, weil es so spürbar leidenschaftslos kredenzt wurde und sich nicht zu einer schlüssigen Ereigniskette fügt.

Bereits der Beginn ist maximal banal: Der zentrale Konflikt besteht zunächst darin, dass der Held nicht mit dem neuen Lebensgefährten seiner Schwester einverstanden ist. Das ist Stoff für Seifenopern, nicht für archaische Sandepen, bei denen das Hauptanliegen aller Beteiligten stets die Sicherstellung des eigenen Überlebens sein sollte. Aber auch, nachdem das einleitende Problem abgehandelt ist, wird es nicht auffallend aufregender: Aufhänger für das ganze Rambazamba ist eine lausige Entführung – womit man sich in Sachen Dramatik auf dem Niveau einer x-beliebigen 1980er-Krimi-Serie befindet. Doch wenn ein Protagonist eine brauchbare Motivation zur Eskalation benötigt, ist die eigene Schwester in den Klauen eines skrupellosen Schurken natürlich immer gut. Joe Mari Avellana [→ TNT JACKSON] agiert als Antagonist Scourge zwar ganz passabel und ließ sich in Sachen Optik offenbar von den alten Samurai inspirieren. Viele Möglichkeiten zur Entfaltung bekam er allerdings nicht, zumal seine Ziele unerwähnt bleiben. Er ist einfach nur ein Bösewicht, der junge Frauen entführt und in Ketten legt, um sich an ihnen zu vergehen. Klar, das ist nicht nett. Aber für die Leinwand dann doch etwas lahm. Echte Kino-Schufte erledigen so etwas bereits vor dem zweiten Frühstück und fangen dann erst mit der eigentlichen Arbeit an.

Scourge gegenüber steht Trace, der Held der Story, gespielt von Gary Watkins [→ JOHNNY G.]. Dem steht zwar „Maskulinität“ auf der Stirn, aber leider eben nicht „Schauspieltalent“. Trotzdem kann Trace von Anfang an alles besser, trifft immer ins Schwarze und wird dadurch zu einer sehr langweiligen Figur. Wie sich Lynda Wiesmeier [→ WAS FÜR EIN GENIE] für ihre Rolle als Entführungsopfer qualifizierte, ist indes nicht schwer zu erraten. Darstellerische Kunstfertigkeit war es nicht. Dafür wird ihr das Privileg zuteil, gut zwei Drittel der Laufzeit oben ohne durch die Wüste wackeln zu dürfen. Bei der Hitze sicherlich sehr angenehm! Die zweite relevante Frauenfigur darf immerhin schon etwas resoluter auftreten: Laura Banks [→ STAR TREK II] gibt die taffe Kopfgeldjägerin, die sich mit Trace verbündet, da sie mit dem Oberunhold ebenfalls noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Dass sie dabei mit ihrem Pudel auf dem Kopf an TERMINATORs Heldin Sarah Connor erinnert, ist gewiss kein Zufall. Und dann ist da die junge Spike (Linda Grovenor [→ STIRB LACHEND]), die auch noch irgendwie mitmischt und nicht nur Gedanken lesen, sondern auch durch Berührung von Gegenständen erfühlen kann, wie es deren Besitzer geht. Das ist zwar toll, aber für die Handlung völlig irrelevant.

Profil besitzen diese mit heißer Drehbuchnadel gestrickten Pappkameraden alle nicht, weswegen einer uninteressanter wirkt als der andere. Dass am Skript dennoch ganze drei Personen herumgebastelt haben sollen, mag man da kaum glauben. „Zweckdienlich“ ist noch das positivste Wort, das einem dazu einfällt, hält es die einzelnen Wegstationen und Action-Szenen doch immerhin notdürftig zusammen. Interesse am Aufbau einer glaubwürdigen, geschweige denn interessanten Welt hatte man allerdings nicht. Das ist insofern bedauerlich, als dass gute Ansätze zumindest vorhanden sind. Über die hippieartige Kommune True Believers, die mitten in der Wüste eine Rakete baut, hätte man z. B. gern etwas mehr erfahren. Stattdessen ist sie einfach nur da, um den Helden als dekorative Zwischenstation zu dienen, bevor sie dann natürlich prompt überfallen wird. Oder über das Volk, das unter Tage haust und Menschen von der Oberfläche stibitzt, indem es sie einfach ins Erdreich zieht, und das von der deutschen Synchronisation doch allen Ernstes "Erdmännchen" genannt wird. Allerdings sind das keine katzenartigen Raubtierchen, sondern zombieartige Saufmumien mit ordentlich Sand in der Visage. Wie diese schwankenden Schreckgestalten es hingekommen haben, sich ein unterirdisches Höhlensystem inklusive diverser Hängebrücken zu erschaffen, das wäre auch ein Kapitel wert gewesen.

In produktionstechnischer Hinsicht braucht sich WHEELS OF FIRE dementsprechend ganz und gar nicht zu verkriechen, denn die Kulissen sind allesamt imposant und auch an vernünftiger Ausstattung mangelt es nicht. Das Team um Santiago hat mal wieder fröhlich den Fuhrpark geplündert und alle möglichen Karosserien organisiert, wobei auch vor Kanonengeschützen und Panzerfahrzeugen kein Halt gemacht wurde. Zudem gönnte man sich eine anständige Anzahl an Statisten, wodurch die Sache größer erscheint, als sie es eigentlich ist. Auf genreübliche Albernheiten hat man überwiegend verzichtet, obwohl das Flaggensymbol der Bösewichte schon ziemlich lustig ist: ein schlecht gelaunter Totenkopf mit Hörnern. Schön auch, dass zumindest einer aus der Schurkentruppe ständig mit nem Dreizack herumläuft. Wie praktisch so ein Ding wohl bei einer Schießerei sein mag? Und die behauptete Hochgeschwindigkeit bei den motorisierten Verfolgungsjagden wurde natürlich mal wieder durch Bildbeschleunigung realisiert, wozu Trace dann einfach so tut, als würde er nach hinten in den Sitz gepresst. Das sieht zwar nicht sonderlich überzeugend aus, aber immerhin musste er kein Erdbeben oder Ionensturm simulieren.

DIE SOLO-KAMPFMASCHINE, wie WHEELS OF FIRE in Deutschland extraknallig genannt wurde (allenfalls Die gnadenlose Solo-Kampfmaschine des grausamen Todes hätte noch prägnanter gewirkt) hat durchaus seine Qualitäten. Er ist gut gefilmt, bietet zum Teil tolle Locations und wartet beizeiten auch mit schönen Bildern (wie malerische Sonnenuntergänge) auf. Auch die Action ist reichlich und abwechslungsreich; Stunts und Explosionen geben sich ein wiederkehrendes Stelldichein. Die deutsche Sprachfassung entzückt dazu mit Beleidigungen wie: „Du Hängebauchschwein!“ Erstaunlich, dass er es trotzdem hinbekommt, bis zum Schluss völlig substanzlos zu bleiben. Die Figuren sind zu keiner Sekunde nahbar, es fehlt an Epik, Herz und Leidenschaft. Zurück bleibt Leere. Und während der Abspann läuft, hat man schon vergessen, worum es eigentlich ging. Wer unbedingt Endzeit von Santiago möchte, sollte sich daher eher an Traces Kollegen STRYKER wenden.

Laufzeit: 81 Min. / Freigabe: ungeprüft

Montag, 16. Dezember 2024

13 ASSASSINS


JÛSANNIN NO SHIKAKU
Japan, GB 2010

Regie:
Takashi Miike

Darsteller:
Kôji Yakusho,
Goro Inagaki,
Masachika Ichimura,
Yûsuke Iseya,
Tsuyoshi Ihara,
Takayuki Yamada,
Sôsuke Takaoka,
Kazuki Namioka



Inhalt:

Japan, 1844: Die Zeit der großen Kriege ist vorbei. Doch dem Land droht neues Unheil: Fürst Naritsugu [Goro Inagaki] soll nach dem bevorstehenden Tod seines Bruders den Thron besteigen. Das Problem: Der Mann ist ein ausgemachter Sadist, verstümmelt, vergewaltigt und mordet in unfassbarer Grausamkeit. Da er der Bruder des Shōguns ist, wird ihm Narrenfreiheit gewährt; sein Tun darf nicht infrage gestellt werden. Obwohl sein Leibwächter Hanbei [Masachika Ichimura] angewidert ist von der Unmenschlichkeit seines Vorgesetzten, hält er ihm die Treue, wie es die Tradition verlangt. Doch am Hof regt sich Widerstand: Der ehrwürdige Samurai Shimada [Kôji Yakusho] erhält den Auftrag, ein Tötungskommando zusammenzustellen, um den Fürsten zu ermorden. 13 Krieger sind es schließlich, welche planen, den Thronfolger während einer Reise durch das Land zu meucheln. Doch Hanbei bekommt von den Plänen Wind und versucht, seinen Gebieter mit aller Macht zu schützen. Als die Attentäter dem Fürsten schließlich in einem mit Fallen gespickten Dorf auflauern, sehen sie sich einer 200 Mann starken Armee gegenüber – der Beginn eines infernalen Massakers ...

Kritik:

Regisseur Takashi Miike erwarb sich mit Schockgranaten wie ICHI THE KILLER einen Ruf wie Donnerhall und kreierte gern alptraumhafte, teils verstörende Grenzüberschreitungen, die Kritik und Publikum nicht selten sprach- und ratlos zurückließen. In der zweiten Hälfte seiner Karriere jedoch wandte sich der einstige Leinwandschreck vermehrt auch massentauglicheren Projekten zu, die sich sogar auf renommierten Filmfestivals Lob einheimsen und Preise abstauben konnten. Wie 13 ASSASSINS, die Neuinterpretation eines gleichnamigen Samurai-Epos' aus dem Jahre 1962, die sich deutlich stärker an traditionelles Erzählkino anlehnt und die Enfant-terrible-Attitüde nahezu vollständig ad acta legt. Zwar finden sich auch hier zumindest im Ansatz „klassische“ Miike-Momente, aber im Gegensatz zu früheren Eskapaden, bei denen Gewalt und Grausamkeit größtenteils der Provokation dienten, besitzen sie hier eine klare narrative Funktion. Wenn die Leiche eines Mädchens gezeigt wird, die Extremitäten abgeschlagen, die Zunge herausgerissen und wie Müll auf die Straße geworfen, dann dient das nicht der Befriedigung voyeuristischer Niederungen, sondern der effektiven Bebilderung der Verworfenheit des Fürsten Naritsugu, was dem Betrachter die Notwendigkeit seiner Ermordung vor Augen führt. 13 ASSASSINS ist keine simple Zurschaustellung rüder Brutalitäten, sondern erzählt primär von komplexen moralischen Dilemmata und behandelt die philosophische Frage, inwieweit Gewalt im Dienste einer vermeintlich guten Sache legitimiert werden kann und darf.

Nicht selten kommen einem dabei die Werke Akira Kurosawas in den Sinn, allen voran der Klassiker DIE SIEBEN SAMURAI von 1954, der ebenfalls von einer Gruppe aufopferungsvoller Krieger erzählt, die sich einer scheinbar unüberwindbaren Übermacht entgegenstellen, bereit dafür, ihr eigenes Leben zu geben, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Auffallend an 13 ASSASSINS ist seine experimentelle Struktur, die mit einer Zweiteilung der Dramaturgie einhergeht. So gestaltet sich die erste Hälfte überwiegend ruhig, zeitweise fast schon meditativ. In aller Ruhe wird da die Ausgangssituation etabliert, werden die Figuren eingeführt und ihre Beweggründe nachvollziehbar gemacht. Bei der Gelegenheit wird auch nicht darauf verzichtet, den Antagonisten ausgiebig ins schlechte Licht zu rücken. Der jugendlich wirkende Naritsugu ist eine wahrlich verachtenswerte Kreatur an der Schwelle zum Wahnsinn, die teils aus Trieb, teils aus purer Lust und Langeweile schändet, tötet und terrorisiert. Mit der Unschuld eines Kindes und der Grausamkeit eines Tyrannen kommentiert der Thronfolger selbst das schlimmste Gemetzel noch mit einem infantil-entzückten „Großartig!“, bis man ihm die Pest höchstpersönlich an den Hals wünscht und regelrecht Stoßgebete gen Himmel schickt, das Tötungskommando möge doch bitte recht schnell ziemlich erfolgreich sein. Die zweite Hälfte stellt dann eine radikale Wende dar: In dramatischem Gegensatz zur bis dahin vorherrschenden Langsamkeit entfesselt Miike ein fast eine Stunde andauerndes, apokalyptisches Gemetzel, ein dreckiges Wühlen in Schlamm, Schweiß und Blut, bei dem wahrlich keine Gefangenen gemacht werden. Und obwohl es natürlich in erster Linie diese Eindrücke sind, die mit nach Hause genommen werden, wäre es ein Fehler, die Wucht des Werkes allein auf das infernale Finale zu beschränken.

Denn nur vordergründig wird hier die Geschichte eines Blutbads erzählt. Hinter all dem Hauen, Stechen und Sterben verbirgt sich ein tiefgründigerer Kommentar auf die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen im Japan des späten 19. Jahrhunderts. 13 ASSASSINS spielt in der Edo-Zeit (ca. 1615 - 1868), einer Ära weitgehender Stabilität, in der die Samurai keine klassischen Krieger mehr waren, sondern Teil eines streng geregelten, von Bürokratie geprägten Systems. Miike bietet einen authentisch anmutenden Einblick in eine Zeit, in der der traditionelle Samurai-Kodex, der jahrhundertelang die japanische Gesellschaft geprägt hatte, seinen letzten Atemzug tut. Seine Protagonisten sind keine Helden, sondern verzweifelte Männer, die in einer sich verändernden Welt keine Rolle mehr spielen. Ihre Ideale sind veraltet, ihre Ehre wurde durch die politischen Umwälzungen der Zeit untergraben, und sie selbst wirken in der damaligen modernen Gesellschaft überflüssig. Aus diesem Gefühl der Entwurzelung heraus gehen sie in den Tod, entschlossen, ein letztes Mal ihre Ehre zu verteidigen und eine letzte Heldentat zu vollbringen, die ihnen einen Platz in der Geschichte sichern soll. An der Absurdität blinden Gehorsams wird dabei kaum ein Zweifel gelassen. Entscheidend ist dabei die Figur des Leibwächters Hanbei, der von den Gräueltaten des Fürsten zwar ebenso angewidert ist wie alle anderen, sich aber dennoch blindlings, starr bewährter Tradition folgend und entgegen jeder menschlichen Vernunft, an die Aufgabe klammert, seinem Herren zu dienen und dessen Leben zur Not mit seinem eigenem zu beschützen. Dieser innere Zwiespalt, der tief im kulturellen Selbstverständnis Japans verwurzelt ist, verleiht 13 ASSASSINS eine psychologische Tiefe, die ihn weitaus vielschichtiger macht, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

13 ASSASSINS ist eine gelungene Frischzellenkur für das Samurai-Genre, die klassische Motive mit den Funktionalitäten des modernen Action-Kinos kreuzt und genügend Raum zur Reflexion lässt. Die japanische Originalfassung läuft direkt noch einmal 20 Minuten länger, angereichert mit ein wenig übernatürlichem Tamtam, den man dem westlichen Publikum wohl nicht auch noch aufhalsen wollte – vermutlich nicht ganz zu Unrecht, gefällt das Werk doch gerade durch seine Bodenständigkeit. Zu einem Klassiker reicht es freilich trotzdem nicht. Wohl aber zu einem facettenreichen Kunstwerk, das beweist, dass Action und Anspruch keine Konkurrenten sein müssen.

Laufzeit: 120 Min. / Freigabe: ab 16

Montag, 9. Dezember 2024

DER SHOGUN UND SEIN SAMURAI


SANADA YUKIMURA NO BORYAKU
Japan 1979

Regie:
Sadao Nakajima

Darsteller:
Hiroki Matsukata,
Kinnosuke Yorozuya,
Minori Terada,
Teruhiko Aoi,
Hiroyuki Sanada,
Chiezô Kataoka,
Midori Hagio,
Tatsuo Umemiya



Inhalt:

17. Jahrhundert: Nach der Schlacht von Sekigahara ist Fürst Tokogawa Ieyasu [Kinnosuke Yorozuya] der mächtigste Mann Japans. Das von ihm installierte Shōgunat agiert als unantastbare Zentralregierung, der sich alle Fürstentümer unterwerfen müssen. Widerstand gegen die Herrschaft regt sich u. a. im Clan der Toyotomi, der auf Burg Ōsaka residiert. Zu den Vasallen Toyotomis gehört auch die Familie Sanada. Als deren Oberhaupt Masayuki [Chiezô Kataoka] einem Mordanschlag Tokogawas zum Opfer fällt, läuft dessen Sohn Nobuyuki [Tatsuo Umemiya] zu Tokogawa über. Sein Bruder Yukimura [Hiroki Matsukata] jedoch, motiviert auch durch den Freitod seiner Frau Aya [Midori Hagio], strebt nach Vergeltung und rekrutiert aus arbeitslosen Schwertkämpfern und heimatlosen Ninjas eine Gruppe von Rebellen.

Kritik:

SHOGUN ASSASSINS beginnt im Weltraum. Aus allerlei astralen Blitz- und Lichteffekten formiert sich final ein seltsamer, rot glühender Brocken, der kurz darauf Kurs auf die Erde nimmt – genauer gesagt in Richtung von Schloss Nagoya, wo zu diesem Zeitpunkt Fürst Tokogawa Ieyasu verweilt, um sich bei Sushi und Sake von seinen Gefolgsleuten Honig ums Maul schmieren zu lassen. Den Tumult, den das Auftauchen des Himmelskörpers verursacht, nutzt ein vermummter Attentäter, um sich ins Schloss zu schleichen, mit dem Ziel, Tokogawa des Nachts einen Kopf kürzer zu machen – ein Plan, der zu gelingen scheint: Just, als das geheimnisvolle Gestirn auf der Erde aufschlägt, bekommt der schlafende Shōgun die Klinge eines scharfen Schwerts zu spüren. Dessen Besitzer ist Kirigakure Saizō [Minori Terada], einer der Gefolgsleute der vom Fürsten verstoßenen Sanada-Familie, der am Folgetag herausfinden muss, dass er getäuscht wurde und lediglich einen Doppelgänger getötet hat. Tokogawa ist weiterhin Alleinherrscher über Japan und der Kampf geht weiter.

Dieser ungewöhnliche Auftakt, bei dessen ersten Bildern man sich fragt, ob man sich buchstäblich im falschen Film befindet und zufällig bei so etwas wie STERNENKRIEG IM WELTALL gelandet ist, steht exemplarisch für die experimentelle Attitüde des Werks, das nicht nur verschiedene Genres kreuzt, sondern dem Publikum auch eine wilde Mixtur aus historischen Fakten und heißblütiger Fiktion serviert. Denn während Shōgun Tokogawa Ieyasu, sein Widersacher Sanada Yukimura und auch viele andere Figuren tatsächlich existierten, ist der Ninja Kirigakure Saizō eine reine Sagengestalt, die seit Urzeiten in unterschiedlichen Interpretationen durch die japanische Popkultur geistert. SHOGUN ASSASSINS ist am Ende mehr Fantasy als Geschichtsstunde und kokettiert damit auch sehr offenherzig. Regisseur und Co-Autor Sadao Nakajima [→ OKINAWA YAKUZA WAR] webt aus Wahrheit und Folklore die spinnerte Fabel einer Widerstandsgruppe, an deren Spitze der von Rache und Trauer getriebene Samurai Sanada Yukimura steht.

Einer seiner Rekruten ist Sasuke Sarutobi, ebenfalls eine legendäre, vor allem in Mangas und Animes immer wieder gern verwendete fiktive Figur, die für gemeinhin als Superhelden-Ninja beschrieben wird und auch hier tüchtig vom Leder ziehen darf: Sasuke kann Wirbelstürme heraufbeschwören, sich in Feuerbälle verwandeln und durch kreiselartige Drehbewegungen vom Boden abheben, um seine Gegner in der Luft zu verwemsen. Warum er das nicht immer macht, um seiner Truppe zum Sieg zu verhelfen, sondern mit seinen Fähigkeiten unnötig haushält, ist eine offensichtliche Schwäche des Drehbuchs, das man diesbezüglich besser nicht auf Nachvollziehbarkeit abklopft. Im Großen und Ganzen ziehen Sanada und seine Mannen nämlich doch sehr weltlich gegen den Feind zu Felde: mit Kanonen, Schwertern und Sprengstoff. In einem der besten Momente leiten die Rebellen Öl in einen Bach, der am Munitionslager Tokogawas vorbeifließt, um es dann zu entzünden, was in einem visuell aparten Flammenmeer mündet, das zahlreiche Miniaturbauten eindrucksvoll in Mitleidenschaft zieht.

Action-Attraktionen wie diese sind in den satten zweieinhalb Stunden Laufzeit allerdings eher rar gesät. Viel Raum bekommt dafür der Dialog, der Konflikte und Interessen der einzelnen Parteien nachvollziehbar machen soll. Das geht freilich nicht immer ganz so locker runter wie das Öl, das erfolgreich das feindliche Lager infiltriert, sondern gestaltet sich bisweilen etwas zäh, da allein schon die Personaldichte dezent überfordernd wirkt: Unzählige Charaktere werden per Texteinblendung vorgestellt, aber sich zu merken, wer jetzt welchen Namen trägt und welchen Rang er bekleidet, ist schon eine ziemliche Mammutaufgabe. Viele der zwischenmenschlichen Zwiespälte sind zudem eng verwoben mit Epoche und Kultur, was das Begreifen diverser Krisenherde nicht unbedingt erleichtert. Es ist erstaunlich, wie bodenständig und authentisch SHOGUN ASSASSINS dadurch wirkt, zumal überraschend viel auf tatsächlichen Begebenheiten beruht. So unterdrückte der echte Tokogawa Ieyasu mit aller Gewalt das Praktizieren des Christentums, hier portraitiert am Beispiel der koreanischen Christin Julia Ota [Yôko Akino], die ebenfalls wirklich existierte und von Tokugawa ins Exil geschickt wurde. Und wie in der Realität geschehen, findet Tokugawa auch hier einen fadenscheinigen Grund (eine angebliche Beleidigung als Inschrift auf einer Glocke), um die Verbliebenen des Toyotomi-Clans anzugreifen und die Machtverhältnisse zu klären.

Akkurates Historienkino ist SHOGUN ASSASSINS dennoch nicht – und das nicht nur, weil der geschichtlich verbürgte Ausgang der Ereignisse zum Finale ohne Not neu gedichtet wird. Die Historie dient als Basis für eine Vermengung mit Mythologien, Fabeln und Esoterik, wobei der bierernste, bodenständige Duktus niemals verlassen wird. Da können dann auch ohne Probleme mal Ninja-Nonnen das Parkett betreten, ohne dass es auffallend albern wirkt. „Wir wurden Ninja-Nonnen“, erklärt die Mutter Oberin da ganz gewichtig, „die im ganzen Land ihre Körper gegen Informationen verkauften.“ Ja, in der Tat: Es sind Ninja-Nonnen-Nutten! Und dass der Shōgun-Armee halluzinogene Drogen in die Getränke gemischt wurde, woraufhin diese während der Schlacht nen totalen Film schiebt, ist nun ganz gewiss ebenso wenig überliefert wie der Umstand, dass sich der letzte Überlebende am Ende in einen Felsbrocken verwandelt und ins Weltall fliegt.

Wer die deutsche Fassung von SHOGUN ASSASSINS gesehen hat, der reibt sich ob dieser Worte vermutlich verwundert die Augen. Weltall? Drogen? Meteore? Überlänge? Was? Verständlich, denn was in Deutschland als DER SHOGUN UND SEIN SAMURAI ankam, ließ sage und schreibe 70 Minuten Material vermissen. Die Überbleibsel des Ganzen kann man gepflegt in der Pfeife rauchen. In einem Affenzahn wird da von Szene zu Szene gesprungen; die ausführlichen Vorstellungen der einzelnen Widerstandskämpfer, die im Original alle eine einleitende Episode spendiert bekamen, fehlen ebenso, wie jedwede Anspielung auf magische oder esoterische Elemente, wodurch auch fast alle der tollen visuellen Effekte gnadenlos eliminiert wurden. Komplexere Sachverhalte hat man ebenfalls ohne Rücksicht auf Verluste herausgeschnitten und/oder wegsynchronisiert, bis von der ursprünglichen Idee wirklich rein gar nichts mehr übrig war. Da nutzen auch die professionellen Stimmen (wie Elmar Wepper oder Christian Tramitz) nichts mehr. Aus dem experimentellen Epos wurde ein zusammenhangloses Fragment, das das eigentliche Werk nicht einmal mehr erahnen lässt.

Die unangetastete Version hingegen ist fraglos einen Blick wert. Nicht ohne Längen und zwischenzeitlich wohl etwas arg verlabert und schwerfällig erzählt, sticht SHOGUN ASSASSINS aufgrund seiner Verschrobenheit und seines visuellen Einfallsreichtums doch sehr angenehm aus der Masse heraus. Und wer genau aufpasst, erkennt als einen der Ninja-Rebellen den Schauspieler Hiroyuki Sanada, dem später eine beachtliche Hollywood-Karriere zuteilwurde. Interessantes Detail: Gut 45 Jahre später spielte Sanada in der Serie SHOGUN den Fürsten Toranaga – dessen reales Vorbild Tokogawa Ieyasu war. Hiroyuki Sanada jagt hier also quasi sein zukünftiges Selbst. Da ist sie wieder, die Esoterik.

Laufzeit: 148 Min. / Freigabe: ungeprüft

Montag, 2. Dezember 2024

CITY OF DARKNESS


JIU LONG CHENG ZHAI – WEI CHENG
China 2024

Regie:
Cheang Pou-Soi

Darsteller:
Raymond Lam Fung,
Sammo Hung Kam-Bo,
Louis Koo Tin-Lok,
Richie Ren Xian-Qi,
Terrance Lau Chun-Him,
Kenny Wong Tak-Ban,
Philip Ng Wan-Lung,
Aaron Kwok Fu-Sing



Wer das Action-Epos TWILIGHT OF THE WARRIORS – WALLED IN, so der internationale Titel von CITY OF DARKNESS, völlig unbefangen schaut, wird wohl kaum glauben können, dass dessen spektakulärer Schauplatz einst tatsächlich existierte. Die spätere „Kowloon Walled City“ wurde bereits während der Song-Dynastie (960 bis 1279) als Militärposten geschaffen und wuchs über Jahrhunderte zu einer Festung heran, die selbst nach der Abtretung Hongkongs an Großbritannien im Jahr 1842 ein Symbol chinesischer Souveränität blieb. Nachdem während des Zweiten Weltkriegs ihre schützenden Mauern doch noch eingerissen wurden, strömten Scharen von Menschen auf der Flucht vor dem chinesischen Bürgerkrieg in die verlassene Enklave und ließen sie zu einem anarchischen Mikrokosmos heranwachsen. Da keine Regierung Interesse anmeldete, übernahmen in den 1950er-Jahren die Triaden die Kontrolle und verwandelten die Stadt in einen Hort von Glücksspiel, Prostitution und Opiumhöhlen. Auf engstem Raum entstanden zahllose Werkstätten, Kliniken und Wohnungen – ein eigenes Ökosystem, das ohne Rücksicht auf Bauvorschriften oder Infrastruktur förmlich in den Himmel wuchs und zeitweise als am dichtesten besiedelter Ort der Welt geführt wurde. 1987 wurde beschlossen, die Stadt abzureißen. Nach einem schwierigen Räumungsprozess verschwand dieses einzigartige Bollwerk menschlicher Überlebenskunst bis 1994 vollständig.

Wenn man das Hongkong-Kino liebt, dann ist einem die Walled City womöglich bereits begegnet. So stellten die Shaw Brothers 1982 beispielsweise die BROTHERS FROM THE WALLED CITY vor und zwei Jahre später diente sie mehreren Gangstern als Zufluchtsort vor THE LONG ARM OF THE LAW. Auch Jackie Chan prügelte sich 1993 in seiner CRIME STORY durch die realen Kulissen der verlassenen Mauerstadt, die zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Einebnung stand. Aber so wie in CITY OF DARKNESS wurde sie zuvor noch niemals präsentiert. Mittels Nachbauten und Computergraphiken holte man die Örtlichkeit zurück ins Leben, präsentiert als monolithischen Moloch, der - obwohl von der damaligen Realität gar nicht allzu weit entfernt – wirkt, als habe man Frank Millers Sin City mit J. R. R. Tolkiens Mordor zusammen in den Mixer geworfen. Ohne Frage ist der Schauplatz dann auch der eigentliche Hauptdarsteller von CITY OF DARKNESS, ein gigantisches, dauerbewegtes Labyrinth, an dem man sich nicht sattsehen kann und möchte, unzählige übereinandergestapelte und ineinander verschachtelte Elendsquartiere, ein wuselndes Wimmelbild aus Wasserrohren, Wäscheleinen und Winkelgassen, bei dem man stellenweise nicht weiß, wo unten und wo oben ist, weil alles ineinanderfließt und nur als Einheit zu existieren scheint. Und diese pittoreske Kulisse bietet die Bühne für akrobatische Auseinandersetzungen aller Art, meist über mehrere Stockwerke hinweg, wobei die Steigungen von den Kämpfenden teils per Motorrad überwunden werden, oft jedoch, wie im Martial-Arts-Genre nicht unüblich, auch per purer Muskelkraft und Körperbeherrschung.

Der Plot, den man in diese Mauern pflanzte, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Yu Wing Leung und bedient sich den üblichen Versatzstücken des Gangster-Genres, die jedoch sinnstiftend mit der gewählten Lokalität verwoben werden.

Inhalt:

1980er Jahre: Chan Lok-Kwan [Raymond Lam], ein Flüchtling vom Festland, ist illegal in Hongkong und hält sich mit brutalen Untergrundkämpfen über Wasser. Um sein Leben zu verbessern, will er einen gefälschten Ausweis kaufen, wird jedoch von Mr. Big [Sammo Hung], einem lokalen Syndikatsboss, hintergangen. In einer verzweifelten Kurzschlussreaktion klaut Chan ihm einen Beutel mit Drogen und sucht das Weite. Obwohl Bigs Schergen sofort die Verfolgung aufnehmen, kann er ihnen nach intensivem Schlagabtausch entkommen – und strandet schließlich in der Walled City, einem von der Außenwelt abgeschirmten Sperrgebiet, in dem eigene Gesetze gelten. Kaum angekommen, erweckt er das Interesse des freundlichen Friseurs Cyclone (in der deutschen Fassung: Tornado) [Louis Koo], einem der heimlichen Anführer des Gebiets, der ihm bedingungslos Obdach gewährt. Obwohl zunächst nur als vorübergehende Zuflucht geplant, wird die Walled City für Chan zum neuen Zuhause, erfährt er unter den Bewohnern trotz aller Anarchie eine bis dahin nie erlebte Solidarität. Doch dann geraten Chan und seine Vertrauten in die Mühlräder von Rachlust, Gier und Politik – denn das Ende der Stadt ist längst beschlossen.

Kritik:

Fast könnte man meinen, dass sich CITY OF DARKNESS ein wenig zu viel aufbürdet, denn an Ambition mangelt es ihm nicht. Zum einen, das ist das Offensichtlichste, will er natürlich ein Actionfilm sein, und das ist er freilich auch. Im Fokus stehen die Geschwindigkeit, die hier mehrfach zelebriert wird, wenn man sich z. B. durch dafür eigentlich viel enge, dunkle Gassen hetzt, und die Kampfkunst, die, dem Genre gehorchend, als nahezu einziges Kommunikationsmittel zur Konfliktaustragung aus den Menschen herauszubrechen scheint. Manchmal wird auch beides kombiniert, wenn man sich – in einer der wenigen Sequenzen, die außerhalb abschirmender Mauern stattfinden – in und auf einem fahrenden Bus beharkt und dabei auch durch splitternde Scheiben scheucht. Gleichzeitig gebärdet man sich auch als großes Gangsterepos, das über mehrere Jahrzehnte hinweg mit ausladendender Geste von Schuld und Sühne erzählt. Vor allem aber ist CITY OF DARKNESS ein Endzeitfilm. Denn die Welt, von der er erzählt, ist dem Untergang geweiht. Das ist keine Drehbuchfantasie: 1994 war der Ort von der Karte verschwunden. Der apokalyptische Überzug kommt also nicht von ungefähr: Sämtliche Figuren taumeln am Rande des Abgrunds, über alles und jedem hängt die Aura des Vergänglichen. Doch die Leute verzweifeln nicht. Es passt nicht zu ihnen. Bisher haben sie noch aus jeder misslichen Lage einen Ausweg gefunden. Deswegen sind sie hier.

Von Außenstehenden als Stigma der Stadt gebrandmarkt, erscheint die Walled City in Wahrheit als alternativer Lebensentwurf, als ein Refugium, das Armen und Ausgestoßenen die Möglichkeit einer nonkonformistischen Existenz bietet. Als Chan Lok-Kwan nach (zugegebenermaßen) hartem Empfang angeschlagen über die Straße stolpert, reichen ihm durchs Fenster plötzlich helfende Hände Speis und Trank. Sie gehören zu einem Kind, einem kleinen Mädchen, das – im Gegensatz zur Hauptfigur Chan, die hier noch neu ist – Teil dieses Räderwerks ist und in souveräner Selbstverständlichkeit weiß, wie alles funktioniert und man sich zu verhalten hat. Es ist ein Ort ohne Gesetze, aber nicht ohne Regeln. Diese starke Romantisierung realer Begebenheiten könnte man den Autoren gewiss zum Vorwurf machen. Aber zum einen wird die Anwesenheit von Gewalt nicht verschwiegen (da wird eine Prostituierte mit zerschmettertem Schädel aufgefunden – ihr letzter Freier hatte wohl schlechte Laune). Und zum anderen erhebt CITY OF DARKNESS zu keiner Sekunde den Anspruch, ein authentisches Abbild von irgendetwas zu sein. Spätestens im Finale, wenn manch Gegner regelrecht übernatürliche Kräfte entwickelt und die Gesetze der Physik lediglich Vorschläge werden, ist klar, dass man doch nur eine Art von Superhelden-Comic vor sich hat. Zwar deutlich mehr der Wirklichkeit verpflichtet als z. B. die X-MEN, aber eben doch nur Fiktion.

Für Freunde anspruchsvoller Kampfkunst-Unterhaltung ist CITY OF DARKNESS wahrlich ein Fest. So hoch die Ambitionen der Macher auch gewesen sein mögen, das Ergebnis gereicht zur Ehre und platzt vor Energie und Leidenschaft fast aus allen Nähten. Die Story an sich ist nichts Besonderes, es geht um das Übliche: Rache, Rivalität und Macht. Sonderlich geschickt erzählt ist sie auch nicht; die Mehrheit der etablierten Konflikte wird später auf brutale Weise null und nichtig. Dennoch haben Cheang Pou-Soi [→ DOG BITE DOG] und seine Autoren ein wuchtiges, vibrierendes, bemerkenswertes Stück Kino erschaffen. Zwischen flackerndem Neonlicht und düsteren Gassen erspinnt sich eine dampfgeschwängerte Dystopie, die den turbulenten Zeitgeist des Hongkongs der 1980er Jahre wieder aufleben lässt. CITY OF DARKNESS ist der Kommentar zu den tiefgreifenden Umbrüchen, die der Abriss der Walled City mit sich brachte, und atmet damit auch den unsteten Geist des Filmschaffens jener Zeit, das aufgrund der bevorstehenden Übergabe der Kronkolonie an China von der Angst vor dem Verlust der eigenen Identität geprägt war. Die Mitwirkung Sammo Hungs [→ RISE OF THE LEGEND], einem der bedeutsamsten Darsteller jener „goldenen Ära“, trägt diesem Umstand Rechnung. Mit Louis Koo [→ DRUG WAR] und Aaron Kwok [→ COLD WAR] sind zudem noch zwei weitere verdiente Hochkaräter des Hongkong-Kinos an Bord. Nur, dass für relevante Frauenrollen offenbar kein Platz mehr war, ist zu bedauern.

Laufzeit: 125 Min. / Freigabe: ab 16

Sonntag, 25. August 2024

COLD WAR II


HON  ZIN II
China 2016

Regie:
Luk Kim-Ching,
Leung Lok-Man

Darsteller:
Aaron Kwok,
Leung Ka-Fai,
Chow Yun-Fat,
Janice Man,
Eddie Peng,
Aarif Lee,
Waise Lee



Beim Hongkong-Kino bedeutet das Vorliegen eines „2. Teils“ nicht zwangsläufig, es tatsächlich mit einer Fortsetzung zu tun zu haben. Denn wenn Cast und Crew sich nach einem Erfolg wieder vereinen, dann häufig nur deswegen, um eine thematisch ähnliche, oft auch im gleichen Milieu spielende, aber nichtsdestotrotz völlig neue Geschichte mit neuen Figuren zu erzählen. So geschehen z. B. bei der SPL-, SHOCK WAVE- oder OVERHEARD-Reihe: Autoren, Regisseure und Darsteller überwiegend identisch, die einzelnen Beiträge aber inhaltlich autark. Da darf man es fast schon als kleine Überraschung werten, dass der vorliegende COLD WAR II wirklich eine waschechte Weitererzählung darstellt und haargenau dort ansetzt, wo beim Kassenschlager COLD WAR vier Jahre zuvor der Abspann ins Bild kam.

Inhalt:

Der Drahtzieher der Entführungsaktion, welche einst die Operation Cold War initiierte, sitzt zwar hinter Gittern, aber sein Einfluss ist ungebrochen. So gelingt es ihm, die Frau von Einsatzleiter Sean Lau [Aaron Kwok] gefangennehmen zu lassen und einen Austausch zu erzwingen. Obwohl alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, wird die Aktion, dank Bombenterror und Massenpanik im U-Bahn-Schacht, zum Desaster. Während sich Lau für diese Sache vor einem Komitee verantworten muss, wittert sein Konkurrent Lee [Leung Kar-Fai] die Möglichkeit, dessen Posten als Police Commissioner zurückzuerobern. Aus diesem Grunde liebäugelt er auch mit dem verlockenden Angebot eines gewissen Peter Choi [Chang Kuo-Chu], seines Zeichens ehemaliger Polizeipräsident, der mit seinen Leuten den gesamten Sicherheitsapparat zu unterwandern gedenkt. Wind von dieser Verschwörung bekommt allerdings der ehemalige Richter Oswald Kan [Chow Yun-Fat], ausgerechnet Mitglied im Untersuchungsausschuss zum Fall Lau, woraufhin er die junge Anwältin Isabel Au [Janice Man] engagiert, um Beweismaterial zu sammeln. Aber auch Lau selbst ist nicht untätig und sichert sich die Unterstützung seines ehemaligen Rivalen Billy Cheung [Aarif Lee] aus der Antikorruptionsbehörde, der nun ebenfalls eigenständig Ermittlungen anstellt, um Laus Ruf wieder reinzuwaschen.

Kritik:

Fast schon übertrieben viel Personal also, das sich hier gegenseitig belauert und beharkt, als ob’s kein Morgen gäbe. Allianzen werden geschlossen, Bündnisse geschmiedet und Intrigen initiiert, aber involvieren kann das alles kaum. Dabei haut der Vorspann noch so richtig auf die Kacke, wenn in einer aufwändig gestalteten Animation lauter in Eisblöcke eingeschlossene Figuren sich aus ihren glitzernden Gefängnissen heraussprengen, um sich im Anschluss gegenseitig per Schusswaffe zu malträtieren. In Kombination mit der bombastischen akustischen Untermalung wird klargemacht: Was jetzt folgt, wird nicht mehr und nicht weniger sein als die absolute Sensation. Ziemlich schnell jedoch schält sich heraus, dass dieses Versprechen nicht eingehalten wird. Dabei ist es vor allem eben jene so anschaulich skizzierte Kälte, die nachfolgend zum Problem wird, wirken die zahlreichen Charaktere doch viel zu eisig, als dass man sich empathisch mit ihnen verbinden könnte.

COLD WAR II schert sich keinen Deut um Figurenzeichnung und Persönlichkeitsentwicklung und präsentiert Prota- wie Antagonisten als unnahbare Pappkameraden, die fast schon bemitleidenswert freudlos operieren. Die sich daraus entwickelnde Handlung ist eher minimalistisch und ähnlich reservierter Natur. Nach Etablierung der Prämisse dominiert ein Konglomerat aus angeregten Diskussionen, angestrengten Grübeleien und konzentriertem Mienenspiel, das viel zu selten von alternativem Geschehen unterbrochen wird. Als Abwechslung fungiert allenfalls ein mittiges Geschwindigkeits- und Geschossaustausch-Intermezzo im Autobahntunnel, welches die Gesetze der Physik geringfügig neu arrangiert. Zum Finale dürfen zwar abermals ein paar Kugeln durch die Gegend und zudem ein paar Container in die Luft fliegen, aber zum Action-Spektakel langt das beileibe nicht. Das muss es freilich auch nicht, wäre aber zur Kompensierung der spröden Dramaturgie durchaus von Reiz gewesen.

Denn was Teil 1 zu viel hat, hat Teil 2 zu wenig: Setzte man dort noch auf eine heillos übertriebene Spannungsdramaturgie, bei der gefühlt jeder zweite Satz mit einem pompösen Paukenschlag bedacht wurde, war man hier offenbar der Ansicht, die dargebotenen Ereignisse und Erkenntnisse gerieten bereits von Haus aus fesselnd genug und ließ das Publikum damit ziemlich allein. Gab es beim Vorgänger mit dem Kompetenzwettstreit zwischen Lau und Lee noch einen zentralen Konflikt, der sich auf zwei wesentliche Personen beschränkte, existiert in diesem Falle eine ganze Wagenladung an Parteien und Interessen, was final die eigene Interesselosigkeit zur Folge hat. Zwischenzeitlich hat es dabei den Anschein, COLD WAR II mausere sich zu einer Art Gerichts-Drama, wenn sich „Krawatten-Cop“ Sean Lau (wie im Vorgänger verkörpert von Aaron Kwok) vor einem Untersuchungsausschuss für seine Entscheidungen rechtfertigen und um seine Karriere bangen muss. Das hätte immerhin eine klare Linie reingebracht. Aber viel zu wenig kümmert sich das Skript um diese Sache; die entsprechenden Sequenzen sind viel zu kurz, um Spannung aufzubauen. Und auch die Verschwörungskiste, die im Hintergrund läuft, verzichtet beinahe auf jedweden Nervenkitzel: Da das Publikum schon längst weiß, was die Protagonisten erst in mühevoller Kleinarbeit ermitteln müssen, gestalten sich die Enthüllungen nur wenig aufregend und völlig überraschungsfrei.

Die einzige Überraschung, die COLD WAR II in gewissem Maße zu bieten hat, ist der Umstand, dass er in seiner Botschaft doch erstaunlich subversiv geriet. Immerhin wird hier die Möglichkeit in den Raum gestellt, es könnte einer dunklen Macht tatsächlich gelingen, die Polizei Hongkongs zu unterwandern. Klar, es klappt am Ende nicht. Aber nur deswegen, weil eine Handvoll Leute zur richtigen Zeit den richtigen Riecher hatte und keine Scheu davor, das Richtige zu tun. Und auch, dass die unrühmlichen Ereignisse am Ende ohne jede Not vertuscht werden, um einem Misstrauen der Bevölkerung entgegenzuwirken, ist ein Zugeständnis, das man bei der unter ständiger Regierungskontrolle stehenden Film-Industrie Hongkongs kaum erwartet hätte.

Auf darstellerischer Ebene gibt es kaum etwas zu mosern – wobei man zumindest anmerken muss, dass speziell Aaron Kwok [→ MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN] mittlerweile eher für Belustigung sorgt, wirkt er doch in jeder Szene, als gelte es, den Oscar in der Kategorie „Versteinertes Starren“ abzustauben. Während Leung Kar-Fai [ HARD GAMEdieses Mal deutlich weniger zu tun hat als im Vorgänger und sogar fast zur Nebenfigur verkommt, fallen als neue Namen auf der Besetzungsliste zwei Ikonen des Hongkong-Kinos ins Auge: Hinzugekommen ist einerseits Chow Yun-Fat [DER FLUCH DER GOLDENEN BLUME], der sich seine Brötchen nach seiner Karriere als Komiker, TV-Star und Actionheld schließlich mit kleinen größeren Nebenrollen wie diesen hier verdiente. Als ehemaliger Richter mit feinem Näschen für Lug und Betrug spielt er mit nur wenig Aufwand einen Großteil seiner Mitstreiter locker an die Wand (auch, wenn er sich inzwischen offenbar im Gesicht hat herumbasteln lassen). Und auch sein A BETTER TOMORROW-Kollege Waise Lee schiebt sein Antlitz für ein paar Szenen in den Bildrahmen. Viel zu tun hat er dabei zwar nicht, von inhaltlicher Relevanz kann auch kaum die Rede sein, aber dennoch schön, ihn zu sehen.

Am Ende muss man konzedieren, dass man sich die Zeit auch deutlich schlimmer vertreiben könnte als mit COLD WAR II, aber im Großen und Ganzen ist das dennoch ne ziemlich lahme Angelegenheit - nicht wirklich schlecht, aber eben doch ernüchternd belanglos und uninvolvierend. Dass man die Palette an Schauplätzen gegenüber dem Vorgänger deutlich erweiterte und die Handlung aus dem prätentiösen Polizeirevier hinausführte, sorgt zwar für visuelle Abwechslung, aber nicht unbedingt für gesteigertes Interesse. So ist die abermals auf Hochglanz polierte Fortsetzung in erster Linie für all jene attraktiv, die sich gern am Schauspiel altgedienter Recken erfreuen oder vom Intrigenkrieg vor Edel-Kulisse schlichtweg nicht genug bekommen.

Laufzeit: 110 Min. / Freigabe: in Deutschland nicht erschienen

Sonntag, 18. August 2024

COLD WAR


HON ZIN
China 2012

Regie:
Luk Kim-Ching,
Leung Lok-Man

Darsteller:
Aaron Kwok,
Leung Ka-Fai,
Charlie Yeung,
Gordon Lam,
Chin Ka-Lok,
Andy On,
Andy Lau



Inhalt:

Auf den Straßen Hongkongs: 5 Polizisten stoppen einen betrunkenen Autofahrer. Dieser verweigert sich der Festnahme, will Beziehungen geltend machen. Was dann passiert, ist unklar. Am nächsten Morgen sind die Beamten verschwunden, scheinbar spurlos, samt Einsatzfahrzeug. Die Lage spitzt sich zu, als sich ein unbekannter Anrufer bei der Hongkong Police meldet, zu der Entführung bekennt und eine astronomisch hohe Lösegeld-Summe fordert. Von nun an läuft der Sicherheitsapparat auf Hochtouren. Die Einsatzleitung hat der radikale M. B. Lee [Tony Leung Ka-Fai] inne, dessen Sohn sich pikanterweise unter den Geiseln befindet. Doch aufgrund seiner herrischen Vorgehensweise und mutmaßlicher Befangenheit regt sich in den eigenen Reihen rasch Widerstand. Rädelsführer der internen Gegenbewegung ist der aufstrebende Sean Lau [Aaron Kwok], der statt auf Gewaltaktionen auf Dialog und Taktik setzt. Es kommt zum offen ausgetragenen Kompetenzwettstreit, der schließlich in einer Meuterei endet. Währenddessen läuft das Ultimatum der Entführer langsam, aber sicher ab.

Kritik:

Und jetzt alle im Chor: „Hongkong ist die sicherste Stadt Asiens.“ Diese tollkühne Behauptung kam bereits beim Marketing COLD WARs ausgiebig zum Einsatz und zieht sich in gebetsmühlenartiger Dauerschleife auch wie ein Leitfaden durch das Endprodukt. Natürlich ist das nicht mehr als eine unverifizierte Propaganda-Parole (was eine Reihe von Rezensenten jedoch nicht davon abhielt, sie treudoof als angebliche Tatsache wiederzukäuen). Wenn der prätentiöse Polizei-Thriller für einen selbst auf erzählerischer Ebene funktionieren soll, muss diese Beteuerung allerdings tatsächlich als gegeben hingenommen werden, wird doch die enorme Fallhöhe aller hier skizzierten Figuren ansonsten gar nicht klar. Denn dank Drehbuch passiert genau das, was laut Prämisse eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit sein sollte: In Hongkong, der sichersten Stadt Asiens, auf deren Straßen die Polizei als quasi unantastbare Instanz agiert (Zitat: „Wir sind Polizisten. […] Wenn du Polizisten angreifst, darf ich dich sogar totschlagen.“), wird eine fünfköpfige, bestens ausgebildete Einheit samt Einsatzfahrzeug und dazugehörigem High-Tech-Equipment Opfer einer Entführung. Als diese Nachrichtenbombe ins Führungsgebäude platzt, versetzt das die Belegschaft kurzzeitig in eine kollektive Schockstarre, die nicht großartig anders ausgefallen wäre, hätte sie stattdessen erfahren, ein Meteorit sei soeben auf die Erde geknallt. Was dann folgt, ist eine permanent unter Starkstrom stehende katastrophennotstandähnliche Betriebsamkeit, die zumindest die Protagonisten-Pulse heftigst hämmern lässt und alle Regler aufs Maximum schiebt.

Die Werbekampagne bezeichnete COLD WAR als die Rückkehr zum großen Hongkong-Polizeifilm der 1990er Jahre, aber das stimmt vorne und hinten nicht. Übten sich damals die Bullen, stets das Herz auf der Zunge und die Flinte im Anschlag, noch im rauen Straßenkampf, inklusive blutverspritzender Exekutiv-Maßnahmen und Blaue-Bohnen-Ballett, agieren hier nun schnöselige Anzugträger, die wirken, als wären sie einer Anwaltsschule für neureiche Fatzkes entlaufen. Über weite Strecken könnte man sogar regelrecht vergessen, es mit einem Polizei-Krimi zu tun zu haben und sich stattdessen in einem Polit- oder Wirtschafts-Thriller aus dem Milieu der Hochfinanz wähnen. Raus in den gemeinen Großstadtrummel geht es nämlich nur selten. Stattdessen verbringt man die Zeit überwiegend in ausladenden Büro- und Konferenzräumen, in bis unters Dach mit Gerätschaften vollgestopften Schaltzentren, die eine Bühne bieten für Machtgerangel und Intrigenspinnerei. Passend dazu ist alles bis in die Haarspitzen blankpoliert; der Mensch verschwindet hinter maßgeschneiderter Garderobe und akkurat ausgerichtetem Interieur; die verglasten Gebäudekomplexe vermitteln Sterilität und seelenlose Kälte. Auf die Charaktere scheint diese Umgebung längst abgefärbt zu haben. Ob Freund, ob Feind: Alle wirken sie unnahbar, wie Figuren einer fremden, futuristischen Welt, die den Bezug zur Unbeschwertheit schon vor langer Zeit verloren haben. Dass einen die Erzählung trotz kaum vorhandener Berührungspunkte mit der erlebten Alltags-Realität durchaus packen kann, liegt somit nicht etwa an ausreichend zur Verfügung gestellten Identifikationsmöglichkeiten, sondern an der gekonnten Kombination aus manipulativer Inszenierung und darstellerischer Intensität.

Denn wenn Aaron Kwok und Tony Leung in den kollegialen Konkurrenzkampf treten und wilde Wortgefechte austragen, quillt den Männern die Energie nur so aus jeder Pore. Jeder von ihnen verkörpert einen bis ins Mark überzeugten Idealisten, der sich mit seinem Gegenüber ein feuriges Duell um Kompetenzen und Vorgehensweisen liefert, das einen den eigentlichen Handlungs-Hintergrund (die Befreiung der entführten Polizisten nämlich) eine Zeit lang fast vergessen lässt. Die Szene, in der die beiden sich vor versammelter Mannschaft lautstark und unnachgiebig ihre Argumente um die Ohren schmettern, erinnert – das ist kein Witz und gewiss auch kein Zufall – an ein Äquivalent aus Tony Scotts U-Boot-Reißer CRIMSON TIDE, in dem sich Denzel Washington und Gene Hackman einen ähnlich vehementen Schlagabtausch liefern. Dort allerdings hing vom Ausgang der Ereignisse nicht weniger als das Schicksal der Welt ab. Und wer sich das vor Augen führt, erhält eine ziemliche Ahnung davon, wie COLD WAR sich ziemt. Nämlich haargenau so. Die Regie haut hier dermaßen auf die Kacke, als ginge es nicht darum, ein paar Geiseln zu befreien, sondern die gesamte Menschheit vor ihrem Untergang zu bewahren. Dementsprechend werden hier auch keine kleinen Brötchen gebacken: schnelle Schnitte, große Gesten, besorgte Blicke bei jeder neuen Erkenntnis, begleitet von einem brachialen Soundtrack, der genauso gut für ARMAGEDDON hätte komponiert sein können und bei jeder Kleinigkeit suggeriert, im nächsten Moment ginge eine Bombe hoch. Ganz gleich, ob jemand nur einen Gang entlang geht, in eine Dokumentenmappe schaut oder lediglich sein Gegenüber fragend anstarrt: Die Musik verspricht Hochspannung. Und hätte man zusätzlich noch abgelichtet, wie einer der ansonsten emsig umherwuselnden Gestalten auf dem Donnerbalken hockt, man hätte es vermutlich mit den kreischenden Geigen aus PSYCHO unterlegt.

Das ist zwar in der Absicht durchschaubar, aber man muss zugeben: Die fiebrige Inszenierung macht schon schwer was her. Ohnehin ist es erstaunlich, dass das Regie-Duo Luk Kim-Ching und Leung Lok-Man hiermit erst seine erste Arbeit ablieferte. COLD WAR wirkt bereits wie das Routine-Werk eines alten Hasen. Ebenfalls kaum zu glauben, dass sich Aaron Kwok, der hier als Seriosität in Person auftritt, nur kurz zuvor als Clown (im Wortsinne!) durch den grandios vergeigten Superhelden-Stinker CITY UNDER SIEGE alberte. Und wer den seinen Kontrahenten gebenden Tony Leung noch als den sensiblen Träumer aus DER LIEBHABER (wohl auf ewig seine bekannteste Rolle) im Kopf hat, wird ihn hier als harten Hund wohl kaum wiedererkennen. Der Rest des Ensembles verblasst gegen diese in den Fokus gerückten Platzhirsche zwangsläufig. Fans der ersten Stunde freuen sich trotzdem über kurze Gastauftritte von Leuten wie Andy Lau [→ INFERNAL AFFAIRS], Michael Wong [→ BORN HERO] oder Andy On [→ BLACK MASK II].

Für relevante weibliche Rollen haben die Produzenten hingegen keinen Platz mehr gefunden. Dafür aber für mehr oder minder unterschwellige Werbung für die Hongkonger Polizei (obwohl man nach dieser eitlen Pfauenparade keinem Beamten mehr auch nur sein Käsebrot anvertrauen würde): „Wir dienen mit Stolz und Umsicht“, prangt als Schriftzug oft nur wenig dezent im Hintergrund. Dass das in etwa so glaubwürdig ist wie die Behauptung, Hongkong sei ein sicheres Pflaster, bestätigt wohl so ziemlich jeder chinesische Demonstrant, dem vom Polizei-Knüppel vor lauter Umsicht noch der Schädel brummt. Und auch, dass einem die Totalüberwachung als Segen verkauft wird, überrascht kaum: „Das heißt, jeder Polizeibeamte wird überwacht?“fragt einer ganz überrascht, als er erfährt, dass sich die Funkgeräte selbst in ausgeschaltetem Zustand noch orten lassen. „Nicht überwacht“, bekommt er als Antwort, „das ist eine Geheimwaffe.“ Chapeau! Die NSA hätte kaum besser reagiert.

Am Ende ist COLD WAR durchaus ansehnlich geworden. Zwar von klinischer Kälte und insgesamt nicht sehr nachhallend, aber dennoch gekonnt in Szene gesetzt und rasant die Zeit vertreibend. Freunde von Kinetik und Kugelhagel könnten sich aufgrund falscher Werbeversprechungen freilich vergrätzt fühlen. Zwar sprechen durchaus auch mal die Pistolen und hin und wieder hetzt man sich amtlich über den Asphalt, aber insgesamt wird Action nur punktuell und mit Bedacht eingesetzt. Es dominiert das verbale Dauerfeuer; als Waffe dienen Worte statt Wummen. Punktabzug gibt es schlussendlich noch für die teils lausigen Computer-Effekte, die für eine solch optisch penibel durchkomponierte Prestige-Produktion fast schon peinlich sind.

Laufzeit: 102 Min. / Freigabe: ab 16

Sonntag, 11. August 2024

TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK


CEWEK JAGOAN BERAKSI KEMBALI
Indonesien 1981

Regie:
Danu Umbara

Darsteller:
Debbie Cinthya Dewi,
Dana Christina,
Eva Arnaz,
Barry Prima,
George Rudi,
Edy S. Jonathan,
Eddy Haryono,
Alwi A. S.



Eigentlich will TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK die Fortsetzung des 1980er Billigheimers DEADLY ANGELS sein, in dem sich fünf Frauen zum Kämpferkollektiv formierten, um der örtlichen Polizei ein wenig unter die Arme zu greifen. Allerdings stimmt das nur so zum Teil, denn anstatt dessen, dass man den bekannten Figuren bei einem weiteren Abenteuer zusehen darf, serviert man hier einfach mal ein paar neue Friedenswächterinnen auf sprunggelenkstrapazierender Gerechtigkeitsmission. Zwar kehren immerhin drei der fünf Darstellerinnen zurück, aber halt in ganz anderen Rollen. Geblieben sind Regisseur und Studio – und die schäbige Schlichtheit in Sachen Präsentation und Produktionsaufwand, versteht sich.

Inhalt:

Der Fischer John [Barry Prima] verdient sich nebenbei ein bisschen was dazu, indem er auf seinem Kahn Heiße Ware für den Gangsterboss Handoko [George Rudy] schmuggelt. Eines Tages jedoch beschließt er, seine langjährige Freundin Windy [Eva Arnaz] zu heiraten und nur noch ehrbar zu leben. Seine Ankündigung, aus dem Geschäft auszusteigen, wird nicht sehr wohlwollend aufgenommen: Handokos Handlanger bringen ihren Missmut dadurch zum Ausdruck, dass sie ihn hinter einem Jeep herschleifen und im Anschluss in eine Fackel verwandeln. All das geschieht vor den schreckgeweiteten Augen Windys, die noch an Ort und Stelle Zukunftspläne schmiedet: „Oh, mein Gott! Ich werde dich rächen. Ich verspreche es, ich verspreche es!“ Ihre erste Anlaufstelle ist folgerichtig ein Kung-Fu-Lehrer, der ein klassisches Trainingslager irgendwo in der Pampa betreibt.

Kritik:

Ihren Namen trägt Windy vermutlich deswegen, weil sie mit ihrer Ausbildung wirklich in Windeseile fertig ist. Tatsächlich scheint gerade mal eine Woche vergangen zu sein, in der sich die arglose Durchschnittsbürgerin zur knallharten Kampfsau gewandelt hat. Zeitliche Abfolgen sind allerdings ohnehin nicht die große Stärke von TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK. Zumindest zu Beginn wirkt doch alles arg sprunghaft und verwirrend, wenn mehrere Handlungen parallel stattfinden und man nie mit Sicherheit sagen kann, wann und warum das Gezeigte jetzt eigentlich genau passiert. Zum Glück bessert sich das im weiteren Verlaufe, was natürlich in erster Linie daran liegt, dass die Ereignisse eigentlich alles andere als kompliziert sind. Ihre neu gewonnen Fähigkeiten darf Windy jedenfalls gleich bei ihrer Heimreise unter Beweis stellen, als sie die Ausraubung mehrerer Buspassagiere vereitelt und dabei auch ohne jede Not einen der Täter ins Reich der Ahnen schickt, als habe sie zuvor niemals etwas anderes gemacht.

Bereits an dieser Stelle fällt auf, dass zumindest die Action auffallend versierter in Szene gesetzt wurde als noch beim Vorgänger. Mit echtem Kung-Fu-Hand- und Fußwerk wird das wohl abermals niemand verwechseln, aber die Dynamik passt und Tritte und Schnitte sitzen. Auch generell gelang hier eine deutlich dichtere Erzählweise ohne ins Auge fallende Durststrecken, zumindest ist wirklich ständig etwas los. Dabei glänzen sogar die Verfolgungsjagden, die dem ersten Teil der DEADLY ANGELS mehr oder minder erfolgreich über manch narrativen Stillstand hinweghalfen, dieses Mal durch Abwesenheit. Zum Ausgleich gibt es dafür in verrauchter Kaschemmen-Atmosphäre ein paar leidenschaftslose Bauchtanz-Nummern mit Schlangentier und Achselhaar. Der Fokus der Veranstaltung bleibt aber dennoch bei Eva Arnaz als Windy, die eine regelrecht prototypische Racheengel-Reise absolvieren darf. Ihre Figur erinnert dabei an eine damalige Musterrolle Pam Griers, die sich in kostengünstigen Krachern wie FOXY BROWN ebenfalls vom Vergeltungsdrang beseelt in Syndikatstrukturen hineinarbeitet, um den Schuldigen näher und näherzukommen. So lässt sich Windy zunächst als Fahrer anheuern und kutschiert von da an halbseidenes Gesindel zu illegalen Untergrundkämpfen, in deren Dunstkreis sie die Täter vermutet. Einerseits ist das tatsächlich ein ziemlich cleverer Schachzug - wer erwartet schon eine potenzielle Gefahr hinterm Lenkrad des eigenen Herrenbeschleunigers? Andererseits verkleidet sie sich dafür als Mann, was wirklich in keiner Sekunde auch nur im Ansatz glaubwürdig aussieht. Zudem hätte ihr vor ihrer Maskerade mit aufgeklebtem Schnurrbart, Chauffeursmütze, Lederjacke und Fick-mich-Stiefeln ruhig mal jemand sagen dürfen, dass nicht jeder Kerl rumläuft wie ein raubauziger Homofürst.

In der schnöden Realität wäre ihr Possenspiel fraglos auf den ersten Blick aufgeflogen, aber in der herrlich blauäugigen Welt von TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK funktioniert so etwas zum Glück prächtig - selbst dann noch, als Windy schließlich höchstselbst in den Ring steigt, um mittels ihrer Schlagkraft sogar die härtesten Gegner zum Glauben zu bekehren. Ab da dauert es nicht mehr lang, bis die Heldin auch außerhalb der Arena die Fäuste schwingt, um Informanten das ein oder andere Wort zu entlocken. Als ihre Tarnung irgendwann dann doch auffliegt, scheint sie plötzlich auch ihre Kräfte zu verlieren, weswegen sie erstmals ernsthaft in Bedrängnis gerät („Was sagt man dazu? Das ist ne Frau!“ - „Egal, wir hängen sie auf!“). Zum Glück erinnert sich das Drehbuch an dieser Stelle daran, dass es laut Titel ja eigentlich um mehrere Engel gehen sollte, weswegen die Rettung auf fliegendem Fuße naht. Ohne nachfolgende Standpauke geht es natürlich trotzdem nicht: „Wann wirst du endlich mal vernünftig? Ich find’s nicht komisch, sich nen Bart anzukleben und sich zu prügeln. Dazu dieser ganze Kung-Fu-Schwachsinn!“

Bis zum Finale vergeht dabei noch einige Zeit, die mit überwiegend höchst vergnüglichem Unfug angereichert wurde. So kämpfen die Engel u. a. auch noch gegen einen grunzenden Buschmann mit fellfarbenem Lendenschurz, Horn auf dem Haupt und Hauern im Mundwinkel, der allerdings sein Leben aushaucht, nachdem man ihm besagtes Utensil von der Birne geschraubt hat. Zwar bleibt das im Grunde die einzige richtige Verrücktheit, aber TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK amüsiert dennoch durchgehend durch sein naives Gebaren. Da trägt einer der Gangster, die anfangs Windys Zukünftigen kalt machen, eine Maske, damit man ihn nicht erkennt. Doof nur, dass der Typ anstelle seines rechten Arms eine klobige Prothese mit Messerklinge als Fingerersatz trägt, was die Identifikation notfalls doch entschieden erleichtern sollte. Als die Mörder ihr Opfer hinter dem Auto herschleifen, ruft Windy dem Unglücklichen hinterher: „Was wollen die denn von dir?“ Berechtigte Frage! Ganz schön unhöflich von ihm, nicht zu antworten. Und als der mundfaule Ehemann in spe danach noch angezündet wird, schreit er zwar pflichtschuldigst, bleibt aber dennoch ganz ruhig liegen (was natürlich daran liegt, dass Schaufensterpuppen mit Zappelfunktion bei Drehbeginn bereits ausverkauft waren).

Dazu kommen herrliche Klischees wie Afrofrisuren, die kaum durch den Türrahmen passen, der schmierige Oberschurke, der sich mit Pott-Haarschnitt und übergroßer Pornobrille wohl ursprünglich als Bruce-Lee-Imitator beworben hatte, und halbgares Ninja-Gehopse in des Kung-Fu-Meisters Vorgarten, was eher nach Kinderbelustigung aussieht als nach hartem Training. Mit launigen Elementen wie diesen ist TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK deutlich abwechslungsreicher als sein Vorgänger, hat mehr Tempo und bringt bisweilen sogar seichtes Abenteuerflair ins Spiel, wenn auch noch Schlangengruben oder angriffslustige Skelettbanden eine Rolle spielen. Wer also seine Lebenszeit nur für ein einziges Engel-Event verschwenden möchte, der sollte sich zumindest für das zweite entscheiden.

Laufzeit: 88 Min. / Freigabe: ab 18

Sonntag, 4. August 2024

DEADLY ANGELS


LIMA CEWEK JAGOAN
Indonesien 1980

Regie:
Danu Umbara

Darsteller:
Yatti Octavia,
Lydia Kandou,
Debbie Cinthya Dewi,
Dana Christina,
Eva Arnaz,
Bram Adrianto,
Suzy Bolle,
Dorman Borisman



Weibliche Schlagkraft war im asiatischen Action-Kino deutlich früher etabliert als im Rest der Welt. Während die Mehrheit der professionellen Arschtreterinnen aus Hongkong kam, wo eine gut geölte Filmindustrie existierte, scheuten andere Länder trotzdem nicht davor zurück, ihre eigenen Körperertüchtigungsfachkräfte ebenfalls auf die Leinwand zu bringen. Die DEADLY ANGELS kommen aus Indonesien und das sieht man auch: Die filmischen Gehversuche der Nation im Bahnhofskino-Bereich sind nicht selten von ausgemachter Tapsigkeit, zwar mit wenig Budget und oft noch weniger Talent umgesetzt, dafür aber mit ungebremstem Elan und Mut zur qualitativen Lücke. Die vorliegende Bemühung, ein halbwegs brauchbares Hieb-, Stich- und Ballerfest auf die Beine zu stellen, ist diesbezüglich ein Paradebeispiel, bricht sich die Unbeholfenheit doch ab der ersten Minute ungeniert Bahn. Eigene Ideen hat man dabei wenig überraschend keine; die Autorenschaft reiht ein räudiges Klischee an das nächste.

Inhalt:

Hardi [Cok Simbara] ist Wissenschaftler. Also, zumindest trägt er nen weißen Kittel, steht unter einem Plakat mit der Aufschrift „Gefährliche Materialien“ und schüttet angestrengt Flüssigkeit aus einem Reagenzglas in ein Gebilde, das aussieht, als habe man vier Shisha-Pfeifen zusammengeschraubt und auf eine mobile Herdplatte gestellt. Danach dreht er ein paar Knöpfe, setzt sich an den Schreibtisch, greift zu einem angeketteten Edding und schreibt mit unsichtbarer Tinte etwas auf den Bildschirm eines Radargeräts. Jap, eindeutig Wissenschaftler! Danach setzt er sich nen Mundschutz auf. Warum? Vielleicht, weil seine Freundin Yanti [Yatti Octavia] in diesem Moment den Raum betritt. „Du kommst im richtigen Augenblick“, freut er sich und nimmt den Mundschutz auch schon wieder ab (lag wohl doch nicht an ihr). „In ein paar Minuten bin ich mit meinem Experiment fertig.“ Yanti freut sich mit ihm: „Du bist wirklich ein Riesentyp!“ Hardi lässt dann auch gleich die Katze aus dem Sack: Er hat die Formel für einen „hochbrisanten“ Sprengstoff ertüftelt, mit dem alles noch ein bisschen geiler explodiert als mit herkömmlicher Handelsware. „Ich werde sie unserer Regierung zum Kauf anbieten“, erklärt er, „denn meine Entdeckung darf nur zu friedlichen Zwecken genutzt werden.“ Ein Patriot aus echtem Schrot(t) und Korn! Staatsfeinde werden dann demnächst nur noch ganz friedlich weggesprengt!

Auf dem Nachhauseweg, der durch brachliegendes Tagebau-Gelände führt (wo wohnt der Typ denn?), werden er und Yanti plötzlich von zwei Finstermännern zum Anhalten gezwungen. „Keine Angst, das ist kein Überfall“, erklärt der erste, was glaubwürdiger wäre, hätte sein Komplize nicht bereits die Pistole im Anschlag. Und so geraten der Forscher und seine Freundin in die Gefangenschaft des Klischee-Gangsters Broto [Rachmat Hidayat], der natürlich die Formel haben will, von deren Existenz er eigentlich noch gar nichts wissen kann. Während Yanti recht schnell und schlagkräftig entkommen kann, bleibt Hardi in der Hand des Feindes. Noch während der Flucht lernt Yanti die kaum weniger resolute Anita [Anita Suwu] kennen, die ihr aus einer weiteren Gefahrensituation heraushilft. Die Frauen verbünden sich und suchen nach weiteren Genossinnen, um Hardi zu retten. Wird es ihnen gelingen? Wird die Regierung ihren pazifistischen Sprengstoff bekommen? Und wird der Herr Professor sich bald mal ne richtige Bude leisten können oder muss er weiterhin im Bergwerk hausen?

Kritik:

Als Aufhänger dient also mal wieder eine geniale Formel. Eine hochorginelle Idee! Wäre sie ein Pferd, müsste sie zum Abdecker. Weil sich besagtes Bombenbaurezept ausschließlich in den Hirnwindungen desjenigen Wissenschaftlers befindet, der es ausgebrütet hat, läuft es final auf einen dann doch sehr simplen Entführungsfall hinaus. Sogar die titelgebenden „Tödlichen Engel“ fragen sich am Schluss, warum man nicht einfach die Polizei verständigt, und hätte man diesen Einfall früher gehabt, wäre die Sache in der Tat schon längst zu den Akten gewandert. Da man aber ohnehin schon genug Mühe damit hat, die Zeit bis zum Finale mit Vorkommnissen zu füllen, wird die Idee geflissentlich ignoriert. Dafür dürfen sich die Kämpferinnen, immerhin fünf an der Zahl, erst noch kennenlernen und zum Selbstjustizkollektiv formieren. Wie sich die „Engel“ hier fast alle zufällig über den Weg laufen, unverzüglich Freundschaft schließen und schließlich eine waffenstarrende Rettungsmission starten, als ginge es dabei um einen zwanglosen Junggesellinnenabschied, lässt sie auf unbekümmerte Art sympathisch wirken. Damit hat es sich dann aber eigentlich auch schon. So etwas wie Persönlichkeit entwickeln die Protagonistinnen nie, und woher sie die Nerven haben, bösen Buben teils doch recht hemmungslos das Handwerk zu legen, bleibt ebenfalls ein Rätsel. Während die meisten Kino-Kolleginnen aus Fernost immerhin Polizistinnen sind, Agentinnen oder generell Kampfkünstlerinnen, was besagte Befähigung ja recht plausibel erklärt, sind die Tödlichen Engel … nunja … nichts! Trotzdem schicken sie reihenweise Gegner auf die Matte, verteilen Tritte, verballern Kugeln und werfen Messer in feindliche Brustkörbe, als sei das völlig normal.

Weil bloßes Kennenlernen noch nicht ausreicht, um akuter Inhaltsarmut Herr zu werden, verläuft man sich auf halber Strecke noch in einer Nebenhandlung, in der ein schmieriger Supermacho eine der Damen entführt, um sich für seine Zurückweisung zu rächen. Nun kann ein fragiles Ego ja so einiges bewirken, aber diese Reaktion erscheint dann doch leicht übertrieben. Grund genug immerhin für den Rest der Truppe, seine Fähigkeiten schon einmal unter Beweis zu stellen und die Kollegin wieder rauszuhauen. Freilich bleibt die kämpferische Qualifikation auch hier reine Behauptung: Schläge und Tritte sind auffallend unbeholfen umgesetzt und überwiegend inkompetent in Szene gesetzt. Da ist nicht ein Hauch Dynamik im Spiel und nicht ein einziger Cut kaschiert, dass hier wirklich niemand Ahnung von Kung Fu hat. Dafür ist die Montage in anderen Momenten dann wieder so wirr, dass sich nur noch raten lässt, was gerade passiert. Da wird anscheinend mal jemand von Hunden angefallen, von Schlangen bedroht oder per Feuerstoß gegrillt. Die einzelnen Szenen passen dabei allerdings nicht wirklich zusammen und der Schnitt ist zudem so schlecht gesetzt, dass auch kein einheitlicher Fluss entsteht. Nur aufgrund der sattsam bekannten Situationsklischees lässt sich in Kombination mit eigener Seherfahrung erahnen, was hier im wahrsten Sinne des Wortes gespielt wird.

Auch die restliche Action ist auffallend unzulänglich umgesetzt. Während manche Sequenzen beschleunigt abgespielt werden, um Rasanz vorzutäuschen (was aber eher an alte Slapstick-Nummern erinnert), wird an anderen Stellen wiederum Zeitlupe zelebriert, wie bei Sprüngen über Motorhauben oder durch Fensterglas, einmal aber auch bei der Flucht zu Fuß, was ein wenig merkwürdig wirkt, weil der Rest in normaler Geschwindigkeit abläuft und es darum nun so aussieht, als könne die Dame tatsächlich nicht schneller rennen. Größter Quell der Freude aber sind die zahlreichen Verfolgungsjagden. Immer wieder kommt es nämlich aus fadenscheinigsten Gründen zu PS-gestützter Geschwindigkeitsübertretung, bei der überwiegend grundlos durch Karren, Holzverschläge oder Glasscheiben gebrettert wird, die stets wie zufällig im Weg rumstehen. „Wieder einer weniger!“, freut sich einer der Engel beim Blick durch die Heckscheibe. Ja, weil einer der Verfolger mit Anlauf gegen einen Baum gefahren ist. Einfach so! Vermutlich vor die Karre gesprungen, das garstige Gehölz!

Für zusätzliche Heiterkeitsschübe sorgt die handfeste Hackfressen-Parade, die einem hier mit Schmackes vor die Schuhe geschmettert wird: Oberschurke Broto sieht aus ein schmieriger Porno-Produzent vom Hinterhof und seine Handlanger haben sich ihre Rubel in der Vorwoche garantiert noch als Rübenbauern verdient (wobei zumindest einer darauf zu spekulieren scheint, am kommenden Tag den Che-Guevara-Ähnlichkeitswettbewerb zu gewinnen, um endlich frei zu sein). Brotos erklärtes Ziel ist es übrigens, mittels der brisanten Sprengstoff-Formel die Herrschaft über ganz Südostasien zu erlangen. Klar, warum sollte man auch kleinere Brötchen backen!? Der Typ macht zwar den Eindruck, nicht mal unfallfrei nen Bahnhofs-Kiosk leiten zu können, aber so ein halber Kontinent, der regiert sich doch sicher ganz locker weg! Auch dieser Widerspruch zwischen behaupteter Gigantomanie und tatsächlicher Präsentation provoziert ein permanentes Maß an ausgemachter Munterkeit: Einerseits hat man keine Scheu davor, mit einem James-Bond-artigen Bösewicht zu protzen, der direkt mal Teile der Welt zu unterjochen gedenkt, andererseits eiert man die ganze Zeit durch denkbar triste Käffer und bedient sich generell eines ausnehmend schäbigen Looks, was mit der gelobten Großmannssucht nicht die Bohne in Einklang zu bringen ist.

Gerade deswegen jedoch machen die DEADLY ANGELS durchgehend gute Laune und sind damit manch höher budgetierten und besser geplanten Produktion überlegen. Dazu ballert die deutsche Synchronisation noch einen amtlichen Sprücheteppich ins Mikro, und zwar dermaßen zügellos, dass mancher Kalauer sogar mehrmals fällt. So beglücken einen die Damen zwischendurch immer mal wieder mit Weisheiten wie: „Zwischen Leber und Milz passt immer noch’n Pils“ oder (besonders schön!): „Verbittert ist der Kakadu, sagt man zu ihm: ‚Du Kacker, du!‘“. Am Ende kommt dann doch noch die Polizei vorbei und der zuständige Kommissar schimpft auch ein bisschen mit den Engeln, weil Selbstjustiz ja eigentlich doof ist und in der Regel bitteschön unterlassen werden sollte. Allerdings ist er doch begeistert genug von den Qualitäten des Quintetts, um noch an Ort und Stelle einen neuen „Fall“ anzubieten. Die Frauen freuen sich, das Bild friert ein und „Fortsetzung folgt“ wird eingeblendet. Entweder war man also von Anfang an selbstbewusst genug, an einen Kassenerfolg zu glauben, oder man hatte nach Drehschluss einfach noch genügend Glasscheiben und Baumstämme zum sinnlosen Durch- und Dagegenfahren übrig. Nur ein Jahr später hieß es dann auch schon: TÖDLICHE ENGEL SCHLAGEN ZURÜCK. Der Witz daran: Wer sich darauf gefreut hat, die hier so mühsam etablierten Damen tatsächlich bei einem neuen „Fall“ zu erleben, der schaut in die Röhre. Im vermeintlichen zweiten Teil wird nämlich plötzlich ein komplett neuer Hühnerhaufen präsentiert. Verbittert ist der Kakadu!

Laufzeit: 80 Min. / Freigabe: ab 18