Eigene Forschungen

Mittwoch, 4. September 2013

NOBLE HOUSE


NOBLE HOUSE
USA 1988

Regie:
Gary Nelson

Darsteller:
Pierce Brosnan,
Deborah Raffin,
John-Rhys-Davies,
Burt Kwouk,
Nancy Kwan,
Damien Thomas,
Tia Carrere,
Denholm Elliott



Inhalt:

Hongkong, Ende der 1980er Jahre: Seit 150 Jahren ist der Handelskonzern Struans & Co., das Noble House, im Geschäft und hat sich in dieser Zeit zum größten und mächtigsten Vertreter unter den East Asia Trading Companies entwickelt. Drei Jahre zuvor hat Ian Struan Dunross (Pierce Brosnan) die Leitung des Konzerns übernommen. Er ist der Tai Pan, der oberste Führer unter den Bossen Hongkongs. Doch nun steht das Noble House vor dem Ruin. Aus den USA sind Linc Bartlett, (Ben Masters), Chef des Par-Con-Konzerns, und seine Geschäftspartnerin Casey Tcholok (Deborah Raffin) angereist, um Handelsbeziehungen nach Hongkong aufzubauen. Bartlett ist es dabei gleichgültig, mit wem er Verträge abschließt, solange dabei ein möglichst großer Gewinn für ihn herausspringt. So trifft er nicht nur mündliche Vereinbarungen mit Struans, sondern knüpft gleichzeitig auch Verbindungen zum schärfsten Konkurrenten des Noble House, dem Konzern des skrupellosen Quillan Gornt (John Rhys-Davies). Gornt verbindet eine Erbfeindschaft mit Struans, und sein einziges Ziel ist es, das Noble House zu vernichten und selbst Tai Pan zu werden. Um dies zu erreichen, startet er gemeinsam mit Bartlett einen Raid auf Struans. Durch großangelegte Leerverkäufe seiner Struans-Aktien treibt er den Börsenkurs des Noble House gnadenlos in den Keller. Als stecke Dunross nicht schon in genügend Schwierigkeiten, wird auch noch John Chen (Steven Vincent Leigh), Sohn des Kompradors des Noble House, entführt. Wie sich herausstellt, hat John in der Vergangenheit heimlich für Par-Con gearbeitet und dabei auch diverse Geschäftsgeheimnisse an Linc Bartlett weitergegeben. Des Weiteren hat John seinem Vater Philip (Burt Kwouk) auch noch die Hälfte einer alten chinesischen Münze gestohlen. Wer immer dem Tai Pan eine solche Halbmünze vorlegt, kann dafür einen wie auch immer gearteten Gefallen einfordern, den der Tai Pan ohne wenn und aber erfüllen muss. In den falschen Händen kann diese Münze das endgültige Aus des Noble House bedeuten...
  
Kritik:

Eines DER TV-Events des Jahres 1980 war die Miniserie SHOGUN mit Richard Chamberlain nach dem gleichnamigen Roman von James Clavell. Der aufwändig produzierte Sechsteiler um einen englischen Navigator, der im 17. Jahrhundert Schiffbruch im feudalen Japan erleidet und schließlich zum Samurai und Vertrauten des Shoguns aufsteigt, war ein echter Straßenfeger und sorgte für Rekord-Einschaltquoten und klingelnde Kassen.
Treibende Kraft hinter dem Projekt war der Produzent und Drehbuchautor Eric Bercovici. Als sich die De Laurentiis Entertainment Group des italienischen Filmmoguls Dino De Laurentiis 1988 anschickte, auch den 1981 erschienenen Clavell-Roman NOBLE HOUSE, eine Fortsetzung seines Bestsellers TAI PAN (1986 ebenfalls von De Laurentiis mit dem Australier Bryan Brown in der Titelrolle fürs Kino adaptiert), als TV-Miniserie für die NBC zu realisieren, machte man Nägel mit Köpfen und holte Bercovici ebenfalls wieder ins Boot.

Nachdem Clavell das Drehbuch für SHOGUN noch selbst verfasst hatte, beschränkte er sich dieses Mal auf die Position des ausführenden Produzenten, während Bercovici die Mammutaufgabe zufiel, den fast 1000 Seiten starken Roman in ein Skript umzuwandeln, welches den Stoff auf vier neunzigminütige Filme aufteilte. Bei SHOGUN waren es noch sechs Teile mit zusammen rund neun Stunden Nettolaufzeit (12 Stunden inklusive Werbeunterbrechungen) gewesen. Dort hatte man also runde drei Stunden mehr Zeit gehabt, um die epische Geschichte um Navigator Blackthorne und Fürst Toranaga in nahezu allen Einzelheiten nachzuerzählen. So wich die Filmversion von SHOGUN im Grunde lediglich durch einige geringfügige Kürzungen von der Buchvorlage ab. Für die sechs Stunden Nettolaufzeit (acht Stunden inklusive Werbeunterbrechungen), die nun für NOBLE HOUSE zur Verfügung standen, bedurfte es wesentlich weitreichenderer Kürzungen und auch einiger sonstiger Veränderungen, um die Ereignisse des Buches an die dramaturgischen Vorgaben einer TV-Miniserie anzupassen.
So verlegt der Film unter anderem die Handlung zunächst aus dem Jahr 1963 in die Gegenwart (und kurioserweise vom Monat August in den November). Dabei ist nicht ganz klar, ob der Film in seinem Entstehungsjahr 1988 angesiedelt ist oder aber geringfügig in der Zukunft. Es wird erwähnt, dass Dirk Struans, der Konzerngründer und erste Tai Pan, den von jedem seiner Nachfolger zu leistenden Schwur 1841 verfasst hat. Struans feiert im Film sein 150-jähriges Bestehen. Ob jedoch die Firmengründung und die Niederschrift des Schwurs durch Dirk Struans im selben Jahr stattgefunden haben oder der erste Tai Pan das Dokument erst später erstellt hat, als er Vorkehrungen für seine Nachfolge traf, bleibt offen. Leider habe ich bisher den Roman TAI PAN auch noch nicht gelesen und kann somit nicht sagen, wie es sich dort darstellt.
Die für den Film notwendigen Handlungskürzungen trafen vor allem jenen Erzählstrang des Romans, in dem es um einen in Hongkong stationierten Spionagering der Sowjets und Dunross' Verwicklung in eben diesen geht. Der Roman geht hier weit in die Tiefe. Dunross ist nach dem Tod eines ihm bekannten Mitarbeiters des britischen Geheimdienstes in den Besitz mehrerer Geheimberichte gelangt, auf die es sowohl der britische als auch der sowjetische Geheimdienst abgesehen haben. Teil der komplizierten Verwicklungen ist auch ein unter dem Decknamen "Arthur" operierender Verräter aus den eigenen Reihen, den es zu enttarnen gilt. Übriggeblieben ist von diesem rund ein Drittel des Buches beanspruchenden Subplot nur mehr der Teil, in dem Ian Dunross, als er die Bank of China um finanzielle Unterstützung gegen die feindliche Übernahme durch Gornt und Par-Con bittet, als Gegenleistung beim Governeur (John Houseman) die Freilassung des als chinesischem Spion enttarnten Polizisten Brian Kwok (Lim Kay Tong) erwirken soll.
Um den Erwartungen des Publikums gerecht zu werden, wollte man natürlich auch nicht auf eine klassische Liebesgeschichte verzichten. Im Buch ist Ian Dunross glücklicher Ehemann und Vater, was ihn als Objekt der Begierde für andere Frauen außen vor lässt. Die Beziehung zwischen Linc Bartlett und Casey Tcholok hingegen ist ungemein komplizierter. Linc und Casey sind hier nicht nur Geschäftspartner, sondern auch ineinander verliebt. Sie haben jedoch eine Abmachung miteinander geschlossen, dass sie sieben Jahre warten wollen, bevor sie heiraten. So lange, wie es für Casey voraussichtlich dauert, sich ihr "Startgeld", den Grundstock für ein eigenes Vermögen und somit finanzielle Unabhängigkeit, zu erwerben. Die Abmachung schließt auch sexuelle Abstinenz mit ein. Die beiden beschränken ihre Beziehung also aus reinem Pragmatismus auf das Par-Con-Geschäft. Als Quillan Gornt seine ehemalige Geliebte, die schöne Eurasierin Orlanda Ramos (Julia Nickson), auf Bartlett ansetzt, um diesen zu verführen, sich Linc und Orlanda aber dann wirklich Hals über Kopf ineinander verlieben, ist es neben ihrem Misstrauen gegenüber Gornt nicht zuletzt Eifersucht, die Casey dazu bringt, hinter Lincs Rücken einen Deal mit Ian Dunross zu tätigen.
Um das ganze Geflecht zu entwirren und eben eine klassische Liebesgeschichte zu konstruieren, bedient sich Bercovici in seinem Drehbuch eines ebenso simplen wie effektiven Kniffs: Er macht aus Ian einen kinderlosen Witwer und beschränkt die Beziehung zwischen Linc und Casey tatsächlich auf die rein geschäftliche, höchstens freundschaftliche Ebene. Linc verlangt zunächst von Casey, sich nicht zu einer Affäre mit Ian oder sonst einem Mann in Hongkong hinreissen zu lassen, damit sie einen klaren Kopf für die geplante Übernahme des Noble House behält. Als sich Linc dann aber wie schon im Roman in Orlanda verliebt, ist es nicht mehr die Eifersucht, sondern lediglich der Verdacht, Linc werde von Orlanda benutzt, der sie die Initiative in Richtung Struans ergreifen lässt. Und dass Ian Dunross nun Witwer ist, öffnet natürlich Tür und Tor für eben jene Affäre, die Linc zunächst unterbinden wollte.
Des Weiteren erleichterte die Entscheidung, Dunross zum Witwer zu machen, den Film auch gleich um diverse Familienangelegenheiten (insbesondere eine frisch verliebte Tochter), um die sich Dunross im Roman kümmern muss.
Von den unzähligen Nebenfiguren wurden ebenfalls diverse Charaktere entweder gänzlich gestrichen, treten nur noch als "Gastauftritte" in Erscheinung (z. B. der Gouverneur) oder es wurden mehrere Figuren zu einer einzigen zusammengefasst. So hat man z. B. den Schriftsteller Marlowe (im Grunde ein Alter Ego von James Clavell), der im Buch als Lieferant von Hintergrundinformationen zu diversen anderen Figuren fungiert, mit dem Zeitungsverleger Christian Toxe (Leon Lissek) verschmolzen.
Abgesehen von eben diesen Änderungen hält sich der Film aber doch weitgehend an die Vorlage und schafft es zu jeder Zeit, den Kern und die Stimmung des Buchen punktgenau zu treffen. Bercovici ist es tatsächlich gelungen, aus dem verschachtelten Handlungsgeflecht der Vorlage eine stringente, auf das Wesentliche konzentrierte Geschichte zu extrahieren, die über alle vier Teile hinweg einen gelungenen Spannungsbogen entwickelt. Vor allem schafft es der Film, die notwendigen Teile der Hintergrundgeschichte über den ersten Tai Pan und die Entstehung und Geschichte des Noble House gut und verständlich in die Dialogszenen einfließen zu lassen. Diese Informationen sind nämlich selbst bei Lektüre des Buches eine sehr komplexe und zum Teil verwirrende Angelegenheit (zumindest dann, wenn man das Buch TAI PAN nicht kennt).
Die Geschichte des Buches basiert laut Internet Movie Data Base übrigens auf wahren Begebenheiten, die sich in den 1960er Jahren in einem Zeitraum von sieben Jahren (im Buch verdichtet auf sieben Tagen) um den 1832 gegründeten (und noch heute existenten) Handelskonzern Jardine Matheson zugetragen haben sollen.

Gedreht wurde NOBLE HOUSE weitgehend vor Ort in Hongkong. Nur einige Innenaufnahmen fanden in Studiosets in den USA statt. Die ausschweifende Nutzung der exotischen Szenerie Hongkong verleiht der Produktion nicht nur eine sehr authentische Atmosphäre, sondern auch eine nicht zu unterschätzende Grandesse. Ebenso, wie schon SHOGUN acht Jahre zuvor durch die Dreharbeiten in Japan einen wahren Augenschmaus für das TV-Publikum darstellte, sieht auch NOBLE HOUSE zu jeder Minute sehr edel und hochwertig produziert aus, was dem Unterhaltungswert extrem zugute kommt.

Für die Besetzung der trotz der Kürzungen immer noch sehr zahlreichen Charaktere konnten durchweg hochkarätige und namhafte Darsteller verpflichtet werden, wobei man auf einige Mimen zurückgriff, die auch schon SHOGUN mit ihrem Talent veredelt hatten.
Die Hauptrolle des Ian Dunross ging an den Iren Pierce Brosnan, der damals bereits durch seine Hauptrolle in der TV-Serie REMINGTON STEELE zu Weltruhm gelangt war und ab 1995 als insgesamt fünfter Darsteller in die Rolle des legendären britischen Geheimagenten James Bond schlüpfen sollte. Brosnan verkörpert Ian Dunross präzise wie ein Uhrwerk mit exakt der richtigen Mischung aus oberflächlicher Rücksichtslosigkeit, die er als Geschäftsmann an den Tag legen muss, unterschwellig brodelnder Sorge um die Zukunft des Struans-Konzerns, weltmännischer Gelassenheit, verführerischer Männlichkeit und spitzbübischem Charme.
Ihm zur Seite steht die Amerikanerin Deborah Raffin als Casey Tcholok. Neben zahlreichen TV-Rollen vor der Kamera war Raffin auch als Produzentin und Regisseurin tätig. Im Kino war sie unter anderem 1985 in DEATH WISH 3 an der Seite von Charles Bronson und 1991 in SCANNERS II zu sehen. Leider erlag sie am 21. November 2012 im Alter von gerade einmal 59 Jahren einer Leukämieerkrankung. Raffin kann in ihrer Rolle durch eine gesunde Balance aus Clevernis, Selbstbewusstsein und Verletzlichkeit überzeugen und besitzt dank ihrer leicht kantigen Gesichtszüge auch rein äußerlich die notwendigen Attribute, um mehr als nur hübsches Love-Interest zu sein.
Für die Rolle des Linc Bartlett konnte Ben Masters gewonnen werden. Der charismatische Blondschopf erlangte später weitreichende Bekanntheit als Julian Crane in der langlebigen Seifenoper PASSIONS und gibt den amerikanischen Self-made-Man ebenso geradlinig erfolgsorientiert wie jovial angeberisch mit einer Spur trockenem Humor. Dunross und Bartlett sind im Buch wie im Film Kontrahenten auf Augenhöhe, und dieses Level hält auch Masters ohne Schwierigkeiten.
Als Quillan Gornt gibt es für Clavell-Fans ein Wiedersehen mit SHOGUN-Veteran John Rhys-Davies. War sein Vasco Rodrigues im SHOGUN noch ein zwar mit allen Wassern gewaschener, aber im Grunde herzensguter und vor allem loyaler Mann, so spielt der schwergewichtige Brite, der zuvor schon mit Indiana Jones die verschollene Bundeslade und mit Allan Quatermain den Schatz der Könige hatte suchen dürfen, bevor er sich Jahre später als resoluter Zwerg Gimli durch Mittelerde in Richtung Schicksalsberg aufmachte, seinen Quillan Gornt hier als Ekelpaket, dem man gleichzeitig die Pest an den Hals und eine Versöhnung mit Ian Dunross und Struans wünscht. John Rhys-Davies' Karriere ist so umfangreich wie qualitativ schwankend, aber selbst in den größten Mist bringt sein Gesicht immer noch zumindest einen Hauch Klasse. Der Mann hat sein Handwerk einfach drauf.
Ebenfalls bereits bei SHOGUN dabei waren der in Ägypten geborene Damien Thomas und der Australier Leon Lissek, die in NOBLE HOUSE erneut in kleinen aber feinen Gastrollen glänzen dürfen. Thomas hatte in SHOGUN die ambivalente Rolle des Jesuiten Father Alvito verkörpert und spielt hier Struans Geschäftspartner Lando Mata, während Lissek 1980 als Jesuitenpater Sebastio eine eher unsympatische Figur verkörperte und hier den Zeitunsverleger Christian Toxe gibt. Lissek und Brosnan waren übrigens beim NOBLE HOUSE-Dreh bereits alte Bekannte, denn Lissek hatte 1984 einen Gastauftritt in REMINGTON STEELE.
Erstmals, aber nicht letztmals vor der Kamera stand Brosnan mit der wunderschönen, in Singapur geborenen Julia Nickson. Nickson, deren bekannteste Rolle wohl immer noch die der Vietnamesin Co in RAMBO II sein dürfte, spielte in der 1989 entstandenen dreiteiligen TV-Miniserie AROUND THE WORLD IN 80 DAYS, einer ziemlich freien Adaption der Jules-Vernschen Vorlage mit Pierce Brosnan in der Hauptrolle des Phileas Fogg, die Prinzessin Aouda. In NOBLE HOUSE spielt Nickson Linc Bartletts Geliebte Orlanda Ramos. Nicksons Darstellung wirkt zuweilen ein wenig hölzern, was aber durchaus zu Orlandas zerbrechlichem Charakter passt.
Auch der Rest der Besetzung, ob nun Burt Kwouk, den die Meisten sicherlich als Inspektor Clouseaus treuen Diener Cato aus den PINK PANTHER-Filmen mit Peter Sellers kennen, als Komprador Philip Chen, Gordon Jackson als pflichtbewusster Superintendant Armstrong, Lim Kay Tong als enttarnter Spion Brian Kwok oder die blutjunge Tia Carrere als schnippische Geliebte Venus Poon des von Khigh Dhiegh überzeugend hinterhältig verkörperten Piraten Four Finger Wu: Sie alle sind eine Bereicherung für den Cast und tragen als Ensemble einen Großteil zum Gelingen der Serie bei. Sie alle zu nennen oder gar zu besprechen, würde zu weit führen.
Lediglich ein einziger Wehrmutstropfen fällt bei der Besetzung auf: Obwohl Hongkong bekanntlich eine der emsigsten Filmindustrien dieses Planeten beherrbergt, taucht in der gesamten Serie kein einziger bekannter Hongkonger Schauspieler auf. Hatte man in SHOGUN die Rollen der Japaner noch durchgehend auch mit bekannten japanischen Darstellergrößen wie Mifune Toshiro besetzt, so sucht man hier bekannte Gesichter des chinesischen Films vergebens. Man "importierte" stattdessen sämtliche asiatischen Darsteller aus den USA. Dies mag aber auch der Tatsache geschuldet sein, dass man sich im Gegensatz zu SHOGUN, wo die Japaner auch auschließlich japanisch sprachen und man sich des dramaturgischen Mittels der Übersetzung durch Dolmetscher bediente, bei NOBLE HOUSE dazu entschied, alle Figuren durchgehend Englisch sprechen zu lassen und die Sprachbariere gänzlich zu ignorieren.

Regisseur Gary Nelson war 1988 bereits ein alter Hase im Regiestuhl. Seit 1962 hat er hunderte von Serienepisoden und diverse Fernsehfilme inszeniert, unter anderem 1977 die von Kritik und Publikum hochgelobte Miniserie WASHINGTON: BEHIND CLOSED DOORS, einer fiktiven Aufarbeitung der Nixon-Ära. 1986 durfte er für Cannon Film dann den zweiten und letzten Teil der Quatermain-Reihe ALLAN QUATERMAIN AND THE LOST CITY OF GOLD verzapfen. Diese Trashgranate könnte man durchaus als Leiche im Keller bezeichnen, aber immerhin schenkte er damit der Filmgeschichte Henry Silva als durchgeknallten Hohepriester im Woodstock-Gedächtnis-Look. Auch eine Leistung. Bei NOBLE HOUSE liefert Nelson eine ordentliche Arbeit ab. Zwar fällt die Inszenierung zu keiner Zeit durch besondere Raffinesse, dafür aber durchgehend durch Sorgfalt auf. Nelsons Regie verliert sich nie in der pittoresken Stadtkulisse Hongkongs, sondern nutzt sie geschickt zur Etablierung der Schauplätze, an denen sich das Geschehen abspielt. Die Dialogszenen hat Nelson dabei immer gut im Griff, aber auch die wenigen Actionszenen (unter anderem ein Brand auf einem Restaurantschiff und ein zusammenstürzendes Hochhaus) sind packend in Szene gesetzt. Lediglich ab und zu wirkt das Geschehen, wohl auch bedingt durch die Beschränkungen des Mediums Fernsehen, ein klein wenig behäbig, aber das ist zu verschmerzen.

NOBLE HOUSE ist TV-Unterhaltung der klassischen Art, aus einer Zeit, in der die ganze Familie abends noch gemeinsam vor der Flimmerkiste hockte und gebannt dem großen Fernsehereignis entgegenfieberte. Drehbuchautor und Produzent Eric Bercovici und Regisseur Gary Nelson ist eine saubere und hochwertige Adaption des Romans von James Clavell gelungen, die Kenner wie Nichtkenner der Vorlage gleichermaßen zufriedenstellen dürfte. Hochkarätig besetzt, solide inszeniert und mit einer Priese Exotik durch den (damals für das westliche Publikum abseits der Eastern- und Actionsaficionados noch recht ungewohnten) Drehort Hongkong bekommt man sechs Stunden spannende, (melo-)dramatische und romantische Unterhaltung, die zwar stellenweise ein klein wenig behäbig wirkt, aber garantiert nie langweilt. Eine tolle Miniserie zum immer wieder Ansehen.

Nachdem NOBLE HOUSE lange Zeit nur als qualitativ recht minderwertige australische DVD zu haben war, gibt es seit einigen Jahren dank Lionsgate Entertainment sowohl in den USA als auch bei uns in Deutschland bildqualitativ sehr gute DVD-Ausgaben. Die deutsche DVD erschien bei Kinowelt / StudioCanal. Lionsgate hat hierfür das originale 35mm-Filmmaterial neu abtatsten lassen. Hierbei entschied man sich allerdings statt für einen Transfer im Original-Bildformat von 1,33:1 dafür, eine anamorphe Widescreenfassung im Format 1,66:1 zu erstellen. Hierfür wurde das Vollbild-Format oben und unten leicht abgemattet, wodurch Bildinformationen verloren gehen. Außer im Vorspann, wo der obere Rand der Münzen, in denen die Köpfe der Hauptdarsteller zu sehen sind, abgeschnitten werden, fällt dies jedoch zu keiner Zeit negativ auf.
Präsentiert werden die vier Teile jeweils als Doppel-DVD mit zwei Teilen auf einer Scheibe. Die US-DVD bietet englischen Ton in DD-2.0-Mono sowie englische Untertitel und Closed Captions für Hörgeschädigte. Extras sind keine vorhanden. Zudem sind die Discs im Regionalcode 1 codiert. Verpackt ist das Ganze in einem Keep-Case mit O-Ring aus Pappe. Die deutsche Kinowelt-Scheibe bietet neben der deutschen Synchronspur ebenfalls den englischen Ton (beide ebenfalls in DD-2.0-Mono) sowie deutsche Untertitel. Als Extras sind lediglich eine Bildergalerie und Werbetrailer zu weiteren Kinowelt-Titeln enthalten. Wie bei Kinowelt üblich, wird ein Wendecover für FSK-Flatschen-Allergiker geboten.

Laufzeit: 355 Min. / Freigabe: ab 12

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