Eigene Forschungen

Sonntag, 29. August 2021

EARTHQUAKE - FLAMMENDES INFERNO IN TOKIO


JISHIN RETTÔ
Japan 1980

Regie:
Kenjiro Omori

Darsteller:
Hiroshi Katsuno,
Toshiyuki Nagashima,
Yumi Takigawa,
Kayo Matsuo,
Shuji Otaki,
Eiji Okada,
Shin Saburi,
Norihei Miki



Inhalt:

Der junge Seismologe Yoichi Kawazu [Hiroshi Katsuno] ist überzeugt davon, dass in Bälde ein verheerendes Erdbeben über Tokio hereinbrechen wird. Seine Vorgesetzten allerdings schenken ihm keinen Glauben und stempeln ihn als Schwarzmaler ab. Das Dumme daran: Yoichi hatte Recht. Als die Erde tatsächlich zu beben beginnt, trifft es Land und Leute wie aus dem Nichts. In einem Meer aus Flammen, Schutt und Asche versucht die verzweifelte Bevölkerung, ihr Leben zu retten.

Kritik:

Zack! So einfach können Inhaltsangaben sein, wenn man es mit der Kategorie Katastrophenfilm zu tun hat. In wohl keinem anderen Genre sind inhaltliche Innovationen so selten wie beim gemeinen Weltuntergangskino. Der unbestreitbare Vorteil für die Autoren- und Produzentenschaft: In der Regel erwartet der Kinogänger auch gar nichts Anderes als die altbekannten Zutaten. Hauptantrieb dafür, sich ein Ticket zu lösen, ist nicht etwa der Wunsch nach gewitzter Narration und überraschenden Konzepten, sondern die Lust an Zerstörung und Nervenkitzel, die durch ein Trommelfeuer an Spezialeffekten befriedigt werden möchte. Aufgrund des tricktechnischen Aufwands, der hierfür von Nöten ist, kam die Mehrzahl der Beiträge stets aus dem finanziell gut situierten Hollywood, das bereits in den 1970er Jahren alle möglichen Apokalypse-Szenarien durchexerziert hatte. Als das japanische Studio Toho sich dazu entschloss, die Erde ebenfalls mal so richtig durchzurütteln, war es damit vergleichsweise spät dran - das bis dahin ultimative Erschütterungs-Epos ERDBEBEN war zu diesem Zeitpunkt immerhin schon satte 6 Jahre alt. Aber das Publikumsinteresse am großen Untergang wurde wohl nach wie vor als hoch genug eingeschätzt, um damit die Kassen klingeln zu lassen, weswegen man Kaneto Shindô [→ ONIBABA] damit beauftragte, ein entsprechendes Skript zu verfassen.

Dass man für das Projekt einen für in erster Linie anspruchsvolle Werke bekannten Schreiber unter Vertrag nahm, mag von guten Absichten geprägt gewesen sein, letzten Endes jedoch warf man hier Perlen vor die Säue: Shindô orientierte sich fast schlafwandlerisch an den bekannten westlichen Vorbildern und lieferte eine durch und durch fantasielose Erzählung ab, die jeder Aushilfs-Autor ebenso gut hätte zu Papier bringen können (wobei natürlich zu vermuten ist, dass auch gar keine offenkundige Originalität verlangt gewesen war). Einmal mehr gibt es hier somit den gewissenhaften Mahner, der als Einziger das dräuende Desaster erkennt, aber fatalerweise von allen ignoriert wird. Wieder einmal liegen sich am Reißbrett entworfene Figuren aus verschiedensten Gründen miteinander in den Haaren, bevor die Katastrophe sich Bahn bricht und die Verhältnisse völlig neu ordnet. Und dass der zuvor so schmählich diskreditierte Unheilverkünder am Ende zum großen Helden aufsteigt und Tag, Land und Leute rettet, wird nun auch niemanden vor Überraschung vom Stuhl katapultieren. Warum dem jungen Seismologen Yoichi Kawazu, dem diese Rolle hier zukommt, zu Beginn nicht mal ein Mü an Glauben geschenkt wird, kann das Drehbuch indes nicht so wirklich plausibel erklären. Die empörte Ablehnung, die seiner Theorie entgegengebracht wird, wirkt jedenfalls arg übertrieben, was im gesteigerten Maße auch für die weiteren Folgen gilt: Kawazu wird für seine Hypothese auf die Straße gesetzt (obwohl sie ja völlig legitim ist und es zudem sein Job ist, Einschätzungen abzugeben), sein Eheglück gerät ins Wanken, sein Institut wird geschlossen.

An dieser Stelle wird einem schlagartig wieder bewusst, dass man es mit einer japanischen Produktion zu tun hat, die eine Gesellschaft abbildet, in welcher der Gesichtsverlust ein Unglück darstellt, das einem Beben durchaus gleichkommt. Kawazu hat durch seine als Quatsch abgetane Behauptung nicht nur sich selbst entehrt, sondern im selben Atemzug auch seine Familie und seinen ganzen Berufszweig. Hier liegt dann auch der gravierende Unterschied zu den Genre-Kollegen aus den USA, bei denen solche Momente vermutlich zu Unverständnis führen würden. Dennoch verzichtete man auf eine simple Einteilung in Gut und Böse: Kawazus Kollegen und die politischen Instanzen ignorieren seine Warnungen nicht aus unlauteren Motiven, sondern aus persönlicher Überzeugung (wobei die Motive, wie bereits erwähnt, insgesamt doch schwammig bleiben); seine Familie wendet sich nicht aus Bosheit von ihm ab, sondern aufgrund gesellschaftlicher Normen (hier darf man durchaus zarte Kritik an konservativer Borniertheit attestieren). Selbst Kawazus Nebenbuhler um die Gunst einer attraktiven Instituts-Mitarbeiterin, der Reporter Masayuki Hashizume (in der deutschen Fasung: Sato Katzumi), ist nicht negativ gezeichnet, sondern im Gegenteil der einzige, der Kawazus Worten Glauben schenkt. An diese von Toshiyuki Nagashima [→ GODZILLA AGAINST MECHAGODZILLA] einnehmend verkörperte Figur (die in einem amerikanischen Pendant gewiss als Bösewicht fungiert hätte) gehen später, nach Hereinbrechen der Katastrophe, dann auch ein paar unerwartet intensive Momente, als er mit der Frau, in die er heimlich verliebt ist, gemeinsam ums Überleben kämpfen muss und sie ihn, aufgrund der traumatischen Ereignisse im fortwährenden Schockzustand, stets nur mit „Yoishi“, dem Namen seines Opponenten, anspricht und er schmerzlich begreift, dass es für ihn niemals die Chance einer gemeinsamen Zukunft geben wird.

In solchen Augenblicken gelingt es EARTHQUAKE (der deutsche Verleih nutzte zur Vermarktung frecherweise den originalen Titel des amerikanischen Vorbilds ERDBEBEN) tatsächlich, kurzzeitig Publikums-Emotionen zu wecken, die über simple Schaulust hinausgehen. In hauptsächlicher Erinnerung bleiben nichtsdestotrotz natürlich primär die Momente ausufernder Materialschlachten. Denn vor allem diesbezüglich kann die von Kenjirô Ohmori [→ GODZILLA – DER URGIGANT] inszenierte Endzeit-Vision tüchtig auftrumpfen. Wahnsinnig überraschend ist das nicht, denn wie man Großstädte effektiv pulverisiert, übte das Toho-Studio bereits mit bis dahin 16 GODZILLA-Präsentationen. Doch während beim atomaren Super-Monster (das sich zu jenem Zeitpunkt übrigens gerade in gut 10jähriger Produktionspause befand) in der Regel naive Unbekümmertheit im Vordergrund stand (das düstere Debüt freilich ausgenommen), ging man hier auffallend anders an die Sache heran. Die Mittel der technischen Umsetzung mögen die gleichen sein, deren Wirkung jedoch ist grundlegend verschieden. Die Effekt-Spezialisten entfachten hier eine alles plattwalzende, mit sichtbarem Tod und Leid gespickte Destruktionsorgie, in der die Menschen wie die Fliegen sterben – in Flammen aufgehen, zerquetscht werden, in die Tiefe stürzen. Sind die dafür verwendeten Modell-Bauten auch nach wie vor als solche erkennbar, so mindert das in keiner Weise die ungeheure Schlagkraft, die hier heraufbeschworen wird und Freunde zünftiger Zerstörungsszenarien in einen wahren Freudentaumel versetzt. „Alles, was explodieren kann, fliegt in die Luft“, heißt es dazu an einer Stelle sehr richtig. Wobei man gedanklich hinzufügen möchte: 'Eigentlich sogar noch sehr viel mehr'. Dass man wirklich jede zufällig herumstehende Milchkanne ebenfalls imposant in Flammen aufgehen ließ (ob das nun Sinn ergab oder nicht), ist allerdings eindeutig dem beabsichtigen optischen Spektakel geschuldet und somit postwendend verziehen.

Dem Inferno folgt obligatorisch der Überlebenskampf der zuvor vorgestellten Figuren. Hauptschauplätze sind dabei ein brennendes Hochhaus, in dem Reporter Hashizume und Kawazus Kollegin Tomiko Ashida (in der deutschen Fassung: Mia Oshida) mehrmals ihre heile Haut retten müssen, sowie ein U-Bahn-Tunnel, der, von Wassermassen geflutet, für Kawazu, dessen Frau und noch einige andere Unglückliche zur Todesfalle wird. Eine voranschreitende Handlung im klassischen Sinne existiert ab hier nicht mehr; stattdessen regiert die Dramatik, wenn man sich aus Fahrstuhlschächten in Sicherheit bringen oder gefährliche Tauchgänge absolvieren muss. Unterbrochen werden diese Szenen nur noch von Bildern fassungsloser Politiker, die wie vom Donner gerührt die nicht enden wollenden Schadensberichte entgegen nehmen, in Verzweiflung versinken und sich fragen, warum sie nicht auf die Warnungen des geschassten Wissenschaftlers gehört haben. Oder sich zumindest einen der zahlreichen Hollywood-Katastrophenfilme angesehen haben, dann wäre nämlich ebenfalls klar gewesen, wie der Hase laufen wird. EARTHQUAKE überträgt die Vorbilder zwar behutsam ins asiatische Selbstverständnis, feuert aber im Großen und Ganzen die volle Breitseite an Berechenbarkeit ab. Die Miniatur-Effekte (manche Sets wurden sogar im Maßstab 1:1 errichtet, um maximal authentisch zu wirken) sind dabei großartig und angenehm brachial (brennende Autos segeln von einstürzenden Brücken, landende Flugzeuge werden atomisiert, Wassermassen wälzen sich durch Straßenschluchten), die Dramaturgie passt und die (überwiegend unbekannten) Darsteller liefern gekonnt ab (wobei das hemmungslose Herumwälzen in Schmutz und Schlamm einen Heidenspaß gemacht haben muss).

Angemerkt sei, dass hier die deutsche Kinofassung besprochen wurde, die im Vergleich zur Originalfassung satte 30 Minuten an Handlung vermissen lässt. Funktionieren tut das trotzdem – vielleicht sogar besser. Denn wo ausländische Rezipienten oft zu Protokoll geben, es dauere viel zu lang, bis endlich die Erde bebt, legt die deutsche Version schon nach 30 kurzweiligen Minuten los. Dazu kommt eine Synchronfassung, die dem Ohre durchaus schmeichelt und nach großem Kino klingt (so wird Hauptdarsteller Katsuno von Frank Glaubrecht vertont, den man sonst aus dem Munde von Pierce Brosnan oder Kevin Costner kennt). Da verzeiht man es dann auch, dass sich zumindest ein eindeutiger Übersetzungsfehler eingeschlichen hat, wenn immer und immer wieder vom „Schwimmen“ die Rede ist, obwohl allzu offenkundig „Tauchen“ gemeint war. Und dass nach ausuferndem Unterwasseraufenthalt Feuerzeuge noch funktionstüchtig und handgeschriebene Briefe noch lesbar sind, glaubt man dem Drehbuch jetzt auch einfach mal. Denn EARTHQUAKE - FLAMMENDES INFERNO IN TOKIO (so der herrlich krawallige deutsche Gesamt-Titel) ist durch und durch gelungene Unterhaltung nach bekannten Mustern und für alle Freunde japanischen Trick-Handwerks ohnehin ein Fest.

Laufzeit: 89 Min. / Freigabe: ab 16

Donnerstag, 26. August 2021

OPERATION JUPITER


SAYÔNARA, JYÛPETÂ
Japan 1984

Regie:
Koji Hashimoto,
Sakyo Komatsu

Darsteller:
Tomokazu Miura,
Dangely Diane,
Miyuki Ono,
Rachel Huggett,
Paul Tagawa,
Kim Bass,
Akihiko Hirata



Inhalt:

Die Welt im Jahre 2125: Die Erdpopulation ist ins Unermessliche gestiegen. Doch die Menschheit war nicht untätig und hat zahlreiche Kolonien in den Weiten des Weltraums gegründet. Als nächstes soll der Mars als zusätzlicher Lebensraum erschlossen werden, weswegen man auf der Raumstation Minerva fieberhaft damit beschäftigt ist, den Jupiter in eine dafür dringend benötigte Energiequelle umzuwandeln. Einsatzleiter Eiji Honda [Tomokazu Miura] hat auch deswegen alle Hände voll zu tun, weil das Vorhaben immer wieder von einer aggressiven Gruppe von Umweltschützern sabotiert wird, zu der – zu Hondas Erschrecken – auch seine Jugendliebe Maria [Dangely Diane] gehört. Doch so richtig auf den Kopf gestellt wird sein Alltag erst, als kurz vor Abschluss des Projektes eine bahnbrechende Entdeckung gemacht wird: Auf dem Mars befinden sich, unter einer Eisdecke verborgen, gigantische geheimnisvolle Zeichnungen, die auf eine uralte Zivilisation hindeuten. Kurz darauf taucht ein fremdes Raumschiff auf und versucht, in einer fremden Sprache Kontakt aufzunehmen. Die hinzugezogene Wissenschaftlerin Dr. Wilem [Rachel Huggett] müht sich nach Kräften, die Botschaft zu entschlüsseln – und erfährt dabei von einer Katastrophe.

Kritik:

Spätestens in den 1980er Jahren war das Kino-Publikum im Weltraum-Rausch. KRIEG DER STERNE (1977) und dessen Fortsetzungen waren der Auslöser für eine Flut an Science-Fiction-Fabrikaten, die immer neue tapfere Recken und Reckinnen ins All schossen, um ferne Planeten zu retten und fiese Tyrannen zu vernichten. Auch das japanische Produktionsstudio Toho (dessen größter Erfolg auf immer und ewig GODZILLA bleiben wird) blieb nicht untätig und schickte mit DER GROSSE KRIEG DER PLANETEN bereits 1977 eines der ersten Plagiate ins Rennen. Und da das große Sternenfieber einfach nicht abebben wollte, entschied man sich ein paar Jahre später, einen weiteren Kosmos-Trip in die Wege zu leiten. Im Gegensatz zum Vorgängermodell, das ein astreines Abziehbild des erfolgreichen STAR WARS-Konzeptes war, wollte man dieses Mal allerdings etwas mehr Eigenständigkeit wagen und entschied sich daher, als Vorlage den futuristischen Roman SAYONARA JUPITER des renommierten Journalisten und Autoren Sakyu Komatsu zu nutzen. Toho hatte zuvor bereits eines seiner Werke erfolgreich adaptiert (woraus die apokalyptische Endzeit-Vision DER UNTERGANG JAPANS entstand), und vor allem in Verbindung mit dem beliebten Weltraum-Sujet erhoffte man sich wohl einen ähnlichen Kassenfüller. Um keine halben Sachen zu machen, engagierte man Komatsu auch gleich noch dafür, das Drehbuch zu verfassen.

Das Resultat unterscheidet sich auffallend von dem, was der damalige Durchschnitts-Konsument in der Regel von der Kategorie Science-Fiction erwartete. Denn statt epischer Schlachten und moderner Rittermythen bietet OPERATION JUPITER (wie das Werk in Deutschland getauft wurde) einen überwiegend nachdenklich gestalteten, dialoglastigen Exkurs in die Zukunft, der von einer pessimistisch geprägten Aura umwabert wird. Pate stand offenbar weniger George Lucas' kunterbunte Abenteuer-Fantasie als vielmehr Stanley Kubricks rätselschwangeres Gedankenspiel 2001. Wobei man diesen Vergleich nun auch nicht allzu ernst nehmen sollte, denn trotz Verzicht auf viel Krawall bleibt das engagierte Zukunftsmärchen in erster Linie triviale Unterhaltung, die weniger durch eine durchdachte Handlung als viel mehr durch Atmosphäre überzeugt. Dass die Spannung dabei überwiegend auf der Strecke bleibt, liegt vor allem daran, dass es an dafür nötigen Identifikationsfiguren mangelt. Tomokazu Miura [→ OUTRAGE] bleibt in seiner Hauptrolle als Eiji Honda bis zum Schluss vergleichsweise unnahbar, woran auch seine flink ins Skript gestrickte Liebesnöte nichts ändern können. Dabei werden zu Beginn noch ganz anständig die Weichen gestellt, als mit Captain Hoger Kinn ein Charakter vorgestellt wird, mit dem Honda offenbar eine innige Männerfreundschaft verbindet – so innig, dass sich die beiden zur Begrüßung erstmal eine zünftige Rauferei liefern und sich balgen wie kleine Jungs im Sandkasten. Das wirkt angenehm sympathisch - zumal es auch einer der wenigen Momente ist, in denen die Protagonisten aus ihrer Dauerstarre herausbrechen und mal nicht mit sorgenvoller Miene auf Bildschirme oder in die Ferne stieren. Doch nach dieser effektiven Einführung gönnt man den zwei Raufbolden keine gemeinsame Szene mehr (nein, Bildtelefonie zählt nicht!) und verschenkt dadurch einiges an Potential. 

Die Erklärung, was genau die beiden Männer denn nun eigentlich verbindet, bleibt der Autor dem Publikum schuldig - wie ohnehin das meiste, was hier passiert und diskutiert wird, merkwürdig unkonkret bleibt: Eiji trifft seine alte Freundin Maria, mit der er früher offenbar mal zusammen war. Oder doch nicht? Warum fallen die beiden unmittelbar nach ihrem Wiedersehen übereinander her wie zwei sexuell ausgehungerte Wölfe? Warum ist Maria jetzt Teil einer radikalen Umweltschutz-Sekte? Was sind die Ziele des hippie-esken Sektenführers Peter, der mit der Klampfe zwischen Blumenkindern und Delfinen von Frieden und Freiheit singt? Warum folgen ihm so viele Leute dermaßen bedingungslos, dass sie sogar den eigenen Tod in Kauf nehmen? Es gibt keine nachvollziehbaren Erklärungen für das alles, was auf Dauer zu Unzufriedenheit führt und dem permanenten Eindruck, zwischendurch etwas Wesentliches verpasst zu haben. Ob es ein politisches Statement des Autors war, ausgerechnet radikale, extrem naiv und klischeehaft gezeichnete Umweltschützer zu den Bösewichten der Geschichte zu machen, ist zwar nicht eruierbar, aber da die Sekten-Mitglieder so völlig weltfremd und ziellos agieren, wird etwaiger Kritik an damaligen realen Begebenheiten ohnehin der Wind aus den Segeln genommen. Das produzierende Toho-Studio jedenfalls war zu der Zeit eigentlich auf dem Öko-Trip und lies ihren Vorzeige-Star Godzilla mehrmals gegen die Folgen verheerender Umweltverschmutzung antreten.

Dazu gesellt sich die leicht verschroben wirkende Regie Koji Hashimotos [→ GODZILLA – DIE RÜCKKEHR DES MONSTERS], der teils sinnlose Zeitlupen einstreut, völlig deplatziert Japan-Pop-Gedudel dazwischenschiebt oder das Pärchen Eiji/Maria bei seinem Liebesgeplänkel erklärungslos durch ein Sternenmeer schweben lässt (quasi die Kombination zweiter ikonischer Szenen aus 2001 und SUPERMAN in der Nackedei-Variante). Herrlich schräg auch die Idee, den aggressiven Sabotageakt gewaltbereiter Saboteure mit Ausschnitten aus einem Godzilla-Film zu unterlegen (Monsterfilme werden also auch noch im Jahre 2125 geschaut - beruhigend!). In solchen Momenten scheint OPERATION JUPITER tatsächlich nicht von dieser Welt zu sein - wobei diese extravagante Attitüde dem Werk eine ansprechende Portion Pfeffer verleiht, was einen die etwas dröge Dramaturgie zeitweilen vergessen lässt. Kurz vorm finalen Vorhang fiel den Machern dann offenbar doch ein, dass ein bisschen Rambazamba ja nicht schaden kann, und so zücken die Protagonisten wie aus dem Nichts plötzlich bisher nie erwähnte oder sonstwie eingeführte Strahlenpistolen und liefern sich ein feuriges Wild-West-Duell mit allem, was dazugehört. Das wirkt zu diesem späten Zeitpunkt allerdings so dermaßen fehl am Platze und aus dem Hut gezaubert, dass man sich gut vorstellen kann, dass die Produzenten das Team dazu genötigt hatten, dem STAR WARS-Klientel zumindest im letzten Akt ein paar Schauwerte zu liefern.

So holprig das Endergebnis auch daherkommt, rein optisch gab man sich hier keine Blöße. Wer bisher aus Japan nur das Theaterkulissen- und Gummikostüm-Kino gewohnt war, wird sich gewiss die Augen reiben, wie tadellos hier alles getrickst wurde. Natürlich griff man auch hier auf Modelle zurück (etwas anderes war damals ja auch noch gar nicht möglich), aber so detailreich gestaltet und majestätisch in Szene gesetzt wurden Raumschiffe und Planeten im asiatischen Science-Fiction-Genre nur selten. Tatsächlich gelingt es hier reibungslos, die Illusion zu erzeugen, man befände sich wahrhaftig in den Weiten des Weltraums. Dazu kommen ein paar wirklich eindrucksvolle, fast schon magische Momente – allem voran die Szene, in welcher der gigantische, in geheimnisvolle Gaswolken gehüllte Kreuzer gesichtet wird und sich die Atmosphäre kurzzeitig dermaßen verdichtet, dass man sie schneiden könnte. Nicht nur in diesem Augenblick erinnert OPERATION JUPITER noch an einen ganz anderen Genre-Beitrag, nämlich an den von den Disney-Studios initiierten, für diesen Verleih ungewohnt düsteren DAS SCHWARZE LOCH [1979] (mit dem es im weiteren Verlauf noch eine weitere Gemeinsamkeit geben wird). Im Zusammenspiel mit der unaufdringlichen, aber effektiven Musikuntermalung Kentaro Hanedas [→ DIAMANTENAUGE] und dem generell rundum gelungenen Sound-Design, entsteht so ein durchaus faszinierendes Universum, das durch und durch stimmig wirkt.

Gerade unter diesen Aspekten ist es betrüblich, dass die Defizite trotz allem nicht zu übersehen sind. Die Story ist so kryptisch erdacht und erzählt, dass der Autor sie vermutlich selbst nicht zu 100 Prozent verstanden hat. Die Charaktere wirken durch die Bank so distanziert, dass man sie schon vergessen hat, sobald sie aus dem Bild sind. Dazu kommen ein paar Albernheiten, die gehörig an der Seriosität kratzen. So scheint für die Technik an Bord nur eine einzige Person zuständig zu sein - ein jugendlicher Schulstreber mit Brille und Latzhose, der unter der Last seiner Aufgaben auch schon mal kollabiert. Zudem ist selbst für den Laien ersichtlich, dass die technischen und wissenschaftlichen Erklärungen, die hier fortlaufend abgesondert werden, hanebüchener Unsinn sind. Vor allem aber ist OPERATION JUPITER heillos überambitioniert und will irgendwie alles zugleich sein (Philosophiestunde, Gesellschaftskritik, Seifenoper und kurz vor Schluss auch noch Action-Spektakel) und ist damit am Ende nichts Halbes und nichts Ganzes. Einen Blick wert ist der abstruse All-Ausflug dennoch – sei es wegen der visuellen Vorzüge, der skurrilen Ideen oder nur, um den alten Godzilla-Veteranen Akihiko Hirata (spielte im ersten GODZILLA von 1954 den Erfinder des Oxygen-Zerstörers, welcher Godzilla schließlich in die Knie zwang) in seiner letzten Rolle zu sehen.

Laufzeit: 113 Min. / Freigabe: ungeprüft