Eigene Forschungen

Mittwoch, 27. März 2019

DER SCHRECKEN VON KUNG FU


LO STRANIERO DI SILENZIO
Italien, USA 1968

Regie:
Luigi Vanzi

Darsteller:
Tony Anthony,
Lloyd Battista,
Kin Omae,
Rita Maura,
Kanji Ohara,
Raf Baldassarre,
Yoshio Nukano,
William Conroy



Inhalt:

Der Cowboy, der sich nur der ‚Fremde‘ nennt [Tony Anthony], findet einen sterbenden Japaner, welcher ihm eine Schriftrolle in die Hand drückt und 20000 Dollar Belohnung verspricht, falls er diese zu ihrem Besitzer nach Osaka zurückbringt. Leicht verdientes Geld, glaubt der Fremde, und macht sich auf den Weg ins ferne Japan. Kaum angekommen, gerät er mitten in eine brutale Familienfehde: Zwei Brüder bekriegen sich bis aufs Blut – und Grund für den Zoff ist ausgerechnet die Schriftrolle, die sich im Besitz des Fremden befindet. Dieser gerät dann auch prompt zwischen die Fronten, kassiert erstmal ordentlich Prügel und wird auch noch nach erfolgter Übergabe mit Falschgeld abgespeist. Das findet dieser reichlich ungut, weswegen er beginnt, die feindlichen Brüder gegeneinander auszuspielen.

Kritik:

Deutschlands Filmtitel waren beizeiten schon mal recht abenteuerlich. Relativ weit oben auf der Liste der absurdesten Auswüchse befindet sich mit Sicherheit auch DER SCHRECKEN VON KUNG FU, ein syntaktisch unsauberes und inhaltlich unsinniges Wortkonstrukt, das wohl primär dem Ziel diente, ein paar Bruce-Lee-Jünger hinters Licht und ins Lichtspielhaus zu führen. Diese dürften dann eher ernüchtert gewesen sein, wird einem doch während der gut 90 Minuten Laufzeit nicht eine einzige Kung-Fu-Pose geboten - was in Anbetracht der Tatsache, dass die Handlung in Japan spielt, auch kaum verwunderlich ist, da Samurai-Krieger in der Regel ja eher selten mittels Kung Fu zu kämpfen pflegten. Im Deutschen kaum noch erkennbar, ist DER FREMDE UND DER SAMURAI (so der viel treffendere Alternativtitel) in Wahrheit ein waschechter Italo-Western und dritter und damit abschließender Teil einer Trilogie um einen ebenso namenlosen wie wortkargen Revolverhelden, der sich bereits in den Vorgängern EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN sowie WESTERN JACK (beide von 1967) auf der Suche nach Glück, Geld und Gold befand und hier abermals vom US-amerikanischen Schauspieler Tony Anthony (eigentlich Roger Anthony Petitto) verkörpert wird. In Teil 1 lediglich Hauptdarsteller, war Anthony für diesen Abschluss der Reihe mittlerweile zum Co-Produzenten aufgestiegen und konnte somit auch einiges an eigenem Einfluss geltend machen. Den Regiestuhl drückte abermals Wenigfilmer Luigi Vanzi [→ 1931 - ES GESCHAH IN AMERIKA], der auch schon die beiden Vorgänger auf den Weg brachte und gewohnt versiert zu Werke ging.

Die Idee, dieses Mal das japanische Osaka als Schauplatz zu nutzen, ist vor allem deswegen sehr reizvoll, weil das zu Grunde liegende Konzept auf diese Weise zurück zu seinen Wurzeln geführt wird. War der Erstling noch ein ziemlich unverhohlener Nachahmer des wegweisenden Leone-Klassikers FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR, welcher seinerseits bereits die Neuinterpretation der japanischen Samurai-Saga YOJIMBO darstellte, ist die Geschichte somit nun also wieder dort angekommen, wo sie eigentlich ihren Ursprung hatte. Das war zum Produktionszeitpunkt nicht nur neu und innovativ (später gab es noch viele weitere Vertreter, die Ost und West filmisch zusammenführten), es funktioniert auch tadellos und veranschaulicht einmal mehr, wie sehr die Genres 'Western' und 'Samuraifilm' tatsächlich miteinander verbandelt sind. Doch nicht nur der Austragungsort wurde gewechselt, auch der Grundton änderte sich auffallend. Entfernte sich bereits der Vorgänger ein gutes Stück von der Kargheit des Originals, geht es hier nochmals deutlich ironischer zur Sache und bewegt sich auffallend weiter in Richtung Komödie. Das liegt in erster Linie an der gekonnten Ausspielung der zahlreichen Konflikte, die sich aus den Sprach- und Kulturunterschieden ergeben und die, möchte man denn ernsthaft zum Ziel gelangen, überwunden werden müssen. Darin liegt am Ende einer der wesentlichen Unterschiede: Ging es in den Vorgängern hauptsächlich noch darum, sein Gegenüber möglichst effektiv übers Ohr zu hauen, liegt der Fokus hier gerade auf gegenseitigem Verstehen.

Trotz dieses Umstandes muss nun allerdings niemand befürchten, hier herrsche eitel Friede, Freude, Eierkuchen. Die typischen Tugenden des Italo-Westerns wurden beileibe nicht abgelegt, List und Tücke bestimmen nach wie vor das Geschehen. „Du nicht können uns verstehen“, sagt die junge Dolmetscherin in einer Szene zum Fremden. „Was gibt's da groß zu verstehen?“, entgegnet dieser gewohnt lakonisch. „Wenn's um die Moneten geht, ist es hier wie bei uns drüben“. So suhlen sich die Helden auf der Jagd nach schnödem Mammon in Schmutz und Schlamm, was Kameramann Mario Capriotti [→ DER KLEINE SCHWARZE MIT DEM ROTEN HUT] in dreckig-schöne Bilder einfing. Da die Story im Prinzip bereits reichlich ausgelatscht daherkommt, bevölkerte man sie zum Ausgleich mit nem ganzen Haufen skurriler Gestalten und setzte ne gesunde Schippe Galgenhumor oben drauf. Dabei ist Anthony erfreulicherweise nicht immer der allen anderen überlegene Held – unter Umständen guckt ‚der Fremde‘ schon mal etwas sparsam aus der Wäsche. Das bringt ihm einige Sympathiepunkte ein und übertüncht ein wenig das Manko, dass sein Mienenspiel nach wie vor einigen Limitierungen unterliegt. Das eindeutige Vorbild Clint Eastwood tat bei seinen Ausflügen nach Wildwest zwar im Prinzip auch nie mehr, als grimmig dreinzuschauen, nur kaufte man diesem seinen Zynismus und seine Resignation auch wirklich ab. Anthony hingegen sieht meistens so aus, als sei er einfach nur beleidigt. Wenn die Action loslegt, ist dieses Defizit jedoch schnell wieder vergessen. Vor allem im Finale macht er sich großartig und schickt jedem ins Jenseits gepusteten Bösewicht noch einen lässigen Einzeiler hinterher.

Nachdem sich aufgrund rechtlicher Probleme die Veröffentlichung über längere Zeit hingezogen hatte, erreichte DER SCHRECKEN VON KUNG FU die Leinwand schließlich erst nach einigen Änderungen seitens des Verleihs, da man der Meinung war, sich dem mittlerweile geänderten Publikumsgeschmack anpassen zu müssen. Auch, wenn es gewiss interessant wäre, die ursprünglich intendierte Fassung mal zu Gesicht zu bekommen, muss man zugestehen, dass die Maßnahmen dem Werk nicht sonderlich geschadet haben. Das Ergebnis wirkt nicht etwa wie ein zurechtgebogener Schnellschuss (höhö!), sondern absolut rund und bietet eine gesunde Mischung aus Humor und Härte, Dialog und Duell, Ost und West. Und da sich hier zum Pulverdampf auch noch der Schwertkampf gesellt, bleibt auch die Action angenehm abwechslungsreich. Dass die Reihe um den Fremden hiermit ihren Abschluss feierte, ist dennoch legitim – die (ohnehin alles andere als bahnbrechende) Geschichte schien endgültig auserzählt, eine weitere Variante wäre schlichtweg müßig gewesen. So versetzt das Finale der Trilogie zwar nicht unbedingt die Kritiker der Schönen Künste in Verzückung, bietet Freunden des Italo-Westerns aber nochmals all das, was sie am Genre so schätzen. Und aufgrund der attraktiven Verquickung mit asiatischen Motiven eben auch noch ein bisschen mehr. Kung Fu gehört freilich nicht dazu. Man kann nicht alles haben.

Laufzeit: 92 Min. / Freigabe: ab 18

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