Eigene Forschungen

Freitag, 30. November 2012

GAMERA GEGEN GAOS - FRANKENSTEINS KAMPF DER UNGEHEUER


GAMERA TAI GYAOSU
Japan 1967

Regie:
Noriaki Yuasa

Darsteller:
Kojiro Hongo,
Naoyuki Abe,
Kichijiri Ueda,
Reiko Kasahara,
Taro Marui,
Yukitaro Hotaru,
Yoshio Kitahara,
Akira Natsuki



Inhalt:

Von der Menschheit bislang unentdeckt lebt ein gigantisches fledermausähnliches Wesen im Inneren eines Vulkans nahe einem japanischen Dorfe. Als plötzlich ein geheimnisvolles grünes Licht aus dem Berg dringt, wittert ein Sensationsreporter eine verheißungsvolle Story. Mühsam kraxelt er den Berg hinauf und begegnet dabei dem kleinen Eiichi [Naoyuki Abe], welcher sich hier bestens auskennt und sich daher als Führer anbietet. Kaum angekommen, beginnt das nun entdeckte Monster zu randalieren und verspeist zunächst den sichtlich verblüfften Reporter, mit dessen Story es nun freilich Essig ist. Bevor das monströse Untier auch den pausbäckigen Dreikäsehoch verspachteln kann, bekommt es jedoch von der plötzlich ebenfalls sich vor Ort befindenden fliegenden Riesenschildkröte Gamera eins gescheuert. Auf Gameras Rücken reitet Eiichi zurück ins rettende Dorf und muss dort im Anschluss allerhand Fragen betreffend des Monsters beantworten. Er nennt das Ungetüm kurzerhand Gyaos – nach eigener Aussage wegen des Schreis, den es ausgestoßen hat (vermutlich hat der Kleine etwas an den Ohren, denn der Schrei klang nicht im Entferntesten wie Gyaos) – und hat schon bald ergründet, dass selbiges eine Art Vampir zu sein scheint, nachtaktiv und nach Menschenblut dürstend. Nun ist guter Rat teuer, denn selbst Gamera scheint gegen Gyaos nichts ausrichten zu können, trollt sich die menschenfreundliche Flugkröte doch nach unterlegener Schlacht von dannen. Aber die Experten haben, von Eiichi tatkräftig unterstützt, noch so einige tolle Ideen …

Kritik:

1954 entstand im japanischen Toho-Studio GODZILLA, ein offensichtlich vom amerikanischen Klassiker PANIK IN NEW YORK beeinflusster, düster gehaltener Monsterfilm, in welchem Tokio von einer mutierten Riesenechse erst heimgesucht, dann plattgemacht wird. Der Erfolg war dermaßen gewaltig, dass eine wahre Schwemme an Fortsetzungen und Plagiaten über das Publikum hereinbrach und ein neues Genre schuf: 'Kaijū Eiga' – den japanischen Monsterfilm. Im Gegensatz zu westlichen Produktionen wurden die Riesenmonster dabei nicht etwa von (damals) modernen Stop-Motion-Effekten zum Leben erweckt, sondern – da weitaus kostensparender – von kostümierten Schauspielern verkörpert, die sich durch Miniaturlandschaften bewegten. Im Westen aufgrund der Durchschaubarkeit der Effekte oft belächelt, entwickelte das Verfahren jedoch seinen ganz eigenen unverkennbaren Charme, der den eher seelenlosen Tricks diverser US-Produktionen nicht selten deutlich überlegen war.

War GODZILLA noch ein sehr humorloses Unterfangen, trieb die folgende Monsterwelle teilweise wahrlich sonderbarste Blüten, schien doch kaum eine Idee zu abstrus zu sein, um sie nicht in einem Kaijū Eiga verbraten zu können. Als eifrigster GODZILLA-Nachahmer erwies sich bald das mit Toho konkurrierende Daiei-Studio, welches sich bestimmt eine beträchtliche Zeit lang den Kopf darüber zerbrach, welche Art Monster man einer riesigen mutierten Echse als Rivale gegenüberstellen könnte. Schließlich entschied man sich für die naheliegendste Lösung: eine gigantische, fliegende Schildkröte mit Düsenantrieb, welche um die eigene Achse rotieren und Feuerbälle spucken kann – 'Gamera' war geboren. 1965 fand Gameras erster Leinwandauftritt statt, und obwohl Dramaturgie, Handlung und Machart auf geradezu sträflich einfallslose Weise nahezu sämtliche GODZILLA-Elemente sklavisch wiederkäuten, war GAMERA das einzige Konkurrenzprodukt, das ebenfalls in Serie ging.

GAMERA GEGEN GAOS ist der dritte Leinwandauftritt des Riesenreptils und gleichzeitig der erste, der in Deutschland auch unter diesem Namen erschien (nachdem der erste hierzulande zunächst ignoriert und der unmittelbare Vorgänger zum GODZILLA-Film umsynchronisiert wurde). Kopierte man anfangs noch brav das GODZILLA-Konzept (erster Auftritt in Schwarzweiß, später Wandlung des Monsters zum Menschenfreund), war Teil 3 der erste Beitrag der Reihe, in welchem sich deren spätere Richtung bereits abzeichnete: So entwickelte sich GAMERA im Laufe der Zeit zur Kinderserie und schöpfte damit vor allem die Zuschauer ab, denen die GODZILLA-Reihe (trotz auch dort zunehmender Infantilität) immer noch zu düster und brutal erschienen. Daher rückten immer mehr die jugendlichen Darsteller in den Mittelpunkt des Geschehens, während die Erwachsenen sich nicht gerade mit Ruhm bekleckerten und sich von ihrem Nachwuchs mehr als einmal belehren lassen mussten. Sägten die vorlauten Gören freilich überwiegend an den Nerven des volljährigen Publikums, geriet GAMERA GEGEN GAOS in der Beziehung durchaus noch erträglich. Eiichi, gespielt von Naoyuki Abe, erscheint sogar vergleichsweise recht putzig, wenn er den stupiden Erwachsenen immer wieder die Welt erklären muss oder dem tölpeligen Sensationsreporter zu Beginn verbal vors Schienbein tritt. Auch die erwachsenen Darsteller erledigen ihre Arbeit angesichts der stussigen Handlung erstaunlich souverän, während die deutsche Synchronisation die Angelegenheit mal wieder etwas weniger ernst nahm und das Geschehen mit einigen lockeren Floskeln aufpeppte.

Gyaos (wer im deutschen Titel das ‚y‘ geklaut hat, wurde übrigens niemals aufgeklärt) ist zwar allzu offensichtlich nur eine Kopie RODANs (ebenso wie GODZILLA ein erfolgreiches Monster der Toho), aber im Vergleich zum Rest tatsächlich noch die originellste Idee der Macher: Das sich etwas ungelenk bewegende, aber recht knuffig gestaltete Ungeheuer erscheint als Mischung aus Flugsaurier, Urzeitvogel und Riesenfledermaus und erlebte 1995 mit GAMERA – GUARDIAN OF THE UNIVERSE sogar eine deutlich höher budgetierte Wiedergeburt. Nicht ohne Grund geriet Gyaos zu einem der beliebtesten Monster des GAMERA-Universums, das sich, im Gegensatz zu manch anderem Ungeheuer, sogar als verblüffend brutal erweist, wenn es sich, wie es blutgierige Riesenfledermäuse nun mal so tun, auf nächtlichem Beutezug seine bedauernswerten Opfer schnappt und lustvoll auf ihnen herumkaut, um sich an deren Blut gütlich zu tun.

Die Handlung geriet fraglos sehr dünn und ideenlos. Zweimal muss Gamera gegen Gyaos unterliegen, um schließlich beim letzten Kampf als Sieger hervorgehen zu dürfen (warum nicht gleich so?). Dazwischen vergeht jede Menge Zeit für ausgewalzte Beratungsszenen der menschlichen Protagonisten, deren infantile Dialoge einem häufiger mal die Schuhe ausziehen. Die eigentümlichen Maßnahmen der Militärs erweisen sich dann auch hintereinanderweg als völlig wirkungslos, was dem Spaßfaktor doch sehr zuträglich ist. Allein die glorreiche Idee, Gyaos auf eine riesige rotierende Scheibe zu locken, um ihn auf diese Weise so trieselig zu machen, dass er vor Morgengrauen nicht mehr rechtzeitig in seine Höhle zurückfindet, darf gut und gern mit schallendem Gelächter quittiert werden. Um die Handlung abermals weiter zu strecken, wird GAMERA GEGEN GAOS zwischen Monsterkarussells und vorlauten Kinderkommentaren auch noch sozialkritisch, als einige Dorfbewohner gegen den geplanten Straßenbau protestieren, um ihr Dorf zu retten. Mit ihrem ernsthaften Hintergrund in ziemlichem Gegensatz zum ansonsten eher kindgerecht aufbereiteten Geschehen stehend, entpuppt sich die sympathisch-naiv dargebotene Sozialkomponente am Ende jedoch als astreine Nullnummer, wenn sich das Problem quasi sang- und klanglos in Luft auflöst.

Regisseur Noriaki Yuasa inszenierte bereits den ersten GAMERA und war auch für die Nachfolger verantwortlich. Obwohl er später immer wieder betont haben soll, wie viel Herzblut er in die Regie der GAMERA-Filme gesteckt habe, wirkt diese doch ein wenig hüftsteif und frei von übertriebener Raffinesse. Tatsächlich erscheint GAMERA GEGEN GAOS etwas schwächer als der (nicht von Yuasa inszenierte) Vorgänger, obwohl die tapsige Unbeholfenheit der Macher fraglos etwas entwaffnend Liebenswürdiges hat. Die Effekte waren bei GAMERA (zumindest bis zur 1995er Neuauflage von Shûsuke Kaneko) immer ein paar Klassen unter der GODZILLA-Konkurrenz angesiedelt – GAMERA GEGEN GAOS bildet da keine Ausnahme. Die Kostüme sind deutlich fantasieloser, die Miniaturbauten auffallend billiger. Dennoch gelingen zumindest ein paar schöne Trickaufnahmen, wenn der kleine Eiichi auf Gameras Rücken reitet oder sich die beiden Ungetüme über dem Meer fliegend das Fell gerben. 

GAMERA GEGEN GAOS ist am Ende das, was es ist: eine Veranstaltung für Fans von sich kloppenden Männern in Kostümen. Genre-Fremde wird man hier kaum rekrutieren können, dafür fehlt es an Gewitztheit und Einfallsreichtum. Monsterfreunden hingegen bietet der dritte GAMERA immer noch ausreichend launiges Entertainment mit angenehm prickelndem Kuriositätsfaktor.

Wie wird in den deutschen Kaijū-Eiga-Synchronfassungen doch immer so treffend gebellt?

„Ungeheuerlich!“

Laufzeit: 89 Min. / Freigabe: ab 12

Freitag, 23. November 2012

96 HOURS - TAKEN II


TAKEN II
Frankreich 2012

Regie:
Olivier Megaton

Darsteller:
Liam Neeson,
Maggie Grace,
Famke Janssen,
Rade Serbedzija,
Leland Orser,
Luke Grimes,
Luenell,
Laura Bryce



Inhalt:

Einst pflügte Bryan Mills [Liam Neeson] mit roher Gewalt durch Europa, um seine entführte Tochter zu retten. Dabei hinterließ er dank seiner Nahkampferfahrung und skrupelloser Entschlossenheit mehrere Leichen. Murad [Rade Serbedzija] ist der Vater einer der unter diesen Umständen Verblichenen. Und er schwört Rache. Nun soll Mills das genommen werden, was er am meisten liebt: seine (Ex-)Frau Leonore [Famke Janssen] und seine Tochter Kim [Maggie Grace]. Als Familie Mills in Istanbul aufeinandertrifft, sieht er seine Chance: Murads Schergen greifen sich Mills und Leonore. Nun liegt es an Kim, ihren Eltern zu helfen …

Kritik:

„Ich werde Sie finden, und ich werde Sie töten!“, raunte Bryan Mills im Jahre 2008 den Entführern seiner Tochter telefonisch ins Ohr, um im Anschluss selbiges in die Tat umzusetzen – in dieser Reihenfolge und mit beispielloser Akribie.

96 HOURS (im Original TAKEN), ein recht kostengünstig und ohne großartige Übertreibungen inszeniertes Actionbrett, geriet zu einem kaum absehbaren Überraschungserfolg, der Freunde knochentrockener und prickelnd unmoralischer Vergeltungsmaßnahmen die Freudentränen ins Knopfloch trieb. Ein fabelhaft gegen den Strich besetzter, gerade aufgrund seiner Unaufdringlichkeit begeisternder Liam Neeson kämpfte, folterte und meuchelte sich jenseits aller Schamgrenzen durch Europas Unterwelt, um zu verhindern, dass seine Tochter skrupellosen Mädchenhändlern anheimfällt.

Da Erfolge eine Fortsetzung brauchen, überrascht es kaum, dass Bryan Mills vier Jahre später wieder einen Haufen Ärger am Hacken hatte. Dramaturgisch folgt die Weiterführung mit dem unsinnigen deutschen Titel 96 HOURS – TAKEN II dabei ohne großes Risiko dem Original. So hat Bodyguard Bryan Mills zunächst abermals eher unspektakuläre Privatproblemchen mit der Ex-Frau und vor allem dem Töchterlein, das er sowohl vor der Entjungferung als auch vor dem wiederholten Durchrasseln bei der Führerscheinprüfung retten muss. Bei Familienzwist und Männergespräch mit Grillkumpanen vergeht erneut einige Zeit, bis das Geschehen in Wallung kommt. Doch wo das Original ab der Entführung von Mills Tochter das Gaspedal quasi pausenlos durchtrat und eine zum Schneiden dichte Atmosphäre kreierte, kommt die Fortsetzung nie so recht in die Gänge und stottert meist planlos vor sich hin. Die Idee, dieses Mal Mills selbst zum Entführungsopfer werden zu lassen und stattdessen seine Tochter auf Rettungsmission zu schicken, ist so unoriginell nicht, verläuft jedoch bereits nach kürzester Zeit im Sande, da Mills sich im Rekordtempo und auf geradezu lachhaft simple Art und Weise selbst befreien kann. Das nun zwangsläufig folgende Actionspektakel, hauptsächlich bestehend aus Verfolgung, Schusswechsel und Handgemenge, erfüllt freilich seinen Zweck und bietet Adrenalinbedürftigen zumindest das Basisfutter. Das besondere Etwas jedoch, die Grimmigkeit, der Zynismus und vor allem die klare Konsequenz, die das Original so überraschend frisch machten, fehlt fast völlig. War die Action im Vorgänger noch auf ein festes Ziel fixiert, dabei straff, stringent und schnörkellos, wirkt sie bei TAKEN II nur beliebig, episodenhaft und zum Selbstzweck verkommend. Das Skript müht sich verzweifelt, kann seine Konstruiertheit jedoch kaum verbergen. Hier eine Hetzjagd, dort eine Rauferei, doch alles ohne echte Motivation, ohne Zusammenhang, ohne Evidenz.

Die zwar heftig abgestandene, doch deswegen nicht minder gültige Botschaft, dass Gewalt notwendigerweise Gegengewalt erzeugt, also Mills’ von den Fans geliebte Kompromisslosigkeit im Erstling die Fortsetzung somit quasi erzwungen hat, ist dabei ein nettes Gedankenspiel, und immer mal wieder steht die Frage nach der Legitimität von Selbstjustiz im Raum. Doch in selber Regelmäßigkeit werden diese Ansätze auch wieder fallengelassen, als hätten sich die Macher plötzlich vor ihrem eigenen Intellekt erschrocken. Die Möglichkeit einer interessanten Selbstreflexion bezüglich eines der kontroversesten Aspekte des Originals, die rücksichtslose Gewaltanwendung zum Zwecke hehrerer Ziele, wird somit sinnlos vertan.

Vielleicht wollte man die Fans auch einfach nicht mit zu viel Hirnfutter vergrellen, was durchaus seine Berechtigung hat. Doch fehlt es TAKEN II selbst unter dieser Prämisse erheblich an Glaubwürdigkeit. Nun ist Logik fraglos kein zwingendes Konzept für einen funktionierenden Actionfilm. Doch hatte es der erste Teil von 96 HOURS vortrefflich verstanden, Mills Suche, sein Geschick, seine Taktiken, Tricks und Kniffe verblüffend plausibel und nachvollziehbar erscheinen zu lassen. Verfolgte man dort noch fasziniert, wie Mills die Puzzleteile nach und nach zusammenfügte, weicht die Gewitztheit hier eher abstrusen Ideen und ernüchternder Einfallslosigkeit: Da lässt Mills seine Tochter Handgranaten durch Istanbul schleudern, um zwecks genauer Analyse von Windrichtung und Schallreflexion seinen Standort zu bestimmen, und telefoniert selbst in verschnürtem Zustand noch mit dem Notfallhandy aus der Stinkesocke, während die brutalen Gangster den wohl zu dem Zeitpunkt gefährlichsten Mann Istanbuls lediglich mit simplem Plastikbändchen fesseln und sich anschließend wundern, dass ihm die Flucht gelingt.

TAKEN II hat gewiss den Nachteil, einen wirklich großartigen 96 HOURS als Vorgänger zu haben. Aber selbst ohne den direkten Vergleich mag sich keine rechte Begeisterung einstellen. Zwar präsentierte auch der Erstling ein eher abgehalftertes Feindbild, gab sich in seinem Verzicht auf Schnörkel und Sperenzchen aber letztendlich dennoch erstaunlich alternativ. Dem Nachfolger jedoch geht jene erfrischende Attitüde fast völlig ab, der befreiende Aha-Effekt weicht den üblichen Klischees, von welchen sich das Original gerade so angenehm unterschied. Die fiesen Gaunerfratzen hat man einmal mehr von ganz tief unten aus der Klamottenkiste gezogen und verärgern durch bereits unzählige Male bis zum Erbrechen durchexerzierte Ganoven-Klischees (was bereits in der ersten Szene beginnt, als die Albaner bar jeder Logik statt in ihrer Muttersprache in gebrochenem Englisch Blutrache schwören). Istanbul bietet zwar eine schöne Kulisse für das gewalttätige Treiben, wird jedoch abermals als hinterwäldlerischer Moloch präsentiert, in dem Verbrechen und Gewalt dermaßen an der Tagesordnung sind, dass selbst die achtlos in die Gegend geschleuderten Handgranaten niemanden zu interessieren scheinen.

Statt Pierre Morel nahm beim Mills zweitem Ausflug Olivier Megaton auf dem Regiestuhl Platz (der vier Jahre zuvor mit TRANSPORTER III ebenfalls eine von einem anderen Regisseur begonnene Actionreihe beerbte), was ebenfalls ein paar Veränderungen mit sich bringt. Sein Stil fiel doch deutlich hektischer aus als die eher besonnene Inszenierung Morels (was sich vor allem in den arg unübersichtlich gestalteten Autoverfolgungen zeigt). Liam Neeson, den man vor 96 HOURS niemals auch nur ansatzweise in einem Actionthriller vermutet hätte, agiert hingegen in bekannter Qualität. Ebenso souverän wie agil beweist er, dass unkonventionelle Besetzungen die halbe Miete sein können. Famke Janssen [DEEP RISING] an seiner Seite hingegen wird vom Skript dermaßen unter Wert verkauft, dass es fast ein Trauerspiel ist.

Der Überraschungseffekt, den der Erstling mit sich brachte, ließ sich freilich unmöglich wiederholen. TAKEN II müht sich zwar, bleibt aber letztendlich eine nicht zwingend notwendige und an den Haaren herbeigezogene Fortsetzung, die quasi alle Qualitäten des Originals vermissen lässt: Die zielstrebige Killer-Klimax weicht beliebiger Larifari-Action, das Aufbegehren gegen gängige Konventionsmuster weicht eben diesen. Sicherlich gibt es für Actionfreunde schlechtere Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Die Happy Hour ist dennoch vorbei.

Laufzeit: 92 Min. / Freigabe: ab 16

Mittwoch, 14. November 2012

FOXY BROWN


FOXY BROWN
USA 1974

Regie:
Jack Hill

Darsteller:
Pam Grier,
Antonio Fargas,
Peter Brown,
Terry Carter,
Katheryn Loder,
Harry Holcombe,
Sid Haig,
Juanita Brown



„Rache ist so amerikanisch wie ein Hamburger.“ [Foxy Brown]


Inhalt:

Die schlagkräftige Foxy Brown [Pam Grier] hat’s nicht leicht! Nicht nur, dass sie ihrem missratenen Bruder Link [Antonio Vargas] ständig die Haut retten muss – ihr fürs FBI spitzelnder Ehemann Dalton Ford [Terry Carter] wäre auch vom Drogenkartell des schurkischen Steve Elias [Peter Brown] beinahe massakriert worden. Doch die Gesichtschirurgen verpassen dem mit Müh und Not mit dem Leben Davongekommenem eine neue Visage und das Zeugenschutzprogramm ihm einen neuen Namen. Der Start ins endlose Eheglück? Von wegen! Link schnuppert den Braten und petzt bei Elias, um seine Schulden bei ihm begleichen zu können. Ford werden die Lichter ausgepustet – dieses Mal wirklich! Foxy will Rache! Zum Glück führt Elias Gespielin Katherine [Kathryn Loder] einen als Model-Agentur getarnten Edelnutten-Escort-Service, ausschließlich dazu bestimmt, höchste Kreise aus Politik, Polizei und Justiz gewogen zu stimmen. Foxy lässt sich quasi mühelos anwerben, doch muss bald erkennen, dass die Korruption weiter nach oben reicht, als sie glaubte.

Kritik:

In den 70er Jahren erblühte ein neues Genre in der US-Kinolandschaft: Blaxploitation war angesagt! Die oftmals brutale Realität in den Ghettos der Schwarzen und der immer noch latente Rassismus der weißen Bevölkerung diente als Aufhänger für eine Unzahl spekulativer Billigfilme, in welchen schwarze Heldenfiguren das Gesetz selbst in die Hand nahmen, um sich an den Verbrechen (überwiegend weißer) Gangster zu rächen. Arm an Budget, dabei reich an grober Sex- und Gewaltdarstellung, formulierte die ebenso simple wie effektive DIRTY HARRY-Variante umgekehrten Rassismus und präsentierte die dunkelhäutigen Helden als moralisch einwandfreie, übermächtige, omnipotente Kampfmaschinen – ein filmischer Befreiungsschlag für die schwarze Bevölkerung Amerikas, die sich nach jahrelanger Unterdrückung nur allzu gern mit dieser Rolle identifizierte (obwohl sie eigentlich alle Klischees der weißen Mittelschicht über den ‚schwarzen Wilden‘ bestätigte).

Nach den ersten großen Kassenerfolgen mit SHAFT & Co. versuchte man schnell, auch weibliche Pendants zu den maskulinen Überkämpfern zu etablieren. Als eine der beliebtesten Darstellerinnen kristallisierte sich dabei schnell Pam Grier heraus, die zwar sehr kükenhaft daherkam (was ihre angebliche Unbesiegbarkeit etwas unglaubwürdig erscheinen ließ), jedoch über das nötige Charisma verfügte, um sich gleich durch mehrere Blaxploitation-Sausen hauen zu dürfen. In COFFY trat Grier 1973 das erste Mal in weiße Ärsche, bevor sie diese Tätigkeit ein Jahr später als FOXY BROWN fortsetzen durfte. Der Klassikerstatus, den das Werk mittlerweile genießt, erscheint im Nachhinein jedoch schon etwas befremdlich. Nüchtern betrachtet hat man es mit einer nur wenig aufregenden und reichlich unbeholfenen Melange aus Krimi und Rache-Drama zu tun, die außer den für das Genre typischen Merkmalen (Gangster, Gewalt, Drogen, Zuhälterei …) nicht wirklich viel zu bieten hat. Vielen mag das freilich völlig ausreichen und ein anspruchsloser Unterhaltungswert lässt sich nicht abstreiten – viele der entstandenen Nachzügler wussten die Zutaten jedoch weitaus besser zu nutzen.

Einer der Hauptgründe für den entstandenen Kult dürfte damit Pam Grier höchstpersönlich sein, das von den Fans fast schon ikonenhaft verehrte Aushängeschild des weiblichen schwarzen Selbstbewusstseins der 70er Jahre, dem selbst morgens nach dem Aufstehen nicht mal die kleinste Delle die ebenso gewaltige wie makellose Afrofrisur verunstaltet. Nun ist Grier nicht unbedingt mit enormem Schauspieltalent gesegnet, doch gibt sie tatsächlich noch die beste Figur ab in diesem von Knallchargen nicht armen Szenario und ist zum Glück auch unverklemmt genug, ab und zu mal ihre Brüste aus dem Dekolleté zu nehmen. Die restlichen Darsteller sind – vielleicht mit Ausnahme von Peter Brown [→ WEDDING PLANNER], der den smarten Drogenboss Steve überraschend klischeefrei verkörpert – kaum der Rede wert und neigen teilweise zu grandiosem Overacting. Besonders Hackfresse Antonio Fargas [→ CLEOPATRA JONES] legt als Foxys Bruder Link eine dermaßen derbe Sterbenummer aufs Parkett, dass es einem die Stulle vom Teller zieht. In einer Nebenrolle gefällt außerdem noch Juanita Brown als Claudia – eine wahre Bombe, die in puncto Sex Appeal Pam Grier locker in die Tasche steckt. Inzwischen freilich nicht mehr, denn die Gute verstarb bereits im Jahre 1981 im Alter von lächerlichen 30 Jahren.

Jack Hill, der Grier bereits als COFFY auf die Leinwand schickte, inszenierte die Sause zwar handwerklich sauber, aber ohne den leisesten Anflug von Innovation, während das hilflose Drehbuch ebenfalls keiner Belastungsprobe standhält: Die anfängliche Gesichtsoperation von Foxys Ehemann ist völlig unnütz, da er im Anschluss ohnehin erkannt wird (was kaum verwundert, da er seine Zeit nach wie vor an der Seite seiner Frau verbringt). Foxys Plan, sich als Prostituierte ins Drogenkartell einzuschleichen, funktioniert lachhaft reibungslos, obwohl er im Prinzip ein reines Selbstmordkommando ist – immerhin ist sie die Ehefrau eines vom Kartell erst kürzlich ermordeten FBI-Spitzels. Einer der Gangster gibt dann später sogar zu, sie bei dem Mord gesehen, aber hinterher dann nicht erkannt zu haben. Hat schon mehr Glück als Verstand, die Foxy! Die Heroinspritzen, die man ihr während ihrer Gefangenschaft verpasst, haben lustigerweise gar keine Wirkung – entweder ist die Frau also auf irgendeine Weise immun oder schlichtweg ständig auf Droge.

Die eklatanten Schwächen des Skripts kann die (gewiss auch aus Budgetgründen) rar gesäte Action kaum ausbügeln. Gibt es doch mal Prügel, keilen die Darsteller gut sichtbar meilenweit daneben – da man überwiegend auch noch auf die typischen Schlaggeräusche verzichtet hat, fällt das erst recht ins Auge. Ansonsten gibt es ein paar (auch blutige) Brutalitäten, die aufgrund der luschigen Machart jedoch nicht wirklich schocken können: Das böse Gangster-Gesocks schneidet Kehlen auf, foltert und vergewaltigt, und wird dafür von der schwarzen Rächerin entweder mittels gezieltem Kopfschuss außer Gefecht gesetzt, nach unfreiwilliger Benzindusche verkohlt oder per Flugzeugpropeller weggefetzt.

Ist die Komik meist unfreiwillig, werden einem zusätzlich immerhin auch ein paar beabsichtigte Kalauer serviert: So lässt ein korrupter Richter die Hosen runter, um sich per Beischlaf schmieren zu lassen, und überrascht die zu diesem Zwecke anwesenden Damen dabei mit drolliger Herzchen-Unterwäsche.

Mag FOXY BROWN nun auch kein Meisterstück sein, so punktet das reichlich unspektakuläre Werk immerhin mit dem für das Genre typischen Billig-Charme: Die Klamotten sind grellbunt, die Dialoge beknackt, die Score funkig. Selbst die eigentlich bedenkliche Selbstjustiz-Botschaft kommt dermaßen unbeholfen putzig daher, dass man ihr nicht mal im Ansatz böse sein kann. Zwar haben Foxys Kolleginnen wie TNT JACKSON später für besseren Stoff gesorgt, doch wirklich viel verkehrt macht man mit FOXY BROWN auch nicht – wenngleich einen der Konsum im Anschluss ähnlich unbeeindruckt lässt wie Foxy ihr Heroinfrühstück.

Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ab 18

Montag, 5. November 2012

SKYFALL


SKYFALL
GB, USA 2012

Regie:
Sam Mendes

Darsteller:
Daniel Craig,
Judi Dench,
Javier Bardem,
Ralph Fiennes,
Ben Whishaw,
Naomie Harris,
Albert Finney,
Ola Rapace


„So I wish I was James Bond, just for the day. Kissing all the girls, blow the bad guys away.“ [Scouting for Girls]


Inhalt:

James Bond [Daniel Craig] ist tot! Zumindest M [Judi Dench] glaubt das und verfasst auch schon mal nen Nachruf. Bei einem Einsatz in der Türkei wurde der beste Agent des MI6 angeschossen (von den eigenen Leuten – willkommen in unserem kompetenten Fachteam!) und im Fluss versenkt. Aber Bond hat überlebt (kein Wunder, sonst wäre der Vorspann der Abspann). Dennoch verschwindet er zunächst im Untergrund und liefert sich lebensgefährliche Trinkspiele mit den Einwohnern eines kleinen Dörfchens irgendwo im Nirgendwo. Doch als eine Explosion das Hauptquartier des MI6 erschüttert, meldet er sich zurück zum Dienst. Zwar besteht er nicht mal mehr den Tauglichkeitstest, doch M boxt Bond zurück in den Einsatz. In Shanghai soll er Jagd auf den Killer Patrice [Ola Rapace] machen. Dieser handelt im Auftrag eines Verbrechers, der dem Geheimdienst eine Liste mit Agentennamen entwendet hat (der MI6 ist auch nicht mehr das, was er mal war). Zwar überlebt Patrice die Konfrontation mit Bond nicht, doch ein Spielchip in seinem Gepäck führt auf die Fährte Raoul Silvas [Javier Bardem], eines ehemaligen MI6-Agenten, der ganz persönliche Gründe für eine Rache hegt. Die Festnahme des Bösewichts gelingt relativ reibungslos. Doch schon bald müssen MI6 und Bond feststellen, dass sie nur Marionetten in einem teuflischen Spiel Silvas sind.


Kritik:

Nein, das ist definitiv nicht mehr der James Bond der 1960er und 70er Jahre. Das ist nicht mehr der Bond, der sich mit Wrestlern mit tödlicher Kopfbedeckung prügelte. Das ist nicht mehr der Bond, der mit klobiger Laserkanone ins All flog. Und das ist auch nicht mehr der Bond, der sich mit Tarzan-Schrei durch den Dschungel hangelte. Mit den ebenso abstrusen wie unbeschwerten Nonsens-Abenteuern früherer Zeiten hat SKYFALL, der (zumindest nach offizieller Zählung) 23. James-Bond-Film und der dritte mit dem gewöhnungsbedürftigen Daniel Craig in der Rolle des Superagenten, inzwischen dermaßen wenig am Hut, dass es wohl ein Ding der Unmöglichkeit wäre, einen Uninformierten davon zu überzeugen, es mit ein und derselben Reihe zu tun zu haben.

Natürlich braucht Bond nun ernsthaft niemandem mehr vorgestellt zu werden. Den britischen Geheimagenten, der jeder noch so ausweglosen Situation entfleucht, jeden noch so geisteskranken Superschurken zur Strecke bringt, dabei aber immer noch genug Zeit findet, um Cocktails zu schlürfen und die schärfsten Tanten des Planeten zu beglücken, kennt wahrlich jedes Kind. Das hinderte die Autoren Neal Purvis, Robert Wade und John Logan jedoch nicht daran, es dennoch zu versuchen und bürdeten sich mit ihrem Skript die monumentale Aufgabe auf, den Menschen hinter dem Agenten sichtbar zu machen, seine Schwächen und Selbstzweifel. „Ich habe den Tod genossen“, antwortet Bond dann auch auf Ms Frage, warum er sein Überleben so lang geheim hielt. Und tatsächlich liegt eine unterschwellige Todessehnsucht in der Luft, eine unverarbeitete, tiefgründige Trauer lastet auf Ihrer Majestäts Superagenten. Freud wäre begeistert, führt ihn seine Selbstfindungsreise doch schließlich zurück an den Ort seiner Kindheit, wo er sich seinen verborgenen Dämonen stellen muss.

Aber nicht nur Bond hat Seelenkummer: Auch seine Vorgesetzte M (wie in den Vorgängern verkörpert von Judi Dench) befindet sich in einer Sinnkrise. Involviert wie noch nie zuvor, nimmt der Charakter hier aktiv am Geschehen teil und darf sich die Frage stellen, inwiefern getroffene Entscheidungen das Schicksal des Menschen beeinflussen. Brisanterweise ist die Entstehung des Schurken, gegen den Bond hier antreten muss, nämlich untrennbar mit einer von Ms Entscheidungen verbunden: Jarvier Bardem, der bereits in NO COUNTRY FOR OLD MEN als Killer mit Dachschaden und Bolzenschussgerät brillierte, liefert als entwurzelter Ex-MI6-Agent eine nachhaltig beeindruckende Leistung ab. Unter seinem tuckigen, rätselhaft unscheinbaren Auftreten mitsamt brüchiger Fistelstimme spürt man eine gefährliche Urgewalt brodeln, ein grenzenloser Wahnsinn, der jeden Augenblick herausbrechen könnte – sein schaurig-dämonischer Offenbarungseid im Ms Gegenwart hätte vermutlich selbst Hannibal Lecter zum Schlottern gebracht.
Und dennoch spielt Bardem keinen realitätsfernen Comic-Bösewicht, der aus reiner Bosheit agiert. Raoul Silva ist eine tragische Figur, ein von Menschenhand erschaffenes Monster, aufgrund von Folter und Entbehrungen in den Irrsinn getrieben, was seinen Wahn sogar nachvollziehbar macht:

Mutter! Sieh, was du erschaffen hast!“

Tod, Sterben, Schuld und Katharsis – Themen, die in SKYFALL nicht nur thematisiert werden, sondern zeitweise das Szenario sogar komplett beherrschen – und das in solch einem Ausmaß, dass man fast vergisst, es mit einem Agententhriller zu tun zu haben. Nun bestand nach 50 Jahren James Bond gewiss keine zwingende Notwendigkeit, das gewohnte (zudem bis zum Exzess auch von zahlreichen Plagiaten kopierte) Muster noch ein weiteres Mal treuherzig durchzuexerzieren; ob penetrante Ausflüge in die Welt der Tiefenpsychologie jedoch der Weisheit letzter Schluss war, um ein Flaggschiff wie 007 aufzupolieren, darüber könnte man vorzüglich bei einem Wodka Martini streiten. Fast paradox erscheint es da bei all dem Gemenschel, dass Bond mehr denn je zugleich als nahezu übermenschliches Wesen abgefeiert wird: Oft erst im Halbdunkel versteckt, tritt er schließlich wie der leibhaftige Messias ins Licht. Auf die Frage nach seinem Hobby antwortet er demzufolge auch: „Auferstehung!“

Nicht nur inhaltlich, auch visuell beschreitet man neue Wege: SKYFALL sieht schlichtweg umwerfend schön aus. Kameramann Roger Deakins kreierte berauschende Bilder von solch optischer Wucht, dass man sich jede zweite Szene als Poster an die Wand hängen könnte. Das nächtliche Shanghai erscheint so als märchenhafte Fantasiewelt, Bonds Kampf mit einem Kontrahenten als wirklichkeitsentrücktes Schattenspiel vor dem irrealen Hintergrund rotierender Lichter. So e
indrucksvoll das auch geriet, muss hier dennoch die Frage gestattet sein, ob man damit nicht ein wenig übers Ziel hinausgeschossen ist. Immerhin wurde James Bond nicht aufgrund ausgefeilter Bildästhetik zum Welterfolg (die ersten 007-Abenteuer, die den Erfolg begründeten, profitierten zwar von ihren exotischen Schauplätzen, waren in Sachen Inszenierung aber doch eher konservativ), sondern weil die Hauptfigur die quasi fleischgewordene männliche Allmachtsfantasie war, die in exotischer Umgebung ihre Maskulinität zelebrierte, die Gegner tötend, die Frauen betörend, aus sämtlichen Duellen actionreich als Sieger hervorgehend.

Action bietet SKYFALL freilich auch – richtig schnieke anzusehende sogar: Nicht zu rasant geschnitten, nicht zu übertrieben (vom anfänglichen geisteskranken Motorrad-Stunt mal abgesehen) und im archaischen Finale sogar richtig klassisch, wenn man sich in der kargen Landschaft Schottlands gegenseitig die blauen Bohnen um die Ohren pustet. Dennoch liegt der Fokus hier eindeutig auf Handlung und Charakterzeichnung, die kinetischen Exzesse ordnen sich brav unter, verkommen nicht zum Selbstzweck.

SKYFALL ist zwar kein ‚Reinfall‘, bürdet sich aber etwas zu viel auf: Obwohl sich in keiner Sekunde wie ein gewohntes 007-Abenteuer anfühlend, will er dennoch zugleich Hommage sein, als auch Vorgeschichte. Gespickt mit haufenweise Anspielungen auf die 'gute alte Zeit', muss man sich fragen, warum diese dann so krampfhaft zu verändern versucht wird. Die nahezu epische Herangehensweise, die ausladenden Bilder, die übertriebene Psychologisierung der Figuren und der apokalyptische Überzug von Todessehnsucht, Wiedergeburt und innerer Einkehr, das alles steht im Widerspruch zu den simplen Formeln, die die Reihe einst groß gemacht haben.

Oder, wie Raoul Silva so treffend fragt:

Ist noch irgendwas vom alten 007 übrig?“

Laufzeit: 143 Min. / Freigabe: ab 12

PS: Beachtet zu diesem Film auch die Kritik von Stuart Redman.

Freitag, 2. November 2012

SKINNY TIGER


SHOU HU FEI LONG
Hongkong 1990

Regie:
Lau Kar-Wing

Darsteller:
Karl Maka,
Sammo Hung,
Wu Fung,
Carrie Ng,
Wanda Yung,
Lau Kar-Wing,
Lung Ming-Yan,
Ni Kuang



„Kein Wunder, dass dir die Weiber davonrennen, du siehst aus wie ein sexuell total ausgehungerter Pfannkuchen. Bei deinem Gesicht rennt sogar eine Nymphomanin weg.“ [Skinny macht Fatty Komplimente]


Inhalt:

Die beiden bekumpelten Hongkong-Cops Skinny Mak [Karl Maka] und Fatty Lung [Sammo Hung] haben sich an die Fersen von ‚Kokain-König‘ Prince Tak [Lung Ming-Yan] geheftet. Sie schaffen es, das Vertrauen seiner Freundin Lai [Carrie Ng] zu gewinnen und diese gegen Tak auszuspielen. Als ihnen der Erfolg bereits sicher scheint, ruinieren sie bei einer Verfolgungsjagd mit dem Gagster jedoch die Hochzeitsfeier des Polizeichefs. Trotz der erfolgten Verhaftung Taks bringt ihnen diese Aktion eine Beurlaubung ein. Skinny und Fatty reisen nach Singapur, um den Kopf freizukriegen, und lernen dort – nicht zuletzt aufgrund der Bekanntschaft zweier reizender junger Damen – die Verlockungen eines Lebens ohne Verbrecherjagd kennen. Als sie nach Hongkong zurückkehren, um ihre Kündigung einzureichen, müssen sie allerdings erfahren, dass Tak bereits wieder auf freiem Fuß ist. Lai, die als Belastungszeugin gegen ihn aussagen sollte, wurde von seiner Bande umgebracht. Skinny und Fatty beschließen, dass das süße Leben noch etwas warten muss und planen, dem Gangster eine Falle zu stellen. Doch dieser hat bereits zwei Killerinnen auf die beiden angesetzt.

Kritik:

SKINNY TIGER ist das Aufeinandertreffen zwei der größten Publikumslieblinge des Hongkong-Kinos der 80er Jahre: Karl Maka und Sammo Hung. Zwar standen beide Darsteller schon häufiger gemeinsam vor der Kamera, dass sie sich jedoch die Hauptrollen teilten, war tatsächlich eine Neuheit. Während Karl Maka (der sich im Jahre 2000 aus dem Filmgeschäft zurückzog) in Deutschland fast ausschließlich durch die fünfteilige MAD MISSION-Reihe bekannt ist, ist der stattliche Sammo Hung auch hier ein bekanntes Gesicht, prügelte er sich doch recht häufig an der Seite Jackie Chans durch Kassenerfolge wie DER SUPERFIGHTER oder POWERMAN. Maka und Hung als ebenso schlagkräftiges wie hitzköpfiges Cop-Duo ist nun wahrlich – schon aufgrund ihrer optischen Gegensätze – nicht die schlechteste Prämisse für eine amüsante Actionsause: Hungs Fähigkeiten als Kämpfer sind trotz seiner beträchtlichen Leibesfülle unbestritten und Makas infantile Komik bedient zwar den eher tiefergelegten Humor des Hongkong-Mainstreams, wirkte jedoch – zumindest in der MAD MISSION-Reihe – auch auf das hiesige Publikum erheiternd (wozu zugegebenermaßen auch die grenzgeniale deutsche Vertonung ihr Scherflein beitrug).

Umso ernüchternder wirkt dann das tatsächliche Ergebnis: Offenbar verließ man sich dermaßen auf die Popularität der beiden Hauptdarsteller, dass man sich gar keine großartige Mühe gab, dem uninspirierten Drehbuch (das in fast schon schändlicher Einfallslosigkeit alle nur erdenklichen Buddy-Movie- und Copfilm-Klischees herunterbetet) irgendetwas Nennenswertes entgegenzusetzen. So entstand – trotz gelegentlich gelungener Stunts und Streitereien – ein nur halbgares Konglomerat aus Klamauk und Keilerei, das ungeachtet bester Voraussetzungen bereits in seinen Ansätzen steckenbleibt. Die überwiegend aus Gehampel, Grimassen und schlüpfrigen Bemerkungen bestehende Komik kann die ebenso spannungsarme wie unoriginelle Cop-jagt-Gangster-Story nur schwerlich aufwerten, während die fortwährende Hektik inklusive penetranter Dauerverbalattacke statt für Amüsement überwiegend für geplagte Nerven sorgt. Die tatsächliche Handlung ist dabei kaum der Rede wert und verzettelt sich häufiger in unwichtigen Nebensträngen, die zu allem Überfluss teilweise auch noch ins Nichts laufen. Negativer Höhepunkt ist dabei die sinnfreie Singapur-Episode, die mit dem Rest der Ereignisse kaum in Einklang zu bringen und später auch kein Thema mehr ist. Wirkliche Höhepunkte in Sachen Humor oder Action sind rar gesät. Glanzlicht für beide Sparten dürfte der Moment sein, in welchem Skinny und Tiger dem Gangster Tak seinen Luxusschlitten klauen und diesen – während der Beraubte laut schimpfend hinterher rast – in voller Fahrt fachgerecht verschrotten, zunächst durch simple Kratzer auf dem Autodach, später durch gezieltes Entlangschrammen an der Tunnelwand.

Den Hauptdarstellern ist kaum ein Vorwurf zu machen. Karl Maka agiert zwar lediglich im altbekannten MAD MISSION-Modus, was jedoch – sofern man gewillt ist, sich darauf einzulassen – gut funktioniert, und Sammo Hung ist sich nicht zu schade, sich zur Not auch mal gehörig zum Affen zu machen. So schiebt er seine überschüssigen Pfunde wild zappelnd durch die Disco und schleudert dabei seine Tanzpartnerinnen erst über die Tanzfläche und dann versehentlich mit voller Wucht in die Ecke des Raumes. Dass Fatty jedoch eine Geiselnahme dadurch löst, dass er die Gangster unnötig zur Waffengewalt provoziert und damit das Leben der Geiseln unnötig gefährdet, ist ein weiterer unbesonnener Augenblick, welcher Sympathien schnell wieder zunichtemacht. Ohnehin ist der Härtegrad für eine Komödie durchaus beachtlich, beißen doch einige Figuren auf recht unschöne Art und Weise ins Gras. Zwar sind die betreffenden Szenen schnell vorbei, wären aber dennoch eher in einem klassischen Knochenbrecher-Spektakel härterer Gangart zu vermuten gewesen als in einem humoristischen Buddy Movie. Nach etwa einer Stunde Laufzeit wird das Tempo erfreulicherweise doch noch etwas angezogen: Zwar sind die beiden auf die Hauptfiguren angesetzten Killerinnen recht schnell wieder abserviert, sorgen aber dennoch kurzzeitig für bereits gar nicht mehr möglich gehaltenen Nervenkitzel, und auch die Kampfszenen im Finale können sich blicken lassen. Der abschließende Budenzauber hingegen wirkt, als wäre den Machern kurz vor Schluss noch eingefallen, dass jeder Actionfilm auch eine Explosion benötigt.

Für Lau Kar-Wing war SKINNY TIGER (den FATTY DRAGON hat man beim deutschen Verleih kurzerhand unterschlagen) die letzte Regiearbeit. Generell war Kar-Wing auch eher vor als hinter der Kamera aktiv, war in den 70er Jahren u. a. in mehreren Produktionen der Shaw Brothers als Schauspieler zu sehen. Vielleicht liegt es an seiner Unerfahrenheit als Regisseur, dass SKINNY TIGER – trotz einiger lichter Momente – bei weitem nicht der Knaller geworden ist, der er hätte werden können. Fast schon unüblich für einen Beitrag aus dieser Sparte (und damit ebenfalls in absolut krassem Gegensatz zu MAD MISSION stehend) gleicht sich auch die deutsche Synchronisation dem Durchschnitt an und kann nicht wirklich Boden gut machen. Für Fans des Hongkong-Kinos taugt NUTTY KICKBOX COPS (Alternativtitel) immerhin als gepflegtes Happening für den kleinen Hunger zwischendurch: etwas Action, reichlich Albernheit und gerngesehene Akteure, zwar frei von Innovation, doch vom Bodensatz entfernt genug. Hätte aber gerne etwas fetter sein dürfen! 

Laufzeit: 100 Min. / Freigabe: ungeprüft

Donnerstag, 1. November 2012

SKYFALL


SKYFALL
GB, USA 2012

Regie:
Sam Mendes

Darsteller:
Daniel Craig,
Javier Bardem,
Naomie Harris,
Judi Dench,
Ralph Fiennes,
Bérénice Marlohe,
Albert Finney,
Ben Whishaw



Inhalt:

James Bond (Daniel Craig) im Einsatz in der Türkei. Gemeinsam mit seiner jungen Kollegin Eve (Naomie Harris), soll er dem Profikiller Patrice (Ola Rapace) einen Datenträger abjagen, auf dem die Identitäten diverser Agenten gespeichert sind und der in den falschen Händen eine große Gefahr für die Geheimdienste der westlichen Welt darstellt. Es kommt zu einer wilden Verfolgungsjagd mit Patrice, die auf dem Dach eines fahrenden Zuges endet. Eve hat von einem Berg aus Bond und Patrice im Visier ihres Scharfschützengewehrs, kann jedoch nicht feuern, weil die Gefahr, Bond zu treffen, zu groß ist. Doch M befiehlt ihr, das Risiko einzugehen. Eve schießt... und trifft Bond, der vom Zug in einen Fluss stürzt. Der MI6 hält Bond für tot, aber der Agent hat überlebt und ist untergetaucht. Eigentlich hat er genug vom Agentendasein. Erst, als er aus den Nachrichten erfährt, dass es einen Anschlag auf das Hauptquartier des MI6 gegeben hat, meldet sich 007 wieder zum Dienst. Er wird erneut auf Patrice angesetzt, soll dessen Auftraggeber aufspüren und nach wie vor die Liste mit den Agenten zurückbringen. In Shanghai trifft Bond erneut auf Patrice, der hier einen weiteren Mordauftrag ausführt. Bond stellt den Killer, aber bevor der ihm verraten kann, für wen er arbeitet, stürzt er von einem Hochhaus in die Tiefe. Ein Jeton aus einem Spielcasino führt Bond nach Macao, wo Patrice das Honorar für den Anschlag in Shanghai erhalten sollte. Dort lernt der Brite die schöne Sévérine (Bérénice Marlohe) kennen, die er schon bei dem Anschlag in Shanghai gesehen hat und die offensichtlich die Mätresse des Drahtziehers hinter der ganzen Sache ist. Die junge Frau gibt sich oberflächlich kühl, ist aber innerlich sichtlich von Angst erfüllt, und es gelingt Bond, sie davon zu überzeugen, mit ihm zusammenzuarbeiten. So trifft Bond schließlich auf seinen Gegenspieler: Der Ex-MI6-Agent Silva (Javier Bardem) fühlt sich von M hintergangen und sinnt auf Rache ...

Kritik:

Ich hasse solche Momente. Man sitzt im Kino und schaut einen Film, auf den man sich monatelang gefreut hat, in den man die größten Erwartungen gesetzt hat. Und dann muss man feststellen, dass der Film nicht nur diese Erwartungen nicht erfüllen kann, sondern sich sogar als echter Stinker entpuppt.

Vier Jahre mussten wir nach QUANTUM OF SOLACE auf den 23. Auftritt des berühmtesten Geheimagenten der Welt warten. Nachdem das Studio MGM in die Insolvenz gegangen war, wurden diverse Projekte vorerst auf Eis gelegt. Als die Zukunft des Studios dann endlich in trockenen Tüchern war, konnte auch die Produktion von SKYFALL endlich anlaufen. Doch schon im Vorfeld sorgte bei vielen Fans die Ankündigung für Ernüchterung, dass man nicht die mit CASINO ROYALE und QUANTUM begonnene Geschichte fortführen, sondern Bond erst einmal andere Abenteuer bestehen lassen werde. Aber das ist in der Bond-Historie beileibe nicht das erste Mal. Auch die ersten beiden Bond-Filme DR. NO und FROM RUSSIA WITH LOVE hingen mit dem Story-Arc um die Geheimorganisation S.P.E.C.T.R.E. handlungsmäßig bekanntlich lose zusammen, bevor es dann im dritten Film, GOLDFINGER, zunächst um ein völlig anderes Thema ging und Blofeld und Co. erst wieder im vierten Film, THUNDERBALL, von sich reden machten.

Nichtsdestotrotz sahen die Vorbedingungen für Bond Nr. 23 sehr gut aus. Als Regisseur wurde Sam Mendes verpflichtet, der mit der grandiosen Tragikomödie AMERICAN BEAUTY und der gelungenen Graphic-Novel-Adaption ROAD TO PERDITION zu einem der Top-Regisseure in Hollywood aufgestiegen war. Den Bösewicht besetzte man dieses Mal mit dem Spanier Javier Bardem, was von vielen als DER Besetzungscoup schlechthin gewertet wurde. In der Tat ist Bardem ein vielseitiger, hochtalentierter Mime, der in Filmen wie MAR ADENTRO (für den er 2005 den Oscar als bester Hauptdarsteller erhielt) und NO COUNTRY FOR OLD MEN (der ihm 2008 den zweiten Oscar, diesmal als bester Nebendarsteller, einbrachte) erstklassige Performances abgeliefert hat. Gestandene Schauspieler wie Ralph Fiennes, Naomie Harris und Albert Finney vervollständigten den Cast und auch die Neuentdeckung Bérénice Marlohe stieß auf ein positives Echo.

Das Resultat kann allerdings kaum überzeugen und schafft es gegen Ende sogar beinahe, den bisher schlechtesten Bond-Film, DIE ANOTHER DAY, noch zu unterbieten. Aber der Reihe nach.

Zunächst einmal eine Warnung: Der nachfolgende Text enthält diverse Spoiler. Wer den Film also noch nicht gesehen hat und sich die Überraschung nicht verderben lassen will, sollte nicht weiterlesen!

SKYFALL beginnt mit einer vielversprechenden Teaser-Sequenz. Die Verfolgungsjagd zwischen Bond, Eve und Patrice ist versiert in Szene gesetzt und dem Bond-Franchise entsprechend aufwendig gestaltet. Hier wird geklotzt und nicht gekleckert. Einige Over-the-Top-Momente (Bond brettert z. B. mit eine Motorrad mit voller Absicht in ein Brückengeländer, um sich mittels der durch den Aufprall entstehenden Schleuderkraft über den Lenker auf das Dach des unter der Brücke hindurchfahrenden Zuges katapultieren zu lassen) stören hier nicht großartig. Vielmehr verspricht der Teaser genau das, was man erwartet: Großangelegtes Adrenalinkino vom Feinsten. Aber dieses Versprechen löst der Film nach der gelungenen Titelsequenz (mit einem wirklich sehr guten, von Adele gesungenen Titelsong) nicht ein. Statt dessen geht es in der ersten Hälfte des Films erstaunlich unspektakulär zu. Bis auf zwei Schlägereien, in denen sich 007 einmal mit Patrice und einmal mit Sévérines Aufpassern auseinandersetzen muss, gibt es hier auch keinerlei weitere Actionszene. Das wäre im Grunde nicht so schlimm, CASINO ROYALE war ja auch schon untypisch actionarm für einen Bond-Film und lieferte trotzdem Spannungskino auf höchstem Niveau. Aber die Story von SKYFALL entwickelt sich einfach zu uninteressant, als dass sie einen groß mitreißen würde.

Auch die Locations werden nicht ausreichend genutzt. Von Shanghai und Macao gibt es jeweils einen Establishing-Shot und das war es dann mit Schauwerten von Bonds Reise um den Globus. Den Rest hätte man auch sonstwo auf der Welt drehen können. Die verlassene Insel, auf der Bösewicht Silva sein Hauptquartier eingerichtet hat, gibt es übrigens wirklich. Es handelt sich dabei um die Insel Hashima, die allerdings nicht in der Nähe Macaos, sondern in der Nähe von Japan liegt und einst ein blühendes Kohleabbaugebiet war. Mit knapp 83500 Einwohnern pro Quadratkilometer (gezählt im Jahre 1959) war sie eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde. 1974 wurde der Bergbaubetrieb auf der Insel allerdings von heute auf morgen eingestellt und innerhalb kürzester Zeit verließen sämtliche Bewohner das Eiland, ließen aber diverse Habseligkeiten zurück. Zurück blieb eine Geisterstadt.

Aber zurück zu SKYFALL: Erst mit der Einführung der Figur Sévérine kommt etwas Bewegung in den Plot. Sie wird von Silva wie eine Sklavin gehalten. Sie ist sein Spielzeug, mit dem er tun und lassen kann, was er will. Dementsprechend einfach ist es für Bond, sie auf seine Seite zu ziehen, indem er ihr verspricht, Silva auszuschalten. Doch kaum glaubt man die junge Frau als aktuelles Bond-Girl etabliert, scheidet Sévérine ebenso unerwartet wieder dahin. Von Silva kaltblütig erschossen. Damit wird SKYFALL zu einem Bond-Film ohne Bond-Girl, zumal das erotische Geplänkel zwischen 007 und seiner Kollegin Eve von Beginn an eher verspielt oberflächlich angelegt ist und Eve somit die Bond-Girl-Rolle nicht erfüllt. Wenn am Ende enthüllt wird, dass Eve mit Nachnamen Moneypenny heißt, wird auch klar warum. Dem Film hilft das allerdings auch nicht weiter. Mit dem Erscheinen Silvas auf der Bildfläche beginnt der stetig schneller werdende Absturz des Films. Erntete Javier Bardem als Bösewicht wie gesagt einiges an Vorschusslorbeeren, ist sein Part leider einer der größten Schwachpunkte des Films. Schon sein Äußeres wirkt reichlich lachhaft. Mit wasserstoffblonder Mähne und irrem Blick präsentiert sich Silva als psychopatischer Rächer mit homosexuellen Anwandlungen. Dass dieser ständig "Bing"-sagende Wirrkopf einmal einer der besten MI6-Agenten gewesen sein soll, kann man als Zuschauer einfach nicht ernst nehmen. Da war der von Sean Bean verkörperte Alec Trevelyan in GOLDENEYE, dessen Motivation zum Teil ja ebenfalls Rache für das Im-Stich-gelassen-werden im Einsatz war, wesentlich glaubwürdiger. Silva ist schlicht und ergreifend eine Lachnummer, gegenüber dem selbst die aktuell durch das Internet geisternde Nachricht, man wolle in einem der nächsten Filme der Reihe gegebenenfalls Blofeld wiederbeleben, plötzlich gar nicht mehr als soooo blöde Idee erscheint.

Zudem ist sein Plan einfach nur unnötig kompliziert. Dass der Racheengel das MI6-Hauptquartier in die Luft jagt und damit droht, hunderte von Agenten zu lebenden Zielscheiben zu machen, indem er ihre Identitäten auf Youtube postet, macht noch Sinn, denn er will nicht nur M, die er als persönlich verantwortlich für sein Schicksal sieht, sondern auch gleich den ganzen MI6 ausschalten. Aber warum er Bond erst nach Macao lockt und sich absichtlich verhaften lässt, nur um dann wie ein ganz gewöhnlicher Amokläufer mit zwei seiner Schergen in einen Sitzungssaal zu stürmen und um sich zu ballern, bleibt ein Rätsel. Immerhin ist die Schießerei im Sitzungssaal die erste ausschweifendere Actionszene seit der Eröffnungssequenz. Auf seiner anschließenden Flucht durch das U-Bahnsystem lässt Silva dann, um seinen Verfolger 007 aufzuhalten, noch schnell mittels Sprengung einen Zug entgleisen. Gott sei Dank sitzt da außer dem Zugführer keiner drin. Dass Silva die persönliche Vendetta gegen Bond und M viel wichtiger ist als der Untergang des MI6, zeigt sich gleich darauf, als der Bösewicht einer von Q (Ben Whishaw) gelegten Spur zu Bonds einsam gelegenen Elternhaus in den schottischen Highlands folgt, wo es zum erbitterten Endkampf zwischen ihm, Bond und M kommt.

Hier wird dann noch schnell ein weiterer Comic-Relief in Gestalt des Hausverwalters Kincaid (Albert Finney) eingeführt ("Don't mess with a Scotsman!") und man macht sich daran, das alte Gemäuer zu verbarrikadieren und mit allerlei Fallen auszustatten. Eine Szene, in der eigentlich nur das Titelthema vom A-TEAM fehlt, um sie völlig ins Absurde kippen zu lassen. Es folgt der schlappste Showdown, den das Bond-Universum je gesehen hat. Ein bisschen Geballer hier, ein paar kleinere Explosionen von gestellten Fallen da, Bond jagt sein Elternhaus komplett in die Luft, man rennt ein paar hundert Meter durchs Moor und in einer Kirche kriegt Silva dann, kurz bevor er sich und M mit einer an die Schläfe gehaltenen Wumme die Lebenslichter auspusten kann, von Bond ein Messer in den Rücken.

Jetzt werdet ihr euch fragen, warum ich weiter oben schrieb, dass SKYFALL fast noch DIE ANOTHER DAY unterbietet. Hier ist der Grund: DIE ANOTHER DAY ist zwar Schwachsinn vor dem Herrn, hat einen an den Haaren herbeigezogenen, überladenden Plot, Spezialeffekte aus der untersten Schublade und Gadgets, die in einen Superhelden-Comic gepasst hätten, aber nicht in einen Bond-Film. Aber wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen und das Ganze als Parodie seiner selbst zu betrachten, wird man wenigstens zwei Stunden lang kurzweilig unterhalten. SKYFALL dagegen ist über drei Viertel seiner über 140 Minuten Laufzeit schlicht langweilig. Zudem hatte DIE ANOTHER DAY überhaupt nicht den Anspruch, ernst genommen zu werden, sondern verstand sich als simples Hirn-aus-und-durch-Popcorn-Kino. SKYFALL dagegen will ein ernster Film sein, der aufgrund der weitgehend fehlenden Action durch Figuren und Handlung getragen wird. CASINO ROYALE hat das hinbekommen. SKYFALL scheitert daran kläglich.

Immerhin lässt die Schlussszene dann doch noch darauf hoffen, dass im nächsten Bond wieder alles besser wird. Dass man Judi Denchs M sterben lässt ist nur konsequent. Sie hat ihren Dienst siebzehn Jahre lang treu verrichtet und ihre Schuldigkeit getan. Schon am Filmanfang dachte ich bei ihrem Anblick: "Mann, ist die alt geworden." Ralph Fiennes ist eine passende Besetzung für den neuen M und hat die für den Charakter typische Mischung aus bürokratischer Verschrobenheit im Alltag und zielstrebigem Aktionismus in Krisensituationen gut etabliert. Naomie Harris als neue Miss Moneypenny wird sich ebenfalls gut in der Rolle machen. Nur mit Ben Whishaw als Q bin ich nicht wirklich warm geworden. Bonds erste Reaktion ("You must be joking") war zugegebenermaßen auch die meinige. Der Mann ist mir ein bisschen zu nerdy, um ihn sympathisch zu finden.

Naja. Bond will return, wie es auch in diesem Film wieder so schön im Abspann heißt. In SKYFALL ist der Titel quasi Programm. Bond ist tief gefallen. Hoffen wir, dass es das nächste Mal wieder aufwärts geht.

Laufzeit: 143 Min. / Freigabe: ab 12

PS: Beachtet zu diesem Film auch die Kritik von DJANGOdzilla.