Eigene Forschungen

Donnerstag, 14. Oktober 2021

BORN HERO


LUNG JOI GONG WOO
Hongkong 1986

Regie:
Ronny Yu

Darsteller:
Brandon Lee,
Michael Wong,
Regina Kent,
Mang Hoi,
Bolo Yeung,
Kirk Wong,
Michael Chan,
Tanya George



„Söhnchen, du wirst eine lange Zeit hier drin bleiben. Iss ne Banane!“
(Der Inspektor versucht, Brandon den Knastaufenthalt schmackhafter zu machen.)


Inhalt:

Brandon [Brandon Lee] ist ein redlicher junger Mann, der sich gleich mit zwei Jobs durchs Leben schlägt, um seiner Freundin und sich eine schöne Zukunft sichern zu können. Doch leider hat er sich mit Michael [Michael Wong] einen falschen Freund gesucht. Der nämlich ist rattenscharf auf Brandons Freundin May [Regina Kent]. Und da er es als Sohn eines Gangsters gewohnt ist, zu bekommen, was er will, schmiedet er einen hinterhältigen Plan: In einer Bar bringt er einen Konkurrenten seines Vaters ums Eck – und schafft es erfolgreich, den Mord Brandon in die Schuhe zu schieben. 8 Jahre lang wandert dieser dafür in den Bau, sich seinem Schicksal zunächst beherrscht fügend. Doch als er erfährt, dass er hintergangen wurde, ist es bei ihm vorbei mit der Genügsamkeit. Wieder auf freiem Fuß deckt er sich mit ausreichend Arsenal ein und schreitet zur blutigen Tat …

Kritik:

Nein, verausgabt haben sich die Autoren wahrlich nicht, als sie das Drehbuch zu BORN HERO schrieben (und ja, man benötigte tatsächlich gleich zwei Leute dafür). Die Geschichte ist dermaßen spartanisch und nach Schema F gestrickt, dass ein simples Treatment bereits vollkommen ausgereicht hätte. Das einzige Ziel der lediglich zweckdienlich zurechtgezimmerten Zeilen bestand darin, Brandon Lee, dem Sohn der Leinwand-Legende Bruce Lee, zu seinem ersten Kino-Auftritt zu verhelfen. Anstatt unnütze Risiken einzugehen, setzte man dafür lieber auf bereits mehrfach bewährte, erwiesen betriebsfähige Zutaten und zeichnete die Hauptperson als fast schon übertrieben mustergültigen Schwiegermuttertraum, der sich tagtäglich abrackert, um seiner Freundin und sich ein schönes Leben ermöglichen zu können. Damit klar wird, was für eine Seele von Mensch er doch ist, darf er gleich am Anfang einem kleinen Kind helfen, das seine Mutter verloren hat. Allerdings geht diese Charakterstilisierung doch etwas nach hinten los, denn gesagte Mutter sitzt in einem bereits abgefahrenen Bus, dem Brandon nun mit dem Mädchen auf dem Arm in ziemlicher Sinnlosigkeit und arg selbstmörderischer Manier durch den Straßenverkehr hinterherhechtet. Statt veritabel erscheint Lee hier eher verantwortungslos.

So viel eherne Rechtschaffenheit erfordert natürlich einen maximal durchtriebenen Kontrahenten, den man in Michael Wong (ja, die Filmfiguren heißen hier tatsächlich so wie die Schauspieler) dann auch findet. Brandons Arglosigkeit gegenüber seinem früheren Freund erscheint dabei etwas zu weit hergeholt, denn dass der schofelige Schmierlappen ein falscher Fuffziger ist, riecht man locker mehrere Meilen gegen den Wind. Der Held jedoch steht erstaunlich lange Zeit auf dem Schlauch und vertraut seinem Denunzianten blind, ohne auch nur den Hauch eines Verdachts zu schöpfen, was ihn nicht besonders helle wirken lässt. Ohnehin kommt Lee unbeabsichtigterweise oft ein wenig begriffsstutzig rüber, wozu sein stets etwas tranig wirkender Gesichtsausdruck in nicht unerheblichem Maße beiträgt. Das virile Charisma seines Vaters geht ihm überwiegend ab, weswegen man ihm den harten Hund, zu dem er sich noch gerade rechtzeitig zum Finale entwickelt, auch nicht so recht abkaufen will. Auch die Vermarktung des Vehikels wirkte diesbezüglich etwas hilflos, setzte sie als Anreiz doch fast ausschließlich auf den Aspekt, dass hier der Sohn einer Ikone sein Kino-Debüt feiert. Da BORN HERO weder inhaltlich noch stilistisch etwas mit den wegweisenden Bruce-Lee-Klassikern gemein hat, verhallt diese Marktschreierei quasi im luftleeren Raum. War der Vater einst ein Meister der Machetik, der seine Widersacher per Hand, Fuß und Körperbeherrschung auf die Bretter schickte, greift der Sohn überwiegend zur Bleispritze, um innerhalb seiner Gegnerschaft klar Schiff zu machen. Zwar darf er durchaus auch mal ein paar Tritte verteilen, mit der berühmt gewordenen konzentrierten Kampfkunst seines Erzeugers hat das aber herzlich wenig zu tun.

Tatsächlich ist BORN HERO in weiten Teilen nicht einmal ein Actionfilm, denn der Fokus liegt doch lange Zeit woanders. Zu Beginn erlebt man hier eine arg kitschige und klischeegetränkte Liebesgeschichte, die vor allem daran krankt, dass Figuren und Verhältnisse schlichtweg zu schlecht geschrieben sind (er grundanständig und naiv, sie quengelig und viel zu mädchenhaft). Nach der ungerechtfertigten Inhaftierung Brandons wechselt die Erzählung dann zu einem traditionellen Gefängnis-Drama, in welchem sich der Protagonist mit dem rauen Leben im Knast herumplagen muss (misslungener Ausbruchsversuch inklusive). Zwar gibt es bis dahin zwischendurch immer mal wieder kleinere Scharmützel (etwas Prügel und Peng-Peng), die erwartbare Action-Rakete wird dabei aber wahrlich nicht gezündet. Freunde feuriger Konfliktaustragungen müssen sich daher bis zur finalen Viertelstunde gedulden, die zuvorige Versäumnisse dafür allerdings auch anständig nachholt und an die trauten Tugenden des Hongkong-Kinos gemahnt. Nach einer zünftigen, mit viel Blechschrott garnierten Autojagd (die natürlich in einem Flammenmeer endet) und einem bleihaltigen Zwischenstopp am überraschend unkonventionellen Schauplatz „Hühnerfarm“ (welcher Tierschützer auf die Barrikaden treiben dürfte), wird in des räudigen Verräters rustikaler Villa großkalibrig und flächendeckend aufgeräumt, wobei neben beidhändig ausgeführtem Dauerbeschuss auch der gute alte Nahkampf nicht zu kurz kommt. Die beabsichtige Katharsisfunktion dieser endgültig den Konnex klärenden Konfrontation bleibt natürlich aus, da BORN HERO es niemals schaffte, Charaktere zu kreieren, mit denen man sich empathisch verbünden könnte. Aber dafür knallt es wenigstens endlich mal so richtig.

Am Ende hat Regisseur Ronny Yu [→ DIE SÖHNE DES GENERALS YANG] dann gar nicht so viel falsch gemacht. Klar, die Story ist ausgelatscht und leidenschaftslos erdacht, dafür aber erfreulich stringent umgesetzt und auch nie wirklich langweilig. Im Gegensatz zu vielen Konkurrenzprodukten entsteht die Action hier tatsächlich aus der Handlung heraus und nicht umgekehrt. Auch wurde auf unpassende Humor-Einlagen verzichtet, was im Genre des bewegungsorientierten Asien-Kloppers gar nicht mal so oft passierte. Die Inszenierung ist (abgesehen von der unvermeidlichen teils arg hässlichen 80er-Jahre-Mode) gut anzusehen, wenn auch recht bodenständig und längst nicht so experimentell angehaucht, wie manch andere Arbeit Yus. Brandon Lee [→ RAPID FIRE] und Michael Wong [→ SEVEN ASSASSINS] sind als honoriger Held und schmieriger Schurke nicht mehr als schablonenhafte Abziehbilder, agieren im Rahmen ihrer Möglichkeiten aber ausreichend anständig. Regina Kent [→ TOP SQUAD] kann als einzige relevante Frauenfigur hingegen gar keine Akzente setzen, da sie vom Skript schlichtweg verheizt und in die passive Opferrolle gedrängt wird. Und in einer Nebenrolle darf sich Kult-Hackfresse Bolo Yeung [→ DER MANN MIT DER TIGERPRANKE] auch einmal kurz das Fell gerben lassen.

Wer Schauspielkino erwartet, ist hier also fehl am Platze. Wer Dauer-Action erwartet, ebenfalls. Dennoch vertreibt LEGACY OF RAGE (wie BORN HERO jenseits deutscher Videothekenregale eigentlich heißt) die Zeit durchaus im brauchbaren Bereich. Kann man sich ansehen. Muss man aber nicht.

Laufzeit: 86 Min. / Freigabe: ab 18

Montag, 11. Oktober 2021

AMERICAN YAKUZA II


KUANG GING SHA SHOU
Hongkong 1995

Regie:
Anthony Lau

Darsteller:
Anthony Lau,
Simon Yam,
Conan Lee,
Sharla Cheung,
Elaine Eca Da Silva,
Wong Kam-Kong,
Joan Tong,
Ng Min-Kan



Inhalt:

Lone [Anthony Lau], ein Festland-Chinese, reist auf einem Fischkutter illegal in die USA ein. Er ist auf der Suche nach seiner Ehefrau Miu [Sharla Cheung], die nach ihrer Reise ins gelobte Land spurlos verschwand. Nach Ankunft sucht er als erstes seinen Bruder Luke [Simon Yam] auf, der in Los Angeles zu einem einflussreichen Gangsterboss aufgestiegen ist. Dieser verspricht, ihn bei der Suche nach Miu zu unterstützen. Als die Männer beim gemeinsamen Zwiegespräch von Mitgliedern einer feindlichen Gang überfallen werden, erweist sich Lone als zuverlässiger Kämpfer und wird quasi postwendend zu Lukes Rechter Hand. Was er nicht ahnt: Sein Bruder treibt ein falsches Spiel. Der gutgläubige Lone wird nach und nach zum Spielball einer blutigen Intrige.

Kritik:

AMERICAN YAKUZA II entstand zu einer Zeit, als sich das bewährte blutverspritzende Hongkonger Action-Kino bereits im Niedergang befand. Über 10 Jahre war es bereits her, dass Pioniere wie John Woo mit Epen wie A BETTER TOMORROW (1985) quasi ein neues Genre aus der Taufe hoben, das Heroic Bloodshed - eine modernisierte, überwiegend im Gangster-Milieu angesiedelte Variante traditioneller Ritter-Mythen, die sentimentale Geschichten von Ehre, Treue und Verrat mit durchästhetisierter Gewaltdarstellung verband und regelmäßig menschliche Körper im Kugelhagel Todestänze aufführen ließ. Zahlreiche Nachahmer und Nutznießer sorgten dafür, dass das Konzept schon bald zu seinem eigenen Klischee verkam, dessen Inhalte nur noch rudimentär variiert wurden. Obwohl sich der Fan grundsätzlich über jedes Material freute, war eine gewisse Übersättigung kaum zu leugnen. AMERICAN YAKUZA II geriert sich als Paradebeispiel für diesen Sachverhalt und wirft zum Produktionszeitpunkt bereits dutzendfach durchexerzierte Story-Elemente mit großer Geste in den Drehbuch-Topf, um, wenn schon nicht den Feinschmeckern, so doch zumindest den Allesfressern, eine weitere Portion wohlproportioniertes Blutvergießen zu kredenzen. Wie damals beim Hongkong-Kino häufiger der Fall, siedelte man die dazugehörige Geschichte in den USA an, wodurch man sich ein größeres Publikum und internationale Konkurrenzfähigkeit erhoffte.

Hauptantriebsfeder dieser späten Nummer war Anthony Lau (eigentlich: Lau Wing [→ IM GEHEIMDIENST DES GELBEN DRACHEN]), der hier nicht nur die Hauptrolle bekleidete, sondern auch die Inszenierung übernahm. Das ist gleich doppelt bemerkenswert, war Lau in Sachen Regie ein bis dahin noch unbeschriebenes Blatt und auch als Schauspieler hauptsächlich eher in zweiter Reihe anzutreffen. Hält man sich dieses vor Augen, ist es schon achtbar, wie souverän er in beiden Positionen abliefert. Die fraglos vorhandenen Probleme von AMERICAN YAKUZA II gehen zumindest nicht auf sein Konto, sondern überwiegend auf das von Autor Yuen Kai-Chi [→ A CHINESE GHOST STORY]. Dass sein Drehbuch das Rad nicht neu erfindet, ist natürlich kein Unglück und war weder zu erwarten noch verlangt. Aber etwas mehr Gedanken über die offenkundig sehr eilig herbeifabulierten Ereignisse und Figuren hätte man sich durchaus machen dürfen. Dass man nie so wirklich erfährt, woher der recht arglos wirkende Lone eigentlich seine sensationelle Kampfqualifikation hat, welche sogar der nun nicht gerade als zimperlich verschrienen Yakuza den Angstschweiß auf die Stirn treibt, ist noch locker zu verschmerzen. Doch vieles andere wirkt unausgegoren oder nicht zu Ende gedacht; die Motive der handelnden Personen erscheinen oft kryptisch und unnahbar. Das betrifft vor allem den Antagonisten Luke (eine routiniert runtergeratterte Klischeerolle für Simon Yam [ → MAN OF TAI CHI]). Dass dieser mit Lone ein doppeltes Spiel treibt, ist zwar nie ein Geheimnis, aber was eigentlich genau seine Pläne und Ziele sind, bleibt vage. Erst hängt er ihm (auf ebenso abenteuerliche wie hanebüchene Weise) einen Mord an, dann, im völligen Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten, betrinkt er sich mit ihm hemmungslos und quietschvergnügt wie mit einem besten Kumpel und tauscht wehmütig Jugenderinnerungen aus. Was denn nun?

Für weitere Verwirrung sorgen mehrere ebenfalls nur bruchstückhaft referierte Sub-Plots, deren Intentionen nie so ganz klar werden. So liegt Luke im Clinch mit einem Mr. Lee (gespielt von Wong Kam-Kong [→ PHANTOM SEVEN]), mit dem er um einen wichtigen Posten in der Politik wetteifert (die Hintergründe dazu werden ebenfalls nicht die Bohne erläutert) und den er völlig inkonsequent im einen Augenblick ermorden, im nächsten dann aber wieder vor einem Anschlag schützen will. Tatsächlich bleibt es fortwährend völlig unverständlich, wer hier wen aus welchen Motiven ans Messer liefern möchte und warum Menschen mal getötet, mal gerettet werden sollen. Und mitten durch diese chaotischen Verhältnisse stapft dann auch noch Conan Lee [→ BORN HERO II] als namenloser Polizist, der auch so gar keinen Plan hat, was hier eigentlich Phase ist, ständig nicht nachvollziehbare Schlüsse zieht und mit seiner uni(n)formierten Trottel-Truppe bis zuletzt rein gar nichts zur Weiterentwicklung oder gar Auflösung der Ereignisse beiträgt. Ohnehin ist es auffällig, wie viele Handlungen hier eigentlich parallel ablaufen, ohne sich gegenseitig zu tangieren. Die Suche Lones nach seiner Frau (so wirklich suchen im herkömmlichen Sinne tut er eigentlich auch gar nicht, in der Regel wartet er nur darauf, dass ihn irgendjemand mit Informationen versorgt) passiert völlig losgelöst von seinen Aktivitäten als Rechte Hand seines Triaden-Bruders, während Lukes Konflikte mit der Konkurrenz ebenfalls nichts mit seinem Verrat an Lone zu tun haben. Und hätte einer der Charaktere die Katze bereits etwas eher (um genauer zu sein: gleich am Anfang) aus dem Sack gelassen, hätte man sich die ganze Bandenkrieg- und Rache-Plotte ohnehin schenken und gleich zum Showdown übergehen können.

Denn was das Publikum schon längst weiß, blickt der Protagonist doch reichlich spät (und eben auch nur, weil er es kurz vor knapp endlich mal ganz konkret aufs Butterbrot geschmiert bekommt): Natürlich ist sein eigener Bruder der große Halunke und eigentlicher Drahtzieher hinter dem Verschwinden seiner Frau. Wie wahrscheinlich es ist, dass Lone davon die ganze Zeit nichts mitbekam, obwohl Luke sie eigentlich gar nicht großartig versteckt hält und sogar eine ausladende, absolut ungeheime Geburtstagsfeier für sie gibt, ist wieder so ein Punkt, über den man nicht allzu intensiv nachdenken sollte. Jedenfalls ist diese Erkenntnis Grund genug für Lone, aufgrund einer vom Skript herbeigezauberten heftigen Überreaktion eine unverzügliche bluttriefende Vergeltungsorgie vom Zaun zu brechen, die in ihrer apokalyptischen Konsequenz nichts mehr übrig lässt und damit auch alle anderen mühsam konstruierten Nebenhandlungsstränge mit einem Federstrich für null und nichtig erklärt. Das ist zwar alles andere als gutes Geschichtenerzählen, macht den Actionfreund (und damit die Zielgruppe) aber ziemlich glücklich, denn hier fliegen fröhlich die Fetzen – im Wortsinne, denn die einstigen Freunde zerlegen sich mit Wut und Wumme regelrecht in ihre Einzelteile. Zimperlichkeit ist ohnehin keine Sache von AMERICAN YAKUZA II, denn zwischen all den konfus erdachten und erzählten Ereignissen kommt es immer wieder zu heftigen Gewalt-Eruptionen, die visuell und inszenatorisch samt und sonders überzeugen können und voll und ganz in der Tradition der althergebrachten asiatischen Blutoper stehen. Wenn Lone und Luke sich per Schwert und Schießeisen auf offener Straße steinharte Duelle liefern, dann lacht das Herz des gemeinen Hongkong-Kino-Huldigers.

So macht man als Fan des Genres trotz arg verquaster Story hier tatsächlich wenig falsch. AMERICAN YAKUZA II ist trotz vermutlich eher geringer finanzieller Zuwendung erstaunlich versiert inszeniert, bietet aufgrund ständig wechselnder und ungewöhnlicher Schauplätze (z. B. Schiffe oder Paraden) viel visuelle Varianz und serviert dazu zwar keine überwältigende, aber dennoch fachkundig arrangierte Stunt-Arbeit (wie das Schlittern per Motorrad unter einen Lastwagen hindurch). Zudem sind die Mittel der Selbstverteidigung sehr vielfältig: Gekämpft wird per Klinge, Knarre und klassischer Kung-Fu-Kapriole – wobei für letzteres Conan Lee zuständig ist, der im finalen Akt dann plötzlich den inneren Jackie Chan von der Kette lassen und eine ganze Party-Gesellschaft aufmischen darf. Wer noch zusätzliches Amüsement benötigt, dem sei empfohlen, nebenbei auf die Statisten zu achten, insbesondere auf die in Polizei-Uniform: Wie angestrengt die Herren versuchen, abgebrühte Gesichtsausdrücke aufzusetzen, gleichzeitig aber ihre diebische Freude darüber, hier mitspielen zu dürfen, kaum verbergen können, das ist schon ein paar Gratis-Grinser wert.

Wer hier übrigens eine Fortsetzung des amerikanischen Großstadt-Krimis AMERICAN YAKUZA aus dem Jahre 1993 erwartet hat, der ist Opfer der berüchtigten teutonischen Titel-Trickserei geworden. Diese chinesische Produktion hat nichts mit dem vermeintlichen Vorgänger zu tun und ist im Ausland überwiegend als DRAGON KILLER bekannt.

Laufzeit: 83 Min. / Freigabe: ungeprüft

Montag, 4. Oktober 2021

TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL


SEKAI DAIKENSÔ
Japan 1961

Regie:
Shûe Matsubayashi

Darsteller:
Furankî Sakai,
Akira Takarada,
Yuriko Hoshi,
Nobuko Otowa,
Yumi Shirakawa,
Chieko Nakakita,
Shinpei Tsuchiya,
Eijirô Tôno



„Ich kann und ich will mich nicht damit abfinden. Sie haben kein Recht, uns zu töten.“


Zunächst mal: Der Titel TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL ist wohl so ziemlich der dreisteste, den sich ein deutscher Verleih jemals für eine japanische Leinwand-Fabel aus den Fingern saugte, und rangiert damit sogar noch ein paar Oktaven über dem sonstigen Spitzenreiter UFOS ZERSTÖREN DIE ERDE (der eigentlich Ein Meteorit hätte beinahe die Erde zerstört hätte heißen müssen). Mit irgendwelchem Weltraum-Rummel oder außerirdischen Aktivitäten hat dieses düstere Endzeit-Drama nämlich nicht das Geringste am Hut (allein der Begriff 'Todesstrahlen' ist gar nicht mal so unpassend, wie es zunächst den Anschein hat). Der Original-Titel SEKAI DAIKENSÔ, übersetzt: Der große Weltkrieg, führt hingegen – wenig überraschend – auf die richtige Fährte.

Inhalt:

In der Zukunft des Jahres 1961 steht die Welt an der Schwelle zum atomaren Krieg. Die großen Nationen der Erde haben sich heillos zerstritten, die radikalen Medien heizen die Stimmung zusätzlich an, beständig kreisen Finger über dem Roten Knopf. In dieser hochgradig angespannten Situation beschließen die junge Nana Tawasako [Yuriko Hoshi] und der Seemann Paul Bendson [Akira Takarada], sich das Ja-Wort zu geben. Nachdem sie sich erfolgreich den Segen der Eltern geholt haben, beginnen sie, Zukunftspläne zu schmieden. Doch dann wird Paul zur See gerufen. Gibt es noch Hoffnung für das Paar?

Kritik:

Nicht nur der deutsche Titel ist eine Ohrfeige für SEKAI DAIKENSÔ, auch die Schnittfassung, in welcher die engagierte Weltuntergangs-Vision hiesige Lichtspielhäuser heimsuchte, darf gut und gern als Affront gewertet werden: Nach gerade mal läppischen 70 Minuten ist das Schicksal der Menschheit besiegelt. Ein Blick auf das Original verrät, dass sich die Apokalypse dort sage und schreibe 40 Minuten mehr Zeit lässt. Der zweifelhafte Dank für die teutonische Turbo-Abhandlung der Ereignisse geht in erster Linie an den damaligen amerikanischen Vertrieb, der die Produktion relativ respektlos auf eine deutlich übersichtlichere Länge Kürze zusammenstauchte und dabei nicht nur ganze Nebenhandlungen und Charaktere unter den Tisch fallen ließ, sondern auch die gesamte Erzählstruktur dahingehend veränderte, dass die Geschehnisse nun als retrospektives Gedankengebilde wiedergegeben werden. Und eben jene Fragment-Fassung wurde schließlich von der Filmallianz aufgekauft, um sie, zudem eben auch noch irreführend beworben, in den deutschen Kinos zu platzieren. Nach einer derart flegelhaften Fleischwolf-Prozedur sind die Qualitäten des Ursprungswerks natürlich nur noch zu erahnen. So müssen nun aus dem Off vorgetragene Erklärungen bei der Herstellung fehlender Zusammenhänge helfen, was streckenweise in einer enervierenden Dauerbeschallung mündet. Die Gründe für das große Säbelrasseln der Weltmächte bleiben dennoch bis zum Schluss ungreifbar. Tatsächlich nutzt das der Erzählung allerdings mehr als dass es ihr schadet, unterstreicht es doch Banalität und Sinnlosigkeit der gegenseitigen Drohgebärden. Das Volk versteht die Gründe ja auch nicht. Und genau darauf liegt der Fokus von SEKAI DAIKENSÔ (zumindest in dem Flickenteppich, der nach der amerikanischen Spezialbehandlung noch davon übrig ist).

Den Autoren Toshio Yasumi [→ DER LÖWE DES GELBEN MEERES] und Takeshi Kimura [→ DIE FLIEGENDEN MONSTER VON OSAKA] war weniger daran gelegen, die schicksalhaften Ereignisse aus militärischer Sicht wiederzugeben, als vielmehr, deren fatale Folgen für die Bevölkerung aufzuzeigen. Die hier skizzierte Familie Tawasako fungiert dann auch gar nicht so sehr als klassischer Protagonist, sondern steht vielmehr stellvertretend für den kleinen Bürger, der zum ohnmächtigen Leidtragenden gedanken- und verantwortungsloser Aggressionspolitik wird. Es ist verblüffend, wie hurtig man das traditionsbewusste Ehepaar trotz kaum noch vorhandener Spielzeit ins Herz schließt. Furankî Sakai [→ MOTHRA BEDROHT DIE WELT] und Nobuko Otowa [→ ONIBABA] agieren so bescheiden und unaufdringlich-liebenswert, dass man innerhalb kürzester Zeit meint, persönlich mit ihnen bekannt zu sein. Dabei werden sie sehr wertkonservativ gezeichnet, wenn der Liebhaber ihrer Tochter (gespielt von Toho-Veteran Akira Takarada [→ GODZILLA UND DIE URWELTRAUPEN]) sich erst noch die Genehmigung zur Heirat der jungen Frau abholen muss (wobei man natürlich nach wie vor nicht vergessen darf, dass man es mit einem japanischen Werk vom Anfang der 60er Jahre zu tun hat). Allein anhand dieser vier Figuren (Mutter, Vater, Tochter, Schwiegersohn in spe) gelingt es Regisseur Shûe Matsubayashi [→ SEE-INFERNO], die tragischen Konsequenzen verantwortungsloser Staatsführung greifbar zu machen und die Gefühls-Klaviatur von Sorge, Hoffnung und Verzweiflung effektiv zu bedienen.

Um SEKAI DAIKENSÔ vollends verstehen zu können, muss man sich bewusst machen, zu welchem Zeitpunkt er erstand. Der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion begann damals so langsam, aber sicher heiß zu werden, ein Atomschlag rückte durchaus in den Bereich des Möglichen. Japan, bereits gebeutelt vom nuklearen Holocaust, übernahm dabei überwiegend die Rolle des besorgten Beobachters, wäre im Falle des Falles aber ebenfalls und abermals leidtragend gewesen. Da nur ein Jahr nach Kinostart die Kuba-Krise die Welt tatsächlich an den Rand des Abgrunds führte, muss Matsubayashis warnendes Werk aufgrund seiner Anklage betreffend leichtfertigen Umgangs mit Arsenal und Technik direkt als prophetisch gelten. So wirkt SEKAI DAIKENSÔ trotz der stellenweise nicht zu leugnenden Naivität (gemeint sind primär die Sequenzen, die der doch arg vertrottelten Streitmacht gewidmet werden) gar nicht großartig albern, sondern in der Sache überaus glaubwürdig – wobei generell die Stimmungs-Diskrepanz zwischen den Militär- und den Familien-Szenen ins Auge fällt: Während erstere eher einfältig daherkommen (und zudem von allzu durchschaubarer Tricktechnik begleitet werden), wirken letztere durch und durch authentisch und realitätsnah. Es ist schön zu sehen, wie die beiden jungen Leute ihre Zukunft planen, es ist amüsant, wie tapsig Familienvater Tamura ihnen gegenüber um Autorität ringt, und es ist niederschmetternd mitzuerleben, wie Tamura am Ende seinen Glauben verliert, alles könne sich doch noch irgendwie zum Guten wenden.

Bemerkenswert ist die Konsequenz, mit der SEKAI DAIKENSÔ sein Ding durchzieht. Die Botschaft soll ins Mark treffen, da reicht es nicht, nur halbe Sachen zu machen. So durfte Trickspezialist Eiji Tsuburaya [→ GODZILLA] zum Schluss einmal mehr aufzeigen, wie man aufwändig gestaltete Modellbausätze in glühende Aschelandschaften verwandelt. Das ist zwar abermals sehr schön anzuschauen, kann den Vorwurf der Trivialisierung aber nicht abstreifen. Die Effekte erinnern an seine bekannten Arbeiten für die Godzilla-Reihe und unterminieren in ihrer eindeutigen Artifizialität den selbstgestellten Anspruch auf ein ernstzunehmendes Mahnmal gegen Kriegstreiberei. Dass man sich angesichts des finalen durch Miniaturarchitektur fegenden Feuersturms in kindlicher Begeisterung in die Hände klatscht, dürfte kaum im Sinne des Erfinders gewesen sein. TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL (Wer diesen Titel abgesegnet hat, dem gehört nachträglich noch eine Atomrakete in den Allerwertesten geschoben!) mag somit zwar in seiner eigentlichen Zielsetzung scheitern, trägt das Herz aber dennoch am rechten Fleck und staubt somit zumindest tüchtig Sympathiepunkte ab. Und dass das selbst noch für die ramponierte Torso-Variante gilt, ist dabei das größte Kompliment.

Laufzeit: ca. 70 Min. / Freigabe: ab 12

Sonntag, 29. August 2021

EARTHQUAKE - FLAMMENDES INFERNO IN TOKIO


JISHIN RETTÔ
Japan 1980

Regie:
Kenjiro Omori

Darsteller:
Hiroshi Katsuno,
Toshiyuki Nagashima,
Yumi Takigawa,
Kayo Matsuo,
Shuji Otaki,
Eiji Okada,
Shin Saburi,
Norihei Miki



Inhalt:

Der junge Seismologe Yoichi Kawazu [Hiroshi Katsuno] ist überzeugt davon, dass in Bälde ein verheerendes Erdbeben über Tokio hereinbrechen wird. Seine Vorgesetzten allerdings schenken ihm keinen Glauben und stempeln ihn als Schwarzmaler ab. Das Dumme daran: Yoichi hatte Recht. Als die Erde tatsächlich zu beben beginnt, trifft es Land und Leute wie aus dem Nichts. In einem Meer aus Flammen, Schutt und Asche versucht die verzweifelte Bevölkerung, ihr Leben zu retten.

Kritik:

Zack! So einfach können Inhaltsangaben sein, wenn man es mit der Kategorie Katastrophenfilm zu tun hat. In wohl keinem anderen Genre sind inhaltliche Innovationen so selten wie beim gemeinen Weltuntergangskino. Der unbestreitbare Vorteil für die Autoren- und Produzentenschaft: In der Regel erwartet der Kinogänger auch gar nichts Anderes als die altbekannten Zutaten. Hauptantrieb dafür, sich ein Ticket zu lösen, ist nicht etwa der Wunsch nach gewitzter Narration und überraschenden Konzepten, sondern die Lust an Zerstörung und Nervenkitzel, die durch ein Trommelfeuer an Spezialeffekten befriedigt werden möchte. Aufgrund des tricktechnischen Aufwands, der hierfür von Nöten ist, kam die Mehrzahl der Beiträge stets aus dem finanziell gut situierten Hollywood, das bereits in den 1970er Jahren alle möglichen Apokalypse-Szenarien durchexerziert hatte. Als das japanische Studio Toho sich dazu entschloss, die Erde ebenfalls mal so richtig durchzurütteln, war es damit vergleichsweise spät dran - das bis dahin ultimative Erschütterungs-Epos ERDBEBEN war zu diesem Zeitpunkt immerhin schon satte 6 Jahre alt. Aber das Publikumsinteresse am großen Untergang wurde wohl nach wie vor als hoch genug eingeschätzt, um damit die Kassen klingeln zu lassen, weswegen man Kaneto Shindô [→ ONIBABA] damit beauftragte, ein entsprechendes Skript zu verfassen.

Dass man für das Projekt einen für in erster Linie anspruchsvolle Werke bekannten Schreiber unter Vertrag nahm, mag von guten Absichten geprägt gewesen sein, letzten Endes jedoch warf man hier Perlen vor die Säue: Shindô orientierte sich fast schlafwandlerisch an den bekannten westlichen Vorbildern und lieferte eine durch und durch fantasielose Erzählung ab, die jeder Aushilfs-Autor ebenso gut hätte zu Papier bringen können (wobei natürlich zu vermuten ist, dass auch gar keine offenkundige Originalität verlangt gewesen war). Einmal mehr gibt es hier somit den gewissenhaften Mahner, der als Einziger das dräuende Desaster erkennt, aber fatalerweise von allen ignoriert wird. Wieder einmal liegen sich am Reißbrett entworfene Figuren aus verschiedensten Gründen miteinander in den Haaren, bevor die Katastrophe sich Bahn bricht und die Verhältnisse völlig neu ordnet. Und dass der zuvor so schmählich diskreditierte Unheilverkünder am Ende zum großen Helden aufsteigt und Tag, Land und Leute rettet, wird nun auch niemanden vor Überraschung vom Stuhl katapultieren. Warum dem jungen Seismologen Yoichi Kawazu, dem diese Rolle hier zukommt, zu Beginn nicht mal ein Mü an Glauben geschenkt wird, kann das Drehbuch indes nicht so wirklich plausibel erklären. Die empörte Ablehnung, die seiner Theorie entgegengebracht wird, wirkt jedenfalls arg übertrieben, was im gesteigerten Maße auch für die weiteren Folgen gilt: Kawazu wird für seine Hypothese auf die Straße gesetzt (obwohl sie ja völlig legitim ist und es zudem sein Job ist, Einschätzungen abzugeben), sein Eheglück gerät ins Wanken, sein Institut wird geschlossen.

An dieser Stelle wird einem schlagartig wieder bewusst, dass man es mit einer japanischen Produktion zu tun hat, die eine Gesellschaft abbildet, in welcher der Gesichtsverlust ein Unglück darstellt, das einem Beben durchaus gleichkommt. Kawazu hat durch seine als Quatsch abgetane Behauptung nicht nur sich selbst entehrt, sondern im selben Atemzug auch seine Familie und seinen ganzen Berufszweig. Hier liegt dann auch der gravierende Unterschied zu den Genre-Kollegen aus den USA, bei denen solche Momente vermutlich zu Unverständnis führen würden. Dennoch verzichtete man auf eine simple Einteilung in Gut und Böse: Kawazus Kollegen und die politischen Instanzen ignorieren seine Warnungen nicht aus unlauteren Motiven, sondern aus persönlicher Überzeugung (wobei die Motive, wie bereits erwähnt, insgesamt doch schwammig bleiben); seine Familie wendet sich nicht aus Bosheit von ihm ab, sondern aufgrund gesellschaftlicher Normen (hier darf man durchaus zarte Kritik an konservativer Borniertheit attestieren). Selbst Kawazus Nebenbuhler um die Gunst einer attraktiven Instituts-Mitarbeiterin, der Reporter Masayuki Hashizume (in der deutschen Fasung: Sato Katzumi), ist nicht negativ gezeichnet, sondern im Gegenteil der einzige, der Kawazus Worten Glauben schenkt. An diese von Toshiyuki Nagashima [→ GODZILLA AGAINST MECHAGODZILLA] einnehmend verkörperte Figur (die in einem amerikanischen Pendant gewiss als Bösewicht fungiert hätte) gehen später, nach Hereinbrechen der Katastrophe, dann auch ein paar unerwartet intensive Momente, als er mit der Frau, in die er heimlich verliebt ist, gemeinsam ums Überleben kämpfen muss und sie ihn, aufgrund der traumatischen Ereignisse im fortwährenden Schockzustand, stets nur mit „Yoishi“, dem Namen seines Opponenten, anspricht und er schmerzlich begreift, dass es für ihn niemals die Chance einer gemeinsamen Zukunft geben wird.

In solchen Augenblicken gelingt es EARTHQUAKE (der deutsche Verleih nutzte zur Vermarktung frecherweise den originalen Titel des amerikanischen Vorbilds ERDBEBEN) tatsächlich, kurzzeitig Publikums-Emotionen zu wecken, die über simple Schaulust hinausgehen. In hauptsächlicher Erinnerung bleiben nichtsdestotrotz natürlich primär die Momente ausufernder Materialschlachten. Denn vor allem diesbezüglich kann die von Kenjirô Ohmori [→ GODZILLA – DER URGIGANT] inszenierte Endzeit-Vision tüchtig auftrumpfen. Wahnsinnig überraschend ist das nicht, denn wie man Großstädte effektiv pulverisiert, übte das Toho-Studio bereits mit bis dahin 16 GODZILLA-Präsentationen. Doch während beim atomaren Super-Monster (das sich zu jenem Zeitpunkt übrigens gerade in gut 10jähriger Produktionspause befand) in der Regel naive Unbekümmertheit im Vordergrund stand (das düstere Debüt freilich ausgenommen), ging man hier auffallend anders an die Sache heran. Die Mittel der technischen Umsetzung mögen die gleichen sein, deren Wirkung jedoch ist grundlegend verschieden. Die Effekt-Spezialisten entfachten hier eine alles plattwalzende, mit sichtbarem Tod und Leid gespickte Destruktionsorgie, in der die Menschen wie die Fliegen sterben – in Flammen aufgehen, zerquetscht werden, in die Tiefe stürzen. Sind die dafür verwendeten Modell-Bauten auch nach wie vor als solche erkennbar, so mindert das in keiner Weise die ungeheure Schlagkraft, die hier heraufbeschworen wird und Freunde zünftiger Zerstörungsszenarien in einen wahren Freudentaumel versetzt. „Alles, was explodieren kann, fliegt in die Luft“, heißt es dazu an einer Stelle sehr richtig. Wobei man gedanklich hinzufügen möchte: 'Eigentlich sogar noch sehr viel mehr'. Dass man wirklich jede zufällig herumstehende Milchkanne ebenfalls imposant in Flammen aufgehen ließ (ob das nun Sinn ergab oder nicht), ist allerdings eindeutig dem beabsichtigen optischen Spektakel geschuldet und somit postwendend verziehen.

Dem Inferno folgt obligatorisch der Überlebenskampf der zuvor vorgestellten Figuren. Hauptschauplätze sind dabei ein brennendes Hochhaus, in dem Reporter Hashizume und Kawazus Kollegin Tomiko Ashida (in der deutschen Fassung: Mia Oshida) mehrmals ihre heile Haut retten müssen, sowie ein U-Bahn-Tunnel, der, von Wassermassen geflutet, für Kawazu, dessen Frau und noch einige andere Unglückliche zur Todesfalle wird. Eine voranschreitende Handlung im klassischen Sinne existiert ab hier nicht mehr; stattdessen regiert die Dramatik, wenn man sich aus Fahrstuhlschächten in Sicherheit bringen oder gefährliche Tauchgänge absolvieren muss. Unterbrochen werden diese Szenen nur noch von Bildern fassungsloser Politiker, die wie vom Donner gerührt die nicht enden wollenden Schadensberichte entgegen nehmen, in Verzweiflung versinken und sich fragen, warum sie nicht auf die Warnungen des geschassten Wissenschaftlers gehört haben. Oder sich zumindest einen der zahlreichen Hollywood-Katastrophenfilme angesehen haben, dann wäre nämlich ebenfalls klar gewesen, wie der Hase laufen wird. EARTHQUAKE überträgt die Vorbilder zwar behutsam ins asiatische Selbstverständnis, feuert aber im Großen und Ganzen die volle Breitseite an Berechenbarkeit ab. Die Miniatur-Effekte (manche Sets wurden sogar im Maßstab 1:1 errichtet, um maximal authentisch zu wirken) sind dabei großartig und angenehm brachial (brennende Autos segeln von einstürzenden Brücken, landende Flugzeuge werden atomisiert, Wassermassen wälzen sich durch Straßenschluchten), die Dramaturgie passt und die (überwiegend unbekannten) Darsteller liefern gekonnt ab (wobei das hemmungslose Herumwälzen in Schmutz und Schlamm einen Heidenspaß gemacht haben muss).

Angemerkt sei, dass hier die deutsche Kinofassung besprochen wurde, die im Vergleich zur Originalfassung satte 30 Minuten an Handlung vermissen lässt. Funktionieren tut das trotzdem – vielleicht sogar besser. Denn wo ausländische Rezipienten oft zu Protokoll geben, es dauere viel zu lang, bis endlich die Erde bebt, legt die deutsche Version schon nach 30 kurzweiligen Minuten los. Dazu kommt eine Synchronfassung, die dem Ohre durchaus schmeichelt und nach großem Kino klingt (so wird Hauptdarsteller Katsuno von Frank Glaubrecht vertont, den man sonst aus dem Munde von Pierce Brosnan oder Kevin Costner kennt). Da verzeiht man es dann auch, dass sich zumindest ein eindeutiger Übersetzungsfehler eingeschlichen hat, wenn immer und immer wieder vom „Schwimmen“ die Rede ist, obwohl allzu offenkundig „Tauchen“ gemeint war. Und dass nach ausuferndem Unterwasseraufenthalt Feuerzeuge noch funktionstüchtig und handgeschriebene Briefe noch lesbar sind, glaubt man dem Drehbuch jetzt auch einfach mal. Denn EARTHQUAKE - FLAMMENDES INFERNO IN TOKIO (so der herrlich krawallige deutsche Gesamt-Titel) ist durch und durch gelungene Unterhaltung nach bekannten Mustern und für alle Freunde japanischen Trick-Handwerks ohnehin ein Fest.

Laufzeit: 89 Min. / Freigabe: ab 16

Donnerstag, 26. August 2021

OPERATION JUPITER


SAYÔNARA, JYÛPETÂ
Japan 1984

Regie:
Koji Hashimoto,
Sakyo Komatsu

Darsteller:
Tomokazu Miura,
Dangely Diane,
Miyuki Ono,
Rachel Huggett,
Paul Tagawa,
Kim Bass,
Akihiko Hirata



Inhalt:

Die Welt im Jahre 2125: Die Erdpopulation ist ins Unermessliche gestiegen. Doch die Menschheit war nicht untätig und hat zahlreiche Kolonien in den Weiten des Weltraums gegründet. Als nächstes soll der Mars als zusätzlicher Lebensraum erschlossen werden, weswegen man auf der Raumstation Minerva fieberhaft damit beschäftigt ist, den Jupiter in eine dafür dringend benötigte Energiequelle umzuwandeln. Einsatzleiter Eiji Honda [Tomokazu Miura] hat auch deswegen alle Hände voll zu tun, weil das Vorhaben immer wieder von einer aggressiven Gruppe von Umweltschützern sabotiert wird, zu der – zu Hondas Erschrecken – auch seine Jugendliebe Maria [Dangely Diane] gehört. Doch so richtig auf den Kopf gestellt wird sein Alltag erst, als kurz vor Abschluss des Projektes eine bahnbrechende Entdeckung gemacht wird: Auf dem Mars befinden sich, unter einer Eisdecke verborgen, gigantische geheimnisvolle Zeichnungen, die auf eine uralte Zivilisation hindeuten. Kurz darauf taucht ein fremdes Raumschiff auf und versucht, in einer fremden Sprache Kontakt aufzunehmen. Die hinzugezogene Wissenschaftlerin Dr. Wilem [Rachel Huggett] müht sich nach Kräften, die Botschaft zu entschlüsseln – und erfährt dabei von einer Katastrophe.

Kritik:

Spätestens in den 1980er Jahren war das Kino-Publikum im Weltraum-Rausch. KRIEG DER STERNE (1977) und dessen Fortsetzungen waren der Auslöser für eine Flut an Science-Fiction-Fabrikaten, die immer neue tapfere Recken und Reckinnen ins All schossen, um ferne Planeten zu retten und fiese Tyrannen zu vernichten. Auch das japanische Produktionsstudio Toho (dessen größter Erfolg auf immer und ewig GODZILLA bleiben wird) blieb nicht untätig und schickte mit DER GROSSE KRIEG DER PLANETEN bereits 1977 eines der ersten Plagiate ins Rennen. Und da das große Sternenfieber einfach nicht abebben wollte, entschied man sich ein paar Jahre später, einen weiteren Kosmos-Trip in die Wege zu leiten. Im Gegensatz zum Vorgängermodell, das ein astreines Abziehbild des erfolgreichen STAR WARS-Konzeptes war, wollte man dieses Mal allerdings etwas mehr Eigenständigkeit wagen und entschied sich daher, als Vorlage den futuristischen Roman SAYONARA JUPITER des renommierten Journalisten und Autoren Sakyu Komatsu zu nutzen. Toho hatte zuvor bereits eines seiner Werke erfolgreich adaptiert (woraus die apokalyptische Endzeit-Vision DER UNTERGANG JAPANS entstand), und vor allem in Verbindung mit dem beliebten Weltraum-Sujet erhoffte man sich wohl einen ähnlichen Kassenfüller. Um keine halben Sachen zu machen, engagierte man Komatsu auch gleich noch dafür, das Drehbuch zu verfassen.

Das Resultat unterscheidet sich auffallend von dem, was der damalige Durchschnitts-Konsument in der Regel von der Kategorie Science-Fiction erwartete. Denn statt epischer Schlachten und moderner Rittermythen bietet OPERATION JUPITER (wie das Werk in Deutschland getauft wurde) einen überwiegend nachdenklich gestalteten, dialoglastigen Exkurs in die Zukunft, der von einer pessimistisch geprägten Aura umwabert wird. Pate stand offenbar weniger George Lucas' kunterbunte Abenteuer-Fantasie als vielmehr Stanley Kubricks rätselschwangeres Gedankenspiel 2001. Wobei man diesen Vergleich nun auch nicht allzu ernst nehmen sollte, denn trotz Verzicht auf viel Krawall bleibt das engagierte Zukunftsmärchen in erster Linie triviale Unterhaltung, die weniger durch eine durchdachte Handlung als viel mehr durch Atmosphäre überzeugt. Dass die Spannung dabei überwiegend auf der Strecke bleibt, liegt vor allem daran, dass es an dafür nötigen Identifikationsfiguren mangelt. Tomokazu Miura [→ OUTRAGE] bleibt in seiner Hauptrolle als Eiji Honda bis zum Schluss vergleichsweise unnahbar, woran auch seine flink ins Skript gestrickte Liebesnöte nichts ändern können. Dabei werden zu Beginn noch ganz anständig die Weichen gestellt, als mit Captain Hoger Kinn ein Charakter vorgestellt wird, mit dem Honda offenbar eine innige Männerfreundschaft verbindet – so innig, dass sich die beiden zur Begrüßung erstmal eine zünftige Rauferei liefern und sich balgen wie kleine Jungs im Sandkasten. Das wirkt angenehm sympathisch - zumal es auch einer der wenigen Momente ist, in denen die Protagonisten aus ihrer Dauerstarre herausbrechen und mal nicht mit sorgenvoller Miene auf Bildschirme oder in die Ferne stieren. Doch nach dieser effektiven Einführung gönnt man den zwei Raufbolden keine gemeinsame Szene mehr (nein, Bildtelefonie zählt nicht!) und verschenkt dadurch einiges an Potential. 

Die Erklärung, was genau die beiden Männer denn nun eigentlich verbindet, bleibt der Autor dem Publikum schuldig - wie ohnehin das meiste, was hier passiert und diskutiert wird, merkwürdig unkonkret bleibt: Eiji trifft seine alte Freundin Maria, mit der er früher offenbar mal zusammen war. Oder doch nicht? Warum fallen die beiden unmittelbar nach ihrem Wiedersehen übereinander her wie zwei sexuell ausgehungerte Wölfe? Warum ist Maria jetzt Teil einer radikalen Umweltschutz-Sekte? Was sind die Ziele des hippie-esken Sektenführers Peter, der mit der Klampfe zwischen Blumenkindern und Delfinen von Frieden und Freiheit singt? Warum folgen ihm so viele Leute dermaßen bedingungslos, dass sie sogar den eigenen Tod in Kauf nehmen? Es gibt keine nachvollziehbaren Erklärungen für das alles, was auf Dauer zu Unzufriedenheit führt und dem permanenten Eindruck, zwischendurch etwas Wesentliches verpasst zu haben. Ob es ein politisches Statement des Autors war, ausgerechnet radikale, extrem naiv und klischeehaft gezeichnete Umweltschützer zu den Bösewichten der Geschichte zu machen, ist zwar nicht eruierbar, aber da die Sekten-Mitglieder so völlig weltfremd und ziellos agieren, wird etwaiger Kritik an damaligen realen Begebenheiten ohnehin der Wind aus den Segeln genommen. Das produzierende Toho-Studio jedenfalls war zu der Zeit eigentlich auf dem Öko-Trip und lies ihren Vorzeige-Star Godzilla mehrmals gegen die Folgen verheerender Umweltverschmutzung antreten.

Dazu gesellt sich die leicht verschroben wirkende Regie Koji Hashimotos [→ GODZILLA – DIE RÜCKKEHR DES MONSTERS], der teils sinnlose Zeitlupen einstreut, völlig deplatziert Japan-Pop-Gedudel dazwischenschiebt oder das Pärchen Eiji/Maria bei seinem Liebesgeplänkel erklärungslos durch ein Sternenmeer schweben lässt (quasi die Kombination zweiter ikonischer Szenen aus 2001 und SUPERMAN in der Nackedei-Variante). Herrlich schräg auch die Idee, den aggressiven Sabotageakt gewaltbereiter Saboteure mit Ausschnitten aus einem Godzilla-Film zu unterlegen (Monsterfilme werden also auch noch im Jahre 2125 geschaut - beruhigend!). In solchen Momenten scheint OPERATION JUPITER tatsächlich nicht von dieser Welt zu sein - wobei diese extravagante Attitüde dem Werk eine ansprechende Portion Pfeffer verleiht, was einen die etwas dröge Dramaturgie zeitweilen vergessen lässt. Kurz vorm finalen Vorhang fiel den Machern dann offenbar doch ein, dass ein bisschen Rambazamba ja nicht schaden kann, und so zücken die Protagonisten wie aus dem Nichts plötzlich bisher nie erwähnte oder sonstwie eingeführte Strahlenpistolen und liefern sich ein feuriges Wild-West-Duell mit allem, was dazugehört. Das wirkt zu diesem späten Zeitpunkt allerdings so dermaßen fehl am Platze und aus dem Hut gezaubert, dass man sich gut vorstellen kann, dass die Produzenten das Team dazu genötigt hatten, dem STAR WARS-Klientel zumindest im letzten Akt ein paar Schauwerte zu liefern.

So holprig das Endergebnis auch daherkommt, rein optisch gab man sich hier keine Blöße. Wer bisher aus Japan nur das Theaterkulissen- und Gummikostüm-Kino gewohnt war, wird sich gewiss die Augen reiben, wie tadellos hier alles getrickst wurde. Natürlich griff man auch hier auf Modelle zurück (etwas anderes war damals ja auch noch gar nicht möglich), aber so detailreich gestaltet und majestätisch in Szene gesetzt wurden Raumschiffe und Planeten im asiatischen Science-Fiction-Genre nur selten. Tatsächlich gelingt es hier reibungslos, die Illusion zu erzeugen, man befände sich wahrhaftig in den Weiten des Weltraums. Dazu kommen ein paar wirklich eindrucksvolle, fast schon magische Momente – allem voran die Szene, in welcher der gigantische, in geheimnisvolle Gaswolken gehüllte Kreuzer gesichtet wird und sich die Atmosphäre kurzzeitig dermaßen verdichtet, dass man sie schneiden könnte. Nicht nur in diesem Augenblick erinnert OPERATION JUPITER noch an einen ganz anderen Genre-Beitrag, nämlich an den von den Disney-Studios initiierten, für diesen Verleih ungewohnt düsteren DAS SCHWARZE LOCH [1979] (mit dem es im weiteren Verlauf noch eine weitere Gemeinsamkeit geben wird). Im Zusammenspiel mit der unaufdringlichen, aber effektiven Musikuntermalung Kentaro Hanedas [→ DIAMANTENAUGE] und dem generell rundum gelungenen Sound-Design, entsteht so ein durchaus faszinierendes Universum, das durch und durch stimmig wirkt.

Gerade unter diesen Aspekten ist es betrüblich, dass die Defizite trotz allem nicht zu übersehen sind. Die Story ist so kryptisch erdacht und erzählt, dass der Autor sie vermutlich selbst nicht zu 100 Prozent verstanden hat. Die Charaktere wirken durch die Bank so distanziert, dass man sie schon vergessen hat, sobald sie aus dem Bild sind. Dazu kommen ein paar Albernheiten, die gehörig an der Seriosität kratzen. So scheint für die Technik an Bord nur eine einzige Person zuständig zu sein - ein jugendlicher Schulstreber mit Brille und Latzhose, der unter der Last seiner Aufgaben auch schon mal kollabiert. Zudem ist selbst für den Laien ersichtlich, dass die technischen und wissenschaftlichen Erklärungen, die hier fortlaufend abgesondert werden, hanebüchener Unsinn sind. Vor allem aber ist OPERATION JUPITER heillos überambitioniert und will irgendwie alles zugleich sein (Philosophiestunde, Gesellschaftskritik, Seifenoper und kurz vor Schluss auch noch Action-Spektakel) und ist damit am Ende nichts Halbes und nichts Ganzes. Einen Blick wert ist der abstruse All-Ausflug dennoch – sei es wegen der visuellen Vorzüge, der skurrilen Ideen oder nur, um den alten Godzilla-Veteranen Akihiko Hirata (spielte im ersten GODZILLA von 1954 den Erfinder des Oxygen-Zerstörers, welcher Godzilla schließlich in die Knie zwang) in seiner letzten Rolle zu sehen.

Laufzeit: 113 Min. / Freigabe: ungeprüft

Mittwoch, 30. Juni 2021

DÄMONEN AUS DEM ALL


LA MORTE VIENE DAL PIANETA AYTIN
Italien 1967

Regie:
Antonio Margheriti

Darsteller:
Giacomo Rossi Stuart,
Goffredo Unger,
Renato Baldini,
Ombretta Colli,
Enzo Fiermonte,
Halina Zalewska,
Nino Vingelli,
Franco Resselato Montalbano



Inhalt:
 
Die Zukunft, kurz vor der Mittagspause: Eine Wetterstation im Himalaya wird von Unbekannten überfallen. Fast alle Angestellten werden dabei getötet, lediglich der leitende Lieutenant Harris [Renato Baldini] wird als vermisst gemeldet. Rod Jackson [Giacomo Rossi Stuart], Commander der erdnahen Raumstation Gamma 1, und sein Kollege Pulasky [Goffredo Unger] werden mit der Klärung des Falles und der Suche nach dem Verschollenen beauftragt. Eine Expedition durch eisige Berglandschaften führt zur Wahrheit, die mal wieder außerirdischen Ursprungs ist. Extraterrestrische Bedrohung? Heimspiel für Commander Jackson, der nun in Windeseile die Waffen putzt.

Kritik:

Gamma 1, die Vierte. Nach RAUMSCHIFF ALPHA, TÖDLICHE NEBEL und ORION 3000 bildet DÄMONEN AUS DEM ALL den Abschluss der am Stück gedrehten Science-Fiction-Saga um die wackeren Mannen und Damen der Raumstation Gamma 1. Zum Glück, möchte man beinahe hinzufügen, denn selbst Apologeten der gefährlich unterdurchschnittlichen Reihe müssen eingestehen, dass der Ofen beim finalen Ausflug in fremde Gefilde endgültig aus ist. Dabei waren sich augenscheinlich sogar die Macher bewusst, dass nach drei All-Abenteuern eine gewisse Luftveränderung dringend notwendig war. Während sich inhaltlich nichts geändert hat (die Welt wird mal wieder von externer Seite bedroht), ist der stilistische Bruch zu den Vorgängern schon augenfällig. Das letzte Kapitel spielt nämlich vorwiegend auf der Erde, die dieses Mal nicht mal für fünf Pfennige in irgendeiner Form futuristisch geschmückt wurde, sondern halt einfach nach Erde des Jahres 1966 aussieht. So verbringt Commander Jackson (der schon im Vorgänger dabei war und hier wie dort von Giacomo Rossi Stuart verkörpert wird) seinen Landgang in einem stinknormalen Café in Flussufer-Nähe, während im Hintergrund gewöhnliche Motorboote und PKW vorbeijuckeln. Versuchte man in den Vorgängern zumindest noch, den Anschein einer technologisch fortgeschrittenen Zukunft zu erwecken, legte man die (ohnehin erfolglosen Versuche) hier nun endgültig ad acta. Lange Zeit bleibt das auch so, denn von wenigen Intermezzi abgesehen kommt DÄMONEN AUS DEM ALL zunächst ohne Weltraum-Szenen aus. Stattdessen erzählt man die Geschichte einer Suche, die, wäre sie in Schwarzweiß abgelichtet, ebenso gut 10 Jahre früher hätte entstanden sein können.

Tatsächlich bedient die einleitende Himalaya-Expedition so ziemlich jede Klischee eines typischen Billig-Monsterfilms der 1950er-Jahre: Ein Wissenschaftler wird entführt und ohne jeden Anhaltspunkt werden ominöse Schneemenschen dafür verantwortlich gemacht (was am Ende natürlich auch noch stimmt). Es folgen ausschweifende Wanderungen durch Eis und Schnee, begleitet von Unglücksfällen, Streitereien und Sabotageakten, bevor man am Ziel tatsächlich auf die Übeltäter trifft, die zwar yeti-artige Außerirdische sein sollen, in Wahrheit aber bloß große bärtige Männer in breiten Mänteln sind. Der Anführer der bösen Brut geriert sich mit geheimer Kommandozentrale als vermeintlicher Superschurke im James Bond-Stil, der die Welt erst mittels selbst generierter Naturkatastrophen fluten will, um sie im Anschluss zu annektieren. Das ergibt erstaunlich wenig Sinn, aber vielleicht sind die Außerirdischen ja mit dem Kopf voran auf der Erde gelandet. Dazu passt, dass sie die Helden in eine unterirdische Höhle sperren, die doch tatsächlich einen eingebauten Lüftungsschacht besitzt, der sich im Sinne des Entkommens natürlich großartig zweckentfremden lässt (dass der entführte Lieutenant Harris bereits seit Tagen in eben jener Höhle hockt ohne dabei selbst auf die Idee zu kommen, den quasi auf dem Silbertablett präsentierten Fluchtweg zu nutzen, spricht nicht gerade für ihn). Die angeblich so hochentwickelten Invasoren verhalten sich nachfolgend wie tollpatschige Kleinkinder und lassen sich mittels ein paar lachhafter Taschenspielertricks problemlos übertölpeln.

Das letzte Drittel gehört dann der aus Teil 1 bis 3 bekannten Weltraum-Action, denn wie auf einmal aus heiterem Himmel gewusst wird, besitzen die Erdfeinde eine zweite Basis auf dem Jupiter, was der Film-Crew erneut Gelegenheit bietet, die altgedienten Studiokulissen zu entstauben und zwischen aufgehängten Planeten und wackeligen Miniaturen eine Art Abschlussschlacht zu modellieren. Und weil man nach fast vier Filmen am Stück endlich kurz vor Feierabend stand und man jetzt möglichst schnell fertig werden wollte, nutze man dafür kurzerhand auch Szenen, die bereits im Vorgänger Verwendung fanden. Das war nicht nur beim Drehen lediglich noch eine abschließende Pflichtübung, auch beim Zuschauen wünscht man sich, dass der in Sachen Ablauf absolut vorhersehbare und selbst im Rahmen der Reihe erbärmlich getrickste Showdown möglichst schnell abgefrühstückt ist. Am Ende regnet es plötzlich und alle lachen. Warum? Vermutlich, weil man das Mammutprojekt Gamma 1 nun endlich eintüten konnte. Vier Filme am Stück kreierte die Crew um Regisseur Antonio Margheriti [→ EIN HAUFEN VERWEGENER HUNDE] – ein Kraftakt, der auffallend zu Lasten der Qualität ging. DÄMONEN AUS DEM ALL ist der schwächste Beitrag dieser für alle Beteiligten nur wenig ruhmreichen Reihe. Dass man stilistisch ein paar neue Wege beschritt, ist noch das Positivste, was man über das Abschlusskapitel sagen könnte. Dass auch diese Wege bereits im Erscheinungsjahr komplett zertrampelt waren, ist dann wieder die andere Sache.

Immerhin wirkt Giacomo Rossi Stuart [→ DER MANN MIT DER KUGELPEITSCHE] in der Hauptrolle hier nicht halb so herrisch und machohaft wie noch im Vorläufer und könnte in einem besseren Szenario tatsächlich als Sympathiefigur fungieren. Die Chemie zwischen ihm und seinem Kompagnon Goffredo Unger [→ FÜNF BLUTIGE STRICKE] stimmt ebenfalls, sodass man den beiden wahrhaft ein besseres Skript und pfiffigeres Dialoggut gewünscht hätte. Ein wirkliches Kuriosum gibt es bei der weiblichen Besetzung zu vermelden: Die Rolle von Stationsmitglied Terry Sanchez, bei ORION 3000 noch von Ombretta Colli verkörpert, ging hier nun plötzlich an Halina Zalewska [→ DER TOD REITET MIT], die im Vorgänger eigentlich ihre Konkurrentin gespielt hatte. Ombretta Colli [→ DER KUCKUCK] ist allerdings trotzdem dabei – in der neuen Rolle der Lisa Nielson, die Commander Jackson schöne Augen machen darf und damit vergleichbar ist mit der ehemaligen Rolle Zalewkas. Eine noch bessere Demonstration, wie austauschbar in diesem Universum die Frauenfiguren sind, ist eigentlich kaum möglich. Besagte Lisa Nielson, derem entführten Gatten die ganze hier stattfindende Suchaktion überhaupt gilt, ist sich dann auch nicht zu schade, trotzdem beim Commander auf Tuchfühlung zu gehen. Auf eher peinlich berührende Weise erheiternd gesellt sich noch Wilbert Bradley [→ HÖLLENHUNDE DES SECRET SERVICE] zur Runde, der als äußerst stereotypisch gezeichneter Expeditions-Führer Sharu in einer Szene einen ekstatischen Zappeltanz zum Besten geben darf, der fatal an Drogenmissbrauch gemahnt und auf einem x-beliebigen Hippie-Festival deutlich besser aufgehoben wäre.

Das Einzige, was man an DÄMONEN AUS DEM ALL am Ende ohne jede Einschränkung als gelungen bezeichnen kann, ist die flotte (und überhaupt nicht im sonstigen Stil der Reihe arrangierte) Titelmelodie von Angelo Francesco Lavagnino [→ FAHRT ZUR HÖLLE, IHR HALUNKEN], die auf Anhieb gute Laune verbreitet. Bedauerlich, dass man das vom Rest der Fließband-Produktion selbst bei tiefergelegter Erwartungshaltung nur spärlich behaupten kann. Wer trotzdem von Weltall-Ausflügen und Alien-Invasionen noch nicht genug hatte, der konnte im Folgejahr ein Ticket für eine Reise auf die Raumstation Gamma 3 buchen. Unter japanischer Fuchtel entstand nämlich noch ein weiterer Ableger mit dem hochoriginellen deutschen Titel MONSTER AUS DEM ALL, der seinen italienischen Kollegen sogar deutlich überlegen ist.

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ab 12 

Dienstag, 29. Juni 2021

ORION 3000 - RAUMFAHRT DES GRAUENS


IL PIANETA ERRANTE
Italien 1966

Regie:
Antonio Margheriti

Darsteller:
Giacomo Rossi Stuart,
Peter Martell,
John Bartha,
Marco Bogliani,
Ombretta Colli,
Vera Dolen,
Enzo Fiermonte,
Goffredo Unger



Inhalt:

In der Zukunft herrscht mal wieder Panik: Die Erde wird in regelmäßigem Abstand von Naturkatastrophen durchgeschüttelt. Die Wissenschaft ist ratlos, aber Rod Jackson [Giacomo Rossi-Stuart], Commander der Raumstation Gamma 1, hat eine Theorie: Die Gefahr kommt aus dem All und besitzt die Form eines Meteoriten. Ein Flug in den Weltraum bestätigt die schlimmsten Befürchtungen: Der Himmelskörper, der sich der Erde nähert, ist in Wahrheit ein lebender, alles vernichtender Organismus. Die Zeit zur Rettung drängt.

Kritik:

Bühne frei für Runde drei! Nach RAUMSCHIFF ALPHA und TÖDLICHE NEBEL ist ORION 3000 – RAUMFAHRT DES GRAUENS bereits der dritte Beitrag zur von Regisseur Antonio Margheriti zum Leben erweckten Gamma 1-Tetralogie, der sich mit seinen Vorgängern allerdings in erster Linie nur noch die Schauplätze „Raumstation“ und „Weltall“ teilt. Die kostengünstigen Kulissen haben sich zwar ebenso wenig geändert wie die einfältigen Effekte, aber in Sachen Stab und Stimmung kommt es dafür zu auffälligen Abweichungen: So glänzt das bewährte Team um Commander Halstedt hier durch Abwesenheit und macht Platz für das Team um Commander Jackson, der in seinem autoritären Auftreten und seiner rumpeligen Art nur wenig Sympathiepunkte sammeln kann. Da fängt der Mann doch wie ein ungezogener Schuljunge aus völlig nichtigen Gründen eine zünftige Rauferei mit einem Kollegen an oder lässt ohne Not Dinge vom Stapel wie „Wir kennen uns jetzt fünf Jahre, du dumme Sau.“ Derlei Gebaren lässt nicht gerade auf Harmonie im All schließen und tatsächlich wird dieses Mal an allen Ecken und Enden rumgezickt. Denn trotz seines rüpelhaften Benehmens fliegen dem Commander die Frauenherzen zu. Seine neue Flamme behandelt er dabei an Deck wie Dreck, nur im stillen Kämmerlein lässt er sich mal zu einem etwas freundlicheren Tonfall herab. Und da ist da noch seine Ex, die ihn aus unerfindlichen Gründen zurückerobern möchte und sich dazu extra auf die Raumstation verlegen lässt, wo sie ihre Zeit nun hauptsächlich damit verbringt, ihrer Nebenbuhlerin blasierte Blicke und bissige Bemerkungen zuzuwerfen.

Witzigerweise lösen sich im weiteren Verlauf all diese angedeuteten Konflikte (teilweise sogar wortwörtlich) in Rauch auf und kommen so über ihre Ansätze niemals hinaus. Offenbar dienen sie damit in erster Linie dem Zweck, den wahrlich nicht sehr ergiebigen Inhalt auf ein Maximum zu strecken. Und tatsächlich erreicht ORION 3000 gerade mal mit Müh und Not die knappe 80-Minuten-Marke. Allerdings ist es auch ganz angenehm, dass man die Sache nicht unnötig komplizierter machte als sie eigentlich ist. Obwohl man locker 20 Minuten hätte entfernen können, ohne dass es in Sachen Verständnis zu Verlusten geführt hätte, weicht die verklausulierte Erzählweise der Vorgänger, die ihre ebenfalls sehr simplen Prämissen umständlich aufbrezelten, hier doch einem klar formulierten Ziel: die Vernichtung des herannahenden Meteoriten, der sich als weltenverschlingender Organismus entpuppt. Etwas bedauerlich, dass man gerade diesem Konzept keine weitere Erklärung gegönnt hat: Der Himmelskörper ist offensichtlich ein lebendes Wesen, das alles in sich aufsaugt, was in dessen Nähe kommt. Aber wie und warum, ob aus Gründen der Feindschaft oder des Überlebens, ob bewusst oder unbewusst, darüber wird nicht ein Gedanke verschwendet. Dennoch sind die finalen Szenen im Inneren des pulsierenden Gesteins das einzige wirkliche Glanzlicht der mauen Erzählung. Zwar werden die Effekte nicht undurchschaubarer, aber das mit zappelnden Tentakeln, dampfenden Kratern, blubbernden Lavabächen und wabernden Rauchschwaden angereicherte Innenleben der garstigen Kreatur erzeugt trotz simpler Umsetzung durch passende Ausstattung und Ausleuchtung eine gelungene Atmosphäre.

Während das Finale beweist, dass man mit ein bisschen Fantasie und Feingefühl trotz fehlender Finanzen funktionierende Szenarien entwerfen kann, sollte über den Rest der versuchten Illusionen erneut der Mantel des Schweigens gehüllt werden. Die deutlich sichtbaren Schnüre (eigentlich fast schon dicke Taue), an denen die vermeintlichen Astronauten wie die Sandsäcke hängen und hilflos mit den Armen rudern, die gespielten Zeitlupen (hat der Crew eigentlich wirklich niemand gesagt, dass man auch tatsächliche Zeitlupen erzeugen kann?) und die klobigen Modelle (vor allem die gefährlich wackelig herumeiernde „Raumstation“, bei deren Einblendung man jedes Mal erneut Angst bekommt, sie könne jeden Augenblick vom Faden fallen, ist immer wieder schön) kennt man bereits aus den Vorgängern. Dazu gesellt hier allerdings noch ein Effekt, der so sagenhaft mies und sehnervverwirrend umgesetzt wurde, dass die eigentliche Dramatik der Szene (der Tod eines der Charaktere, der einem bei vernünftiger Umsetzung sogar nahegegangen wäre) sich in beschämtes Staunen auflöst. Ohnehin macht sich der Mangel an Zeit und Budget quasi durchgehend bemerkbar: Angeblich radiert der unheilvolle Himmelskörper am laufenden Meter ganze Großstädte aus, zu sehen bekommt man nichts davon. Eine nur sekundenlange Szene mit brennenden Flugzeugmodellen und eilig hineingeschnittene Archivaufnahmen von tatsächlichen Naturkatastrophen müssen ausreichen, um den dräuenden Untergang glaubhaft zu machen. Die alles vernichtende Explosion einer Anti-Materie-Bombe wird durch den Knall eines Feuerwerkskörpers veranschaulicht, dann wird abgeblendet. Den Rest muss man sich halt denken. Diese offensichtlichen Sparmaßnahmen fallen überdeutlich ins Auge und verhindern eine wirkliche Anteilnahme an dem Geschehen.

Ganz im Gegensatz zu den Protagonisten, die angestrengt damit beschäftigt sind, stets sorgenvoll aus der Wäsche zu gucken und am Ende von Heldentum und -tod gar nicht genug bekommen können. Gespielt ist das alles durchaus anständig, was in Anbetracht der offensichtlichen Billig-Kulissen, durch die man sich hier bewegen musste, gar nicht so selbstverständlich ist. Giacomo Rossi Stuart [→ DIE FÜNF GEFÜRCHTETEN] verkörpert den herrischen Commander Jackson fernab der Stromlinienförmigkeit seines Vorgängers, was ihn immerhin zur interessanteren Figur macht. Deutlich mehr zur Sympathieperson jedoch taugt sein Mitstreiter Lt. Dubrowski (Pietro Martellanza [→ DAS AUGE DES BÖSEN]), der mit Jackson aus irgendwelchen Gründen im Dauer-Clinch liegt, sich mit ihm schlägt, mit ihm verträgt, und das damals übliche Männlichkeitsideal beizeiten auch mal beiseite legt und unumwunden Tränen der Trauer vergießt. Enzo Fiermonte [→ CARRERA – DAS GEHEIMNIS DER BLONDEN KATZE] wiederholt in bewährt aristokratischer Manier offenbar seine Rolle aus dem Erstling, obwohl er hier merkwürdigerweise einen neuen Namen trägt. Und die weibliche Belegschaft gerät leider mal wieder ein bisschen ins Hintertreffen und ist überwiegend dazu da, als Anhängsel zu dienen. Halina Zalewska [→ DER LEOPARD] agiert zwar durchaus selbstbewusst als vollwertiges Crew-Mitglied, hat aber dennoch nichts Besseres zu tun, als sich um die Treue ihres lieben Commanders zu sorgen. Und Ombretta Colli [→ DER KUCKUCK] hat als ihre Rivalin so wenig zu tun, dass man fast hofft, sie hätte den Autoren im Anschluss mal so richtig die Meinung gegeigt.

ORION 3000 (der Titel ist eine deutsche Erfindung, die nichts mit der Handlung zu tun hat) ist am Ende dann wirklich nur etwas für unverbesserliche Fans italienischer Niedrigpreis-Unterhaltung. Anders als so oft beflügelte das schmale Budget hier nicht die Fantasie der Macher, man merkt dem Werk Lieblosigkeit und Zeitdruck seiner Entstehung deutlich an (immerhin entstanden alle vier Gamma 1-Abenteuer in einem Abwasch). Die Raumfahrt des Grauens ist somit vielmehr eine Raumfahrt des Gähnens, eine leidenschaftslose Auftragsarbeit ohne Schmiss und Elan und innerhalb der eigentlich sehr feinen Filmographie Antonio Margheritis [→ DIE JÄGER DER GOLDENEN GÖTTIN] eher vergessenswert.

Laufzeit: 78 Min. / Freigabe: ab 12

Sonntag, 27. Juni 2021

TÖDLICHE NEBEL


I DIAFANOIDI VENGONO DA MARTE
Italien 1966

Regie:
Antonio Margheriti

Darsteller:
Tony Russel,
Lisa Gastoni,
Franco Nero,
Carlo Giustini,
Enzo Fiermonte,
Linda Sini,
Nando Angelini,
John Bartha



Inhalt:

Zeit: Die Zukunft. Ort: Raumstation Gamma 1: Commander Halstead [Tony Russel] und seine Crew befinden sich in Feierlaune. Das neue Jahr steht vor der Tür. Da wird alle Förmlichkeit vergessen und das Tanzbein geschwungen, als ob es kein Morgen gäbe. Dummerweise stimmt das vielleicht sogar: Seltsame wolkenähnliche Gebilde tauchen plötzlich auf und lassen Menschen zur Salzsäule erstarren. Und der einst so loyale Captain Dubois [Michel Lemoine] steht plötzlich unter dem Einfluss einer fremden Macht und verkündet unheilvolle Botschaften: Die Menschheit wurde dazu auserkoren, körperlosen Invasoren als Wirt zu dienen, die baldige Gleichschaltung aller Lebewesen steht bereits kurz bevor. Halstead und sein Kompagnon, der wagemutige Lieutenant Jacowitz [Franco Nero], wollen das nicht hinnehmen und gehen in den unlegitimierten Widerstand. Die Spur führt zum Mars.

Kritik:

Nachdem RAUMSCHIFF ALPHA im Vorjahr unerwartet sogar in den Lichtspielhäusern landen durfte, obwohl der kostengünstig zusammengerührte Cocktail aus Kosmos-Krimi und Verrückter-Wissenschaftler-Schote eigentlich nur für die Mattscheibe konzipiert war, schickten sich anno 1966 TÖDLICHE NEBEL an, es dem gleichzutun. Auch der Fortsetzung wurden spontane Leinwand-Ehren zuteil, weswegen das Wiedersehen mit den aus dem Vorgänger bekannten Figuren im wohligen Dunkel des Kinosaals erfolgen konnte. Viel geändert hat sich dabei nicht. Kein Wunder, denn aus Gründen der Effizienz wurde Teil 2 gleich zusammen mit dem Erstling abgekurbelt, weswegen nicht nur die Darsteller dieselben bleiben, sondern auch die biederen Bauten und Modelle, welche hier abermals die Weiten des Weltalls suggerieren sollen. Nach wie vor ohne großen Erfolg, denn die zahlreichen Raumstations- und -schiff-Miniaturen sind viel zu klobig und undetailliert gestaltet, um nicht sofort als ordinäres Spielzeug entlarvt zu werden. Und auch in Sachen Tricktechnik sind keine Veränderungen auszumachen: Jeder Effekt ist in seiner Machart auf Anhieb durchschaubar, und man gab sich auch keine Mühe, sein Publikum in irgendeiner Form zu verblüffen. Die Schnüre, an denen die Astronauten-Statisten hier arg ungelenk durchs angebliche All schaukeln, sind so dermaßen prominent ins Bild gerückt, die sollten einfach gesehen werden. Kurzum: Die Illusion, man befände sich in ferner Zukunft zwischen fremden Sternen, kann nicht eine Sekunde erweckt, geschweige denn aufrechterhalten werden.

Dazu trägt nicht nur die unterdurchschnittliche Effekt-Arbeit bei, sondern auch der Umstand, dass die Fantasie der Schöpfer abermals nicht ausreichte, sich eine plausible futuristische Vision zu erdenken. So befindet man sich erneut eindeutig in den allertiefsten 1960er-Jahren, was bereits bei der einleitenden Silvester-Feierlichkeit mehr als deutlich wird: Während im Vordergrund mit bierernster Miene Technik-Tinnef abgesondert wird, tobt im Hintergrund eine rauschende Champagner-Fete mit hippen Beats und flotten Girls, bei der alles wie verrückt zappelt, schwoft und sich beschwipst Schweinereien ins Ohr säuselt. Auch die lässigen Dialoge, welche zumindest die deutsche Synchronfassung vom Stapel lässt, können nur aus dieser Zeit stammen. „Saufen Sie nicht mehr als Sie vertragen können“, raten sich die Crew-Mitglieder da gegenseitig, oder bemerken folgerichtig: „Spaß muss sein, sonst geht keiner mit zur Beerdigung.“ Dieser unbekümmert zelebrierte Zeitgeist ist es dann auch, der TÖDLICHE NEBEL zu einem aparten Anschauungsobjekt werden lässt. Hier wird aus jeder Pore pure Nostalgie geschwitzt, der Rest ist redundant. Denn – wenig überraschend! - auch die Geschichte reißt niemanden vom Hocker.

War im Vorgänger noch die Gen-Technik und deren Missbrauch als Wurzel allen Übels ausgemacht, bediente man sich hier des klassischen Körperfresser-Motivs, das 1956 im wegweisenden Sci-Fi-Grusler DIE DÄMONISCHEN erstmals publikumswirksam die Leinwände der Welt heimsuchte. Die unheimliche Macht, die in Wolkenform vom Menschen Besitz ergreift, ist hier wie dort unschwer als kommunistische Ideologie zu deuten, will das fremde Wesen sich doch alles in Gleichheit untertan machen. Auf die Frage, wo die verschwundenen Team-Mitglieder abgeblieben sind, antwortet der unerwünschte Eindringling: „Ihr werdet sie lebend wiedersehen. Als neue Menschen unserer Welt. Voller Hoffnung und Energie. Im Dienste der Allgemeinheit.“ Zwar war die Idee eines individuenverschlingenden Invasoren 1966 noch längst nicht so abgestanden wie einige Jahre später, aber wirklich zu nutzen wusste man sie hier nicht. Geriet der Beginn, als man noch herauszufinden versucht, was es mit den sonderbaren Ereignissen auf sich hat, noch angenehm atmosphärisch, ist, nachdem die Fronten geklärt sind, die Luft auch größtenteils schon wieder raus. Das liegt vor allem daran, dass der Gegner nicht nur körper-, sondern offenbar auch hirnlos ist, lässt er sich doch auf denkbar simple Weise austricksen und besiegen. Schuld daran ist natürlich das einfallslose Drehbuch, für das sich nun wahrlich niemand ein Bein ausgerissen hat. Mehr noch: Die erzählerischen Kniffe, wie die Helden jeder Gefahr entkommen, sind fast schon unverschämt dreist und setzen einfach voraus, dass das Publikum wirklich jede Kröte zu schlucken bereit ist. So überleben die Protagonisten nur, weil der Feind, obwohl gerade noch in bester Tötungslaune, sie einfach am Leben lässt und wie unartige Schulkinder wegschickt („Macht, dass ihr wegkommt! Ihr stört nur!“), und sie entkommen ihrer Gefängniszelle, weil der Fluchtweg praktischerweise schon mit eingebaut wurde und sich per Knopfdruck öffnen lässt (ein weiterer Knopfdruck serviert den vermeintlich Gefangenen übrigens gleich noch nen Satz Werkzeuge dazu).

In solchen Momenten gibt sich TÖDLICHE NEBEL der Lächerlichkeit preis und verärgert sogar ein wenig, da man offensichtlich annahm, der Konsument würde diese verfilmte Leistungsverweigerung anstandslos akzeptieren. Dem gegenüber stehen allerdings auch ein paar gelungene Momente, die zumindest kurzzeitig so etwas Ähnliches wie Spannung oder Dramatik aufkommen lassen. Dazu gehören vor allem die atmosphärischen und überraschend harten Szenen, in welchen die außerirdischen Eindringlinge ihre Opfer assimilieren und somit zu ihresgleichen machen: Die Menschen werden in eine untermarsliche, von unheimlichem Nebel erfüllte Höhle geschickt, aus der sie als seelenlose Gestalten wieder herauskommen. Wer sich weigert, wer seine Individualität nicht verlieren möchte, wird noch vor Ort gnadenlos zu Tode geröstet. Die Kaltblütig- und Hoffnungslosigkeit dieser Sequenz lässt erahnen, dass hier durchaus einiges an Potential vergeudet wurde. Denn überwiegend obsiegt hier doch das Defizit: Futuristische Fahrzeuge, die nicht mehr können als stinknormale PKW, Personen, die versuchen, Nebelwolken mit Flammenwerfern zu bekämpfen, Atomexplosionen, die nicht mehr sind als ein ordinäres Silvester-Feuerwerk oder eine angeblich erstarrte Raumschiff-Crew, die verzweifelt versucht, stillzustehen ohne zu blinzeln, was aber leider nicht so ganz geklappt hat. Patzer wie diese sind garantiert bereits während des Drehs aufgefallen, aber man hat es – vornehmlich aus Zeit- und Kostengründen – einfach hingenommen, was TÖDLICHE NEBEL einfach sehr lieblos wirken lässt. Dazu hagelt es herrlichen verbalen Nonsens wie: „Registrierte Strahlungswerte: weit über maximal“ oder Begrifflichkeiten wie „Kosmo-Visions-Sendung“, „Synchrotron-Strahlungs-Anzeige“ oder „Super-Space-Geschwindigkeit“ (nur „wahnsinnige Geschwindigkeit“ wäre noch schneller), während es von der Tonspur in futuristischer Fröhlichkeit beständig piepst und pfeift und flötet.

Am Ende wirkt TÖDLICHE NEBEL wie eine etwas schluderig erdachte und inszenierte Doppelfolge der Kult-Serie RAUMSCHIFF ENTERPRISE, in der man sich ebenfalls regelmäßig fremder Eindringlinge erwehren musste und die zwischen Pappmaché-Planeten und Studio-Kulissen häufig philosophische Fragen oder moralische Dilemmata hinaufbeschwor. Margheriti und seine Crew verfehlten dieses Niveau letzten Endes aufgrund ihrer Schnellschuss-Mentalität und ihrem Desinteresse daran, mehr als zweckdienlichen Durchschnitt abzuliefern. Interessante Ansätze werden nicht zu Ende gedacht, Situationen werden unzureichend aufgelöst und die Effekte wirken nicht charmant, sondern schlichtweg unbeholfen. Aber bei Science-Fiction-Abenteuern, die mit weiblichem Eifersuchts-Gehabe beginnen und mit inniger Knutscherei enden, muss man generell skeptisch sein.

Laufzeit: 92 Min. / Freigabe: ab 16