Eigene Forschungen

Donnerstag, 22. September 2016

TI LUNG - DIE TÖDLICHE KOBRA


SIU LAM YING HUNG
Hongkong 1980

Regie:
Wu Ma,
Pao Hsueh-Li

Darsteller:
Ti Lung,
Shih Szu,
Danny Lee,
Michael Chan,
Tan Tao-Liang,
Wong Ching,
Wu Ma



„In der zweiten Hälfte der Ming-Dynastie wurde das ganze Land von Unruhen und Revolten erschüttert. Ein skrupelloser und machtgieriger Fürst hatte es sich zum Ziel gesetzt, das ganze Land für sich zu erobern. Und er hatte den Shaolin-Mönchen verboten, zu kämpfen. Taten sie es trotzdem, lies er sie umbringen und ihre Tempel niederbrennen.“

(Gäbe es diese gesprochenen Einleitungen nicht, man stünde in Asiens Kung-Fu-Kino vermutlich oftmals ziemlich auf dem Schlauch.)


Inhalt:

Einer der gnadenlosesten Vollstrecker dieses grausamen Fürsten ist Zen Chong [Ti Lung]. Früher einmal selbst ein Mönch der Shaolin, spielt er nun auf der Gegenseite und liefert seine ehemaligen Kameraden eiskalt ans Messer. Immerhin ein wenig Restskrupel scheint er dennoch zu besitzen und überredet den mandschurischen Herrscher, die Überlebenden des Tempels nicht hinrichten, sondern lediglich gefangennehmen zu lassen. Dafür legt er auch eine gute Begründung vor: Im Geheimen existiere noch eine letzte Widerstandsgruppe der Shaolin. Unter Folter, so Zens Versprechen, werde er den Gefangenen den Ort des Versteckes abringen können. Es beginnt eine qualvolle Zeit für seine ehemaligen Mitschüler. Abseits der Folter tritt Zen zudem regelmäßig in Kung-Fu-Kämpfen gegen sie an, um sie durch seine Siege endgültig zu demütigen. Doch nach geraumer Zeit schwant den Gefangenen, dass Zen mit seinem Vorhaben womöglich ganz andere Ziele haben könnte …

Kritik:

Ti Lung war einer der wenigen Darsteller des Hongkong-Kinos, denen in den 60er und 70er Jahren auch in Deutschland so etwas Ähnliches wie Star-Ruhm zuteilwurde – nicht zuletzt auch aufgrund des Zutuns der hiesigen Verleiher, die seinen Namen das eine ums andere Mal dem offiziellen Titel voranstellten. TI LUNG – DUELL OHNE GNADE nannte sich das dann, oder TI LUNG – DER TÖDLICHE SCHATTEN DES MR. SHATTER. Oder eben auch TI LUNG – DIE TÖDLICHE KOBRA. Zwar ist das von der Aussage her eigentlich unzutreffend, da sein Charakter (zumindest in der Synchronfassung) immer nur Panther gerufen wird, aber es ist nicht davon auszugehen, dass jemand deswegen ernsthaft sein Geld an der Kasse zurückverlangt hat. Fans des charismatischen Schauspielers kommen hier nämlich voll und ganz auf ihre Kosten und dürfen bereits in der Eingangssequenz Zeuge davon werden, wie ihr Held ordentlich Handkanten verteilt und seine Gegner gekonnt auf die Bretter schickt. Alles, wie es sein sollte, könnte man meinen. Und dennoch ist hier alles ein bisschen anders. Denn während Ti beim Großteil seiner Rollen als tadelloser Musterknabe agierte, steht seine tödliche Pantherkobra auf Seite des gewalttätigen Mandschuren-Fürsten und lässt in besagter Eröffnung einen Orden friedlebender Shaolin-Mönche brutal zur Strecke bringen.

Aus dem Umstand, dass er dabei durchaus Skrupel hegt, wird allerdings von Anfang an kein großes Geheimnis gemacht, und dass Zen Chong kein durch und durch verworfener Charakter ist, wird zumindest dem Publikum auch schnell klar. Dennoch bleiben seine wahren Intentionen für längere Zeit im Verborgenen und erst nach und nach kristallisiert sich heraus, worin sein eigentlicher Plan besteht. Allzu kompliziert zu erraten sind die Zusammenhänge freilich nicht, sodass dem Publikum auch wesentlich früher ein Licht aufgeht als den doch recht begriffsstutzigen Filmfiguren, die quasi bis zum Ende komplett im Dunkeln tappen (die meiste Zeit sogar im wahrsten Sinne des Wortes, denn in so einen Kerker scheint bekanntlich nicht allzu viel Sonne rein). Wirklich überraschende Wendungen bleiben somit – das recht unerwartete Ende mal ausgenommen – fast vollkommen aus und die Ereignisse verlaufen insgesamt in eher absehbaren Bahnen. Dazu passend wurde auch auf eine epische Breite verzichtet; die Anzahl der Schauplätze lässt sich mühelos an einer Hand abzählen. Nach blutigem Beginn im Tempel der Shaolin verlagert sich das Geschehen überwiegend in die freie Natur oder das feuchte Verlies der fürstlichen Festung. Durch die Beschränkung auf diese Notwendigkeiten gleicht DIE TÖDLICHE KOBRA über weite Strecken sogar eher einem vor historischem Hintergrund erzählten Gefängnisdrama als einem klassischen Vertreter des gemeinen Knochenbrecher-Spektakels.

Einer der Hauptgründe für die spärliche Präsentation ist sicherlich der Umstand, dass sich hier ausnahmsweise einmal nicht das renommierte Studio der Shaw Brothers für die Produktion verantwortlich zeigte, sondern die nahezu unbekannte Gesellschaft Yen Sing Cinema. Diese dürfte in Sachen Finanzmittel gerade mal einen Bruchteil der damals dominierenden Kung-Fu-Schmiede zur Verfügung gehabt haben und musste somit auf die oft sehr aufwändig gestalteten Kulissen der Konkurrenz verzichten. Trotz des Verzichts auf bombastische Sets und ausladende Panoramen wirkt DIE TÖDLICHE KOBRA allerdings in keinem Augenblick billig oder gar aus zweiter Reihe. Ganz im Gegenteil unterstreicht die nüchterne Kargheit nochmals den vorherrschenden Pessimismus und geht mit der trostlosen Grundstimmung quasi Hand in Hand. Damit unterscheidet man sich deutlich von den vielen oft reichlich albernen Fließbandprodukten jener Zeit, zumal man hier auch ohne unnötig übertriebene Sprung- und Flug-Manöver auskommt. Doch nicht nur, dass die Kämpfe stets bodenständig bleiben, sie wurden auch sinnvoll in die Handlung integriert und nicht etwa mit heißer Nadel ins Skript gestrickt, wie so häufig der Fall. Auch der konsequente Abstand von humoristischen Einschüben und infantiler Typenkomik macht sich äußerst positiv bemerkbar.

Stattdessen schrieb man sich Realismus auf die Fahnen – was DIE TÖDLICHE KOBRA auch für jenes Klientel goutierbar macht, das sich ansonsten weniger für asiatische Kämpfer in historischen Gewändern erwärmen kann. Der triste Tenor und die realistisch anmutende Rohheit der Präsentation gehen dabei natürlich unweigerlich zu Lasten des oft märchenhaften Klimas etlicher Shaw Brothers-Produktionen (allenfalls wenige Werke wie DER RÄCHER AUS DER TODESZELLE böten sich zum Vergleich an). An Shaw erinnert somit fast ausschließlich nur noch der Stab, der einiges an kompetentem Personal des damaligen Platzhirschen sowohl vor als auch hinter der Kamera versammelte. So begegnet man neben Aushängeschild Ti Lung unter anderem auch Danny Lee [→ DER KOLOSS VON KONGA] und Wu Ma [→ DIE SIEBEN SCHLÄGE DES GELBEN DRACHEN] in den düsteren Verliesen – wobei letzterer gemeinsamen mit Pao Hsueh-Li [→ DER PIRAT VON SHANTUNG] sogar den Regiestuhl drückte. Die Inszenierung der beiden alten Hasen geriet dann auch überaus kompetent, während das Drehbuch mit einigen großartigen Szenen aufwarten kann. Höhepunkt ist dabei sicherlich die Sequenz, in welcher der Titelheld während einer Tanzdarbietung versucht, einen Anschlag auf den Fürsten zu verhindern.

„An diesem Mann wäre sogar Bruce Lee gescheitert“, verkündete einst das deutsche Plakat leicht vermessen. Das dürfte nun schwerlich zu beweisen sein. Aber davon mal abgesehen, wäre ein derartiger Vergleich ohnehin nicht wirklich angebracht, da die Prämissen völlig unterschiedlich sind. DIE TÖDLICHE KOBRA erzählt keine Kriminal- und Gangstergeschichte mit einem integren Superfighter auf privatem Rachefeldzug. Dafür bietet das auf Minimalismus setzende Kostüm-Drama nicht nur verschworenen Genre-Freunden einen lohnenden Ausflug in die kalten Kerker der Ming-Dynastie. Der Ton ist ruppig, die Attitüde ist rau und die Kämpfe sind von knochentrockener Härte. Besonders das abschließende Duell zwischen dem Titelhelden und Michael Chan holt noch mal so richtig Kastanien aus dem Feuer. „Ein Held zu sein heißt, durch die Hölle gehen“, heißt es an einer Stelle. Ti Lung tritt den Beweis an.

Laufzeit: 102 Min. / Freigabe: ab 18

Donnerstag, 15. September 2016

DIE TÖDLICHEN SCHWINGEN DES ADLERS


BAAI CO SI FU KAU CO TAU
Hongkong 1981

Regie:
William Cheung Kei

Darsteller:
John Cheung Ng-Long,
Hwang Jang-Lee,
Cheng Kang-Yeh,
Fan Mei-Sheng,
Chin Pei-Ling,
Chiang Kam,
Kao Yuen,
Pan Yung-Sheng



„Meister Lo! Ihr habt keinen Grund, mich zu töten.“
„Ich wurde beauftragt, dich zu töten.“
„Von wem?“
„Von deiner eigenen Familie.“

(Was so anfängt, kann eigentlich gar nicht wirklich schlecht sein)


Inhalt:

China, irgendwann um die Quing-Dynastie herum: Der junge Tai [John Cheung Ng-Long] besucht zwar eine Kung-Fu-Schule, darf aber kaum etwas dazulernen. Dieses Privileg gönnt sein Meister in der Regel lediglich Schülern aus besser betuchtem Hause. Stattdessen wird Tai tagtäglich dazu gezwungen, als Küchenhilfe zu schuften. Als ihn der arrogante Schüler Fatty [Chiang Kam] provoziert, kommt es eines Tages zum Eklat und Tai verlässt die Schule. Auf der Suche nach einem neuen Meister begegnet er zunächst dem Strauchdieb Hsiao Lung [Cheng Kang Yeh], mit dem er sich einen Kampf um ein paar Fische liefert. Tai geht als Sieger hervor und Hsiao schwört ihm blutige Rache. Mit dem freundlichen Bettler Chin Pai To [Fan Mei-Sheng] hingegen teilt Tai im Anschluss gern seine Mahlzeit. Bald begegnet Tai dem Kung-Fu-Kämpfer Lo Hsin [Hwang Jang Lee] und wird staunender Zeuge von dessen tödlicher Adlerkrallen-Technik. Begeistert fleht er Lo an, ihn zu unterrichten – was dieser ihm nach einiger Zeit auch gewährt. Was Tai nicht ahnt: Lo ist ein gewissenloser Killer, der sich bald mit Hsiao gegen ihn verbündet. Nur gut, dass der so harmlos wirkende Bettler Chin in Wahrheit ein begnadeter Kämpfer ist. Als Los wahrer Charakter zum Vorschein kommt, nimmt Chin Tai unter seine Fittiche.

Kritik:

Am Anfang war Jackie Chan. Nachdem der chinesische Action-Athlet jahrelang versucht hatte, an den bahnbrechenden Erfolg von Kampfsport-Ikone Bruce Lee anzuknüpfen (indem er ihn schlicht imitierte), gelang ihm der tatsächliche Durchbruch schließlich im Jahre 1978 mit den beiden von Yuen Woo-Ping inszenierten Kung-Fu-Komödien SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER und DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS. Die Kombination von klassischer Kampfkunst mit Klamauk und Situationskomik verhalf dem mittlerweile festgefahrenen Genre zu neuer Popularität, machte Chan (erst in seiner Heimat, später auch weltweit) populär und ebnete den Weg für eine Flut an Nachahmern und Epigonen. DIE TÖDLICHEN SCHWINGEN DES ADLERS ist einer davon. Der deutsche Titel deutet dabei schon nicht gerade undezent an, dass hier vor allem DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS Pate stand, und tatsächlich verschwendete man nicht allzu viele Ressourcen, um sich etwas großartig Neues auszudenken: Die Kernelemente wurden nur rudimentär variiert und das ganze Szenario kommt einem doch arg vertraut vor.

Statt Jackie Chan erlebt man hier nun also John Cheung als etwas tollpatschigen, doch liebenswerten Haus- und Laufburschen einer Kung-Fu-Schule, der sich erst wild herumschubsen lassen muss, bevor er endlich die Bekanntschaft seines Mentors macht (hier wie dort in Gestalt eines scheinbar klapperigen Bettlers), der den guten Charakter des Helden erkennt und ihn dadurch belohnt, dass er ihn final zum unbesiegbaren Superkämpfer ausbildet. Teeschaalen-Tänze, Adlerkrallen-Technik, finaler Triumph auf freiem Feld – die Bilder gleichen sich, die Inhalte auch, jede Innovation siecht dahin im Schatten des Adlers. Doch so dreist die Kopie im Grunde auch ist, so goutierbar ist sie am Ende dann insgesamt doch geworden (vor allem im Hinblick auf die zahlreichen, oftmals nur schwer erträglichen Klone, die in den Folgejahren noch entstanden). Dabei macht sich das Minimum an Story sogar bezahlt, bleibt die Handlung bei aller Banalität doch stets übersichtlich und verwirrt nicht mit Nebensträngen und -figuren, wie es in diesem Genre häufiger mal der Fall war. So ist die fröhliche Balgerei auch nach gut 70 Minuten schon wieder vorbei, noch bevor sie ernsthaft jemandem auf die Nerven fallen kann.

Natürlich muss man trotzdem eine gesunde Portion Grundaffinität für diese doch sehr spezielle Art von Unterhaltung mitbringen; der berüchtigte pubertäre Hongkong-Humor schlägt sich hier zeitweise gnadenlos Bahn. Wer affige Grimassen, alberne Geräusche und angeklebte Geschwüre nicht verkraften kann, wird hier vermutlich nicht besonders alt werden. Wer dennoch durchhält, wird dafür mit jeder Menge vernünftig choreographierten Hand- und Fußgemengen belohnt, scheint hier doch wahrlich kein Anlass nichtig genug, sich nicht wieder gegenseitig ’nen Scheitel zu ziehen. Bereits nach zwei Minuten gibt es die ersten beiden Toten, gefolgt von einem Vorspann, in dem Oberschurke Hwang Jang-Lee vor roter Tapete ein Skelett, wie es normalerweise im Biologie-Raum einer jeder vernünftig ausgestatteten Grundschule herumsteht, fachgerecht zerlegt (was strenggenommen eigentlich keine große Leistung ist, denn so ein Skelett wehrt sich ja bekanntermaßen nicht). Hwang ist dann auch der eigentliche Star der fidelen Fäustekirmes. Seit seinem Auftritt als Silberfuchs in dem 1976er Gassenhauer DIE ZWILLINGSBRÜDER VON BRUCE LEE war der in Japan geborene Koreaner quasi Zeit seines Leinwand-Lebens auf den brutalen Fiesling geeicht (und in dieser Funktion passenderweise auch schon in den beiden Blaupausen SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER und DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS dabei). Vor allem durch seine schnelle Beinarbeit erwarb sich der Kampfkünstler bei den Fans rasch eine beachtliche Reputation.

Chang Wu-Lang [→ BORN HERO 3] in der Hauptrolle geht als Jackie Chan-Verschnitt Charisma und Körperbeherrschung seines Vorbilds zwar ab, liefert davon unabhängig aber dennoch eine brauchbare Vorstellung. Weitere Rollen gingen an Fan Mei-Sheng [→ DIE SIEBEN SCHLÄGE DES GELBEN DRACHEN], welcher Chang etwas unmotiviert Kung Fu beibringen darf, Chiang Kam [→ ZWEI FÄUSTE STÄRKER ALS BRUCE LEE] als obligatorischer peinlicher Fettwanst vom Dienst sowie Cheng Kang Yeh [→ TI LUNG – DUELL OHNE GNADE] als wild stotternde Witzfigur, welche den Helden aufgrund einer harmlosen Herumkasperei gleich unter die Erde bringen möchte. Selbstredend war hier keine große Schauspielkunst gefragt; alle Darsteller bedienen lediglich bekannte (und oftmals beschämende) Stereotypen, was enthemmtes Geblödel nicht nur nicht ausschließt, sondern teilweise explizit verlangt. Auch bleiben die Beweggründe für die Aktionen der Figuren fast ausnahmslos nebulös. Warum Killer Lo dem Helden Tai eigentlich genau das Lebenslicht auspusten möchte, ist nicht wirklich ersichtlich. Der Schurke ist eben einfach böse und mordet, weil jeder Kung-Fu-Film einen bösen und mordenden Schurken braucht. Das muss als Erklärung reichen.

Neue Genre-Freunde wird DIE TÖDLICHEN SCHWINGEN DES ADLERS gewiss nicht generieren können. Dazu plätschert alles viel zu unspektakulär vor sich hin. Das reichlich spät eingeführte Rachemotiv (welches natürlich auch alles andere als originell ist) kann das Ruder dann auch nicht mehr herumreißen. Wessen Herz jedoch bereits für kaspernde Kämpfer im Jackie Chan-Fahrwasser schlägt, der wird hier zufriedenstellend abgeholt und erlebt einen der besseren Vertreter: Der Infantil-Humor übertreibt es nicht, die entschlackte Story bleibt nachvollziehbar und die Kämpfe gehen absolut in Ordnung. Zur simplen Kung-Funterhaltung nebenbei durchaus geeignet!

Laufzeit: 71 Min. / Freigabe: ungeprüft

Dienstag, 2. August 2016

DER SCHLÄCHTER


A SCREAM IN THE STREETS
USA 1973

Regie:
Carl Monson,
Dwayne Avery,
Harry H. Novak,
Bethel Buckalew

Darsteller:
Frank Bannon,
John Kirkpatric,
Rosie Stone,
Brandy Lyman,
Bobby Angelle



Inhalt:

Ein Mörder in Frauenkleidern geht um und meuchelt unschuldige Frauen im Park. Zwei Polizeibeamte fahren durch die Gegend und plappern Stuss ohne Ende. Ein paar unansehnliche Personen fangen hin und wieder an zu pimpern und werden dabei von einem Spanner beobachtet.

Kritik: 

Was das alles miteinander zu tun hat? Nichts! Absolut gar nichts! Die absurde Aneinanderreihung alberner Abmurks-Anekdoten, schäbiger Beischlaf-Akrobatik und amerikanischem Kleinstadt-Pendant zur ruhrpott'schen Polizisten-Posse TOTO & HARRY sorgt in erster Linie für Langeweile und lange Gesichter. Offenbar hatte Pornofreund und Bumsparaden-Produzent Harry H. Novak noch ein paar übrig gebliebene Schnipsel seines letzten Libido-Lichtspiels auf dem versifften Schneideraum-Boden gefunden, als noch brauchbar genug dafür erachtet, mit ihnen ein paar Talerchen verdienen zu können, und sie – um die zahlreichen Minimalst-Handlungsstränge zumindest notdürftig miteinander zu verkitten – mit ein paar eilig nachgedrehten Szenen über zwei dösbaddelige Chaos-Cops angereichert, die die ganze Zeit ziellos durch die Gegend eiern, Kokolores quasseln und ansonsten irgendwie so gar keine sinnvolle Funktion erfüllen. Dass sich für dieses konfuse Kuddelmuddel sage und schreibe gleich fünf Regisseure verantwortlich zeigen, entkräftet den Verdacht der Resteverwertung nicht gerade.

Kenner abseitiger Kehricht-Kunst freilich ahnen bereits ab dem Vorspann, was sie in den kommenden Minuten erwarten wird: Wiederholungstäter Harry H. Novak war bekannt für seine handlungsentkernten Sex-Klamotten, produzierte und vertrieb in den 60er und 70er Jahren eine stolze Anzahl ähnlich gelagerter Spezialfälle, die mit wirrem Inhalt und nackten Tatsachen auf Kundenfang gingen. Nicht alles erreichte dabei auch deutsche Gefilde, aber Leinwand-Ergüsse wie LAILA – VAMPIR DER LUST oder SEXUALRAUSCH durften sich auch hiesige Koitus-Interessierte zu Gemüte führen. Oder eben DER SCHLÄCHTER, der jedoch (vermutlich) lediglich auf Video veröffentlicht wurde und dessen teutonische Vermarktung den Konsumenten in ziemlicher Dreistigkeit in die Irre führte. „Sein Hass gilt allen Frauen, seine ganze Liebe gilt der Axt“, trompetete das Cover und fügte verheißungsvoll hinzu: „Zerstückelt bei lebendigem Leib“. Schade nur, dass im gesamten Verlauf keine einzige Axt angerührt wird, und das einzige, was einem hier irgendwie zerstückelt vorkommt, die arg sprunghafte Ereignisfolge ist. Der verzweifelte Versuch, die ranzige Fick-Revue als blutrünstiges Schlitzer-Spektakel im FREITAG, DER 13.-Stil zu verkaufen, dürfte bei vielen Videofreunden zu einer herben Enttäuschung geführt haben. Denn anstatt saturierter Zeuge greulicher Meuchelmorde zu werden, sieht man hier nun plötzlich Leuten bei der Kopulation zu, denen man im realen Leben nicht mal mit der Kneifzange die Hand geben möchte.

Freunden filmischen Abfalls hingegen spielt DER SCHLÄCHTER höchst verdienstvoll in die ehrlosen Hände. Die cineastische Resterampe ist ein Paradebeispiel primitiv-lustiger Zeitverschwendung und sorgt in ihrer Absurdität mehr als einmal für enorme Heiterkeitsschübe. Nicht unerhebliches Gelächter erntet zum Beispiel die Szene, in der sich zwei Damen gerade miteinander vergnügen und währenddessen bemerken, dass sie dabei vom Fenster aus beobachtet werden. Was macht man in solch einem Fall? Schwer zu sagen! Die beiden Turteltauben jedenfalls gehen in die 69-Stellung und die eine ruft versteckt unter dem Arsch der anderen die Polizei an. Toller Trick, muss man sich merken! Dass an dieser Stelle nicht einmal versucht wurde, diese ansonsten abermals vollkommen überflüssige Episode mit dem Quasi-Haupthandlungsstrang (wenn man das denn tatsächlich so nennen möchte) der beiden Schmalspur-Schutzmänner Ed und Bob zu verbinden, spricht Bände. Diese tingeln dafür in fast schon in anarchistischer Sinnbefreitheit durch die Straßen, verhaften ab und zu mal einen Ladenräuber oder versuchen einen Autoklau auf solch dilettantische Weise zu verhindern, dass sie dafür selbst von den Dieben ausgelacht werden. Dem titelgebenden „Schlächter“ begegnen sie am Ende dann einfach durch puren Zufall, ohne dass sie irgendetwas dafür getan hätten. Wer genau hinsieht, entdeckt bis dahin lauter bescheuerte Sachen. Exemplarisch genannt dafür sei der überfallene Ladenbesitzer, der gerade mit der Waffe bedroht wird und dabei dermaßen verständnislos aus der Wäsche guckt, dass man sich ernsthaft fragt, ob ihm überhaupt bewusst ist, was um ihn herum passiert oder wo er sich eigentlich befindet. 

Die Krone setzt dem Ganzen dann am Ende noch die deutsche Sprachfassung auf, die den Figuren fern irgendwelcher Synchronität am laufenden Meter dermaßen politisch unkorrekte Satzgefüge auf die Lippen kleistert, dass einem Hören und Sehen vergeht. Bei dem, was die beiden Gesetzeshüter Ed und Bob während ihrer Streifzüge an reaktionären Verbalentgleisungen ablassen, würde selbst Dirty Harry der Speichel versiegen. „Wenn ich den Kerl erwische, zerlege ich ihn in 1000 Einzelteile“, verkündet der eine. „So einem gehört die Rübe ab. Mir würde es ein höllisches Vergnügen bereiten, diesen Kerl persönlich auf den elektrischen Stuhl zu schnallen. Aber die Brüder stecken ihn auf Staatskosten in ne Heilanstalt.“ „Man sollte kurzen Prozess mit ihnen machen“, entgegnet der andere. „Der Meinung bin ich auch. So ein Schwein gehört weg! Aber unsere Gesetze sind viel zu human.“ - „Tja, unsere Gesetze sind nun mal so, was willst du machen?“ - „Sie ändern – für solche minderwertigen Kreaturen.“

So geht das in einem fort – und hat dabei nicht mal im Ansatz Ähnlichkeit mit dem Original. Doch auch abseits solcher Selbstjustizfantasien herrscht jede Menge politische Unkorrektheit. Da kommt ein Mann nach Hause und findet sein Eheweib in Tränen aufgelöst vor, da die Nachbarin ermordet wurde. Wie reagiert der alte Frauenversteher? „Warum weinst du? Ist dir das Essen verbrannt?“ Da wird eine Nutte von ihrem perversen Freier windelweich geprügelt mit den Worten: „Wenn dich dein Vater damals nicht geschlagen hat, dann muss ich das jetzt übernehmen.“ Und als sie nach ihrer Rettung heulend in der Ecke liegt, herrscht der hinzugekommene Polizist sie an: „Hör auf zu flennen!“ Auch sehr schön, dass man einer der Protagonistinnen während eines Schäferstündchens, das ihr offensichtlich einige Freuden bereitet, völlig genervte Sätze in den Mund legte, so dass sie nun mit total glücklichem Gesichtsausdruck Dinge sagt wie „Nun mach endlich!“ oder „Hoffentlich ist es bald so weit!“

Den größten Vogel der deutschen Dialog-Diarrhö aber schießt zweifelsfrei der mordende Transvestit ab, der ohne Punkt und Komma Dinge herunterzetert wie: „Du blöde Gans, du blöde! Ich hasse alle Weiber! Ihr seid alle billige Flittchen und Huren! Ich bringe euch alle um! Alle!“ Und bleiben dessen Beweggründe im Original im Verborgenen, wartet er in der deutschen Version mit einer sehr plausiblen Erklärung auf: „Ich hasse alle Frauen, und weißt du auch, warum? Weil meine Mutter mich jeden Tag geschlagen hat mit ihren blutverschmierten Händen und mich dann zu den halbierten Schweinen in den Kühlraum gesperrt hat.“ Das klingt doch schon wesentlich aufschlussreicher als das ständig wiederkehrende „I kill you!“ der Originalversion und kommt glaubwürdig vorgetragen bestimmt auch richtig gut als launiger Anmachspruch auf der nächsten Kellerparty.

Schlecht, schlechter, DER SCHLÄCHTER. Harry H. Novak präsentiert seinem geifernden Publikum einen schmierig-schmutzigen Cocktail aus billigen Rammel-Eskapaden, alibihaftem Krimi-Kappes und jeder Menge Mumpitz. Das ist zwar nichts, was man irgendwie mit Kunst verwechseln würde, aber Spaß machen kann das trotzdem. Wer will, der erlebt hier stümperhaftes Super-Schmuddelkino, auf das eine völlig hemmungslose Synchronisation geschraubt wurde. Auch sowas muss es geben!

Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ungeprüft

Dienstag, 21. Juni 2016

SADOMONA - INSEL DER TEUFLISCHEN FRAUEN


POLICE WOMEN
USA 1974

Regie:
Lee Frost

Darsteller:
Sondra Currie,
Tony Young,
Phil Hoover,
Chuck Daniel,
Elizabeth Stuart,
Jeannie Bell,
Jennifer Brooks,
William Smith




In den An(n)alen der Filmgeschichte gibt es Auswüchse, die muss man sich als Sympathisant tiefergelegter Abendunterhaltung schon allein aufgrund ihres Titels zu Gemüte führen. Wem bei einem lyrischen Auswurf wie SADOMONA – INSEL DER TEUFLISCHEN FRAUEN nicht das berühmte Wasser im Munde zusammenläuft, der muss schon eine ausgemachte Spaßbremse sein. Gut, einmal mehr hat man es hier mit einer vermutlich unter Alkoholeinfluss entstandenen Kreation des deutschen Anbieters zu tun und zugegebenermaßen klingt das originale POLICE WOMEN schon nicht mehr halb so herzerwärmend. Aber irgendwie steckte in der damaligen Taktik hiesiger Verleihfirmen ja auch eine charmant-offene Portion Ehrlichkeit: Warum sollte man, wenn man sich schon auf Kundenfang begibt, überhaupt verschleiern, dass man es mit auf Zelluloid gebannter Ramschware zu tun hat? Auf diese Weise greift man immerhin auf Anhieb das richtige Publikum ab: nimmermüde Trash-Junkies auf der Suche nach dem nächsten befreienden Schuss. Im Falle von SADOMONA (was immer das Wort überhaupt bedeuten soll) wird schon nach wenigen Minuten klar, dass eben dieser auch voll ins Schwarze trifft, denn das unverhohlene Billigprodukt, dessen Entstehung vermutlich mit einer feucht-fröhlichen Urlaubsreise verknüpft war, bedient zuverlässig alle Erwartungen an maximal sinnlosen Zeitvertreib und präsentiert ohne jede Scham ein launiges Sammelsurium kuriosester Momentaufnahmen.

Inhalt:

Lacy Bond (vermutlich weder verwandt noch verschwägert mit einem ungleich berühmteren Namensvetter) gehört zur Spezialeinheit der Polizei und ist dort – logisch! - eine der besten – nicht zuletzt aufgrund ihrer perfekten Karate-Künste. Da sie so fleißig im Leutevermöbeln ist, bekommt sie einen halsbrecherischen Auftrag zugeschanzt, an dem schon viele ihrer Kollegen zuvor gescheitert sind: Auf dem idyllischen Eiland Catalina hat sich eine radikale Verbrecherorganisation formiert, gegen die James Bonds ewiger Kontrahent S.P.E.C.T.R.E. wie ein Haufen müder Waisenknaben wirkt. Diese besteht nämlich ausschließlich aus handverlesenen Bikini-Schönheiten, welche zudem noch angeführt werden von einer (geschätzt) 100 Jahre alten Dame, die aussieht wie die fleischgewordene Reinkarnation Oma Knacks. Besagte Madame führt dort ein strenges Regiment und hält sich zudem noch einen grenzdebilen, aber dafür umso treueren Liebessklaven, der seine Hanteln wohl nicht mal auf dem Donnerbalken aus der Hand nimmt.

Obwohl die einzigen Verbrechen dieser ‚teuflischen Frauen‘ aus Planschen im Pool und exzessivem Tennisspielen zu bestehen scheinen, muss sich Bond zwecks Zerschlagung des gefürchteten Kartells zunächst einmal einem Spezial-Training unterziehen. Nachdem sie der Schießbudenfigur gleich den ganzen Schädel weggeballert hat, tritt sie im Anschluss gegen einen (angeblich versierten) Karate-Profi [William Smith] an. Zwar lässt sie sich zur Tarnung ein paar Mal auf die Bretter schicken, wendet dann aber den gefürchteten Blütenstil-mit-den-zwei-Knospen-Trick an: Ein beherzter Tritt in die Kronjuwelen verwandelt ihr Gegenüber innerhalb weniger Sekunden in ein greinendes Schulmädchen. Auf diese Weise bestens vorbereitet für schwerere Aufgaben geht es dann auch umgehend an die Beschattung einer Verdächtigen. Doch Miss Bond ist zu ungestüm: Als die Beobachtete in ihrem Wagen zu fliehen versucht, fackelt die Top-Polizistin nicht lange und entert das nächstbeste Polizeiauto. Die daraus resultierende Verfolgungsjagd endet dann allerdings mit dem Flammentod der Beschatteten, welche dann wiederum sogar ziemlich lang fackelt.

Nachdem sich Bond erfolgreich aus diesem Malheur herausgeredet hat, darf sie mit ihrem Kollegen und gleichzeitig neuer Flamme (denn schließlich darf auch die gute, alte Liebe nicht zu kurz kommen) bezahlten Urlaub auf Catalina machen. So zumindest sieht es aus, denn obwohl sie ja eigentlich dort sind, um die verbrecherische Organisation hochzunehmen, lümmeln sie sich eigentlich die ganze Zeit auf Staatskosten am Strand, 
schnackseln, bis der Arzt kommt oder reiten zu Kitschkotzmusik in den Sonnenuntergang. Gerade noch rechtzeitig fällt den beiden dann ein, dass sie ja auch noch einen Auftrag zu erledigen haben. Doch als sie das Boot der boshaften Bikini-Brigade kapern möchten und Bonds Herzblatt beherzt vorangeht, bekommt dieser – kaum einen Fuß aufs gegnerische Deck gesetzt – erstmal schön einen Paddel in die Schnauze. Und dann noch einen. Und noch einen. Das geht dann immer so weiter, bis Bondchen sich ihrer Kampfkünste besinnt, um ihren Liebsten aus seiner misslichen Lage zu befreien. Diesem allerdings hat die Paddel-Attacke dermaßen zugesetzt, dass er postwendend ins nächste Krankenhaus muss. Nun auf sich allein gestellt kennt die knallharte Karate-Lady kein Halten mehr und beginnt eine gnadenlose Aufräumaktion, bei der kein Stein auf dem anderen und kein Auge trocken bleibt.

Kritik:

Es hätte ohnehin keinen Sinn, es zu leugnen: SADOMONA ist ein von vorn bis hinten gnadenlos bescheuerter Nonsens, der jedem in solch untiefen Gefilden weniger bewanderten Kritiker eine recht langanhaltende Schnappatmung bescheren dürfte. Gottlob besitzt das Team um Regisseur Lee Frost [→ BLACK GESTAPO] auch nicht mal im Ansatz die Intention, diesen Umstand irgendwie zu negieren und liefert stattdessen viel lieber einen Orkan der guten Laune ab, der seine auffallend kosteneffiziente Entstehung zur Tugend macht und zur Kompensierung ein wahres Feuerwerk unbekümmerter Verrücktheiten abbrennt. Keine Idee schien zu infantil, kein Dialog zu deppert, keine Situation zu schwachsinnig, um nicht doch irgendwie noch vorkommen zu dürfen. Das alles ist trotz eklatantem Mangel an Mitteln und Talent mit derart eifrigem Elan in Szene gesetzt, dass die Begeisterung an der Sache höchstgradig ansteckend ist. So verzeiht man die subterranen Leistungen der Darsteller nicht nur, man feiert sie geradezu, fügt sich die dargebotene Schmierenkomödie doch perfekt ins groteske Gesamtbild. In Erinnerung bleibt dabei vor allem die pythonesk anmutende Szene, in welcher sich Hauptfigur Lacy Bond noch am Ort des Geschehens für den Flammentod der von ihr ins Visier genommenen Verdächtigen rechtfertigen muss. Ein beknackter Dialog jagt den nächsten, während die Helfer im Hintergrund noch die Leichenteile davontragen. Ganz großes Kino!

Garniert wird das Ganze mit einer Handvoll Actionsequenzen, die freilich ebenfalls allesamt denkbar unbeholfen daherkommen. So funktionieren Lacy Bonds Karate-Künste natürlich nur dann, wenn sich ihre Gegner auch alle brav so hinstellen, dass Lacy sie in Ruhe treten kann. Und da der Mann am Schnittpult vom Schneiden ungefähr genauso viel Ahnung hat wie Bond-Darstellerin Sondra Currie [→ HANGOVER] von korrektem Karate, fällt das auch umgehend ins Auge. Überaus erheiternd ist in diesem Zusammenhang auch der Auftritt von William Smith, der später Conans Vater in dem Schwarzenegger-Vehikel CONAN, DER BARBAR geben durfte, hier jedoch als Bonds Gegner einen abgeschmackten Karate-Kämpfer verkörpert, der aussieht wie Kommissar Schimanski auf Crystal Meth und sich nach wenigen Minuten verzweifelter Choreographie-Versuche theatralisch zu Boden werfen darf. Lediglich das Finale, das wie eine frühe Version der Lastwagen-Kaper-Szene aus JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES wirkt, lässt zumindest ein wenig mehr Aufwand und Professionalität erkennen. Dass sich Spielberg und Lucas hier inspirieren ließen, darf dennoch gut und gern bezweifelt werden. 

SADOMONA ist ein B-Film wie aus dem Bilderbuch. An jeder Ecke lauert eine neue Unglaublichkeit, ein weiterer unerwarteter Nackenschlag gegen die Regeln des normierten Erzählens. Komik gibt es reichlich, nicht nur unfreiwillige. Exemplarisch genannt sei hier die Szene mit dem armen Angestellten, dessen einzige Aufgabe es offenbar ist, tagein, tagaus auf den Überwachungsmonitor zu starren, welcher nie mehr als das geschlossene Eingangstor zeigt. Als sich selbiges eines Tages dann doch tatsächlich mal auftut, hyperventiliert der gute Knabe fast, kommt er mit dem Zählen der herein rollenden Autos doch gar nicht mehr nach. Der Humor stimmt, die Frauen sind attraktiv (zumindest die unter 80-jährigen), alles andere ist auf wunderbar charmante Art und Weise grottig. Für Anspruchsflüchtlinge ist die Insel der teuflischen Frauen definitiv einen Urlaub wert. 

Laufzeit: 95 Min. / Freigabe: ab 18

Freitag, 4. März 2016

FÜR EIN PAAR LEICHEN MEHR


SONORA
Italien, Spanien 1968

Regie:
Alfonso Alcázar

Darsteller:
George Martin,
Jack Elam,
Gilbert Roland,
Antonio Monselesan,
Rosalba Neri,
Donatella Turi,
Miguel de la Riva,
Gustavo Re

 

„Weißt du, warum man ihn Callado nennt? Weil er schweigt. Er wartet, schweigt und tötet dich wortlos.“


Inhalt:

Revolverheld Sartana [George Martin] dürstet es nach Rache. Das hat auch einen Grund: Seine geliebte Frau wurde geschändet und ermordet. Aus dem einst fröhlichen Gesellen ist ein in Schwarz gekleideter Einzelgänger geworden, der sich seinen Weg zum Verantwortlichen für die Misere wortkarg, aber treffsicher freischießt. Seine Zielperson ist der skrupellose Bandit Slim [Jack Elam], der sich noch einen weiteren Mann zum Todfeind gemacht hat: den Mexikaner José [Antonio Monselesan], der nach einem erfolgreichen Bankraub von Slim bleireich abserviert wurde. Doch Sartanas Weg kreuzt nicht nur den von José, sondern auch den des undurchsichtigen Kirchner [Gilbert Roland], den er erst vor dem Tode bewahrt, bevor er merkt, dass dieser sich seine Brötchen als Slims Leibwächter verdient. Die brisante Konstellation steuert auf ein explosives Finale zu, das keine Gefangenen macht.

Kritik: 

FÜR EIN PAAR LEICHEN MEHR entstand in jener Phase des Italo-Westerns, in der sich die Leinwände vor einsilbigen Revolver-Schwingern kaum retten konnten. Zu Beginn allerdings wähnt man sich buchstäblich im falschen Film, wenn die Ereignisse mit einer eher albern anmutenden und von nervtötendem Gedudel unterlegten Saloon-Schlägerei beginnen, in welcher der Held eifrig seine Fäuste schwingt und auch selbst einiges abbekommt, bevor ein holdes Mägdelein in Zeitlupe auf ihn zugehoppelt kommt, um mit ihm im Anschluss zu zärtlicher Kitschkotzmusik durch die Wälder zu toben. Aber der Schock ist schnell überwunden; nur ein paar Minütchen später geht alles seinen gewohnten Gang. Denn der sentimentale Einstieg hatte natürlich seinen Grund: die gute alte Rache. Nach einem brutalen Zeitsprung und einer nicht lang auf sich warten lassenden Rückblende wird klar: Des Helden Weib, das eben noch so ausgelassen in der Gegend herumsprang, musste mal wieder ins Gras beißen. Und vergewaltigt wurde es auch noch (freilich: vorher). Das war schon immer Grund genug, den Lauf zu entstauben und sich auf die Jagd zu begeben. Woher der Held eigentlich weiß, wem genau er sein Witwerdasein verdankt, obwohl er bei der Tat gar nicht anwesend war, ist dabei unersichtlich und auch nicht sonderlich relevant. Der Held macht einfach, was der Held machen muss. Und wer einfach nur untätig danebenstand, hat den Tod nicht minder verdient. „Du warst dabei und das reicht mir“, sagt der Held zu dem bedauernswerten Schergen, bevor er ihm das Licht auspustet.

Mit dem eigentlichen Täter jedoch wird, wie sich das gehört, erst ganz am Ende abgerechnet. Der hört auf den Namen Sartana – zumindest in Deutschland, denn im Original nennt er sich Slim (was auch gar nicht weiter auffallen würde, schöbe der Held nicht in einer Szene gut sichtbar dessen Steckbrief ins Bild, auf dem überdeutlich der Name Slim zu lesen ist). Und um noch weiter zu verwirren, ist Sartana im Original eigentlich der Name des Helden. Dieser wiederum heißt im Deutschen Callado – der Schweigsame. Wieso, weshalb, warum …? Man weiß es nicht. Bleibt noch anzumerken, dass dieser Sartana hier nicht identisch ist mit der Titelfigur der SARTANA-Reihe, in welcher Gianni Garko im Auftrag der Gerechtigkeit Blei verspritzte. Dieser Sartana trägt stattdessen die Züge von Western-Veteran George Martin, der sich nicht nur wie Clint Eastwood benimmt, sondern auch so klingt (zumindest in der deutschen Fassung). Doch Sartana/Callado ist nicht der Einzige, der Rachegelüste mit sich herumträgt: Der Mexikaner José will dem Banditen ebenfalls ans Leder, nachdem er sich nach einem Bankraub dessen Kugel eingefangen hat. Und mittendrin befindet sich noch der undurchsichtige Kirchner, ein einstiger Kumpel Sartanas/Callados, der nun Slims Leibwächter ist und seinen Gegnern netterweise noch Särge empfehlen lässt, bevor er ihnen den Garaus macht.

Keine Frage: Regisseur Alfonso Balcázar [→ DIE TODESMINEN VON CANYON CITY] präsentiert hier nicht mehr als allseits bekannte Versatzstücke. FÜR EIN PAAR LEICHEN MEHR ist ein kostengünstig produziertes Fließbandprodukt, dessen Schauplätze fast ausschließlich aus der üblichen Felsenlandschaft und dem abgerockten Wildwestkaff bestehen. Die Landschaften sind karg, die Wortmenge ist es ebenfalls, dazu viel Schuss- und Schlaggetümmel, einmal umgerührt und fertig ist der Lack. Das kennt man, das erwartet man. Sonderlich spannend ist das nicht, aber auch nicht völlig unsinnig. Denn Genre-Fans bekommen in der Regel nie genug von eben diesen Mätzchen und handwerkliches Geschick (wenn auch nur ein routiniertes) kann man SONORA (Originaltitel) nicht absprechen – auch, wenn man sich solch innovative Einstellungen wie in dem Moment, als ein vom Dach geschossener Fiesling mit dem Gesicht voran auf die Kamera zufliegt, noch etwas häufiger gewünscht hätte. Auch der Inhalt geriet weitestgehend überraschungsfrei: Der Held schießt schneller als seine Kontrahenten ziehen können, der Held wird kurz vor Schluss gefoltert, der Held triumphiert am Ende – das Übliche eben. Die Nebenhandlung um Bankräuber José, der ebenfalls noch ein Hühnchen mit dem Antagonisten zu rupfen hat, dient zudem allzu offensichtlich in erster Linie dem Zweck, die spartanische Handlung auf die notwendigen 90 Minuten zu strecken und ist im Grunde gar nicht weiter von Belang. Dennoch kann die ihrem deutschen Titel alle Ehre machende Pferdeoper angenehm unterhalten, gelegentlicher Leerlauf wird von Pulverdampf und Explosionsradau bestmöglich übertüncht.

George Martin [→ DREI TOLLE KERLE], der eigentlich Francisco Martinez Celeiro heißt und in Barcelona das Licht der Welt erblickte, erfüllt in der Rolle des schweigsamen Rächers seinen Zweck, wenn auch keine mimischen Meisterleistungen zu bestaunen sind – aber warum sollte man die hier auch erwarten? Seine DJANGO-/Eastwood-Imitation geriet sehr brauchbar, wenn ihm das Charisma der wirklich großen Western-Helden auch zweifelsfrei abgeht. Als seinen Widersacher sieht man Jack Elam [→ SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD], der alle geforderten Banditen-Klischees pflichtbewusst erfüllt: schielend, grobschlächtig, feige und alles andere als gewitzt – eine zwar nicht schillernde, aber angenehm hassenswerte Schurkenfigur, der man die Kugel am liebsten höchstpersönlich in die Stirn treiben würde. Ihm zur Seite steht Gilbert Roland [→ DAS GOLD VON SAM COOPER] als dessen Leibwächter Kirchner, den man bis zum Schluss nicht wirklich einordnen kann und der die Ambivalenz seines Charakters sehr gut rüberbringt. Antonio Monselesan [→ DICKE LUFT IN SACRAMENTO], der nebenbei auch als Boxtrainer arbeitete, bleibt als Mexikaner José hingegen kaum im Gedächtnis. Noch undankbarer hat es jedoch Rosalba Neri [→ DAS SCHLOSS DER BLAUEN VÖGEL] erwischt, die sich hier mit einer winzigen Nebenrolle begnügen darf. Ihr Aufstieg zu einer Art Ikone des italienischen Erotik- und Krimi-Kinos begann dann erst in den 70er Jahren.

Die hiesige Version geriet erneut nicht ganz so nihilistisch wie das Original und gefällt in den Dialogen durch einen eher lässigen Tonfall („Es wird nur Bumms machen und dann spielst du Vögelchen.“), wie es damals nicht unüblich war. Doch das schadet nicht. FÜR EIN PAAR LEICHEN MEHR bleibt dennoch ein, wenn schon nicht unbedingt originelles, so doch überdurchschnittliches Genre-Werk, das vielleicht keine neuen Fans gewinnt, aber bereits infizierte Italo-Western-Jünger zuverlässig bedient. 

Laufzeit: 92 Min. / Freigabe: ab 16

Donnerstag, 3. März 2016

MÄDCHEN MIT GEWALT


MÄDCHEN MIT GEWALT
BRD 1970

Regie:
Roger Fritz

Darsteller:
Klaus Löwitsch,
Arthur Brauss,
Helga Anders,
Monika Zinnenberg,
Astrid Boner,
Elga Sorbas,
Rolf Zacher,
Henry van Lyck



„Es bleibt einem auch nichts erspart im Zeitalter der Emanzipation.“


Inhalt:

Mike [Arthur Brauss] und Werner [Klaus Löwitsch] sind Kollegen – nicht nur auf der Arbeit, sondern auch bei ihrem Hobby: Sie jagen Frauen. Die testosterongeschwängerten Taugenichtse lassen keine Gelegenheit aus, dem schönen Geschlecht auf die Pelle zu rücken. Als sie eines Tages auf der Go-Kart-Bahn eine Gruppe von Studenten kennenlernen, kommt es bald zu Handgreiflichkeiten. Doch die junge Studentin Alice [Helga Anders] geht schlichtend dazwischen. Für Mike und Werner ist nun klar: Alice wird ihr nächstes Opfer. Da passt es gerade recht, dass die jungen Leute sich zum Baden verabredet haben. Durch einen Trick gelingt es den beiden, Alice vom Rest der Gruppe zu trennen und mit ihr an einen einsamen See mitten in einer abgelegenen Kiesgrube zu fahren. Zunächst ist alles noch ganz zwanglos: Man führt lockere Gespräche und Alice erfrischt sich beim fröhlichen Nacktbad. Aber schon bald beginnt das unbekümmerte Mädchen sich zu wundern, wo ihre Freunde bleiben, die doch eigentlich nachkommen sollten. „Sie kommen nicht“, erklärt Mike ihr schließlich. Erst jetzt wird Alice bewusst, dass sie den Männern schutzlos ausgeliefert ist. Die Nacht bricht an – und Mike und Werner beginnen ein perfides Spiel.

Kritik:

Roger Fritz führte nur selten Regie. Den gelernten Baustoffingenieur kennt man, wenn überhaupt, dann in erster Linie als Darsteller (beispielsweise aus Sam Peckinpahs STEINER – DAS EISERNE KREUZ). Eine seine wenigen Arbeiten hinter der Kamera ist der nihilistisch gefärbte Kiesgruben-Krimi MÄDCHEN MIT GEWALT, der nach seiner gekürzten Kinoauswertung 1970 quasi jahrzehntelang von der Bildfläche verschwunden war, bevor ihn der engagierte DVD-Anbieter Subkultur Entertainment gut 45 Jahre später wieder der Öffentlichkeit zugänglich machte. Was sich hinter dem zunächst etwas kryptisch anmutenden Titel verbirgt, erläutert einem der Trailer: „Tu, was dir gefällt! Lass dir nichts gefallen! Nimm dir, was du willst – ohne Rücksicht! Nimm dir ein Mädchen mit Gewalt!“ heißt es da in nur wenig kuscheligem Tonfall, und diese Philosophie scheinen die beiden Hauptprotagonisten bereits mit der Muttermilch aufgesaugt zu haben. Klaus Löwitsch und Arthur Brauss verkörpern zwei schmierige Herumtreiber mit ungebändigter Libido, die jedem Rock hinterhersteigen und sich das, was sie begehren, zur Not mit Zwang besorgen. Schon in der Eröffnungssequenz wird man Zeuge, wie sich eine junge Frau verschämt und unter den triumphierenden Blicken der beiden Schürzenjäger wieder ankleidet, bevor sie von ihnen am Straßenrand abgesetzt wird. Während ihr jüngstes Opfer eingeschüchtert den Heimweg antritt, brechen die Männer in höhnisches Gelächter aus. Bereits hier ist klar: Werner und Mike sind wahrlich keine Engel.

Doch Aufmachung und Marketing führen in die Irre: Gebärdet sich MÄDCHEN MIT GEWALT zu Beginn noch wie ein plumper Reißer mit viel nackter Haut und Misogynie, so entpuppt sich das rüde Radaustück bald als zornige Zurschaustellung gesellschaftlicher Missstände. Die junge Alice (verkörpert von der damals 21-jährigen Helga Anders) wird von den Männern getäuscht, in die Einöde verschleppt und schließlich vergewaltigt. Als sie am nächsten Tag damit droht, zur Polizei zu gehen, kommt es zum wohl eindringlichsten Moment des Films: Mike verdeutlicht ihr auf ebenso nüchterne wie furchteinflößende Art und Weise, was geschehen würde, sollte sie tatsächlich Anzeige erstatten. Er beschreibt die erniedrigende Prozedur des Polizeiverhörs, das bohrende Nachfragen der Beamten nach intimen Details und die nervenzehrende Gerichtsverhandlung, in welcher der Staatsanwalt versuchen wird, sie unglaubwürdig zu machen, behaupten wird, sie hätte die Tat selbst provoziert.

„Es macht ihnen Spaß, dich auszuquetschen. Es macht ihnen Spaß, ein hübsches Mädchen nach den intimsten Dingen zu fragen. […] Am liebsten würden sie dich auf den Tisch legen, dich ausziehen und untersuchen, einer nach dem anderen.“

Das geschieht so kaltherzig und ist zugleich doch so voller Wahrheit, dass es einem in die Glieder fährt. Angesichts der Tatsache, dass MÄDCHEN MIT GEWALT zu einer Zeit entstanden ist, in der noch das allgemeine Vorurteil herrschte, die Frau treffe bei einer Vergewaltigung auch immer eine Teilschuld, ist das ein überaus effektives Plädoyer gegen die Diskriminierung des Individuums. So steckt in der effektheischenden Verpackung am Ende ein unerwartet feministisches Werk, das seine Rezipienten, ursprünglich selbst durch Schaulust und niedere Instinkte angelockt, ins offene Messer laufen lässt.

Roger Fritz' Regie ist dabei weder besonders ausgefeilt, noch von bahnbrechender Eleganz, doch stets geprägt von einem Gespür für ausdrucksstarke Bilder und Stimmungen. Bisweilen wirkt MÄDCHEN MIT GEWALT – nach seinem recht rasanten Großstadt-Prolog, der die Hauptprotagonisten bei der provokanten Balz zeigt – gar wie ein klassischer Endzeitfilm, und das nicht nur wegen des genretypischen Kiesgruben-Schauplatzes: Eine Zeit lang scheinen Mike, Werner und Alice tatsächlich die letzten Menschen auf der Welt zu sein, unter freiem Himmel zwar, aber dennoch gefangen in sich selbst. Denn anstatt das Martyrium der jungen Frau einfach zu beenden und zurück in die Stadt zu fahren, richten Mike und Werner ihre Aggressionen bald gegen sich selbst. Die traumatisierte Alice wird zur ohnmächtigen Zeugin eines Psycho-Duells zweier ehemaliger Freunde, das schließlich mit roher Gewalt ausgetragen wird. Speziell Klaus Löwitschs Werner erweist sich dabei als charakterliches Chamäleon, das seine Gesinnung fast im Minutentakt wechselt, hin- und hergerissen zwischen sexuellem Trieb und sensiblem Trachten nach menschlicher Wärme. Denn tatsächlich – so wird bald klar – wünscht er sich trotz aller Grobschlächtigkeit am Ende doch nur eines: die Liebe einer Frau. Die Fähigkeit, eine gesunde Beziehung zu führen, geht ihm freilich völlig ab, was Alice in einer Szene auf den Punkt bringt:

„Vielleicht kannst du nur mit Gewalt. Ein Freund aus meinem Semester hat mir erzählt, dass es Männer geben soll, die können einfach nicht anders.“

Ein derart minimalistisch angelegtes Szenario steht und fällt natürlich mit seinen Hauptdarstellern. In diesem Falle wurde durchgehend eine gute Wahl getroffen. Arthur Brauss' [→ PERRAK] Leistung als zynischer Drecksack geriet sogar so überzeugend, dass er dafür mit dem Filmband in Gold ausgezeichnet werden sollte. Als man jedoch bemerkte, dass er in der hiesigen Fassung des ursprünglich auf Englisch gedrehten Films nicht mit seiner eigenen Stimme zu hören war, wurde die Verleihung zurückgezogen und sein Partner Klaus Löwitsch [→ DIE AKTE ODESSA] erhielt stattdessen den Preis. Diese etwas zweifelhafte Aktion macht die Auszeichnung zwar etwas beliebig, aber tatsächlich nimmt sich keine der beiden Parteien etwas. Sowohl Brauss als auch Löwitsch agieren wunderbar grob und ungeschliffen und hinterlassen so einen sehr authentischen Eindruck. Helga Anders [→ DAS RASTHAUS DER GRAUSAMEN PUPPEN] wirkt als Alice zwar bisweilen irritierend teilnahmslos (was durchaus auch Kalkül sein könnte), dennoch gelingt auch ihr die gelungene Darstellung einer erniedrigten Frau, die sich schließlich desillusioniert mit ihrer Opferrolle abfindet. In einer kleinen Rolle sieht man zu Beginn auch noch Rolf Zacher [→ DAS SIEBENTE OPFER], der als pazifistisch angehauchter Student den intellektuellen Gegenpol zu den kommenden Grausamkeiten bildet.

Auch, wenn die anfängliche Spannung nicht ganz bis zum Ende gehalten werden kann und die finale Konfrontation in ihren Beweggründen nicht immer vollends nachvollziehbar bleibt, ist MÄDCHEN MIT GEWALT eine überaus lohnende Ausgrabung, die beweist, zu welch unbequemen Beiträgen das eher als behäbig geltende deutsche Kino in der Lage war. Das schroffe Freiluft-Kammerspiel überzeugt durch Mut, Wut und staubige Western-Atmosphäre: Der Wind pfeift, der Sand knirscht, die Sitten sind rau; es wird geschändet, geschlagen und getäuscht. Auf eine explizite Darstellung grober Gewalttaten wurde zwar verzichtet, für damalige Verhältnisse allerdings war das Gebotene dennoch ein ziemlich harter Stoff. Bestimmt von Einsamkeit und Ausweglosigkeit und untermalt vom minimalistischen Kraut-Rock der deutschen Band Can, ist MÄDCHEN MIT GEWALT ein intelligenter Bastard aus Ausbeutung und Anspruch, von dem – neben seiner starken Botschaft – besonders zwei Erkenntnisse im Gedächtnis bleiben: Ende der 60er Jahre gingen die richtig harten Kerle in ihrer Freizeit Go-Kart-Fahren. Und das Anzünden von Autoreifen im freien Gelände kostete ein Bußgeld von 5 Mark. Es war nicht alles schlecht …

Laufzeit: 94 Min. / Freigabe: ab 16