Eigene Forschungen

Samstag, 26. Januar 2019

COMMANDO NINJA


COMMANDO NINJA
Frankreich 2018

Regie:
Benjamin Combes

Darsteller:
Eric Carlesi,
Philippe Allier,
Stéphane Asensio,
Olivier Dobremel,
Thémann Fagour,
Cécile Fargues,
Thyra Hann Phonephet,
Charlotte Poncin



„Seine Handlanger sind Ninjas.“ - „Verdammt, schon wieder diese Wichser!“


Inhalt:

Seine Tage als wilder Kämpfer hat John Hunter [Eric Carlesi] nach Ende des Vietnamkrieges hinter sich gelassen. Nun lebt er friedlich in einer abgeschiedenen Hütte in den Wäldern Kanadas, zerhackt Baumstämme per Schwerthieb und lässt den Lieben Gott nen guten Mann sein. Mit der Ruhe ist es jedoch schlagartig vorbei, als sein alter Kriegskumpan Leeroy Hopkins [Philippe Allier] bei ihm auf dem Rasen steht und sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht überbringt. Die gute: Johns Ex-Frau wurde kalt gemacht. Die schlechte: Der Killer hat außerdem auch Johns kleine Tochter entführt. Ob dieser Information schaltet der beinharte Ex-Soldat umgehend wieder in den Kampfmodus und heftet sich ohne großen Federlesens an die Fersen des Drahtziehers der ganzen Angelegenheit – die des ruchlosen Waffendealers Oleg Kinsky [Olivier Dobremel]. Dieser haust auf seinem Anwesen in Zentralamerika und lässt sich Leib und Leben durch eine ganze Horde Ninjas schützen. Gottlob besinnt sich John seiner Tage in Kriegsgefangenschaft, als er von Colonel Yin [Thyra Hann Phonephet] in die Geheimnisse der Ninja-Kampfkunst eingeweiht wurde. Derart geschult richtet John unter Olegs Mannen ein zünftiges Blutbad an, das kaum einer an einem Stück überlebt. Bevor er jedoch seine Tochter wieder in die muskulösen Arme schließen kann, muss er sich noch einem viel stärkeren Gegner stellen: einem mysteriösen Super-Ninja, der sich bei Bedarf unsichtbar machen kann und scheinbar übernatürliche Kräfte besitzt.

Kritik:

Wer nicht genau hinsieht, der könnte den Gag glatt verpassen. Das schweiß- und blutgetränkte Brutalo-Opus COMMANDO NINJA scheint nämlich auf den ersten Blick unverkennbar dem tiefsten 80er-Jahre-Sumpf entsprungen und somit Kind einer Zeit zu sein, in welcher Arnold Schwarzenegger der ungekrönte Action-König war und raubeinige Leinwand-Helden Konflikte noch mit gezückter Panzerfaust aus der Welt schafften. Tatsächlich aber entstand dieser so altmodisch anmutende cineastische Amoklauf erst 2018, nachdem der bis dahin in Sachen Regie fast unbefleckte Franzose Benjamin Combes beschlossen hatte, dass es an der Zeit sei für eine Ehrerbietung an das zum Teil hemmungslos beknackte Krawall-Kino vergangener Tage. Mittels einer Handvoll Euro und viel Wochenendfreizeit entstand so eine zunächst 45-minütige Retro-Sause, die dem Initiator aber immer noch nicht ausreichte. Mit dem bereits vorhandenen Material als respektable Visitenkarte warb er daher online bei Fans und Freunden in aller Welt um weitere Gelder und brachte auf diese Weise genug Barschaft zusammen, um den Otto dann doch noch so richtig von der Kette lassen zu können. Zwar dauert die finale Version letzten Endes dann doch nur etwas länger als eine Stunde, aber die hat es dafür auch in sich. Denn für Action-Fanatiker der alten Schule ist COMMANDO NINJA nicht weniger als ein kleines Fest.

Fast wirkt es, als habe man tatsächlich beim Ausschlachten einer antiken Videothek die verstaubte VHS-Kassette eines längst vergessenen B-Krachers entdeckt, der jahrzehntelang vor sich hinmoderte, um erst Dekaden später wieder ein Publikum beglücken zu dürfen. Dabei sind es entgegen dem Titel gar nicht so sehr die unzähligen Ninja-Heuler, die hier genussvoll durch den Nostalgie-Fleischwolf gedreht werden. Die erste Hälfte orientiert sich stattdessen primär an Arnold Schwarzeneggers tollkühner Tochter-Rettungsaktion aus PHANTOM-KOMMANDO. Das verwundert kaum, gilt Mark L. Lesters ruppiger Gassenhauer doch quasi als eine Art Prototyp des doof-lustigen 80er-Jahre-Spektakels. Der überwiegende Rest COMMANDO NINJAs zollt dann dem philippinischen Vietnam-Vehikel Tribut und lässt angestrengt cool dreinglotzende Mega-Machos in Kampfmontur und mit lässig ins Gesicht gesteckter Zigarre durch sumpfige Dschungellandschaften stapfen, um sich mit plötzlich aus dem Gesträuch springenden Unholden fetzige Feuergefechte zu liefern (wobei auch durchaus mal ein Arm verlustig geht – was den Angeschossenen natürlich nicht davon abhält, weiterhin wild blutend um sich zu ballern).

Die Anzahl der (vor allem visuellen) Zitate ist dabei enorm hoch. Bereits nach wenigen Sekunden wähnt man sich beim PREDATOR (ebenfalls mit Arnold Schwarzenegger), wenn die durch das Dickicht schleichenden Soldaten visuell entfremdet aus der Sicht eines schnaufenden Untiers präsentiert werden. Die unvermeidliche Trainingsmontage zur Halbzeit gemahnt überdeutlich an Jean-Claude van Dammes Blutgrätschen-Blockbuster BLOODSPORT und KICKBOXER. Und natürlich bekommt bei einer Publikation diesen Titels auch Trash-Ikone Godfrey Ho, der für die zweifelsfrei schrottigsten Ninja-Streifen der Geschichte verantwortlich war, sein Fett weg: So telefoniert der Oberschurke mit dem legendären Garfield-Telefon aus NINJA TERMINATOR, einer der feindlichen Ninjas trägt den markanten Schnauzbart von Hos Lieblings-Darsteller Richard Harrison spazieren, und als Hauptprotagonist John Hunter einen seiner Feinde per Raketenbeschuss zur Hölle schickt, verwandelt sich dieser kurz vor der Explosion in einen notdürftig behangenen Kleiderständer, so wie es bereits bei Hos zusammengestümpertem Kokolores-Knaller ROBO VAMPIRE der Fall war.

Gigantische Bizepse, knackige Frauenkörper, Gegner, die dem Helden bereitwillig ins Feuer laufen und sich brav der Reihe nach aufstellen, um erschossen werden … Mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit gelingt es Autor und Regisseur Combes, Stil und Stimmung früherer Zeiten zu imitieren, ohne dabei plump oder anbiedernd zu wirken. Das funktioniert deswegen so gut, weil sich seine Hommage nicht etwa über die Originale erhebt, sondern sie schlicht und ergreifend einfach feiert. Combes hat erkannt, dass es unsinnig wäre, sich über die Vorlagen lustig zu machen, da sich diese mit ihren schlechten Effekten und teils sagenhaft dummen Sprüchen stets selbst schon gefährlich nah an der Selbstpersiflage bewegten. Natürlich lacht man, wenn John Hunter einen einzigen Wurfstern schleudert und damit gleich zwei (weit voneinander entfernt stehende) Gegner auf einmal in die ewigen Jagdgründe schickt oder sich ein von Kugeln durchsiebter Kontrahent beim Sturz vom Dach urplötzlich und gut sichtbar in eine stocksteife Schaufensterpuppe verwandelt. Aber ist diese Komik eben einfach das Resultat einer nahezu perfekten Reproduktion. Combes übertreibt es lediglich dezent an den richtigen Stellen und inszeniert den Rest überraschend konventionell, was zur Folge hat, dass COMMANDO NINJA über weite Strecken nicht einmal so wirkt, als sei er dem Genre der Komödie zugehörig. Auch darum wirken Dinge wie die sonderbar-sinnlose Sequenz, in welcher die Helden im Dschungel von Laos „kommunistische Raptoren“ jagen, oder der noch kurz vor Schluss eingeführte Science-Fiction-Einschlag nicht nur fehl am Platze, sondern sogar regelrecht ein bisschen ärgerlich.

Die Gewaltdarstellung ist zwar extrem, aber immer deutlich sichtbar als billiger Jahrmarktstrick zu entlarven, und die aus dem japanischen Kino entliehenen Blutfontänen verführen auch eher zum Lach- denn zum Herzanfall. Digitale Unterstützung holte sich Combes nur im Ausnahmefall und für Sekundenbruchteile; die Mehrheit der Effekte entstand in Handarbeit. Interessant ist der Umstand, dass die Ereignisse COMMANDO NINJAs in einem Kosmos stattfinden, in dem das Kino-Kollegium tatsächlich existiert. So hängen im Zimmer von Johns Tochter u. a. Plakate von RAMBO oder AMERICAN NINJA, während im Videorekorder der Mama ein Bodybuilding-Video mit Arnold Schwarzenegger läuft. In visueller Hinsicht setzt Combes, wie viele seine Mitstreiter in Sachen Nostalgie-Kino, auf einen nachträglichen Filter, der Materialschäden anhand von Bildfehlern, Farbverfälschungen und Gerumpel bei Szenenwechseln vorgaukelt. Allerdings dient diese Masche hier nicht etwa dazu, einen hässlichen Digitallook zu kaschieren, wie es andernorts oft der Fall ist – gedreht wurde ganz klassisch auf echtem Film, und das sieht man auch.

Das anfängliche Tempo kann COMMANDO NINJA freilich nicht bis zum Finale halten. Sein bestes Pulver hat das Werk bereits nach 30 Minuten verschossen (im Wortsinn, versteht sich). Vieles von dem, was danach noch kommt, ist lediglich Makulatur. Besonders der Showdown ist im Vergleich doch etwas sehr lasch geraten (bietet aber immerhin ein schönes Kiesgruben-Setting, um abschließend auch noch dem italienischen Endzeitfilm seine Ehre zu erweisen). Am Ende muss man zudem konstatieren, dass das ein oder andere Zitat dann doch etwas zu viel des Guten war – eine KEVIN – ALLEIN ZU HAUS-Karikatur hätte es nun wahrlich nicht gebraucht. Macht aber alles nix, denn die herrlich hirnlose Kirmes verbreitet dennoch sagenhaft gute Laune. COMMANDO NINJA ist ein Triumph und zugleich ehrfurchtgebietendes Anschauungsobjekt dafür, wie man ungeachtet bescheidener Finanzen mit viel Enthusiasmus und Leidenschaft Großartiges erschaffen kann. Man muss schon eine ausgemachte Miesmuschel sein, um bei dieser Parade aus Machismus, Sexismus und selbstzweckhafter Brutalität nicht zumindest ein kleines Glücksgefühl zu entwickeln. Ob die deutsche Sprachfassung deswegen so steif geriet, um abermals an alte Zeiten zu gemahnen, als man der Flut an über die Videotheken hereinbrechenden VHS-Premieren oft nur mit eilig ins Mikro gekübelten Spar-Synchronisationen Herr werden konnte, ist zwar nicht überliefert, allerdings fügt sich auch das wunderbar ins Gesamtkonzept. „Ninjaaaaaas!!! Feueeeeeeeeer!!!!“

Laufzeit: 68 Min. / Freigabe: ungeprüpft