Eigene Forschungen

Freitag, 27. November 2020

DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN


DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN
BRD, Italien 1965

Regie:
Ernst Hofbauer

Darsteller:
Stewart Granger,
Rosanna Schiaffino,
Sieghardt Rupp,
Margit Saad,
Harald Juhnke,
Horst Frank,
Helga Sommerfeld,
Paul Klinger



„Das Ding sieht aber gefährlich aus. Ist die geladen?“
„Ich kann ja mal abdrücken.“


Inhalt:

CIA-Agent Michael Scott [Stewart Granger] reagiert zunächst ein wenig unwirsch, als sein Chef ihn während seines wohlverdienten Urlaubs anruft. Doch das ändert sich, als er den Grund dafür erfährt: Sein Freund und Kollege ist bei einem Einsatz in Hongkong ermordet worden. Sofort lässt er die Freizeit Freizeit sein, trennt sich von seiner Modelleisenbahn und schaltet sich in den Fall ein. Sein Kollege ermittelte vor Ort gegen den unnahbaren Verbrecher Pierre Mirot [Sieghardt Rupp], welcher seine drei Dschunken als Tarnung nutzt, um Einzelteile für den Bau von Atomwaffen (!) zu schmuggeln. FBI-Agentin Carol Eden [Rosanna Schiaffino] soll sich nun als Tippse bei Mirot einschleusen und Scott so mit nötigen Informationen versorgen. Während sie sich das Vertrauen Mirots (wenn auch nicht das seiner Liebsten) erschleicht, sind Scott und sein neuer Partner, der Dolmetscher Smoky [Harald Juhnke], damit beschäftigt, diverse Mordanschlägen zu überleben, denn Mirot hat längst seinen brutalen Killer Pereira [Horst Frank] losgeschickt. 

Kritik:

DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN erzählt, deutlich beeinflusst von den Erfolgen der James Bond-Reihe, eine im realitätsfernen Szenario angesiedelte, reichlich abstruse Agentengeschichte und fährt dabei so ziemlich jedes einzelne Klischee auf, das in späteren Jahren nur allzu dankbar als willkommene Steilvorlage für entsprechende Genre-Parodien genutzt wurde. Im Erscheinungsjahr vermutlich noch ernstgemeint und auch so empfunden, taugt die hemdsärmelige Mischung aus banalem Groschenkrimi und bunt bebildertem Reisebericht Jahrzehnte später lediglich noch als amüsantes Dokument damaliger deutscher Befindlichkeiten. Das beginnt schon beim völlig fehlbesetzten Stewart Granger in der Hauptrolle, dessen Figur Michael Scott laut kühner Drehbuchbehauptung eigentlich ein erfahrener CIA-Mann sein soll, der in seinem biederen Auftreten und Gebaren aber so urteutonisch wirkt, dass man ihm direkt die Puschen reichen möchte. Reichlich tapsig stolpert der stets leicht überfordert wirkende Aushilfsagent durch allerhand exotische Kulissen, ohne rechten Plan, wie er seinen Auftrag denn eigentlich ausführen soll. Seine Gegner fürchten ihn aus irgendwelchen Gründen allerdings trotzdem und stellen ihm deswegen alle naslang tödlich gemeinte Fallen (in die er auch immer brav hineintappt) oder setzen ein paar kaum minder tollpatschige Killer auf ihn an. Diesen vehementen Tötungsbemühungen entgeht Scott dabei nicht etwa durch altehrwürdige Geheimdienst-Tugenden wie List, Tücke oder gar Geschick, sondern einzig und allein durch Zufall oder unverschämtes Glück. Als er sich beispielsweise in einem Auto befindet, das gerade im Begriff ist, einen Steilhang hinunterzustürzen, springt er kurzerhand einfach zur Tür hinaus, landet ohne eine zusätzliche Schramme auf dem Schotter und macht weiter, als sei nichts geschehen. 

Und in diesem Duktus geht es weiter. Michael Scotts Überleben basiert entweder auf einer Extraportion Dusel, unerklärter Unverwundbarkeit oder darauf, dass seine Gegner noch ungeschickter agieren als er selbst. Derart einfallsloses Drehbuchschreiben geht natürlich tüchtig auf Kosten der Spannung. Gewiss rechnet auch beim großen Kollegen Bond niemand damit, er könne jemals ernsthaft zu Schaden kommen, aber durch die Frage, wann und wie er der andauernden Leib- und Lebensgefahr entkommt, entsteht ein gewisser Nervenkitzel. Wenn der Held jedoch, wie hier, aus jedem Steinschlag, jeder Explosion und jedem Schusswechsel ohne erkennbare Mühe lebendig hervorgeht, stellt sich doch recht rasch Verdruss ein. Dass Michael Scott zudem auch nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, macht die Sache nicht unbedingt besser. Als er sich gegenüber dem Bösewicht als Versicherungsvertreter ausgibt, nennt er dabei doch tatsächlich seinen richtigen Namen. 

Viele Gedanken an Zusammenhang und Kausalität hat das Autorenduo (bestehend aus Werner P. Zibaso [→ KOMMISSAR X JAGT DIE ROTEN TIGER] und Hanns-Karl Kubiak [→ HOTEL DER TOTEN GÄSTE]) also wahrlich nicht verschwendet. Stattdessen kopierte es eifrig Situationen und Stereotype aus größeren Vorbildern in der Hoffnung, das sei schon irgendwie ausreichend. Auch Motivationen und Hintergründe der Charaktere blieben nur vage umrissen. Der Schurke ist einfach nur der Schurke, und er ist das, weil er schurkische Dinge tut. Mehr braucht man gar nicht zu wissen. Auch Regisseur Ernst Hofbauer [→ TIM FRAZER JAGT DEN GEHEIMNISVOLLEN MR. X] ging maximal uninspiriert zu Werke und lieferte kaum mehr als drögen Dienst nach Vorschrift. Die „Action“ (wenn man sie denn so nennen möchte) besteht aus ein paar undynamisch abgefilmten Autojagden, hüftsteif ausgeführten Schlägereien und ein bisschen „Peng, Peng“ mit dem Revolver wie beim präpubertären Cowboy- und Indianer-Spiel. Und wenn doch mal kurzzeitig Gefahr besteht, es könnte etwas turbulenter werden, ist es meistens auch schon wieder vorbei, bevor es richtig angefangen hat. Man merkt an allen Ecken und Enden: DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN wollte niemals einen Innovationspreis gewinnen und entstand auch nicht aus einer großen Vision heraus. Er wurde gedreht, um mit möglichst geringem Aufwand möglichst viel Geld einzuspielen. Mit dem allernötigsten Aufwand an Finanz- und Schaffenskraft wurde hier ein Produkt zurechtgezimmert, das den Ansprüchen des Publikums gerade so sehr entspricht, dass sich trotz eisernem Sparstift am Ende der finanzielle Erfolg einstellt. 

Der Schauplatz Hongkong war dabei bereits die halbe Miete. Der damals noch als geheimnisvoll und exotisch empfundene Ort kitzelte den Eskapismus des deutschen Durchschnittsbürgers, sorgte für attraktive Aufnahmen und günstige Arbeitsbedingungen. Durch eine Kooperation mit Produzenten aus Italien konnte man die Kosten zusätzlich gering halten. Und bei der Besetzung orientierte sich man sich an dem, was man damals in der BRD gern auf Leinwand und Mattscheibe sah. Stewart Granger stand dank der Karl-May-Verfilmung OLD SUREHAND auf der Beliebtheitsskala ganz oben, sein Gegenspieler Sieghardt Rupp [→ FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR] war noch aus diversen Heimatfilmen wohlbekannt, der stets gern gesehene Horst Frank [→ VIER FÄUSTE SCHLAGEN WIEDER ZU] bekleidet als brutaler Bezahl-Killer eine auf ihn zugeschnittene Nebenrolle, während als ebenso obligatorische wie redundante Witzfigur Harald Juhnke [→ DER MÖRDER MIT DEM SEIDENSCHAL] ein paar seichte Lacher vom Stapel lassen darf. Für den weiblichen Part engagierte man die bildhübsche Rosanna Schiaffino [→ THE KILLER RESERVED NINE SEATS], die – auch nur wenig überraschend – eine für die Produktionszeit typische Frauenfigur aufgedrückt bekam: Keck und adrett, aber im gleichen Maße auch naiv und im Ernstfall auf die Rettung ihres großen Beschützers angewiesen (in welchen sie nach lausigen fünf Minuten unsterblich verliebt ist). Gut, der Augenblick, in welchem sie ihrem Folterknecht einen saftigen Tritt verpasst, worauf dieser wie von der Kanonenkugel getroffen auf der Glatze durchs Zimmer kegelt, ist zugegebenermaßen nicht von schlechten Eltern. 

Dazu gesellen sich die unvermeidliche Portion Sexismus („Es müsste beim CIA verboten sein, Frauen zu beschäftigen“, stellt Michael Scott einmal fest) sowie wie der damals übliche arrogante westliche Blick auf den Fernen Osten. Granger und Juhnke poltern durch die Stadt wie die Elefanten im Porzellanladen, zeigen Respekt weder vor der Kultur, noch vor der Bevölkerung, klopfen Sprüche übers Essen mit Stäbchen („Kein Wunder, dass die Chinesen alle so dünn sind!“) und reden mit den Einheimischen (die im Übrigen fast alle Deutsch verstehen und sprechen) wie mit zurückgebliebenen Kleinkindern. Dass die blauäugige Abenteuer-/Agenten-/Kriminalfilm-Melange trotz all ihrer Defizite gut bei Laune hält, liegt an ihrer eigentümlichen Schrulligkeit, die tief im Zeitgeist verwurzelt ist und sich daher auch nicht reproduzieren lässt, an ihrem radikalen Widerspruch aus behaupteter Weltoffenheit und tatsächlichem bundesdeutschen Spießbürgertum. Sich selbst fett CIA auf die Fahnen zu schreiben und dann einen feixenden Harald Juhnke auf Mission zu schicken, dazu gehört schon eine ganze Menge Verstiegenheit. Wie viele ähnlich gelagerte Werke dieser Zeit und Gattung entspringt der Reiz somit in erster Linie aus der schönen Atmosphäre längst vergangener Kinotage. Das exotische Flair Hongkongs geschickt nutzend, werden alle möglichen attraktiven Schauplätze abgegrast und jede Szene atmet den Geist verklärter Kinoromantik. Angereichert mit der für die Zeit üblichen locker-flockigen Dialogen, erlebt man hier flauschig abgelichteten Kintopp mit all den zu erwartenden Ingredienzien. Eine gewisse Affinität sollte man allerdings mitbringen.

Laufzeit: 85 Min. / Freigabe: ab 12

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