Eigene Forschungen

Dienstag, 7. Mai 2024

THE ROOKIES


SU REN TE GONG
China 2019

Regie:
Alan Yuen

Darsteller:
Talu Wang,
Sandrine Pinna,
Milla Jovovich,
Timmy Xu,
Liu Meitong,
David Lee McInnis,
Daytoy Sean Xiao,
Lam Suet



Inhalt:

Zhao Feng [Talu Wang] ist ein leicht lebensmüde agierender Extremsportler, der bevorzugt auf hohe Bauwerke klettert und dies live ins Internet überträgt. Eines Tages platzt er dabei versehentlich in ein Treffen zweier Gangster-Parteien, die gerade im Begriff illegaler Waffengeschäfte sind. Als Zhao mit guter Miene zum bösen Spiel versucht, seine heile Haut zu retten, platzt plötzlich auch noch die Agentin Bruce [Milla Jovovich] ins Zimmer und sorgt für nachhaltigen Wirbel. Zwar sieht Zhao zu, dass er schnellstens Land gewinnt, aber zur Ruhe kommt er nicht. Denn Bruce sucht ihn zu Hause auf und erklärt ihm, dass sie die Leiterin eines Geheimbundes ist, der bemüht ist, der Terror-Organisation 'Iron Fist', die an der geplatzten Aktion beteiligt war, den Garaus zu machen. Da Zhao von den Gangstern aufgrund des Zwischenfalls nun für jemand der ihren gehalten wird, kann sie ihn überreden, sich ihrer Organisation anzuschließen und rekrutiert ihn für eine Mission in Budapest. Vor Ort stoßen noch der Tüftler Ding Shan [Timmy Xu], die Ärztin LV [Meitong Liu] sowie die geschasste Interpol-Mitarbeiterin Miao Yan [Sandrine Pinna] dazu. Die Nachwuchs-Weltretter bekommen es nachfolgend mit dem verrückten Milliardär Liam Wonder [David Lee McInnis] zu tun, der die Menschheit mittels einer neuen Droge unterjochen will.

Kritik:

Nach der Rückgabe von Hongkong an China befand sich die ansässige Filmindustrie auf der Suche nach einer neuen Identität. Als eine der Folgen entstand kurz vor der Jahrtausendwende eine Reihe technikaffiner Action-Streifen, die extrem auf eine jugendliche Zielgruppe zurechtgezimmert wurden. Die Hauptfiguren waren dann in der Regel unangepasste, auf Konventionen pfeifende junge Leute, die sich mehr oder minder freiwillig zum Team formieren müssen, um die Welt im besten Bond-Modus vor Terrorismus und sonstigem Ungemach zu bewahren. Dabei wurde ausgiebig mit damals innovativen technischen Spielereien geprotzt und – weil seitens der Produzenten auf den internationalen Markt geschielt wurde - rund um den Globus gejettet. Als Anschauungsmaterial dienen diesbezüglich Beiträge wie DOWNTOWN TORPEDOES [1997], HOT WAR [1998] oder ...AND NOW YOU'RE DEAD [1997]. Das Drehbuch zu dem erst 2019 entstandenen THE ROOKIES wirkt indes, als sei es bei der damaligen Offensive versehentlich liegengeblieben, erst 20 Jahre später wieder entdeckt und dann flugs doch noch verfilmt worden. So wird hier – als seien nicht etwa zwischenzeitlich zwei Jahrzehnte ins Land gegangen - abermals ein Kollektiv gesellschaftlicher Außenseiter eingespannt, um im Auftrage einer obskuren Geheimorganisation die Apokalypse auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

Die Inszenierung freilich geriet doch auffallend aufgeregter als noch zu früheren Tagen. Nervöse Schnitte und flirrender Sound suggerieren pausenlose Panik, selbst dann, wenn eigentlich gar nichts Nennenswertes passiert. Ohnehin ordnet sich die Erzählung devot der Präsentation unter, was, so kristallisiert sich schnell heraus, durchaus problematisch ist. So lässt die schrille Attitüde von THE ROOKIES beim Betrachter partout keine Bindung zu, weswegen Inhalt und Figurenkonstellation achtlos an einem vorbeirauschen. Wobei man in beides allerdings ohnehin nicht allzu viel Aufwand investiert hat. Die eigentlich sehr simple Story besteht im Grunde nur aus sattsam bekannten Versatzstücken, wird einem aber dennoch dermaßen verklausuliert aufgetischt, dass man ständig meint, irgendetwas verpasst zu haben. Und bereits die Herleitung der Haupthandlung, sprich: die Erklärung, warum es angeblich unabdinglich war, einen jugendlichen Fassadenkletterer auf Agentenmission zu schicken, ist so absurd und unzureichend herbeifabuliert, dass man am besten einfach nur die Segel streicht.

Dazu kommt die Crux, dass der von Talu Wang [→ RAILROAD TIGERS] verkörperte Zhao Feng zwar der Identifikation dienen soll, tatsächlich aber einen verblüffend unnahbaren Eindruck hinterlässt. Die merkwürdige Melange aus tollkühnem Todesmut und trantütiger Trotteligkeit funktioniert schlichtweg nicht. Den Schwarzen Peter dafür muss man natürlich abermals den Autoren zuschieben, die es für eine gute Idee hielten, ihren Helden in Momenten abseits ihres Draufgängertums als eine Art jugendlichen Mr. Bean (oder doch besser: Johnny Chinese?) auftreten zu lassen. Wobei der hoffnungslos ineffektive Humor dann gleich den nächsten Stolperstein darstellt. Da behauptet das Skript inbrünstig, dass es verdammt lustig sei, wenn der noch bei Mutti wohnende Zhao verzweifelt versucht, eine Sex-Puppe vor seiner Erzeugerin zu verstecken. Da beginnt man sich schon zu fragen, wer hier eigentlich die Zielgruppe sein soll, denn selbst Jugendliche schütteln bei solch verklemmter Kleinkinder-Komik lediglich den Kopf. Und auch nachfolgend bleibt der Witz bloß unbewiesene Behauptung, wenn Zhao geschäftig Grimassen schneidet, Klebstoff mit Lippenstift verwechselt oder auch – als den Schreibern dann komplett die Ideen ausgingen - während einer Lagebesprechung einfach mal so vom Stuhl fällt. Weil's ja lustig ist!

Im Kontrast zu derlei Kaspereien steht ein gewisser brutaler Zynismus, den man normalerweise eher im Erwachsenen-Kino verortet, als da wären: abgeschossene Finger, herausgerupfte Augäpfel, amputierte Beine, perforierte Hirnschalen - oder gar das intendierte Überfahren eines Übeltäters als arglos verkauften Slapstick-Moment. Die Action, zwischen der all das stattfindet, bietet dabei durchaus Abwechslung und besteht hauptsächlich aus Beinarbeit, Explosionen und Blaue-Bohnen-Ballett. Höhepunkt ist eine ausufernde motorisierte Verfolgungsjagd durch die verkehrsintensive Innenstadt, auf deren Gipfel ein vermeintlich regulärer VW Käfer urplötzlich Transformers-Allüren entwickelt und mechanische Spinnenbeine ausfährt, um saugnapf- und räumschaufelverstärkt durch die Straßen zu staksen und dabei einen riesigen Haufen Blechmüll zu produzieren. An dieser Stelle ist natürlich endgültig Feierabend mit jedwedem Realitätsbezug und man lehnt sich schulterzuckend zurück, gewahr, dass hier einfach jede noch so abstruse Idee irgendwie ihre Heimat gefunden hat.

Zugeben muss man unumwunden, dass das alles rein optisch durchaus augenschmeichelnd geriet. Gedreht wurde überwiegend in Budapest – ein Name, der beim gemeinen Action-Freund sofort die Alarmglocken läuten lässt. Denn nur allzu oft diente der Ort als preiswerte Spielwiese für fragwürdige Appel-und'n-Ei-Produktionen ausrangierter Altherren-Recken wie Jean-Claude Van Damme oder Steven Seagal, in welchen die ungarische Hauptstadt stets in bleierner Tristesse versank. Hier hingegen erstrahlt sie in ganz ungewohntem Glanze und wird für das alberne Kuriositätenkabinett zur ausnehmend attraktiven Kulisse. Die bonbonbunte Ästhetik, aufgepeppt durch knallige Animationen und schnittige Übergänge, geht mit der inhaltlichen Infantilität also zumindest eine stimmige Symbiose ein. Ohnehin darf man sich gern eingestehen, dass das Gezeigte zwar stets haarscharf am Affront vorbeischrammt, aber immerhin keine Langeweile verbreitet. Hier ist wirklich ständig etwas los. Man weiß zwar nicht immer genau, was, aber die Zeit vertreibt der kunterbunte Cocktail dennoch. Doch gewiss wäre das Treiben noch ein Quäntchen schöner, wenn deutlicher würde, was denn eigentlich des Schurkens Beweggründe zur Missetat sind und worin genau sein Plan besteht. Oder warum man als Zuschauer um ein unvermittelt den Löffel reichendes Team-Mitglied trauern sollte, wenn das plötzlich hereinbrechende Tragik-Gehabe inmitten des bis dahin ausgiebig zelebrierten Froh- und Unsinns wie ein Fremdkörper wirkt und man eh keine Gelegenheit hatte, die Charaktere hinter den Karikaturen kennenzulernen.

Wie man etwas Ähnliches weitaus begeisternder umsetzt, zeigt die Comic-Verfilmung WANTED [2008] des russischen Regisseurs Timur Bekmambetov, in welcher Morgan Freeman (in der Rolle, die hier quasi Milla Jovovich [→ DAS FÜNFTE ELEMENT] innehat) einen juvenilen Tunichtgut auf halsbrecherische Weltenrettungsaktionen schickt. THE ROOKIES wirkt wie der kleine, leicht zurückgebliebene Bruder dieses Vorbilds und braucht als solcher ein tolerantes Publikum. Dann kann man sich mit ihm anfreunden. Ein bisschen.

Laufzeit: 113 Min. / FSK: ab 16

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