Eigene Forschungen

Samstag, 22. Juni 2024

GAMERA - FRANKENSTEINS MONSTER AUS DEM EIS


DAIKAIJŪ GAMERA
Japan 1965

Regie:
Noriaki Yuasa

Darsteller:
Eiji Funakoshi,
Harumi Kiritachi,
Junichiro Yamashita,
Yoshiro Uchida,
Michiko Sugata,
Yoshirô Kitahara,
Jun Hamamura,
Kenji Ôyama



"SOS! Riesige Schildkröte gesichtet!"
(In Japan eine ganz normale Meldung.)

Nachdem das japanische Film-Studio Tōhō 1954 erstmals das gigantische großstadtverwüstende Fabelwesen Godzilla auf die Menschheit losgelassen hatte, war es damit lange Zeit im Grunde konkurrenzlos. Lediglich der Produktionsfirma Daiei gelang es, ab den 1960er Jahren ein weiteres Riesenmonster zu etablieren, das erfolgreich genug war, um ebenfalls in Serie gehen zu dürfen: Gamera. Zumindest bei dessen ersten Auftritt sind die Parallelen zum großen Vorbild noch unverkennbar, obgleich die Kreatur in Folge durchaus eigene Wege ging:

Inhalt:

Als in der Antarktis ein Flugzeug mit nuklearer Ladung abstürzt, erweckt die Explosion ein ebenso merkwürdiges wie gigantisches Wesen zum Leben. Von offensichtlicher Zerstörungswut getrieben, verarbeitet das schildkrötenartige Untier erst einmal ein sich vor Ort befindliches Schiff zu Kleinholz, bevor es sich auf den Weg nach Tokio macht. Das Militär ist machtlos gegen das Monster, obwohl man durchaus kreativ zu Werke geht: Man kämpft mit Hitze, Kälte und Krachbumm. Erst, als es nahezu keine Hoffnung mehr gibt, kommt der Menschheit die im wahrsten Sinne des Wortes zündende Idee ...

Kritik:

GAMERA als eigenständiges Werk zu betrachten, ist nahezu unmöglich. Viel zu offensichtlich als Imitation angelegt ist das launige Husarenstück, um nicht fortwährend Vergleiche mit ihrem großen Vorbild GODZILLA zu evozieren. Gemeinsamkeiten gibt es innerhalb der Reihe durchaus viele, sowohl auf formaler als auch erzählerischer Ebene: Der erste Auftritt noch in Schwarzweiß und von Weltuntergangsstimmung beseelt, später dann der Wandel des Monsters zum Beschützer der Erde bis hin zur umjubelten Heldenfigur für vorlaute Heranwachsende. In letzterer Beziehung hatte Gamera sogar ein wenig die Nase vorn. Und genau da liegt die Kröte in der Suppe. Denn während Godzilla sein Ruf als Weltenzerstörer noch lange Zeit nacheilte, fokussierten sich die Produzenten GAMERAs ziemlich schnell auf ein jüngeres Publikum und fanden so ihre Nische.

Vorboten dieser Entwicklung lassen sich bereits in diesem Debüt erkennen, gilt eine beträchtliche Anzahl an Laufzeitminuten doch dem jugendlichen Toshio, dessen Vater, ein Leuchtturmwärter, die Zuneigung seines Sohnes zu animalischen Hausgenossen nicht teilt und ihn darum dazu nötigt, die geliebte Schmuse-Schildkröte auszusetzen. Eine wirkliche Begründung dafür sparte man sich aus – eigentlich sollten Eltern doch froh darüber sein, dass sich der Nachwuchs mehr für knuffige Kiefermäuler interessiert als z. B. für Crystal Meth. Aber da Papa halt der Ansicht ist, menschliche Freunde seien wichtiger als gepanzerte Kriechtiere, wird auf unverzügliche Auswilderung bestanden. Eben, weil diese Maßnahme so ungerecht und willkürlich erscheint, schlägt man sich schnell auf Seite des Jungen, wobei die Sympathiewerte im weiteren Verlaufe dann doch wieder dezent nach unten korrigiert werden müssen. Denn als Gamera auf der Bildfläche erscheint, bringt Toshio, der für das Ungetüm natürlich auf Anhieb Zuneigung empfindet, fortwährend sein Leben in Gefahr und nervt selbst im Angesicht ärgster Zerstörung immer noch mit der penetranten Ansage, Gamera sei ja eigentlich gar nicht wirklich böse („Gamera will nur ‚Guten Tag‘ sagen. Gamera ist gar nicht unfreundlich.“).

Ob er damit recht hat, wusste das Skript indes selbst nicht so genau: Tatsächlich rettet das Monster den Jungen in einer Sequenz vor dem sicheren Tod, wobei es ihn allerdings überhaupt erst in Gefahr bringt. Warum Gamera überhaupt Menschen bedroht und tötet (explizite Szenen wurden zwar verschämt vermieden, doch ist klar, dass solch eine Hochhausvernichtungsorgie nicht folgenlos bleibt), anstatt sich nach dem versehentlich erfolgten atomaren Weckruf nicht einfach wieder unter die Eisdecke zu verkriechen, bleibt ebenfalls mysteriös. Ohnehin verhält sich die Kreatur mal aggressiv, dann wieder sanftmütig, immer so, wie es den Machern gerade in den Kram passte. Offenbar war man sich selbst noch nicht im Klaren darüber, ob man Gamera nun als gut oder böse porträtieren wollte und entschied sich darum für einen etwas wackeligen Mittelweg. Im Falle einer Fortsetzung würde damit ein Drall in Richtung Freundlichkeit deutlich plausibler erscheinen. Und so kam es dann ja auch.

Allerdings sollte es noch ein paar Beiträge dauern, bis sich die Titelfigur nach jeder erfolgreichen Rettungsaktion von neunmalklugen Dreikäsehochs feiern lassen durfte. Im Vergleich dazu ist GAMERA noch relativ seriös geraten, obwohl an infantiler Attitüde bereits kein Mangel besteht. Auffallend in diesem Zusammenhang ist vor allem die Gedankenlosigkeit betreffend Kernwaffen. Während GODZILLA diesbezüglich Warnung und Anklage zugleich war, scheint die einleitende Nuklear-Explosion hier keine Sau zu interessieren. Auch der Grund für dieses Ereignis, die militärischen Muskelspiele zweier befeindeter Nationen, wird danach vollkommen ad acta gelegt. Die Nummer diente einfach nur dazu, Gamera aus dem Kälteschlaf zu holen. Später dann, als man versucht, das erweckte Wesen zu besiegen und keiner der Pläne irgendwelche Früchte trägt, meint einer der Soldaten achselzuckend, so auf freiem Felde zwischen Tür und Angel: „Es sieht nicht gut aus. Vielleicht sollten wir eine Atombombe auf ihn werfen.“ Klar, warum nicht? Und falls das auch nix hilft, gleich noch ein ganzes Kraftwerk hinterher.

GAMERA fehlt somit nicht nur das inszenatorische Geschick eines Ishirō Honda, sondern auch die nötige Ernsthaftigkeit, eine reelle Vision, wie GODZILLA sie innehat. Dennoch wird man trotz und dank derartiger Absurditäten ganz angenehm unterhalten und in Sachen Optik ist das Ganze überraschend hochwertig. Die Schwarzweiß-Fotografie macht einen edlen Eindruck und kaschiert gekonnt Schwächen der Tricktechnik. Gamera sieht sogar erstaunlich „echt“ aus - und das will schon was heißen bei der kuriosen Kreation, die man hier zusammengerührt hat. Man fragt sich schon, warum man auf die Idee kam, als Konkurrenz für einen verstrahlten Dinosaurier ausgerechnet eine gigantische Schildkröte ins Rennen zu schicken, eine Spezies, die bis dato weder durch auffallende Aggressivität noch Schnelligkeit von sich reden machte. Das schien den Machern auf halber Strecke dann auch aufzufallen, weswegen sie ihre Schöpfung mit allerhand Merkmalen und Fähigkeiten ausstatteten, die bei einem Durchschnitts-Schleicher eher selten anzutreffen sind. So läuft Gamera (überwiegend) auf zwei Beinen herum und besitzt im Kiefer zusätzlich zwei wildschweinartige Hauer, um etwas gefährlicher auszusehen. Zudem kann das Vieh Feuer sowohl absorbieren als auch wieder ausspucken. Die aufsehenerregendste Eigenschaft allerdings ist fraglos die Begabung, nach Einziehen der Extremitäten aus deren Ende eine Art Raketenantrieb hervorzubringen, mittels dem es abheben und sich selbst in einen rotierenden Brummkreisel verwandeln kann, der dann einfach dorthin fliegt, wohin er möchte. Sowas sieht man auch nicht alle Tage!

Derlei Skurrilitäten in Sachen Star und Story stehen GAMERA ganz gut zu Gesicht, wozu gut und gern auch das abstruse Finale gezählt werden darf, das einen deutlichen Schlenker in Richtung Science-Fiction macht. Dass die anfängliche unheilvolle Atmosphäre zu diesem Zeitpunkt endgültig über Bord geworfen wurde, ist zwar ein bisschen bedauerlich, ebnete aber den Weg zu einer Reihe, die als naive Alternative zum (meist) „erwachseneren“ Godzilla durchaus ihre Berechtigung hat. Die zwar arg vorgeschoben wirkende, aber doch irgendwie herzliche Völkerverständigungsbotschaft am Ende sorgt für einen versöhnlichen Ausklang und rundet den zwischen gekonnter Darbietung und entwaffnender Einfalt pendelnden Einstand anständig ab. Für den deutschen Zusatztitel allerdings gehört mal wieder jemandem tüchtig der Panzer verbeult. Frankenstein am Ärmel!

Laufzeit: 75 Min. / Freigabe: ab 6

Samstag, 15. Juni 2024

RODAN


SORA NO DAIKAIJÛ RADON
Japan 1956

Regie:
Ishirō Honda

Darsteller:
Kenji Sahara,
Yumi Shirakawa,
Akihiko Hirata,
Akio Kobori,
Minosuke Yamada,
Yoshifumi Tajima,
Ichirō Chiba,
Kiyoharu Onaka



Inhalt:

Kyushu, ein kleines japanisches Bergwerks-Dorf, wird von einer Serie mysteriöser Todesfälle erschüttert. Erst steht ein vermisster Vorarbeiter unter Verdacht, etwas damit zu tun zu haben. Aber diese Annahme wird ad acta gelegt, als plötzlich menschgroße Monsterinsekten aus den Minenschächten kriechen und die Anwohner in Angst und Schrecken versetzen. Zwar scheint die Gefahr schnell gebannt, aber die zurückerlangte Sicherheit ist trügerisch: Die ekligen Riesenkrabbler dienten nämlich nur als Knabberkram für etwas viel Größeres, viel Grauenerregenderes, was immer noch unter Tage lauert und nun bereit ist, an die Oberfläche zu kommen: Rodan! Sogar zwei davon.

Kritik:

Rodan wird zwar mehrmals als Pteranodon bezeichnet, aber das stimmt eigentlich nicht so wirklich. Tatsächlich hat das flatternde Fabelwesen eher Ähnlichkeit mit einem etwas begriffstutzigen Riesenadler, der ständig guckt, als habe er gestern Nacht einen Sake zu viel im Tee gehabt. Das fliegende Ungeheuer ist nach dem atomar verstrahlten Supersaurier Godzilla die zweite große Schöpfung des Produktionsstudios Tōhō, das nach besagtem Überraschungserfolg wohl herausfinden wollte, ob das Publikum noch genug Lust auf weitere städtezerstörende Ungetüme hat. Kritiker werfen RODAN deshalb oft Einfallslosigkeit vor, das ertragreiche GODZILLA-Konzept, so heißt es, sei einfach nur kopiert worden. Allerdings stimmt das nur bei oberflächlicher Betrachtung, fühlen sich beide Werke doch grundlegend verschieden an. Allem voran fehlt es hier an der Gigantomanie des angeblichen Vorbilds, bei dem bekanntlich zu düsteren Klängen halb Tokio ausradiert wurde. Während es dort nur so wimmelte von modernen Großstädtern am Puls der Zeit, spielt RODAN überwiegend in weitaus beschaulicherer Kulisse, einer gemütlichen Dorfgemeinschaft zwischen Wäldern und Hügeln gelegen, mit bescheidenen, erdverbundenen Bürgern bevölkert, in der die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.

Auch die anklagende Anti-Kriegs-Botschaft, die bei GODZILLA wie ein mahnendes Manifest über allem schwebte, ist hier gänzlich abwesend und damit einhergehend auch die drückende Düsterheit. Im Wortsinne, denn RODAN ist der erste Kaijū Eiga (=Riesenmonsterfilm), den Tōhō in Farbe produzieren ließ, weswegen die Flatterattacken nun in gloriosem Technicolor bei grellem Tageslicht passieren, was eine fundamental andere Wirkung hat. Nichtsdestotrotz gelingen dem bewährtem Regisseur Ishirō Honda ein paar wirklich gelungene Grusel-Momente, inklusive eines waschechten „Erschreckers“, als das erste Mal eines der ekligen Insektenmonster völlig unvermittelt zur Tür hereinkriecht und männlicher wie weiblicher Hauptrolle (Kenji Sahara [→ GORATH] und Yumi Shirakawa [→ LAST WAR]) dabei fast die noch so jungen Herzen stehenbleiben. Kein Wunder, sowas möchte man echt nicht bei sich im Wohnzimmer wissen. Obgleich die Umsetzung schon ihre Defizite hat: Spätestens auf den zweiten Blick wird klar, dass hier lediglich kostümierte Schauspieler angestrengt durch die Gegend krauchen. Hier rächt es sich ein wenig, dass man nicht erneut auf Schwarzweiß-Fotografie setzte, die einen beträchtlichen Teil der Künstlichkeit gewiss kaschiert hätte. Dennoch hinterlassen die Biester nachhaltigen Eindruck, zumal sie sich auch als ganz schön garstig erweisen und mit ihren krabbenartigen Scherenwerkzeugen schon mal ein paar Unglückliche höchst unsanft in die ewigen Jagdgründe schnippeln. Eigentlich sollen die „Meganulon“ genannten Missetäter übrigens riesige Libellenlarven sein. Aber mit Scherenhänden? Und lustigen Quiekgeräuschen?

Sei es drum, das Getier entpuppt sich ja ohnehin nur als Vorbote für viel größeres Unheil: die Rodans (ja, hier sind es tatsächlich zwei), die tief im Inneren des Berges darauf warten, endlich ins Freie zu dürfen. Bis das geschieht, gelingt es Honda auch weiterhin, eine unheimliche Atmosphäre zu kreieren, wenn die Arbeiter, auf der Suche nach der Wahrheit, immer tiefer in die Stollen dringen, in eine klaustrophobische Gefühle erweckende Welt aus Schemen, Schmutz und Schatten, in der in jedem Winkel weiteres Ungemach lauern könnte. Diese unheimlichen Expeditionen in die Tiefen der Schächte tragen viel dazu bei, dass RODAN als Gruselgebräu am Ende ziemlich gut funktioniert, mit einer alptraumartigen Sequenz als Gipfel des Grauens, in der Kenji Sahara schließlich in einem wunderbar gestalteten Horrorkabinett landet, wo er entsetzter Augenzeuge der Geburt neuer Schreckgestalten wird. Wenn die Flatterviecher final die Oberfläche erreichen und fleißig damit beginnen, Wohngebiete einzuebnen, ändert sich die Tonart erheblich und das Spektakel steht im Vordergrund. Dass die Ungeheuer nicht nur in dem japanischen Dörfchen wüten, in dem sie aus dem Boden brachen, sondern auch im Rest der Welt, wird indes lediglich per Nachrichtenübertragung behauptet und scheint doch reichlich hanebüchen. Wie weit und wie schnell können die beiden denn bitteschön fliegen und warum kehren sie nach ausgiebiger Zerstörungstour durch Singapur & Co. KG immer wieder in ihr ödes Heimatkaff zurück?

Tatsächlich ist sich das Drehbuch nicht zu schade, den Rodans die Fähigkeit zur Überschallgeschwindigkeit anzudichten. Darauf hätte man aus Gründen der Glaubwürdigkeit wohl besser verzichtet: Die träge durch die Gegend trampelnden Flugeumel haben sichtbare Schwierigkeiten, sich überhaupt in die Lüfte zu erheben oder – sofern doch erfolgreich damit – ihren Flügelschlag mit den restlichen Körperregungen zu synchronisieren. Völlig absurd, diesen unbeholfenen Trantüten zu unterstellen, in einem Duell gegen einen Kampfjet als Sieger vom Platz gehen (bzw. fliegen) zu können. Dass das dennoch passiert, sorgt immerhin für eine überraschend coole Szene, in der sich einer der Rodans mit seinem mechanischen Widersacher ein paar ziemlich geile Flugmanöver liefert, was dennoch wie ein Fremdkörper wirkt in diesem Szenario, das ansonsten mit Militär und Technik nur wenig am Hut hat. Selbst die obligatorischen Stadtdestruktionen wirken wie eine notwendige Pflichtübung, die zwar relativ kurz, dafür aber ungemein knackig abgearbeitet wird. Dafür begibt man sich nicht etwa nach Tokio, sondern nach Fukuoka, immerhin die achtgrößte Stadt Japans, in der es auch jede Menge kaputtzumachen gibt. Die Rodans sind dabei deutlich eingeschränkter in ihren Möglichkeiten als Kollege Riesenechse, können aber auch Häuser umpusten, Flutwellen verursachen, mit ihren umhangähnlichen Flügeln orkanartige Stürme erzeugen oder durch ihre „Überschallgeschwindigkeit“ gezielt Bauwerke im Mitleidenschaft ziehen.

Dabei wirken die Monster zwar angemessen mächtig, doch versäumte man es im Gegensatz zu Godzilla, ihnen auch glaubwürdiges Gebaren angedeihen zu lassen. Und so sind sie nun jederzeit erkennbar als das, was sie tatsächlich sind: menschliche Darsteller, die in klobigen Kostümen durch aufwändige Miniaturlandschaften taumeln. Fast scheint es, als habe man im Anschluss an diese große Desasterorgie keine rechte Lust mehr gehabt und wollte die Nummer schnellstmöglich eintüten. So ist es am Ende nicht etwa menschliche Geistesleistung, die die Giganten zu Fall bringt, nicht die Wissenschaft und auch nicht das Militär, obwohl es pünktlich zum Finale dann doch wieder auf der Matte steht. Nein, im Grunde ist es die Natur selbst, die ihre eigene Schöpfung wieder zurückruft, welche urplötzlich eine untröstliche Todessehnsucht entwickelt und sich unter schauerlichem Wehklagen quasi selbst das Leben nimmt. Das ist zwar alles andere als geschicktes Erzählen, hinterlässt aber durchaus Eindruck, weil es einerseits so ungewöhnlich für das Genre ist und sich andererseits tatsächlich prächtig in die erschaffene Stimmung einfügt, lag doch auf dem ganzen Szenario von Anfang an eine gewisse Art tiefgreifender Traurigkeit.

Obwohl RODAN filmisch betrachtet ein Einzelkind bleib, wurde er dennoch ungemein populär. Zwar entschied sich Tōhō gegen eine offizielle Fortsetzung, dafür wurde der Übelgeier später Dauergast in der GODZILLA-Reihe (wenn auch nur noch als Einzelexemplar und nicht mehr paarweise wie hier). Die Inhaltsarmut dieses ersten Auftritts lässt sich kaum leugnen, allerdings wurde diese ganz gut durch gelungene Gruselszenarien kaschiert. Atmosphärisch ist die Angelegenheit durchaus stimmig; die rurale Umgebung, in der das alles spielt, wirkt wie aus jeder Zeit gefallen und leicht verzaubert, einem folkloristischen Märchenfilm gleich. Und wenn Kenji Sahara und Yumi Shirakawa gemeinsam über saftig grüne Hügellandschaften springen, erwacht kurzzeitig gar urwüchsige Heimatfilmromantik. Dazwischen erlaubt man sich noch ein paar sehr kurze, aber fetzige Action-Sequenzen, wie erwähntes Jagdflieger-Duell oder der Moment, in dem Kenji Sahara ein Libellenmonster kurzerhand per waghalsiger Lorenfahrt zur Stecke bringt. Dabei ist alles noch schön erwachsen und weit entfernt von der Kindgerechtheit späterer Werke.

Die Effekte indes sind ein zweischneidiges Schwert; während man bei relativ einfach umzusetzenden Szenen gepatzt hat (wie beim Hineinkopieren eines Piloten in den Himmelshintergrund), sind komplexere Sachen dann sogar wieder ziemlich gut gelungen. Etwas nervig geriet die deutsche Fassung, die sich dazu entschied, die Ereignisse mit einem Off-Kommentar der Rolle Kenji Saharas auszustatten, was nicht nur reichlich redundant wirkt, sondern teils auch mit den Bildern nicht so wirklich harmonieren will. So behauptet er z. B. in einer Szene, einer der Arbeiter sei „wie ein Tier geschlachtet worden“, obwohl der dazu eingeblendete Leichnam aussieht, als würde er sich jeden Moment wieder erheben und seinen Morgenspaziergang fortsetzen. Auch schön, wenn Sahara zu Beginn erzählt, es sei ein stinknormaler Tag gewesen (Zitat: „… und alles verlief ganz normal.“), während man dazu sieht, wie sich ein paar Bergmänner gerade gegenseitig an die Gurgel gehen. Alles ganz normal! Das lässt RODAN im Endeffekt alberner wirken als er es eigentlich ist (wobei die Idee des manchmal nicht ganz treffsicheren Kommentators von der amerikanischen Version übernommen wurde und damit immerhin nicht allein auf deutschem Mist gewachsen ist).

Doch ob mit oder ohne Kommentierung: Für Freunde riesiger Fabelwesen ist der erste Auftritt Rodans quasi unverzichtbar - zumal die Titelfigur hier auch designspezifisch am gelungensten geriet (bei seinen späteren Einsätzen blickte Rodan meist deutlich dümmer aus der Wäsche). Trotz fehlender Tiefe - die der Minenschächte freilich ausgenommen - punktet das bizarre Monstermärchen mit seiner eigenwilligen Mischung aus Horror und ländlichem Charme. Fans fliegen drauf!

Laufzeit: 83 Min. / Freigabe: ungeprüft

Samstag, 8. Juni 2024

DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER


THE DEADLY MANTIS
USA 1957

Regie:
Nathan Juran

Darsteller:
Craig Stevens,
William Hopper,
Alix Talton,
Pat Conway,
Donald Randolph,
Florenz Ames,
Paul Smith,
Phil Harvey



„Dieser aufregende Film entführt Sie in eine fantastische Welt der Ungeheuer und Vorzeitmonstren, wie sie sich der berühmte Jules Verne nicht besser hätte ausdenken können.“

Doch, hätte er. Dass "der berühmte Jules Verne" ein derart generisches Machwerk aus der Feder hätte fließen lassen, ist nämlich kaum anzunehmen.

DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER – nicht zu verwechseln mit dem blumen- oder dem kuchenbringenden Ungeheuer – ist ein Paradebeispiel für die konzeptionelle Einfalt und Einfallslosigkeit des 1950er-Trivial-Kinos, das seit FORMICULA (1954) eine Tiergattung nach der nächsten enorme Wachstumsschübe angedeihen ließ, um die Menschheit wiederholt in Gefahr zu bringen. Inhaltlich wie dramaturgisch wurde dabei meist nur so wenig variiert, dass die meisten Auswüchse (höhö!) wie Neuverfilmungen des Ameisenhorrors wirkten, nur halt mit ausgetauschtem Getier. THE DEADLY MANTIS (der Originaltitel verrät bereits, welcher Unhold dieses Mal besiegt gehört) bildet da nicht nur keine Ausnahme, sondern kann sogar als Anschauungsmaterial für diese Behauptung gereicht werden.

„Auf jede Aktion folgt eine Reaktion“, erklärt die obligatorische Erzählstimme im Anschluss an den vermessenen Jules-Verne-Vergleich, was nichts anderes bedeuten soll, als dass ein Vulkanausbruch im Nordatlantik eine gigantische Gottesanbeterin in der Arktis zum Leben erweckt. So ist das eben mit den Naturgesetzen! Bis sich daraus so etwas Ähnliches wie eine Gefahrensituation ergibt, dauert es allerdings ein wenig. Nach Verlassen des Vorspanns wähnt man sich erst einmal in einer Militär-Dokumentation (um nicht zu sagen: in einem Propaganda-Video), wenn einem – von Archivbildern unterlegt – diverse Verteidigungszäune und Radarsysteme erläutert werden, ganz so, als habe tatsächlich jemand danach gefragt. Freilich folgt man auch hier etablierten Genre-Regeln, durfte im damaligen US-Kino ohne vorherige Lobpreisung amerikanischer Armeeerrungenschaften doch kaum ein Megamonster zum Angriff übergehen.

Nach guten 10 Minuten beginnt dann endlich die eigentliche Handlung, die so standardisiert geriet, dass es sich kaum lohnt, sie in Worte zu kleiden:

Inhalt:

Die Zerstörung einer amerikanischen Radarstation im Norden Kanadas gibt dem Militär Rätsel auf. Als kurz darauf auch noch ein Flugzeug auf unerklärliche Weise abstürzt, findet man in den Wrackteilen ein mysteriöses Objekt, das sich nach reichlicher Untersuchung als Teil einer riesigen Kralle erweist. Die Spekulationen über den Ursprung nehmen ein jähes Ende, als eine monströse Gottesanbeterin erscheint und die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Nun ist guter Rat teuer, denn die Kreatur steuert direkt auf Washington zu.

Kritik:

Erklärungen für die enorme Größe der Kreatur ersparte man sich in diesem Falle. Die schlichte Erkenntnis, es mit einem prähistorischen Wesen zu tun zu haben, wird hier achselzuckend akzeptiert, was ja im Grunde auch ganz vernünftig ist. Ohnehin animiert DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER diesbezüglich weitaus weniger zum Haareraufen, als man es im Vorfeld vielleicht erwarten würde: Die Dialoge zwischen „Wissenschaft“ und Militär gerieten durchaus anständig und bieten trotz einer gewissen Grundnaivität nicht wirklich Anlass zu Spott oder Häme. Deutlich schwerer wiegt da schon der Umstand, dass bei alledem der Akt der Zeitschinderei so offensichtlich geriet: Die Untersuchung der gefundenen Kralle zieht sich nämlich gewaltig, wenn der erste befragte Experte nach tüchtiger Tüftelei erst einmal erklären muss, nicht wirklich voranzukommen, um dann den nächsten Experten zu empfehlen, der in der Angelegenheit dann ebenfalls geraume Zeit auf dem Schlauch steht usw. Das mag sogar vergleichsweise realistisch sein, aber nach dem sperrigen Doku-Einstieg und ellenlangem Rätselraten blickt man bald schon recht ungeduldig aufs Zeiteisen, wann sich das versprochene Ungeheuer denn jetzt mal anschickt, ein bisschen Tod zu bringen.

Und als habe sie nur darauf gewartet, steht just in dem Augenblick, in dem man endlich eine riesige Gottesanbeterin als Gefahrenquelle deduziert hat, eben jene auch schon auf der Matte und schmult zum Fenster rein, was natürlich einen gellenden Frauenschrei zur Folge hat. Kein Wunder, denn das Vieh sieht wirklich garstig aus und ist unbestritten die Hauptattraktion der Veranstaltung. Zum Leben erweckt wurde es überwiegend mithilfe einer gut 60 Meter hohen Pappmaché-Attrappe, die mittels einer komplexen Hydraulik bewegt wurde, was im Endeffekt verblüffend glaubhaft aussieht. Daneben fanden auch zwei kleinere Modelle Verwendung, welche zusätzlich mit Aufnahmen einer echten Gottesanbeterin kombiniert wurden. Dass die Übergänge zwischen diesen Varianten fließend sind und man nie den Eindruck gewinnt, es mit mehreren Ausgaben der Kreatur zu tun zu haben, beweist, wie viel Mühe die Tricktechniker hier investierten, um ein überzeugendes Szenario zu erschaffen. Zudem lichtete man das Monster aus verschiedenen Blickwinkeln ab, was es oft sehr imposant erscheinen lässt und visuelle Abwechslung bietet. Die Gebäude, die das Wesen zerstören darf, sind natürlich Miniaturen, welche ebenfalls sehr aufwändig und realistisch gestaltet wurden. So geriet DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER in Sachen Effekte zu einem der versiertesten Genre-Werke dieser Zeit – selbst des Ungetüms nächste Verwandte, die immerhin zehn Jahre später GODZILLAS SOHN malträtieren sollten, müssen da zurückstecken. Lediglich, wenn das Geschöpf im Flugmodus gezeigt wird, verliert es seinen Schrecken, da dessen Dimensionen zwischen ein paar lausigen Wölkchen natürlich nicht klar werden. 

Wer der Star der Show ist, steht also völlig außer Frage. Die menschlichen Protagonisten hingegen ermöglichen mal wieder kaum Identifikation, riecht man doch regelrecht das Reißbrett, auf dem sie entworfen wurden. Craig Stevens [MR. SMITH GEHT NACH WASHINGTONgibt den ungewohnt beflissenen Colonel Parkman, der in völliger Selbstverständlichkeit ohne Umschweife um die Gunst des eigentlich einzigen anwesenden Weibchens wirbt (die Gottesanbeterin freilich ausgenommen) und damit natürlich prompt Erfolg hat. William Hopper [DIE SPUR DES FALKENagiert daneben als Dr. Jackson, stets von Vernunft beseelt und tatkräftig unterstützend. Das Trio wird vervollständigt von Alix Talton [→ DER MANN, DER ZUVIEL WUSSTE], die ebenfalls ein Leinwand-Klischee erfüllt: In verstaubten Kinotagen entstand der Typus der „Reporter-Frau“, welcher lange Zeit so ziemlich der einzige war, in dem weibliche Film-Figuren mal nicht lediglich als Anhängsel fungieren, sondern eigenständig agieren und sogar - man halte sich fest! - Hauptrollen bekleiden durften. Die von Tilton verkörperte Marge Blaine hat in diesem Falle dennoch rein gar nichts zur Sache beizutragen, darf nur ein paar Fotos schießen, kecke Kommentare absondern, spitze Schreie ausstoßen oder auch mal im Weg rumstehen.

Ungewöhnlich an dieser Konstellation ist allenfalls die Konfliktlosigkeit, ziehen hier doch wirklich alle an einem Strang und nicht ein einziger Alibi-Streit zerstört die gelebte Harmonie. Sogar die offensichtliche Steilvorlage eines Liebes-Dreiecks blieb ungenutzt: Parkman zeigt Interesse an Blaine, sie erwidert es und alles ist cool. Nebenbuhler gibt es nicht. Aber da ausgelatschte Story-Stereotypen wie erzwungene Meinungsverschiedenheiten und Eifersüchteleien in der Regel ein beträchtliches Maß an Langeweile verursachen, nimmt man das Ausbleiben derselben doch sehr wohlwollend zur Kenntnis. Ruft man sich zusätzlich den bereits thematisierten Verzicht auf hanebüchene Erklärungen zum Ursprung des Monsters ins Gedächtnis, ist man hier in der Summe lange Zeit fast dankbarer für die Dinge, die nicht vorkommen, als für die, die tatsächlich passieren.

Das ändert sich freilich, als die Titelbestie final Washington erreicht und man ob der nun zu erwartenden Zerstörungsorgie bereits frohlockt. Denn ab da passiert wirklich original gar nichts mehr: Das dumme Ding verklemmt sich im Tunnelschacht, glotzt blöd aus der Wäsche und ist danach schneller besiegt, als man todbringend sagen kann. Das ist schon eine echte Anti-Klimax, bei der man sich um den Höhepunkt regelrecht behumst fühlt und die dem Werk, das bis dahin eigentlich ganz gut in der Spur war, einiges an Sympathiepunkten kostet. In positiver Erinnerung bleiben somit – neben dem gelungenen Monster-Design und der damit verbundenen Effektarbeit – lediglich noch ein paar einzelne Momente. Wie der, in welchem die Gottesanbeterin – in ekliger Nahaufnahme fauchend und sabbernd wie zwei Jahrzehnte später H. R. Gigers Alien – eine arglose Spaziergängerin im Park erschreckt. Fehlte eigentlich nur noch, dass sie ein Messer zücken, der Dame die Handtasche entreißen und in den Wald verschwinden würde. Jules Verne wäre das gewiss nicht eingefallen.

Laufzeit: 79 Min. / Freigabe: ab 12

Samstag, 1. Juni 2024

PANIK IN NEW YORK


THE BEAST FROM 20,000 FATHOMS
USA 1953

Regie:
Eugène Lourié

Darsteller:
Paul Hubschmid,
Paula Raymond,
Cecil Kellaway,
Kenneth Tobey,
Donald Woods,
Ross Elliott,
Lee van Cleef



Inhalt:

Da will man nur mal ganz friedlich mit den Arbeitskollegen ein paar Atombömbchen in der Arktis testen, und schon kommt alles ganz anders als geplant. Nur ein Mann, Tom Nesbitt [Paul Hubschmid], überlebt diesen schicksalhaften Tag und berichtet Ungeheuerliches: Ein waschechter Dinosaurier hat die Truppe aufgerieben, er selbst lebt nur noch aus purem Glück. Seltsamerweise glaubt man dem hemdsärmeligen Professoren nicht so recht, vielleicht mit Ausnahme der wissenschaftlichen Assistentin Lee Hunter [Paula Raymond]. Gemeinsam beginnen sie, Nachforschungen anzustellen und entdecken, dass es auf offener See immer häufiger zu unerklärlichen Unglücksfällen kommt. Eventuelle Zeugen jedoch schweigen beharrlich. Der allgemeine Unglaube findet ein jähes Ende, als eine riesige Kreatur dem Meer entsteigt und durch die Straßenzüge Manhattans mäandert.

Kritik:

Die 1950er Jahre waren das Jahrzehnt der Riesenmonster. Der Klassiker KING KONG und dessen Fortsetzung waren zu dem Zeitpunkt zwar schon gute 20 Jahre alt, wurden durch diverse Wiederaufführungen aber so populär, dass die Mehrzahl der Nachahmer sich erst jetzt zu einem Leinwand-Auftritt überreden ließ. Der in Deutschland so seltsam unkonkret betitelte PANIK IN NEW YORK darf als eine der Speerspitzen und Initialzündungen dieser Welle gelten und ebnete auch dramaturgisch den Weg für zahlreiche mal mehr, mal minder geglückte Epigonen. Dass sein pompöser Protagonist, der sogenannte „Rhedosaurus“, in Wahrheit niemals existierte, schadet dabei ganz und gar nicht. So konnte die Kreatur in Sachen Darstellung und Verhalten immerhin nicht in Konflikt mit der Realität geraten.

Besagtes Fabelwesen ist dann fraglos auch der Hauptgrund für den bahnbrechenden Publikumserfolg der inhaltlich doch sehr mauen Erzählung: Das fiktive Urzeitvieh ist fantasievoll gestaltet, blendend animiert und interagiert trotz kleinem Budget sehr überzeugend mit der hineinkopierten Umgebung. Verantwortlich dafür war Ray Harryhausen [→ DAS GRAUEN AUS DER TIEFE], einer der Pioniere der Stop-Motion-Technik, bei der mittels der Aneinanderreihung einzelner, nur minimal veränderter Bilder, einem Daumenkino gleich, die Illusion von Bewegung erzeugt wird. Da dieser Trick mit enormem Aufwand verbunden ist, beeindruckt es umso mehr, wie flüssig und natürlich sich der Fantasie-Dino durch die Landschaft bewegt. Ungeduldige Monsterfreunde freuen sich zudem über das schnelle Erscheinen der Bestie, die dem ungebetenen Forscherteam mit der ruhestörenden Bombe im Gepäck schon nach wenigen Minuten Spielzeit den Ausgang aus der Arktis zeigt.

Zugegeben: Danach wird’s dann schon erst einmal etwas bummelig, wenn Tom Nesbitt, einziger Überlebender der Eröffnungssequenz, mit seinem Erlebnisbericht auf taube Ohren stößt und mit Schützenhilfe der wissenschaftlichen Assistentin Lee Hunter auf Zeugen- und Hinweissuche geht. Das zieht sich dann doch recht lang hin und gestaltet sich zudem wenig aufregend, da es überwiegend im stillen Kämmerlein unter Zuhilfenahme von Literatur und Fernsprechgerät erfolgt. Und da das Publikum ja ohnehin schon weiß, dass Nesbitt die Wahrheit sagt, stellt sich angesichts diverser Erkenntnisse auch kein echtes Erstaunen ein. Zwischendurch darf der Rhedo immerhin noch auf eindrucksvolle Weise einen Leuchtturm zerstören, woraufhin zwei bedauernswerte Wärter Fersengeld geben müssen. Dieser (vom Rest narrativ völlig autarke) Moment wurde nicht nur zum ikonischen Erkennungsbild PANIK IN NEW YORKs, sondern ist im Prinzip auch das einzige, was von der angeblichen Vorlage übrig blieb, von Ray Bradburys 1951 erstmals erschienenen Kurzgeschichte DAS NEBELHORN nämlich, in der eben ein Leuchtturm von einem Seeungeheuer zerstört wird.

Etwas Schwung in die lange Zeit auf der Stelle tretende Handlung bringt der von Cecil Kellaway [→ WIEGENLIED FÜR EINE LEICHE] verkörperte Paläontologe Elson, der Nesbitts Worten zwar ebenfalls keinen Glauben schenkt, sich aber nur allzu gern vom Gegenteil überzeugen lassen würde. Der letzte große Wunsch im Leben des kauzigen Professors ist es nämlich, einem Urzeitwesen Aug in Aug gegenüberstehen zu dürfen, weswegen er die Forschungsarbeiten mit aller Macht unterstützt – wozu auch gehört, sich per Taucherglocke in die Tiefen der See zu begeben. Wo sein Wunsch in Erfüllung geht, versteht sich. Das sorgt zwar für ein paar schöne Gänsehautminuten, allerdings können die nur schwerlich die dramaturgischen Defizite des Drehbuches vertuschen, erweisen sich all diese ausgiebigen Recherchearbeiten doch im Nachhinein als null und nichtig.

Denn natürlich passiert schließlich genau das, worauf alle schon ganz gespannt warten: Das Monster entsteigt dem Meer und nimmt umfassende Umgestaltungsarbeiten am Stadtbild vor. Das hätte es so oder so getan, weswegen sich die vorhergehende Spurensuche als narrativer Taschenspielertrick entpuppt, der nur dazu diente, das Geschehen auf kinotaugliche Länge zu strecken. Die Zerstörungsorgie, obwohl im Vergleich eher knapp gehalten, entschädigt jedoch voll und ganz für so manches Zugeständnis und ist tricktechnisch mehr als nur versiert. Harryhausen hatte hier erstmals die komplette Kontrolle über die Effekte und setzte dabei gleich einen Meilenstein. Aufgrund des schmalen Budgets erdachte er das Split-Screen-Verfahren, mit dem er nach Abschluss der Dreharbeiten das Saurier-Modell mit Hinter- und Vordergrund kombinieren konnte, und erweckte so ein pseudo-prähistorisches Biest zum Leben, welches sich „ganz natürlich“ bewegt und verhält, wenn es Straßenzüge einreißt und Autos zermalmt. Wie viel Mühe man sich gab, um das Untier „real“ wirken zu lassen, wird an etlichen Kleinigkeiten deutlich, wenn es z. B. eine soeben zerstörte Karosserie noch mal prüfend „anstupst“, um sicherzugehen, dass das Teil auch wirklich hinüber ist.

Dass man den Dino zusätzlich auch noch zur Seuchenschleuder machte, wirkt hingegen arg übers Knie gebrochen. So infizieren sich, als man das Biest verwundet, zahlreiche Menschen an dessen Blut, was weitere Todesoper zur Folge hat. Das erscheint inhaltlich schon recht abkömmlich, zumal es nach dem Finale auch urplötzlich kein Thema mehr ist. Dieses ist zwar – gerade im sich aufzwingenden Vergleich zum 20 Jahre zuvor entstandenen KING KONG – eher bescheiden, da der Widersacher ernüchternd schnell und unkompliziert besiegt ist. Dennoch staunt man auch hier noch einmal über die verblüffende Effekt-Qualität, wenn dem Rhedo zwischen brennenden Achterbahnstreben der Garaus gemacht wird.

Mit einem Produktions-Budget von gut 250.000 US-Dollar, dem ein Einspielergebnis von fast 5 Millionen US-Dollar gegenübersteht, kann der Riesenmonster-Reißer gut und gern als einer der ersten richtigen Blockbuster gelten und als sehr frühes Beispiel für das, was viele Jahrzehnte später als Event-Kino bekannt werden sollte: Die Story wird vernachlässigt, um dafür die Vorzüge der Tricktechnik in den Fokus zu rücken. Einen tieferen Sinn hat das Monsterspektakel nicht. Meint man zu Beginn noch, Kritik am sorglosen Umgang mit Atomwaffen ausmachen zu können, da diese das Monster überhaupt erst zum Leben erwecken, so geht dieser vermeintliche Anspruch spätestens dann über Bord, wenn man das Untier mittels „positiver Ionen“ wieder zu Fall bringt. Kernkraft! Ursache und Lösung aller Probleme! Nur ein Jahr später erschien mit GODZILLA eine ziemlich unverhohlene japanische Replik, die die Thematik mit der nötigen Ehrfurcht behandelt und schon allein deswegen um Ionen Äonen besser ist. Dafür ist das hier der deutlich unbeschwertere Beitrag zum Sujet „Nuklear aufgeheizter Pseudosaurus marodiert durch Großstadt“, der mit sympathischen Figuren und pfiffigem Dialoggut aufwarten kann. „Der Mensch geht erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit aufrecht, geistig kriechen wir noch“, ist da im Vergleich fast schon tiefgründig, während Sätze wie „Ich hätte Ihnen gerne etwas angeboten, aber in meinem Büro ist leider alles radioaktiv“ die Sache angenehm in komödiantische Gefilde bugsiert. Das kann man rückblickend zwar als unnötig verharmlosend verurteilen, bedenkt man, dass das Werk nur kurz nach dem Abwurf atomarer Bomben auf japanischen Boden entstand und zudem generell zu einer Zeit, die von gefährlichem Wettrüsten und bedenklicher Pro-Atom-Propaganda geprägt war. Nach angemessener Verjährung bleibt THE BEAST FROM 20.000 FATHOMS (so der direktere Originaltitel) allerdings vor allem eines: Wegweiser und Prototyp eines ganzen Genres.

Laufzeit: 80 Min. / Freigabe: ab 12