Eigene Forschungen

Montag, 24. November 2025

TAXI HUNTER


DI SHI PAN GUAN
HK 1993

Regie:
Herman Yau Lai-To

Darsteller:
Anthony Wong Chau-Sang,
Yu Rongguang,
Ng Man-Tat,
Athena Chu Yun,
Perrie Lai Hoi-San,
Chan Fai-Hung,
Fan Oi-Kit,
Lung Tin-Sang



„Leg dich niemals mit nem Taxifahrer an.“
(Ob Kin diesen Ratschlag beherzigen wird? Nein, wird er nicht!)


Inhalt:

Ah Kin [Anthony Wong] ist Versicherungsagent und als solcher ziemlich gut – die verdiente Beförderung steht kurz bevor. Und auch privat läuft alles rund: Seine Frau [Perrie Lai Hoi-San] befindet sich in anderen Umständen. Einer glorreichen Zukunft scheint somit nichts mehr im Wege zu stehen. Aber zu fahren. Denn Kins Unglücksbringer sitzen hinter den Lenkrädern gelber Automobile. Schon mehrmals war er in der Vergangenheit mit Taxifahrern aneinandergeraten – zum Beispiel, als sie ihm bei einem vorgetäuschten Unfall eine Menge Geld aus der Tasche gezogen haben. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was am Tage der geplanten Niederkunft passiert: Durch die Unachtsam- und Gleichgültigkeit eines Taxifahrers kommt Kins Frau gewaltsam zu Tode – und mit ihr das noch ungeborene Kind. Kins Leben gerät daraufhin aus den Fugen. Vor einem Scherbenhaufen stehend, besorgt er sich der einst so brave Bürger eine Knarre. Und ruft sich ein Taxi …

Kritik:

Irgendwann in den frühen 90ern muss ein Taxifahrer dem Herrn Herman Yau wohl mal gehörig ans Bein gepinkelt haben. Jedenfalls sah sich der vielbeschäftigte Filmschaffende dazu veranlasst, diese cineastische Schimpftirade vom Stapel zu lassen. Die kutschierende Zunft kommt nämlich alles andere als gut weg in der grobschlächtigen Rachevision, die das Konzept des Klassikers TAXI DRIVER (1976) auf links dreht und einen wutschnaubenden Anthony Wong zur Jagd auf liederliche Lenkradluder blasen lässt.

Yau war zu seinen Hochzeiten ein echter Tausendsassa des Hongkonger Kinos, verdingte sich als Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann, Produzent und in späteren Jahren auch als Schauspieler. Mangelnde Motivation konnte man ihm dabei nicht vorwerfen. Allein 1993, als auch TAXI HUNTER ins Kino kam, brachte er noch zwei weitere Leinwandvehikel auf den Weg – darunter den Bastard UNTOLD STORY, der in seiner makabren Mischung aus Polizeithriller, böser Satire und knallharter Kunstblutverprasserei mächtig die Magengruben malträtierte. Ganz so grenzüberschreitend geht es im vorliegenden Fall allerdings nicht zu, obwohl Subtilität weder beim Schreiben noch bei der Umsetzung zu den priorisierten Tugenden zählte. So werden hier zwar keine Tabus gebrochen, dafür aber eifrig Glas, Glück, Knochen … sowie Herz und Seele der Hauptfigur, die nach einem traumatischen Verlust zum einsamen Vigilanten auf den nächtlichen Straßen Hongkongs wird.

Dieses einschneidende Ereignis, der gewaltsame Tod der Ehefrau, ist im Prinzip die einzige wirklich drastische Szene, die allerdings so plötzlich passiert, dass ihre Schockwirkung noch lange Zeit nachhallt. Dass das erzwungene Ableben auf das Konto eines gewissenlosen Taxifahrers geht, der aufgrund erfolgreichen Fluchtverhaltens noch nicht einmal dafür belangt wird, lässt den zuvor herzensguten Ah Kin gegen besagten Berufsstand tüchtig Hass schieben. Dem Publikum ergeht es dabei ganz ähnlich, denn Yaus Skript zeichnet das Gewerbe als ein fast schon mafiös strukturiertes Kollektiv kleinkrimineller Kreaturen, das sich zusammenrottet, um mit fingierten Unfällen arglosen Bürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen, oder sich bei begangenen Straftaten – wie der Vergewaltigung betrunkener Fahrgäste – gegenseitig den Rücken deckt. Doch sind es nicht die Taxifahrer allein, die Ah Kin final zur Waffe greifen lassen: Generell entpuppt sich sein Umfeld als weitaus weniger generös, als es zuvor noch den Anschein hatte. Seine Kollegen treiben ihn mit völlig bescheuerten Kommentaren zur Weißglut („Du darfst nicht traurig sein – es ist passiert und lässt sich nicht ändern.“) und sein Boss, der ihn kurz zuvor noch zum Mitarbeiter des Monats ernannte, versteht überhaupt nicht, warum sich seine Arbeitsqualität plötzlich so rapide verschlechtert, streicht die versprochene Beförderung und verordnet Zwangsurlaub.

Seitdem sitzt Kin, teils in strömendem Regen und mit Bierflasche in der Hand, am Straßenrand und bläst Trübsal. Als er dabei eines Tages Zeuge wird, wie ein weiterer unverschämter Kilometerkassierer eine Frau übers Ohr hauen will, mischt er sich kurzerhand ein und verpasst dem Mann eine saftige Ohrfeige – eine Tat, die von den Umstehenden mit herzlichem Applaus quittiert wird. Von da an dauert es nicht mehr lang, bis Kin überzeugt ist, dass Maulschellen als Strafe noch längst nicht ausreichen. Der Weg vom traumatisierten Trauernden zum blindwütigen Mobilistenmeuchler ist psychologisch etwas holprig, aber im Rahmen des Unterhaltungsprogramms völlig ausreichend. Zumal Yau auch um ein wenig Tiefe bemüht ist: So versucht Kin, seine Morde durch geringfügige gute Taten auszugleichen – etwa, indem er einem kleinen Jungen zu einer teuren Sammelkarte verhilft. Und als er tatsächlich einmal auf einen Taxifahrer trifft, der unerwartet freundlich ist, lässt er von seinem Vorhaben ab und belohnt den Mann stattdessen mit einem großzügigen Geldbetrag. Übermenschliche Fähigkeiten entwickelt Kin dabei keine, was der Sache eine gewisse Glaubwürdigkeit verleiht. Während vielen anderen Kino-Killern jeder Coup gelingt, kassiert Kin von einem seiner potenziellen Opfer gehörig Dresche und bleibt wie ein geprügelter Hund am Straßenrand liegen.

Speziell letztere Szene ist bei aller Brutalität zum Piepen und verortet TAXI HUNTER trotz seiner Tragik, Dramatik und Drastik im Bereich der schwarzen Komödie. Noch deutlicher wird das, als Kin in seiner Wohnung das lässige Ziehen der Waffe übt. Was im Kino immer so einfach aussieht, scheitert bei ihm jedoch regelmäßig, weil das lästige Ding entweder in der Hosentasche hängen bleibt oder ihm aus den Fingern flutscht. Das ist natürlich eine ironische Referenz auf den berühmten Monologmoment aus TAXI DRIVER, bei dem sich Robert De Niro vor dem Spiegel den Revolverhelden antrainiert. Und für alle, denen das in Sachen Humor immer noch etwas zu fein ist, wurde mit dem von Ng Man-Tat [→ LEGACY OF RAGE] gespielten Polizisten Gao noch ein waschechter Pflaumenaugust ins Szenario gepflanzt. Schon sein Anblick ist zum Totlachen: Mit seinen viel zu weiten Klamotten, allesamt penetrant verziert mit den Logos amerikanischer Sportvereine, dazu das Baseball-Käppi verkehrt herum auf der Rübe, an deren Schirm zudem sein Dienstausweis baumelt, wirkt er optisch wie ein Zurückgebliebener – ein Eindruck, der durch sein kleinkindähnliches Benehmen nicht unbedingt entkräftet wird. Ng spielt die Rolle allerdings so sympathisch, dass man ihn sofort ins Herz schließt. Dass sein Auftreten ohnehin nur Tarnung und Verwirrtaktik ist, zeigt sich, als er sich im späteren Verlauf als überraschend kompetent erweist. 

Im Rahmen der Erzählung dient Gaos extravagantes Gebaren ohnehin vor allem der Konterkarierung seines Kollegen und Partners Yu Kai Chung, gespielt von Yu Rongguang [→ IRON MONKEY]. Dieser verkörpert nicht nur den klassischen knallharten Cop, sondern – und da wird es brisant – auch Ah Kins besten Kumpel. Natürlich ahnt er als solcher nichts von dem mörderischen Hobby seines Freundes, woraus TAXI HUNTER ein Großteil seiner Spannung bezieht: Wann wird der Polizist bemerken, dass sein Kindheitskamerad der kaltblütige Killer ist? Und wenn es passiert: Wie wird er reagieren? Das Personenensemble wird ergänzt durch Athena Chu Yun [→ MEGA COP] als Fernsehreporterin und Tochter von Gao. Zur Handlung trägt sie nichts Nennenswertes bei, aber die Interaktionen zwischen ihr und ihrem Vater, bei denen es nicht selten um Chili-Soße geht, verleihen den Figuren ein gerüttelt Maß an Menschlichkeit.

Trotz einer gehörigen Portion Galgenhumor verfehlt TAXI HUNTER seine aufrüttelnde Wirkung nicht und überzeugt als wilde Mischung aus TAXI DRIVER, DEATH WISH und dem typischen Hongkong-Kino jener Zeit. Anthony Wong spielt den bemitleidenswerten Ah Kin als eine Art asiatischen Paul Kersey und agiert dementsprechend sehr bodenständig, weit entfernt von der Überkandideltheit seiner sonstigen Psychopathenrollen (etwa in EBOLA SYNDROME). Woran es freilich mangelt, ist echte Spannung. Die Nummer ist zwar durchgehend unterhaltsam und erlaubt sich keine Durststrecken, wirkt aber niemals wirklich nervenzerrend. Auch hätte Wong gern etwas häufiger zuschlagen und noch ein paar mehr bösartige Bolidenbeschleuniger ins Jenseits befördern dürfen. Gewöhnungsbedürftig geriet zudem der Musikeinsatz: Oft erklingen dramatische Töne, wenn es gar nicht nötig wäre, während es in tatsächlich dramatischen Szenen dafür merkwürdig still bleibt. Für Actionfreunde gibt es zwar ein paar rabiate Stunts, aber es sollte klar sein, dass hier kein kinetisches Feuerwerk gezündet wird. Doch auch ohne viel Explosion und Exzess ist TAXI HUNTER eine gelungene Fahrt durch den in schönstes Neonlicht getauchten Großstadtdschungel, die in dieser Form wohl wahrlich nur zu ihrer Zeit und an ihrem Ort entstehen konnte. Ein Mann sieht gelb!

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ab 16

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