China 2016
Regie:
Luk Kim-Ching,
Leung Lok-Man
Darsteller:
Aaron Kwok,
Leung Ka-Fai,
Chow Yun-Fat,
Janice Man,
Eddie Peng,
Aarif Lee,
Waise Lee
Beim Hongkong-Kino bedeutet das Vorliegen eines „2. Teils“ nicht zwangsläufig, es tatsächlich mit einer Fortsetzung zu tun zu haben. Denn wenn Cast und Crew sich nach einem Erfolg wieder vereinen, dann häufig nur deswegen, um eine thematisch ähnliche, oft auch im gleichen Milieu spielende, aber nichtsdestotrotz völlig neue Geschichte mit neuen Figuren zu erzählen. So geschehen z. B. bei der SPL-, SHOCK WAVE- oder OVERHEARD-Reihe: Autoren, Regisseure und Darsteller überwiegend identisch, die einzelnen Beiträge aber inhaltlich autark. Da darf man es fast schon als kleine Überraschung werten, dass der vorliegende COLD WAR II wirklich eine waschechte Weitererzählung darstellt und haargenau dort ansetzt, wo beim Kassenschlager COLD WAR vier Jahre zuvor der Abspann ins Bild kam.
Inhalt:
Der Drahtzieher der Entführungsaktion, welche einst die Operation Cold War initiierte, sitzt zwar hinter Gittern, aber sein Einfluss ist ungebrochen. So gelingt es ihm, die Frau von Einsatzleiter Sean Lau [Aaron Kwok] gefangennehmen zu lassen und einen Austausch zu erzwingen. Obwohl alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, wird die Aktion, dank Bombenterror und Massenpanik im U-Bahn-Schacht, zum Desaster. Während sich Lau für diese Sache vor einem Komitee verantworten muss, wittert sein Konkurrent Lee [Leung Kar-Fai] die Möglichkeit, dessen Posten als Police Commissioner zurückzuerobern. Aus diesem Grunde liebäugelt er auch mit dem verlockenden Angebot eines gewissen Peter Choi [Chang Kuo-Chu], seines Zeichens ehemaliger Polizeipräsident, der mit seinen Leuten den gesamten Sicherheitsapparat zu unterwandern gedenkt. Wind von dieser Verschwörung bekommt allerdings der ehemalige Richter Oswald Kan [Chow Yun-Fat], ausgerechnet Mitglied im Untersuchungsausschuss zum Fall Lau, woraufhin er die junge Anwältin Isabel Au [Janice Man] engagiert, um Beweismaterial zu sammeln. Aber auch Lau selbst ist nicht untätig und sichert sich die Unterstützung seines ehemaligen Rivalen Billy Cheung [Aarif Lee] aus der Antikorruptionsbehörde, der nun ebenfalls eigenständig Ermittlungen anstellt, um Laus Ruf wieder reinzuwaschen.
Kritik:
Fast schon übertrieben viel Personal also, das sich hier gegenseitig belauert und beharkt, als ob’s kein Morgen gäbe. Allianzen werden geschlossen, Bündnisse geschmiedet und Intrigen initiiert, aber involvieren kann das alles kaum. Dabei haut der Vorspann noch so richtig auf die Kacke, wenn in einer aufwändig gestalteten Animation lauter in Eisblöcke eingeschlossene Figuren sich aus ihren glitzernden Gefängnissen heraussprengen, um sich im Anschluss gegenseitig per Schusswaffe zu malträtieren. In Kombination mit der bombastischen akustischen Untermalung wird klargemacht: Was jetzt folgt, wird nicht mehr und nicht weniger sein als die absolute Sensation. Ziemlich schnell jedoch schält sich heraus, dass dieses Versprechen nicht eingehalten wird. Dabei ist es vor allem eben jene so anschaulich skizzierte Kälte, die nachfolgend zum Problem wird, wirken die zahlreichen Charaktere doch viel zu eisig, als dass man sich empathisch mit ihnen verbinden könnte.
COLD WAR II schert sich keinen Deut um Figurenzeichnung und Persönlichkeitsentwicklung und präsentiert Prota- wie Antagonisten als unnahbare Pappkameraden, die fast schon bemitleidenswert freudlos operieren. Die sich daraus entwickelnde Handlung ist eher minimalistisch und ähnlich reservierter Natur. Nach Etablierung der Prämisse dominiert ein Konglomerat aus angeregten Diskussionen, angestrengten Grübeleien und konzentriertem Mienenspiel, das viel zu selten von alternativem Geschehen unterbrochen wird. Als Abwechslung fungiert allenfalls ein mittiges Geschwindigkeits- und Geschossaustausch-Intermezzo im Autobahntunnel, welches die Gesetze der Physik geringfügig neu arrangiert. Zum Finale dürfen zwar abermals ein paar Kugeln durch die Gegend und zudem ein paar Container in die Luft fliegen, aber zum Action-Spektakel langt das beileibe nicht. Das muss es freilich auch nicht, wäre aber zur Kompensierung der spröden Dramaturgie durchaus von Reiz gewesen.
Denn was Teil 1 zu viel hat, hat Teil 2 zu wenig: Setzte man dort noch auf eine heillos übertriebene Spannungsdramaturgie, bei der gefühlt jeder zweite Satz mit einem pompösen Paukenschlag bedacht wurde, war man hier offenbar der Ansicht, die dargebotenen Ereignisse und Erkenntnisse gerieten bereits von Haus aus fesselnd genug und ließ das Publikum damit ziemlich allein. Gab es beim Vorgänger mit dem Kompetenzwettstreit zwischen Lau und Lee noch einen zentralen Konflikt, der sich auf zwei wesentliche Personen beschränkte, existiert in diesem Falle eine ganze Wagenladung an Parteien und Interessen, was final die eigene Interesselosigkeit zur Folge hat. Zwischenzeitlich hat es dabei den Anschein, COLD WAR II mausere sich zu einer Art Gerichts-Drama, wenn sich „Krawatten-Cop“ Sean Lau (wie im Vorgänger verkörpert von Aaron Kwok) vor einem Untersuchungsausschuss für seine Entscheidungen rechtfertigen und um seine Karriere bangen muss. Das hätte immerhin eine klare Linie reingebracht. Aber viel zu wenig kümmert sich das Skript um diese Sache; die entsprechenden Sequenzen sind viel zu kurz, um Spannung aufzubauen. Und auch die Verschwörungskiste, die im Hintergrund läuft, verzichtet beinahe auf jedweden Nervenkitzel: Da das Publikum schon längst weiß, was die Protagonisten erst in mühevoller Kleinarbeit ermitteln müssen, gestalten sich die Enthüllungen nur wenig aufregend und völlig überraschungsfrei.
Die einzige Überraschung, die COLD WAR II in gewissem Maße zu bieten hat, ist der Umstand, dass er in seiner Botschaft doch erstaunlich subversiv geriet. Immerhin wird hier die Möglichkeit in den Raum gestellt, es könnte einer dunklen Macht tatsächlich gelingen, die Polizei Hongkongs zu unterwandern. Klar, es klappt am Ende nicht. Aber nur deswegen, weil eine Handvoll Leute zur richtigen Zeit den richtigen Riecher hatte und keine Scheu davor, das Richtige zu tun. Und auch, dass die unrühmlichen Ereignisse am Ende ohne jede Not vertuscht werden, um einem Misstrauen der Bevölkerung entgegenzuwirken, ist ein Zugeständnis, das man bei der unter ständiger Regierungskontrolle stehenden Film-Industrie Hongkongs kaum erwartet hätte.
Auf darstellerischer Ebene gibt es kaum etwas zu mosern – wobei man zumindest anmerken muss, dass speziell Aaron Kwok [→ MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN] mittlerweile eher für Belustigung sorgt, wirkt er doch in jeder Szene, als gelte es, den Oscar in der Kategorie „Versteinertes Starren“ abzustauben. Während Leung Kar-Fai [→ HARD GAME] dieses Mal deutlich weniger zu tun hat als im Vorgänger und sogar fast zur Nebenfigur verkommt, fallen als neue Namen auf der Besetzungsliste zwei Ikonen des Hongkong-Kinos ins Auge: Hinzugekommen ist einerseits Chow Yun-Fat [→ DER FLUCH DER GOLDENEN BLUME], der sich seine Brötchen nach seiner Karriere als Komiker, TV-Star und Actionheld schließlich mit kleinen größeren Nebenrollen wie diesen hier verdiente. Als ehemaliger Richter mit feinem Näschen für Lug und Betrug spielt er mit nur wenig Aufwand einen Großteil seiner Mitstreiter locker an die Wand (auch, wenn er sich inzwischen offenbar im Gesicht hat herumbasteln lassen). Und auch sein A BETTER TOMORROW-Kollege Waise Lee schiebt sein Antlitz für ein paar Szenen in den Bildrahmen. Viel zu tun hat er dabei zwar nicht, von inhaltlicher Relevanz kann auch kaum die Rede sein, aber dennoch schön, ihn zu sehen.
Am Ende muss man konzedieren, dass man sich die Zeit auch deutlich schlimmer vertreiben könnte als mit COLD WAR II, aber im Großen und Ganzen ist das dennoch ne ziemlich lahme Angelegenheit - nicht wirklich schlecht, aber eben doch ernüchternd belanglos und uninvolvierend. Dass man die Palette an Schauplätzen gegenüber dem Vorgänger deutlich erweiterte und die Handlung aus dem prätentiösen Polizeirevier hinausführte, sorgt zwar für visuelle Abwechslung, aber nicht unbedingt für gesteigertes Interesse. So ist die abermals auf Hochglanz polierte Fortsetzung in erster Linie für all jene attraktiv, die sich gern am Schauspiel altgedienter Recken erfreuen oder vom Intrigenkrieg vor Edel-Kulisse schlichtweg nicht genug bekommen.
Laufzeit: 110 Min. / Freigabe: in Deutschland nicht erschienen