Eigene Forschungen

Sonntag, 19. Januar 2020

HARUSCHI - DAS BLANKE SCHWERT DER RACHE


ZHUI MING QIANG
Hongkong 1971

Regie:
Kao Pao-Shu

Darsteller:
Wang Yu,
You Long,
Lisa Chiao Chiao,
Yang Yang,
Miao Tian,
Yi Yuan,
Ko Hsiao-Pao,
Su Chen-Ping



„Er ist hochmütig, frech und stark.“
[Der Bösewicht charakterisiert die Hauptfigur.]


Inhalt:

China, vor langer Zeit: Ein sterbender Mann überreicht dem Bettlerjungen Ni Chiu [You Long] ein Bambusrohr mit der dringenden Bitte, dieses einem gewissen Herrn Ma Tang auszuhändigen. Da der Junge nun ebenfalls von den Mördern des Mannes bedroht wird, nimmt ihn der ziehende Speerkämpfer Lung Tai [Wang Yu] spontan unter seine Fittiche. Gemeinsam suchen sie Ma Tang [Yeung Yeung] auf, welcher in Tai jedoch seinen Feind erkennt. Vor Jahren besiegte dieser nämlich Tangs Vater im Zweikampf, welcher sich ob dieser Schmach das Leben nahm. Ohne den Grund des Besuchs abzuwarten, geht Tang zum Angriff über und verletzt Tai dabei schwer. Nachdem Tai und Chiu die Flucht gelungen ist, stellen sie fest, was an dem noch immer nicht überbrachten Bambusrohr so wichtig ist: In ihm befindet sich eine Liste mit Rebellennamen, die Ma Tang an einem geheimen Treffpunkt zusammenführen soll, um den Sturz des unmenschlichen Mandarin herbeizuführen, der momentan das Land terrorisiert. So beschließt Tai, Tang die Liste dennoch zu übergeben. Doch ihre Widersacher planen bereits den nächsten Angriff, und Tai ist durch seine Wunde stark geschwächt. Er verschanzt sich mit Chiu in einem Gasthaus, belagert von seinen Feinden. Inzwischen erfährt Ma Tang vom eigentlichen Grund von Tais Besuch und beschließt, dass eine Feindschaft nicht länger von Nöten ist.

Kritik:

Wang Yu wurde durch die Shaw Brothers zum Star. Trotz fehlender Kampfkunst-Kenntnisse engagierten die Kung-Fu-Film-Produzenten den damals gerade mal 19-jährigen Darsteller gleich für mehrere Hauptrollen. Eine davon, die des einarmigen Schwertkämpfers in DAS GOLDENE SCHWERT DES KÖNIGSTIGERS (1967), machte ihn berühmt. Doch der als schwierig geltende Wang weigerte sich, seinen Verpflichtungen nachzukommen und brach den Vertrag mit seinen Arbeitgebern. Nach dem daraus resultierenden Prozess war ihm das Drehen in Hongkong untersagt. So siedelte er nach Taiwan um, wo er - oft unter eigener Regie - eine ganze Reihe grellbunter Gassenhauer kreierte, um sie als Konkurrenz zur Ware seiner ehemaligen Mentoren zu kredenzen. Nicht selten entstanden dabei solch herrliche Heuler wie EINE FAUST WIE EIN HAMMER (1972) oder DUELL DER GIGANTEN (1976), die rein gar nichts mehr mit der stilsicheren Eleganz der früheren Shaw-Produktionen zu tun hatten, dafür aber durch ihren grobschlächtigen Schaubuden-Kolorit auf- und gefielen. Wo sieht man schon mal Kämpfer auf dem Zeigefinger übers Schlachtfeld springen? Ist selten geworden! HARUSCHI hingegen, bereits 1971 für die völlig unbekannte Firma Park Films entstanden, verzichtet noch auf derlei Flausen und bleibt seine 90 Minuten lang  überwiegend auf dem Teppich (mal abgesehen davon, dass hier natürlich trotzdem beizeiten kilometerweit durch die Luft gesegelt wird – gewisse Genre-Regeln müssen schließlich eingehalten werden).

Diese konservative Erdung erweist sich fatalerweise als die größte Schwachstelle des Werkes, dem ein paar muntere Verrücktheiten ganz gut zu Gesicht gestanden hätten. Das arg konventionell ers(p)onnene Drehbuch reißt nämlich beileibe keine Bäume aus und weiß nach vielversprechendem Beginn mit den etablierten Figuren schon bald nichts mehr anzufangen. So verschanzt es Wang Yu, nachdem eigentlich schon alles erzählt ist, aber noch 30 weitere Minuten bis zur erlösenden Ende-Einblendung totgeschlagen werden müssen, in ein von Gegnern belagertes Gasthaus, das er regelmäßig zwecks Kampf verlässt und dabei natürlich siegreich bleibt, weswegen das Spiel im Anschluss wieder von Neuem beginnen kann. Dass derartige Traktierungsaktionen sehr spannungsreich ablaufen können, bewies vor allem John Carpenter ein paar Jahre später in seinem düsteren Reißer ASSAULT (1976). Regisseurin Kao Pao-Shu [→ SHAOLIN - DIE RACHE DER GELBEN TEUFEL] allerdings weiß die Bedingungen nicht hinreichend zu nutzen, das anvisierte Gefühl allgegenwärtiger Bedrohung bleibt aus. Das liegt freilich auch daran, dass man nie den Eindruck gewinnt, gerade dramaturgisch notwendigen Ereignissen beizuwohnen, sondern sich stattdessen in den Klauen eines einzigen großen Retardierungsmoments wähnt, ein Kind der narrativen Sackgasse, in die man unversehens geschlingert ist.

Final erschöpft sich dann alles wenig überraschend in einem ausladenden Kampfgetümmel, das jedoch nur durchschnittlich choreographiert wurde und deshalb schnell ermüdend wirkt. Zwar sterben dutzende von Statisten, da aber auch an künstlichem Lebenssaft gespart wurde, bleibt die Angelegenheit reichlich harmlos. Zudem fällt ins Auge, dass fast alle Schwert- und Speerhiebe (auch die angeblich tödlichen) deutlich am gegnerischen Körper vorbeigehen. So besitzt das blutleere Gewoge am Ende gerade mal den Härtegrad einer besseren Sandkastenbalgerei. Wang Yu, dem man seine fehlende Ausbildung durchaus anmerkt, fuchtelt sich dabei immerhin recht wacker durch die Konfrontationen. Wenn er sich nicht gerade im Kriegsmodus befindet, wirkt er zwar oftmals ein wenig verschlafen, interpretiert seine Rolle aber durchaus reizvoll zwischen edlem Ritter und verwundbarem Sensibelchen. Ein großartiger Schauspieler war er freilich nie, wohl aber jemand, dem man gern zusah. Unterstützt von der feurigen Synchronisation Thomas Dannebergs (der auch schon Terence Hill und Sylvester Stallone deutsches Stimmleben einhauchte) lässt er ein paar wunderbar tiefsinnige Philosophien vom Stapel, wenn er seinem Schützling rät: „Bedenke, dass die Weisheit nie auf einer Lanzenspitze ruht!“ oder sich selbst zum Kampf anspornt mit weisen Worten wie: „Die Wahrheit, die ein Mann erkannt hat, muss er auch verteidigen.“

Der damals 11 Jahre alte You Long [→ DIE WUT, DER SCHREI UND DER TOD] agiert als junger Begleiter nicht nur erfreulich unnervig (keine Selbstverständlichkeit bei Kinderrollen), sondern überzeugt auch durch sein natürliches Spiel, von dem sich der eigentliche Hauptdarsteller gern mal ne Scheibe hätte abschneiden dürfen. Wenn er den brutalen Bösewichten in argloser verbaler Direktheit begegnet, hat er die Sympathien umgehens auf seiner Seite. So funktioniert auch die emotionale Komponente der Geschichte überraschend gut, denn die vater-sohn-ähnliche Zweckgemeinschaft hat schon etwas Rührendes. Seinen herz- und lachmuskelerwärmenden Höhepunkt findet das in dem Moment, als Lung Tai den kleinen Ni Chiu mitten im Schlachtgewitter huckepack nimmt und dieser ihm die blutenden Wunden zudrückt. So sieht wahre Männerfreundschaft aus! Dass auch die Frauenrollen in diesem Falle ungewöhnlich taff daherkommen, ist vermutlich der weiblichen Regie zu verdanken. Während die Damen in ähnlich gelagerten Beiträgen im Angesicht fieser Gangsterschar nur zaghaft kreischen und warten können, bis der Held sie raushaut, bleibt Lisa Chiao Chiao [→ DIE RÜCKKEHR DES KÖNIGSTIGERS] in ihrer (nichtsdestotrotz vernachlässigten) Rolle als Gasthausbesitzerin hier erstaunlich cool: „Setzt euch jetzt hin, und benehmt euch anständig!“ befielt sie den Halunken (die daraufhin sogar brav kuschen), und auf die eindeutigen Avancen eines wirklich extrem hässlichen Schergen reagiert sie mit einem süffisanten: „Sowas hab ich mir schon immer gewünscht. Ich habe noch nie mit Einem ohne Vorderzähne geschlafen.“

BLOOD OF THE DRAGON (Alternativtitel) besitzt sicherlich nicht wenige Defizite, das Herz hat er trotzdem am rechten Fleck. Die Story ist alles andere als komplex, versucht aber auch nicht, einen für dumm zu verkaufen. Wang Yu drückt man trotz limitiertem Mienenspiel immer gern die Daumen, und die Konstellation „Mann mit Kind auf der Flucht“ funktioniert hier tadellos. So bietet HARUSCHI insgesamt doch recht ordentliche Zerstreuung für all jene, die einfach gern dabei zusehen, wie kostümierte Chinesen sich gegenseitig auf die Glocke hauen. Zum Schluss noch ein dreifaches Hoch auf den deutschen Titelausdenker! Weder gibt es hier einen Haruschi, noch schwingt Wang ein Schwert und statt aus Rache kämpft man hier in erster Linie zwecks Selbstverteidigung. Chapeau, dreimal ins Klo!

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ab 18

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen