Eigene Forschungen

Montag, 27. Januar 2020

TSCHANG FU - DER TODESHAMMER


JING WU MEN XU JI
Hongkong 1976

Regie:
Lee Tso-Nam,
Jimmy Shaw

Darsteller:
Bruce Li,
Lo Lieh,
Chen Hui-Lou,
Tien Feng,
Sit Hon,
James Nam,
Philip Ko



Inhalt:

Shanghai, Anfang des 20. Jahrhunderts: Große Teile Chinas sind von den Japanern besetzt. Die Bürger werden in ihren Grundrechten eingeschränkt, die Kultur des Landes soll systematisch ausgemerzt werden. Doch es regt sich Widerstand. Einer der tapfersten Rebellen war Chen Zhen, der dafür mit dem Leben bezahlte. Aber ein Chen kommt selten allein: Als Chen Shen (in der deutschen Fassung unsinnigerweise: Tschang Fu) [Bruce Li] vom Tode seines Bruders erfährt, steht er postwendend auf der Matte, um dem skrupellosen Tyrannen Miyamoto [Lo Lieh] zu zeigen, wo der Todeshammer hängt.

Kritik:

Einer der beliebtesten Filme des ikonischen Kung-Fu-Akteurs Bruce Lee war und ist der 1972er FIST OF FURY, der in Deutschland als TODESGRÜSSE AUS SHANGHAI zur Aufführung kam. Des Protagonistens rasende Rebellion gegen böse ausländische Besatzer inklusive Heimatliebe und Heldentod kitzelte in ihrem Herkunftsland das nationale Selbstbewusstsein und im Rest der Welt hauptsächlich den Sehnerv, der sich an der Choreographie des Kampfes und dem Charisma des Stars ergötzte. Dass die Geschichte auch im realen Leben tragisch endete, ist bekannt: Bruce Lee starb, kurz nach dem Durchbruch, im Alter von nur 33 Jahren. Die gerade eben erst erstarkte Hongkonger Filmindustrie, die von heute auf jetzt ihr populärstes Aushängeschild verlor, reagierte partiell panisch und zimmerte eilig ein paar wirklich sehr, sehr seltsame Zelluloid-Erzeugnisse zusammen, in denen lauter Leute durchs Bild sprangen, die angeblich Bruce Lee sein sollten, es aber partout nicht waren. Andere agierten besonnener und versuchten, die Erfolge Lees mit neuen Figuren fortzuführen. Erwähnter FIST OF FURY war dabei als Kontinuationsobjekt dermaßen begehrt, dass er dubioserweise gleich von zweien, unabhängig voneinander realisierten Rache-Reißern weitergesponnen wurde. Der eine, NEW FIST OF FURY, wurde von Lo Wei, dem Regisseur des Originals, mit Jackie Chan in der Hauptrolle produziert (der deutsche Titel ganz vermessen: 2 FÄUSTE – STÄRKER ALS BRUCE LEE). Und der andere entstand von einem völlig anderen Team für ein völlig anderes Studio – und weil offenbar niemand etwas dagegen hatte, erreichte er die Säle auch noch fast zeitgleich mit der Konkurrenz als FIST OF FURY II. Deutscher Titel: TSCHANG FU – DER TODESHAMMER!

In der Titelrolle sieht man hier Ho Tsung-Tao [→ BRUCE LEE – TAG DER BLUTIGEN RACHE] (abermals unter dem albernen Pseudonym Bruce Li unterwegs), der als Bruder des im Vorgänger ermordeten Chen Zhen (Bruce Lee) fäusteflexend und vergeltungsgelüstig in die Stadt kommt, um den ehrlosen Japanern beizupulen, wie man sich gefälligst zu benehmen hat. Kaum dem Zug entstiegen (stilecht im weißen Kaftan), muss er bereits ein paar besonders frechen Besatzer-Spitzbuben eine gehörige Portion Respekt einbläuen, als sie es wagen, verstorbenen Landsleuten nicht die nötige Achtung entgegenzubringen. „Falls ihr wieder einen Chinesen kränken solltet, werdet ihr das nochmal erleben“, parliert der Prügelpädagoge nach erfolgter Abreibung, und die Marschrichtung ist klar: Hier gibt es die Chinesen, edel, aufrecht und herzensgut, und die Japaner, allesamt ehrlos, primitiv und verschlagen bis ins Mark. Die Welt ist schwarz und weiß, Grautöne existieren nicht. Einzige Ausnahme bildet der kriecherische chinesische Überläufer Wang Bar (Chen Hui-Lou [→ CHEN SING – DER SUPERHAMMER]), der sich in den Dienst der Volksfeinde stellt und dem deshalb zur Strafe auch gleich ein Hitlerbärtchen gewachsen ist. Endgegner jedoch ist der despotische Menschenschinder Miyamoto (Lo Lieh [→ WU KUNG – HERR DER BLUTIGEN MESSER]), der zwar eigentlich nur eine Kampfsport-Schule betreibt, aber irgendwie trotzdem den Polizeichef (und offenbar auch den gesamten Rest des Staatsapparats) unter sich hat und dementsprechend ebenso fröhlich wie folgenfrei foltert, malträtiert und mordet.

Die Boshaftigkeit seiner Mannen demonstriert das Drehbuch in erster Linie anhand ihres Umgangs mit Kung-Fu-Meister Tin Man Kwai (war in derselben Rolle schon im Vorgänger zu sehen: Tien Feng [→ ZHAO – DER UNBESIEGBARE]), der dem Trunk verfällt, nachdem seine Schule zwangsgeschlossen wurde. Der einst so stolze Mann wird zum Alkoholwrack, das würdelos um jeden Schlucken Wein bettelt – was für die Halunken Grund genug für zusätzliche Demütigungen ist. Und natürlich brechen sie auch ihr Versprechen, ihre Repressalien einzustellen, sollte Chen Shen die Stadt verlassen: Kaum sitzt der Held zwecks gesittetem Rückzug im Zurückzug, muss er sich auch schon gegen des Feindes Messer erwehren. Der Gegenspieler ist und bleibt ein Scheusal der Niedertracht, das sich nicht an Vereinbarungen hält und um jeden Preis Blut sehen will. Nein, Autor Chang Hsin-Yi [→ DIE UNBESIEGBAREN DER SHAOLIN] scherte sich wahrlich nicht um irgendwelche Zwischentöne. Ihm ging es darum, möglichst viel Verachtung für die Schurken zu erzeugen, damit der finale Vergeltungsschlag Chens als einzig gangbarer Weg und gerechte Strafe erscheint. Inspektor Chiu (Tsao Chien [→ EIN HAUCH VON ZEN]), der sich lange Zeit nicht entscheiden kann, auf wessen Seite er eigentlich steht, bis er sein Patriotenherz entdeckt, nimmt dem eigentlich wegen Mordes verhafteten Chen dafür sogar höchstpersönlich die Handschellen ab und gibt ihm für seine Selbstjustiz noch einen ganzen Tag Zeit.

Spätestens dieser Moment entlarvt FIST OF FURY II als pubertäre Rachefantasie, die zwar kaum ernstzunehmen, bei aller Plattheit aber durchaus effektiv ist. Auf der Suche nach Symbolik schleudert Chen nach errungenem Sieg das Schwert seines Rivalen in das japanische Sonnensymbol. „Sie haben was falsch verstanden“, belehrt er ihn in schönster Oberlehrermanier. „Unsere Nachsicht und unsere Geduld sind keine Schwäche. Unsere unendliche Geduld ist für uns Chinesen eine Tugend. Das scheinen Sie nicht gewusst zu haben.“ Eine unfassbare Schmach für den waschechten Japaner, der sich daraufhin selbstredend schnurstracks selbst entleibt. Eine solch hemmungslose Plattitüden-Parade hätte natürlich leicht ins Auge gehen können, aber TSCHANG FU funktioniert für Fans prächtig. Neben dem sauberen Regie-Handwerk liegt das – wenig überraschend – an den Kampfszenen, die in Sachen Choreographie und Stunt-Arbeit voll und ganz überzeugen und auch den nötigen Härtegrad mitbringen. Memorabel geriet zudem das versuchte Attentat auf Chen Shen im Zugabteil, bei dem aufgrund der stimmungsvollen Inszenierung kurzzeitig sogar richtig Spannung aufkommt.

Im Vergleich zu Lo Weis eigener Fortsetzung kommt man damit letztendlich als Punktsieger ins Ziel – auch, weil TSCHANG FU trotz aller Theatralik ein wenig unbekümmerter daherkommt als das verbissene Konkurrenzprodukt, das zudem mit Jackie Chan in der Hauptrolle arg fehlbesetzt wurde. Ho Tsung-Tao hingegen kann als Held absolut überzeugen und trägt die Angelegenheit von Beginn an mühelos. Seine optische Ähnlichkeit zu Lee macht ihn als Geschwisterteil glaubwürdig und bescherte ihm auch nachfolgend noch einige Hauptrollen, in denen er als vermeintlicher Original-Bruce-Lee fleißig Handkanten verteilen durfte. Mit diesen oft unterdurchschnittlichen Beiträgen hat der kompetent gefertigte FIST OF FURY II noch nichts gemein. Lee Tso-Nams [→ DREI WILD WIE DER TEUFELBeitrag reißt zwar keine Bäume aus und suhlt sich schamlos im Sumpf dumpfer Stereotypen, bietet jedoch angenehmen Zeitvertreib ohne grobe Fehler. Ob dem echten Bruce Lee allerdings auch nur einer der Nachfolger gefallen hätte, darf ernsthaft bezweifelt werden. Zeitzeugen zufolge zoffte er sich einst mit FIST OF FURY-Regisseur Lo Wei, weil ihm dessen japanfeindliche Attitüde nicht gefiel. Da beide Weiterdichtungen diesbezüglich noch mal ne Schippe drauflegen, hätte Lee seine Maulschellen dieses Mal vermutlich an die Produzenten verteilt.

Laufzeit: 95 Min. / Freigabe: ab 18

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