Eigene Forschungen

Sonntag, 2. Februar 2020

MANNAJA - DAS BEIL DES TODES


MANNAJA
Italien 1977

Regie:
Sergio Martino

Darsteller:
Maurizio Merli,
John Steiner,
Philippe Leroy,
Sonja Jeannine,
Donald O'Brien,
Antonio Casale,
Enzo Fiermonte,
Rik Battaglia



„Sind Sie der Sheriff?“ - „Sind Sie der Präsident?"


Inhalt:

Irgendwann im Wilden Westen: Der knallharte Kopfgeldjäger Mannaja [Maurizio Merli], der meistens per Wurfbeil auf die Jagd geht, kommt in die ungastliche Stadt Suttonville. Er will Burt Craven [Donald O'Brien] abliefern, einen gejagten Schwerverbrecher, den er bereits um eine Hand erleichterte. Wider Erwarten gibt es hier aber weder einen Sheriff, noch irgendeinen anderen Ordnungshüter. Der Ort wird stattdessen vom skrupellosen Ed McGowan [Philippe Leroy] beherrscht, der sich mit dem Abbau von Silber eine goldene Nase verdient. Als Mannaja davon erfährt, lässt er seinen Gefangenen wieder frei. McGowan ist für ihn nämlich der viel größere Fisch: Der scheinheilige Unternehmer trägt die Schuld am Tode von Mannajas Familie. Kurz nach Ankunft gerät er auch schon mit McGowans Handlanger Valler [John Steiner] aneinander: Erst besiegt er ihn beim Kartenspiel, dann gewinnt er das Duell gegen dessen Männer. Diese Schmach kann der eitle Valler nicht auf sich sitzen lassen: Er lockt Mannaja in einen Hinterhalt, den dieser fast mit dem Leben bezahlt. Doch der halbtote Kopfgeldjäger wird von umherziehenden Schaustellern gerettet und gesundgepflegt. Währenddessen entdeckt McGowan, dass Valler die ganze Zeit gegen ihn gearbeitet hat. Als er zwecks Lösegelderpressung dessen Tochter Deborah [Sonja Jeannine] entführt, engagiert der verzweifelte Vater ausgerechnet Mannaja, um sein Kind zu retten. Mannaja nimmt den Auftrag an. Noch ahnt er nicht, dass mehr hinter der Sache steckt.

Kritik:

Es waren vor allem Sergio Leones FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR [1964] und Sergio Corbuccis DJANGO [1966], die Mitte der 1960er Jahre die Weichen für eine fast völlig neue Spezies stellten: Der Italo-Western, der dreckige, kleine Bastard einer bis dahin eigentlich uramerikanischen Gattung, lockte das Publikum mit einem neuartigen Grad an Gewalt und Zynismus in die Kinosäle und ließ somit gewaltig die Kassen klingeln. 10 Jahre später waren nicht nur unzählige Statisten tot, auch das Genre lag im Sterben. Jeder Pistolero hatte sich inzwischen gerächt, jede Banditenbande war gegeneinander ausgespielt und Bud Spencer und Terence Hill hatten längst die Bühne betreten, um mit Keile und Klamauk festgefahrene Klischees zu entstauben. Bevor das letzte Pulver dann wirklich verschossen war, bäumten sich allerdings drei Werke noch mal richtig auf, um verbleibenden Fans späte Satisfaktion zu liefern: VERDAMMT ZU LEBEN, VERDAMMT ZU STERBEN [1975] von Lucio Fulci, KEOMA – DAS LIED DES TODES [1976] von Enzo G. Castellari sowie der vorliegende MANNAJA - DAS BEIL DES TODES, der gleich in mehrfacher Hinsicht überraschen konnte. Zum einen hätte wohl niemand damit gerechnet, dass Regisseur Sergio Martino [→ DIE FARBEN DER NACHT], der sich zu diesem Zeitpunkt ein festes Standbein im Bereich des Kriminal- und Copfilms erschaffen hatte, nach DER TOD SAGT AMEN [1970] noch einmal den Taktstock für eine raubeinige Bleioper schwingen würde. Und zum anderen kam er dafür auch noch mit einem Hauptdarsteller ums Eck, der zuvor gefühlt noch niemals etwas anderes gespielt hatte als den ruppigen Rache-Bullen im Killer-Modus: Schnauzbart-Vertreter Maurizio Merli [→ DIE GEWALT BIN ICH].

Verinnerlicht man sich allerdings, wie sehr der Western und der Polizeifilm thematisch miteinander verbandelt sind, ist die Besetzung nur auf den ersten Blick ungewöhnlich. Statt durch den Dschungel der Großstadt pflügt Merli hier nun eben durch die Botanik des Wilden Westens, um flüchtige Verbrecher hopszunehmen und sie, nicht zwangsläufig unversehrt, der sogenannten Rechtsprechung auszuliefern. Getreu gängiger Genre-Regeln geht er dabei – konform zu seinen bekannten Einsätzen mit Marke und Uniform – weder zöger- noch zimperlich zu Werke: Wer Widerstand oder Fluchtversuche wagt, muss mit ernst- und schmerzhaften Konsequenzen rechnen. Effektiv vermittelt wird das durch einen grandios inszenierten Auftakt, der eine zum Schneiden dichte Atmosphäre der Ungastlichkeit und Brutalität kreiert und ohne jede Mühe Assoziationen zum Horrorfilm zulässt: Dichter Nebel wabert durch die Wälder, ein Mann rennt in blanker Panik durch die Sümpfe, sein berittener Verfolger nähert sich unerbittlich in nervenzerrender Zeitlupe. Eine kurze Verschnaufpause wird dem Gejagten schließlich zum Verhängnis: Die Silhouette des unheimlichen Reiters erscheint im trüben Dunst, ein fliegendes Beil zerschneidet erst die Luft und dann dem in Angst erstarrten Opfer den rechten Arm, dem fortan die dazugehörige Hand fehlt.

Effektiver kann man einen kompromisslosen Antihelden kaum einführen. Denn der Jäger hoch zu Ross war natürlich Titelfigur 'Mannaja', der kaltblütige Kopfgeldjäger, den eine geisterhafte Aura umwabert und der in der Regel lieber zum Beil als zur Bleipuste greift. Die Intensität dieser im wahrsten Sinne einschneidenden Eröffnung wird nachfolgend zwar nicht mehr erreicht, schaurig-schöne 90 Minuten erwarten einen dennoch. Zwar taten Sergio Martino und Co-Autor Sauro Scavolini [→ 10.000 BLUTIGE DOLLAR] im Grunde nichts anderes, als sattsam bekannte Versatzstücke neu aufzukochen und auskömmlich zusammenzufügen. Das geschah jedoch dermaßen selbstbewusst und technisch versiert, dass kaum Grund zur Klage besteht. Dennoch liegen die Stärken eindeutig nicht bei der Story, die arg episodenhaft und zerfasert daherkommt. Scheint Mannaja im einen Augenblick noch tiefsitzende Vergeltungsgelüste zu hegen (ohnehin fällt ihm reichlich spät ein, dass er sich ja noch für etwas rächen muss – man fragt sich, warum er die Sache nicht schon längst mal angepackt hat), arbeitet er im nächsten Moment ohne nennenswerte Motivation mit seinem vorgeblichen Erzfeind zusammen. Sein in dramaturgischer Hinsicht sehr früh erfolgender Beinahetod bleibt im Nachhinein nahezu folgenlos und ist bereits wenige Szenen später auch kein Thema mehr. Und auch der Plan des fiesen Vasallen Valler (der nach Einführung schnell die Rolle des eigentlichen Oberschurken einnimmt) erscheint vom Skript in Sachen Sinn und Schlüssigkeit ein wenig vernachlässigt: Warum entführt er ein Mädchen, um Lösegeld von seinem eigenen Boss zu erpressen, wenn er tagtäglich von dessen Reichtümern umgeben ist und er sich eigentlich nur zu bedienen bräuchte?

Derartige Fragen darf man sich ruhig stellen, wirklich zielführend wäre das allerdings nicht. MANNAJA bezieht seinen Reiz nämlich weniger aus seiner Geschichte, sondern in erster Linie aus den aus ihr konstruierten Situationen und Stimmungen. Der Nihilismus feiert neue Triumphe im kargen Städtchen Suttonville, das hier als Schauplatz dient und in dem die Arbeiter in den Silberminen vom tyrannischen Großgrundbesitzer Ed McGowan (Philippe Leroy [→ MILANO KALIBER 9]) gnadenlos geknechtet werden. Dieser allerdings sieht sich selbst als gottesfürchtigen Menschen und lässt die Damen einer Schaustellertruppe, die ihm zu lockere Lebensauffassungen mitbringen (man könnte auch sagen: die ein wenig Freude ins Leben bringen könnten), öffentlich auspeitschen. Hintergangen wird er von seinem eigenen Helfershelfer Theo Valler (John Steiner [→ FLUCH DES VERBORGENEN SCHATZES]), der ihm erst das abgebaute Silber raubt, dann dessen Tochter, und schließlich dessen Status als örtlicher Alleinherrscher. Ein Tyrann wird ersetzt durch den nächsten, der sich dann als noch schlimmer als sein Vorgänger erweist. Ausgerechnet Schwerverbrecher Burt Craven (Donald O'Brien [→ LAUF UM DEIN LEBEN]), dem Mannaja zu Beginn so schwungvoll das Greifwerkzeug entfernte, scheint im Laufe der Ereignisse den Kreislauf der Niedertracht durchbrechen und Werte wie Mitleid und Menschlichkeit in Erinnerung rufen zu wollen. Aber sicher sein darf man sich da auch nicht, denn Vertrauen endet meist tödlich.

Das pessimistische Weltbild MANNAJAs wird unterstützt durch geschickte inszenatorische Raffinessen (wie eine Parallelmontage zwischen einer burlesken Tanzdarbietung und einem blutigen Massaker, bei der die im Kugelhagel sterbenden Personen ihr eigenes Todesballett aufs Parkett zu legen scheinen), fiese Foltermethoden (Mannaja wird bis zum Hals im Sand eingegraben und gezwungen, stundenlang in die gleißende Sonne zu starren) und Sequenzen wahrlich infernalischer Kaltblütigkeit (aufständische Arbeiter werden per MG-Beschuss gnadenlos niedergemäht). Dazu gesellen sich prominente Elemente wie Schlägereien im Schlamm, heulende Winde und kriechende Kälte. Nein, MANNAJA ist kein verspätetes Meisterwerk. Dazu bringt er zu wenig eigene Ideen und klare Linien mit. Aber er vereint nochmal all das, was Fans an einem Genre so liebten, bevor der Vorhang dann wirklich fiel. In hochwertiger Präsentation. Ziemlich geil, das Beil!

Laufzeit: 99 Min. / Freigabe: ab 18

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