Eigene Forschungen

Sonntag, 9. Februar 2020

NINJA-JÄGER


BLOOD DEBTS
Philippinen, Hongkong 1984

Regie:
Teddy Page

Darsteller:
Richard Harrison,
Jim Gaines,
Anne Jackson,
Ann Milhench,
Mike Monty,
Pat Andrew,
Willy Williams,
Tom Romano



Die Karriere des amerikanischen Schauspielers Richard Harrison ging endgültig den Bach runter, als er Mitte der 1980er Jahre eine verhängnisvolle Kollaboration mit dem chinesischen Regisseur Godfrey Ho einging. Dieser begann zu dem Zeitpunkt mit der Massenproduktion ultrabilliger Ninjafilme, wofür er Harrison als westliches Gesicht engagierte. Die Crux daran: Ho verwendete das gedrehte Material einfach mehrmals, lies es nach Lust und Laune umsynchronisieren und schnitt es auf zum Teil abenteuerlichste Weise in völlig andere Filme völlig anderer Leute. Die Resultate spotteten oft jeder Beschreibung; Harrisons Konterfei auf dem Cover wurde zum Kennzeichen für den Bodensatz an Videoschrott.

Dass er sein Ninja-Image danach nur schwerlich wieder loswurde, bewies unter anderem der deutsche Anbieter seines Rache-Reißers BLOOD DEBTS, der urplötzlich als NINJA-JÄGER in den hiesigen Verleihregalen stand – völlig ungeachtet der Tatsache, dass sich die gesamte Laufzeit über kein einziger Ninja in die Handlung verirrt und dementsprechend auch keiner gejagt werden kann. Aber offenbar waren ein paar findige Marketingstrategen der Ansicht, ein Richard-Harrison-Artefakt könne man unmöglich ninjalos unters Video-Volk jubeln, weswegen sie kurzerhand den wohl kühnsten Titelstunt des Jahres aufs Parkett legten. Da man dem geprellten Kunden aber nun noch irgendwie plausibel machen musste, warum die flinken Kämpfer hier durch allgemeine Abwesenheit glänzen, bat man das zuständige Synchronstudio um tatkräftige verbale Unterstützung. Und so kam es dann dazu, dass Harrisons Charakter jeden seiner Gegner völlig gegenstandslos als Ninja bezeichnet – obwohl kein einziger der Hampelmänner optisch wie verhaltenstechnisch auch nur in die Nähe eines solchen kommt. Das ist freilich ein Lacher vor dem Herren und lässt Harrisons Figur wie einen Vollidioten wirken.

Viel kaputtgemacht hat man damit allerdings nicht. BLOOD DEBTS war schon vor der Synchronisation lächerlich. Der hilflose Versuch, auf der damals grassierenden Selbstjustiz-Welle mitzuschwimmen, ist in Sachen Plot und Dialog von oft kindlicher Naivität, reiht talentfrei abgeschmackte Handlungs- und Figurenklischees aneinander und befindet sich insgesamt nur knapp über Amateurniveau. Je nach Fasson und Tagesform bietet die fröhliche Vergeltungskirmes für ein bestimmtes Klientel mit ausreichend Schmerzerfahrung natürlich gerade deswegen beste Unterhaltung. Vorhang auf also für NINJA-JÄGER – den ersten Ninjafilm ohne Ninjas!

Inhalt:

Ein Pärchen sitzt beim Picknick im Park. Motto des Tages: Romantik bei Butterbrot und Büchsenbier. Plötzlich knallt's, und der Korb explodiert. Der Grund offenbart sich umgehend: Fünf Strolche kriechen aus den Sträuchern, bewaffnet mit Gewehr und geilem Blick. Letzterer gilt selbstverständlich der weiblichen Ficknick... Picknickerin (Sarah), und damit keine Missverständnisse aufkommen, erklärt einer der Unholde dann auch gleich, worum es geht: „Das wird ne kleine Vergewaltigung." (Logisch! Vergewaltigungen am hellichten Tag pflegt man ja generell durch Salutschüsse anzukündigen.) Drei der Kerle machen sich über die Frau her, die beiden anderen verfolgen ihren Begleiter, der bereits die Beine in die Hand genommen hat. Ein paar Schüsse später ist der junge Mann tot – was seltsamerweise einen der Verfolger (Donny), dem eben noch die Mordlust aus dem geifernden Gesicht sprang, aus heiterem Himmel in helle Verzweiflung stürzt. „Du Idiot hast ihn erschossen, er sollte doch nur Angst kriegen“, schimpft er seinen Kumpanen aus, geht dann zur Leiche, stubst sie kurz an und meint dann fachmännisch: „Da haben wir's! Tot!“ (Nihil Baxter hätte im selben Tonfall noch hinzugefügt: „Das hab ich nicht gewollt. Das hab ich auch wieder nicht gewollt!!!!“) Während die Jungs noch beratschlagen, wie man mit dem Verblichenen umgehen solle (liegenlassen oder eingraben), rennt die nun ebenfalls flüchtende Sarah vorbei und bekommt gleichermaßen eine Ladung Schrot in den Rücken. Dessen gewahr wird ihr Vater Mark [Richard Harrison], der gerade aus dem Haus kam und nun verzweifelt versucht, fassungslos zu gucken. Wütend rennt er auf den Schützen zu, der nun wiederum auf ihn anlegt und abermals abdrückt. Mark fasst sich ans Auge, als hätte er ne Fliege reinbekommen, und geht stöhnend zu Boden. Dem plötzlichen Sensibelchen Donny platzt nun endgültig der Kragen: „Du Scheißkerl, warum musste das sein? Das sinnlose Töten... Das ist doch Mord!“ (Offenbar der Denker der Truppe.) Das Quintett kratzt die Kurve, obwohl Mark noch lebt (was kaum angehen kann, da er die Kugel ja offenbar ins Auge bekam – allerdings hat er nach Erwachen an der Stelle nicht mal nen Kratzer).

Ein paar Monate später kommt Mark auf die Idee, dass es das Klügste wäre, die Killer seiner Tochter kaltzumachen. Als erstes sucht er Donny auf (von dem er seltsamerweise die Adresse weiß) und zwingt ihn zu verraten, wo sich die restlichen Bandenmitglieder aufhalten. Anschließend arbeitet Mark die Liste wahrlich im Rekordtempo ab. Dem ersten verpasst er im Fitnesstudio ne Kugel („Mich hat noch kein Ninja geschafft.“), dem zweiten in dessen Wohnung („Dich habe ich schon erwartet, du Möchtegern-Ninja!“), den dritten an dessen Arbeitsplatz (ohne Ninja-Kommentar). Bevor er sich Nummer 4 vorknöpfen kann, werden zwei neue Charaktere eingeführt: der schurkische Bill [Mike Monty] und der korrupte Polizist Peter [Jim Gaines], die sich in einem Restaurant über den Fall unterhalten. „Ich will nur wissen, unter welchen Umständen die Jäger umgekommen sind“, meint Bill gerade und fügt in ausbaufähiger Grammatik hinzu: „Also, wer und warum hat er sie gekillt?“ Aha, die ermordeten Triebtäter hatten also offenbar für den halbseidenen Anzugträger gearbeitet. Peter verspricht, der Sache auf den Grund zu gehen und sucht die nächste Toilette auf. Nicht, weil das Essen so schlecht war, sondern weil jedes Kind weiß, dass die besten Informanten nur auf Männerklos zu finden sind. Tatsächlich steht da auch einer und weiß einfach alles – auch, dass der Rächer auf den Namen Mark Collins hört. Woher er dieses Wissen hat, wird nicht erklärt. Peter beschattet nun also Mark, der mitten in der Nacht spazierengeht. Plötzlich hört man weibliche Schreie. Im Park wird mal wieder vergewaltigt. Ein Mann fällt gerade über eine Frau her. Mark zieht den Revolver, knallt den Typen ab und schlendert wieder davon. Pete hockt hinter'm Baum, feixt sich eins und macht fleißig Fotos.

Die Diashow, die Pete in der nächsten Szene dem hochinteressiert dreinblickendem Bill präsentiert, kann allerdings unmöglich aus dieser einen Nacht stammen - und auch kaum ohne Wissen und Zustimmung Marks entstanden sein, denn dieser posiert mit seiner Knarre regelrecht auf den Bildern, zum Teil offenbar auch noch in seiner Wohnung. Mark hat indes Stress mit seiner Ehefrau, die auf die abstruse Idee kommt, der Fall sei bei der Polizei eventuell besser aufgehoben. Mark sieht das anders: „Die Polizei unternimmt nichts gegen die Mörder unseres Kindes. Diese Ninjas...!“ Nachdem Mark nebenbei noch ein paar Räuber gekillt hat als wär es nix, knöpft er sich endlich den letzten Mann der Tochtertöter-Truppe vor und bringt ihn vergleichsweise pfiffig ums Eck: durch einen explodierenden Golfball. „Mit dem Totschießen ist jetzt Schluss“, verspricht er im Anschluss seiner hocherfreuten Gattin. Aber so schnell geht man als Racheengel nicht in den Ruhestand, denn ab hier übernehmen Bill und Pete. Letzterer hat nämlich herausgefunden, dass Mark Vietnam-Veteran ist und eigentlich vorhatte, nie wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen. „Aber nun wurde seine Tochter umgebracht, zusammen mit ihrem Freund. Darin sehe ich den Grund für sein Verhalten.“ (Ein richtiger Schlauberger!) Was folgt, ist die sicherlich schönste Dialogszene des Films:

Bill:
„Angenommen, er fühlt sich im Recht ... Dann wäre er verrückt.“

Peter:
„Nein, Bill! Mark hat keinen Dachschaden. Er ist überzeugt, die Leute waren Ninjas. Diese Verbrecher hasste er. Er fühlt sich als Racheengel. Er hat die fixe Idee, alle Ninjas müssen weg.“

Bill (bierernst):
„Damit hätten wir eine Begründung der Morde.“

Nun sollte man ja eigentlich annehmen, dass jemand, der überall nur Ninjas sieht, erst recht nen Dachschaden hat, aber das ist natürlich nur eine Theorie. Und woher Peter plötzlich weiß, dass Mark die bösen Buben für Ninjas hielt, ist ebenfalls ein Mysterium, das nie aufgeklärt wird. Jedenfalls werben die Männer Mark nachfolgend für ihre Killerorganisation an – ein Angebot, dass er erst annimmt, als sie seine Frau entführen. Tötete Mark bisher im Alleingang, spickt er von nun an fremde Körper im Auftrag seiner neuen Bosse mit Blei. Bis er von ihnen verraten wird und den Spieß umdreht.

Kritik:

Bis das endlich passiert, prasselt allerdings noch sehr viel schlecht arrangierter Schuss- und Sprachaustausch auf den Betrachter ein, der zu dem Zeitpunkt natürlich ohnehin schon längst aufgegeben hat, etwas halbwegs Anständiges zu erwarten. BLOOD DEBTS wirkt von der ersten Sekunde an einfach wahnsinnig schäbig, sowohl die Optik betreffend als auch die tölpelhafte Regie, die völlig überfordert ist damit, die grobschlächtig hingerotzten Szenen in eine auch nur leidlich ansprechende Form zu bringen. Bereits der Beginn baut durch die unbeholfene Inszenierung mehr Komik als Spannung auf: So fliehen die ersten beiden Opfer vor der ruchlosen Vergewaltigungsbande in ausschweifend zelebrierter Zeitlupe, was als stilistisches Mittel natürlich völlig legitim ist. Nachdem der männliche Flüchtige jedoch erschossen wurde und seine Mörder bereits ewig palavernd um ihn herumstehen, meint einer von ihnen plötzlich: „Hey, das ist doch sein Mädchen!“ Und tatsächlich rennt besagte Dame just in diesem Moment aus dem Gehölz – witzigerweise aber immer noch in Zeitlupe. Da der Rest der Ereignisse natürlich in normalem Tempo abläuft, sieht es nun so aus, als sei das gar kein Stilmittel mehr, sondern einfach ihre ganz natürliche Laufgeschwindigkeit.

Ähnliche Patzer passieren auch später immer mal wieder (so erinnert sich Richard Harrison beispielsweise an Ereignisse, bei denen er gar nicht zugegen war), was einen immer wieder holzhammerartig daran erinnert, sich anstatt in einer möglichen Realität gerade lediglich in einem mies modellierten Möchtegernthriller zu befinden. Blaupause des blühenden Blödsinns war natürlich die erfolgreiche DEATH WISH-Reihe, deren Thema im Prinzip sogar recht originell variiert wurde. Die Idee, dass der Rachefeldzug der Hauptfigur schon nach kurzer Zeit abgeschlossen ist und sie ihre Morde nachfolgend im Auftrage einer ominösen Killerorganisation begeht, ist durchaus nicht dumm und böte eine Menge guter Möglichkeiten mysteriösen Nervenkitzels. Da man als Zuschauer aber schon von Anfang an weiß, wie der Hase hoppelt, und die Umsetzung der Geschehnisse zudem jeder Glaubhaftigkeit und Logik entbehrt, ballert man das eigene Potential gnadenlos in den Wind. Die Action ist wenig überraschend ähnlich unbeholfen umgesetzt wie der Rest und besteht fast ausschließlich aus dynamikfreien Schläger- und Schießereien, wobei man sich hin und wieder auch mal ne kleine Explosion gönnte (sprich: Geld in einen Feuerwerkskörper investierte). Der Gewaltgrad der Ereignisse ist dabei prinzipiell ziemlich hoch, und vielleicht könnte die hier vorherrschende Kaltblütigkeit sogar schockieren – sofern es denn irgendwie möglich wäre, das Gezeigte auch ernstzunehmen. BLOOD DEBTS spielt in einer Welt, in der am hellichten Tag und laufenden Band Leute vergewaltigt, erschlagen und erschossen werden, ohne dass es irgendjemanden interessieren würde. Dabei spielt das Ganze nicht mal in New York oder einer vergleichbaren Metropole, sondern in irgendeinem muffigen Kleinstadt-Kaff, von dem man auch fortwährend immer nur die selben drei Locations sieht.

BLOOD DEBTS beweist, dass der Niedergang der Karriere Richard Harrisons nicht nur Godfrey Ho geschuldet war. Ein begnadeter Mime war er freilich nie, aber derart lustlos wie hier sah man ihn zuvor selten. Allerdings hätte selbst ein Robert De Niro nur schwerlich gegen die Stupidität dieses ultrabilligen Raudaustücks anstinken können, so dass sich Harrisons hilflose Schauspielversuche hier doch ganz passend einfügen. Auch modisch begeht sein Mark Collins dabei so einige Schwerverbrechen. Den versifften Trainingspullover, den er hier fast permanent spazierenträgt, wird er doch wohl hoffentlich zwischen den Morden auch mal gewaschen haben. Aber vermutlich kann man sich noch glücklich schätzen, dass er nicht in fleckiger Jogginghose auf Schurkenjagd ging. Etwas Stimmung kommt dann gegen Ende auf, wenn Mark eine extradicke Wunderwumme in die Hände fällt und er beginnt, auf dem Anwesen der Verbrecher klar Schiff zu machen (wie wunderbarbar diese Waffe funktioniert, erkennt man daran, dass man damit einfach nur auf den Boden ballern muss, woraufhin alle jene, die zufällig gerade in der Nähe des Einschlagloches stehen, schlagartig tot umfallen, ohne überhaupt getroffen worden zu sein). Aber auch dieses große Finale wird nicht vollends ausgespielt und bricht quasi mitten im Gefecht per dreistem Standbild ab. Somit endet BLOOD DEBTS genauso unbefriedigend wie er begann. Ein paar Ninjas hätten vielleicht noch was retten können.

Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ab 18

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