Eigene Forschungen

Montag, 9. Dezember 2024

DER SHOGUN UND SEIN SAMURAI


SANADA YUKIMURA NO BORYAKU
Japan 1979

Regie:
Sadao Nakajima

Darsteller:
Hiroki Matsukata,
Kinnosuke Yorozuya,
Minori Terada,
Teruhiko Aoi,
Hiroyuki Sanada,
Chiezô Kataoka,
Midori Hagio,
Tatsuo Umemiya



Inhalt:

17. Jahrhundert: Nach der Schlacht von Sekigahara ist Fürst Tokogawa Ieyasu [Kinnosuke Yorozuya] der mächtigste Mann Japans. Das von ihm installierte Shōgunat agiert als unantastbare Zentralregierung, der sich alle Fürstentümer unterwerfen müssen. Widerstand gegen die Herrschaft regt sich u. a. im Clan der Toyotomi, der auf Burg Ōsaka residiert. Zu den Vasallen Toyotomis gehört auch die Familie Sanada. Als deren Oberhaupt Masayuki [Chiezô Kataoka] einem Mordanschlag Tokogawas zum Opfer fällt, läuft dessen Sohn Nobuyuki [Tatsuo Umemiya] zu Tokogawa über. Sein Bruder Yukimura [Hiroki Matsukata] jedoch, motiviert auch durch den Freitod seiner Frau Aya [Midori Hagio], strebt nach Vergeltung und rekrutiert aus arbeitslosen Schwertkämpfern und heimatlosen Ninjas eine Gruppe von Rebellen.

Kritik:

SHOGUN ASSASSINS beginnt im Weltraum. Aus allerlei astralen Blitz- und Lichteffekten formiert sich final ein seltsamer, rot glühender Brocken, der kurz darauf Kurs auf die Erde nimmt – genauer gesagt in Richtung von Schloss Nagoya, wo zu diesem Zeitpunkt Fürst Tokogawa Ieyasu verweilt, um sich bei Sushi und Sake von seinen Gefolgsleuten Honig ums Maul schmieren zu lassen. Den Tumult, den das Auftauchen des Himmelskörpers verursacht, nutzt ein vermummter Attentäter, um sich ins Schloss zu schleichen, mit dem Ziel, Tokogawa des Nachts einen Kopf kürzer zu machen – ein Plan, der zu gelingen scheint: Just, als das geheimnisvolle Gestirn auf der Erde aufschlägt, bekommt der schlafende Shōgun die Klinge eines scharfen Schwerts zu spüren. Dessen Besitzer ist Kirigakure Saizō [Minori Terada], einer der Gefolgsleute der vom Fürsten verstoßenen Sanada-Familie, der am Folgetag herausfinden muss, dass er getäuscht wurde und lediglich einen Doppelgänger getötet hat. Tokogawa ist weiterhin Alleinherrscher über Japan und der Kampf geht weiter.

Dieser ungewöhnliche Auftakt, bei dessen ersten Bildern man sich fragt, ob man sich buchstäblich im falschen Film befindet und zufällig bei so etwas wie STERNENKRIEG IM WELTALL gelandet ist, steht exemplarisch für die experimentelle Attitüde des Werks, das nicht nur verschiedene Genres kreuzt, sondern dem Publikum auch eine wilde Mixtur aus historischen Fakten und heißblütiger Fiktion serviert. Denn während Shōgun Tokogawa Ieyasu, sein Widersacher Sanada Yukimura und auch viele andere Figuren tatsächlich existierten, ist der Ninja Kirigakure Saizō eine reine Sagengestalt, die seit Urzeiten in unterschiedlichen Interpretationen durch die japanische Popkultur geistert. SHOGUN ASSASSINS ist am Ende mehr Fantasy als Geschichtsstunde und kokettiert damit auch sehr offenherzig. Regisseur und Co-Autor Sadao Nakajima [→ OKINAWA YAKUZA WAR] webt aus Wahrheit und Folklore die spinnerte Fabel einer Widerstandsgruppe, an deren Spitze der von Rache und Trauer getriebene Samurai Sanada Yukimura steht.

Einer seiner Rekruten ist Sasuke Sarutobi, ebenfalls eine legendäre, vor allem in Mangas und Animes immer wieder gern verwendete fiktive Figur, die für gemeinhin als Superhelden-Ninja beschrieben wird und auch hier tüchtig vom Leder ziehen darf: Sasuke kann Wirbelstürme heraufbeschwören, sich in Feuerbälle verwandeln und durch kreiselartige Drehbewegungen vom Boden abheben, um seine Gegner in der Luft zu verwemsen. Warum er das nicht immer macht, um seiner Truppe zum Sieg zu verhelfen, sondern mit seinen Fähigkeiten unnötig haushält, ist eine offensichtliche Schwäche des Drehbuchs, das man diesbezüglich besser nicht auf Nachvollziehbarkeit abklopft. Im Großen und Ganzen ziehen Sanada und seine Mannen nämlich doch sehr weltlich gegen den Feind zu Felde: mit Kanonen, Schwertern und Sprengstoff. In einem der besten Momente leiten die Rebellen Öl in einen Bach, der am Munitionslager Tokogawas vorbeifließt, um es dann zu entzünden, was in einem visuell aparten Flammenmeer mündet, das zahlreiche Miniaturbauten eindrucksvoll in Mitleidenschaft zieht.

Action-Attraktionen wie diese sind in den satten zweieinhalb Stunden Laufzeit allerdings eher rar gesät. Viel Raum bekommt dafür der Dialog, der Konflikte und Interessen der einzelnen Parteien nachvollziehbar machen soll. Das geht freilich nicht immer ganz so locker runter wie das Öl, das erfolgreich das feindliche Lager infiltriert, sondern gestaltet sich bisweilen etwas zäh, da allein schon die Personaldichte dezent überfordernd wirkt: Unzählige Charaktere werden per Texteinblendung vorgestellt, aber sich zu merken, wer jetzt welchen Namen trägt und welchen Rang er bekleidet, ist schon eine ziemliche Mammutaufgabe. Viele der zwischenmenschlichen Zwiespälte sind zudem eng verwoben mit Epoche und Kultur, was das Begreifen diverser Krisenherde nicht unbedingt erleichtert. Es ist erstaunlich, wie bodenständig und authentisch SHOGUN ASSASSINS dadurch wirkt, zumal überraschend viel auf tatsächlichen Begebenheiten beruht. So unterdrückte der echte Tokogawa Ieyasu mit aller Gewalt das Praktizieren des Christentums, hier portraitiert am Beispiel der koreanischen Christin Julia Ota [Yôko Akino], die ebenfalls wirklich existierte und von Tokugawa ins Exil geschickt wurde. Und wie in der Realität geschehen, findet Tokugawa auch hier einen fadenscheinigen Grund (eine angebliche Beleidigung als Inschrift auf einer Glocke), um die Verbliebenen des Toyotomi-Clans anzugreifen und die Machtverhältnisse zu klären.

Akkurates Historienkino ist SHOGUN ASSASSINS dennoch nicht – und das nicht nur, weil der geschichtlich verbürgte Ausgang der Ereignisse zum Finale ohne Not neu gedichtet wird. Die Historie dient als Basis für eine Vermengung mit Mythologien, Fabeln und Esoterik, wobei der bierernste, bodenständige Duktus niemals verlassen wird. Da können dann auch ohne Probleme mal Ninja-Nonnen das Parkett betreten, ohne dass es auffallend albern wirkt. „Wir wurden Ninja-Nonnen“, erklärt die Mutter Oberin da ganz gewichtig, „die im ganzen Land ihre Körper gegen Informationen verkauften.“ Ja, in der Tat: Es sind Ninja-Nonnen-Nutten! Und dass der Shōgun-Armee halluzinogene Drogen in die Getränke gemischt wurde, woraufhin diese während der Schlacht nen totalen Film schiebt, ist nun ganz gewiss ebenso wenig überliefert wie der Umstand, dass sich der letzte Überlebende am Ende in einen Felsbrocken verwandelt und ins Weltall fliegt.

Wer die deutsche Fassung von SHOGUN ASSASSINS gesehen hat, der reibt sich ob dieser Worte vermutlich verwundert die Augen. Weltall? Drogen? Meteore? Überlänge? Was? Verständlich, denn was in Deutschland als DER SHOGUN UND SEIN SAMURAI ankam, ließ sage und schreibe 70 Minuten Material vermissen. Die Überbleibsel des Ganzen kann man gepflegt in der Pfeife rauchen. In einem Affenzahn wird da von Szene zu Szene gesprungen; die ausführlichen Vorstellungen der einzelnen Widerstandskämpfer, die im Original alle eine einleitende Episode spendiert bekamen, fehlen ebenso, wie jedwede Anspielung auf magische oder esoterische Elemente, wodurch auch fast alle der tollen visuellen Effekte gnadenlos eliminiert wurden. Komplexere Sachverhalte hat man ebenfalls ohne Rücksicht auf Verluste herausgeschnitten und/oder wegsynchronisiert, bis von der ursprünglichen Idee wirklich rein gar nichts mehr übrig war. Da nutzen auch die professionellen Stimmen (wie Elmar Wepper oder Christian Tramitz) nichts mehr. Aus dem experimentellen Epos wurde ein zusammenhangloses Fragment, das das eigentliche Werk nicht einmal mehr erahnen lässt.

Die unangetastete Version hingegen ist fraglos einen Blick wert. Nicht ohne Längen und zwischenzeitlich wohl etwas arg verlabert und schwerfällig erzählt, sticht SHOGUN ASSASSINS aufgrund seiner Verschrobenheit und seines visuellen Einfallsreichtums doch sehr angenehm aus der Masse heraus. Und wer genau aufpasst, erkennt als einen der Ninja-Rebellen den Schauspieler Hiroyuki Sanada, dem später eine beachtliche Hollywood-Karriere zuteilwurde. Interessantes Detail: Gut 45 Jahre später spielte Sanada in der Serie SHOGUN den Fürsten Toranaga – dessen reales Vorbild Tokogawa Ieyasu war. Hiroyuki Sanada jagt hier also quasi sein zukünftiges Selbst. Da ist sie wieder, die Esoterik.

Laufzeit: 148 Min. / Freigabe: ungeprüft

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