Eigene Forschungen

Freitag, 7. Februar 2020

WU KUNG, HERR DER BLUTIGEN MESSER


MO GUI TIAN SHI
Hongkong 1973

Regie:
Lo Lieh

Darsteller:
Lo Lieh,
Grace Tong,
Fong Yau,
Tien Feng,
Ma Chien-Tang,
Michael Chan Wai-Man,
Chen Chun,
Wu Ma



Inhalt:

Weil Tong-Sen [Lo Lieh] so eine harte Kelle schlägt, wird er von einer Gangsterbande angeheuert, ihr bei einem Geldraub zu helfen. Trotz anfänglicher Zweifel nimmt er den Job an. Unmittelbar nach getaner Arbeit jedoch bekommt er von seinen Kumpanen eins auf die Zwölf. Der so Gelackmeierte geht erst zu Boden und dann mehrere Jahre in den Knast. Nach seiner Entlassung ist Tong-Sen immer noch ziemlich sauer und stattet seinen damaligen Komplizen nach und nach sehr kurze und sehr schlagkräftige Hausbesuche ab.

Kritik:

WU KUNG, HERR DER BLUTIGEN MESSER! Herr im Himmel, was für ein Titel! Ein ganz und gar wundervolles Beispiel für die damalige Kreativität deutscher Verleihfirmen, die eingekaufte Massenware immer wieder als die größte Sensation aller Zeiten anpriesen und sich mit griffigen Titeln und Werbezeilen regelrecht überschlugen. Dass diese zum Teil sehr abenteuerlichen Elaborate häufig gar nicht zum Inhalt passten, war dabei zweitrangig. So gibt es dann auch bei DEVIL AND ANGEL (wie das Teil total langweilig im englischen Raum heißt) weder blutige Messer, noch werden sie von irgendjemandem beherrscht. Und ein irgendwie gearteter Herr Kung ist auch weit und breit nicht zu sehen. Stattdessen bekommt man es hier mit Gelegenheitsgauner Tong-Sen zu tun, dargestellt vom recht bekannten Kampf- und Schauspielkünstler Lo Lieh. In Indonesien zur Welt gekommen, dann nach China übergesiedelt, ging Lo erst durch die Shaw-Brothers-Schule und agierte für das berühmte Studio in knalligen Kung-Fu-Reißern wie ZHAO – DER UNBESIEGBARE, bevor er schließlich seine eigene Produktionsfirma aufmachte und mit dem vorliegenden WU KUNG sein Regiedebüt gab. Für eine Premiere ist das Gebotene zwar akzeptabel, verausgabt hat er sich bei dem Job allerdings dennoch nicht. Vor allem im Vergleich zu seinen vorherigen Arbeiten mit den Shaw Brothers wirkt dieses ideen- und innovationslose Rachegeschichtchen doch reichlich jämmerlich. Das Skript, von Lo gemeinsam mit Chiu Kang-Chien [→ TI LUNG – DUELL OHNE GNADE] ebenfalls höchstpersönlich aus der Taufe gehoben, definiert das Wort „Ökonomie“ regelrecht neu und setzt selbst im nicht gerade als komplex verschrienen Knochenbrecher-Genre mutige Maßstäbe in Sachen Simplizität.

Ein Mann wird gelinkt, wandert in den Knast, kommt wieder raus und nimmt Rache. Mann für Mann. Schlag auf Schlag. Die Ursuppe der Selbstjustiz. Schmeckt nur etwas abgestanden, weil der narrative Pfeffer fehlt. Die Handlung wird nämlich stur nach Schema F abgearbeitet – mit Ausnahme des Endes vielleicht, das in seiner unerwarteten Wucht und Kompromisslosigkeit im krassen Kontrast zum Restprogramm steht. Nun ist es ja per se kein Unglück, wenn speziell Action- und Rachefilme sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren und keine allzu großen Umwege machen. Aber die uninspirierte Erzählweise WU KUNGs wirkt doch arg ungelenk und haut einem dabei auch immer wieder auffallende Plausibilitätsversäumnisse an den Kopf. So hat Tong-Sens Verlobte von dessen immerhin 5-jährigen Gefängnisaufenthalt gar nichts mitbekommen – was nicht unbedingt für eine funktionierende, auf beiderseitigem Interesse beruhende Beziehung spricht. Und nachdem Tong-Sen aus einem bedauernswerten Handlanger herausgepresst hat, wo sich dessen Boss aufhält, geht er im Anschluss zunächst grundlos nach Hause und eilt erst (und damit unnötig verspätet) zur frisch erfolterten Adresse, als er von der Entführung seiner Verlobten erfährt. Dazu gesellen sich mehrere Handlungsstränge, die mit großem Trara begonnen werden und dann einfach im Nichts verlaufen: Als der Protagonist nach vielen Jahren Zuchthaus seinen Vater aufsucht, stellt er fest, dass dieser mittlerweile erblindet ist. Tragisch, gewiss! Da allerdings sowohl die Erblindung als auch der Erblindete selbst nachfolgend gar keine Rolle mehr spielen, ist die ganze Episode eigentlich obsolet – und taugt nicht mal als brauchbarer Mordlustmotivator für den Protagonisten, da dessen Blutwurst-Plan ohnehin schon beschlossene Sache war. Etwas später kommt wie aus dem Nichts ein nie zuvor erwähnter Kumpel Tong-Sens herbeigeeilt, um ihn vor einer nahenden Gruppe gewaltgeilen Gesindels zu warnen. Diese taucht dann auch auf wie bestellt, aber sein eben erst eingeführter Freund versichert ihm, er könne ruhig die Flatter machen, er würde die Bande schon übernehmen. Das tut er dann auch, und nachdem er die halbseidene Brut vorschriftsmäßig vermöbelt hat, verschwindet der ominöse Raufkumpan für immer aus der Geschichte.

Das klingt nun alles ziemlich schlecht. Ist es aber gar nicht. Zumindest nicht gefühlt. Denn WU KUNG läuft trotz seiner Defizite doch sehr geschmeidig runter. Entgegen kommt ihm dabei die extrem kurze Laufzeit von gerade mal 70 Minuten, die dafür Sorge trägt, dass so etwas Ähnliches wie Langeweile gar nicht erst aufkommen kann. Das Tempo ist enorm hoch, der Rhythmus angenehm rasant, der Look von schicker Schäbigkeit, und der lässige 70er-Jahre-Stil lässt wohlig das Wohnzimmer vibrieren. Die Kämpfe gefallen durch ihre rüde Auf-die-Fresse-Mentalität und kümmern sich nicht um irgendwelche ausgefeilten Choreographien. Hier wird einfach nur rabiat gerangelt, bis eine der beiden Parteien entweder die Segel streicht oder den Löffel reicht. Der funkige Soundtrack ist zwar frech von größeren (und ungleich bekannteren) Werken rüberkopiert (dieses Mal unter anderem von SHAFT), passt aber stets punktgenau und gibt der Nummer den nötigen Schmiss. Auch der deutlich von James Bond inspirierte Vorspann kommt extrem cool. Lo Lieh [→ TSCHANG FU – DER TODESHAMMER] gibt den Rächer irgendwo zwischen Charles Bronson und Terence Hill und wirkt weniger wie eine reelle Person als viel mehr wie der cartooneske Held eines Groschenromans. Als Oberschurke (und damit natürlich auch Endgegner) sieht man Fong Yau [→ JEN KO – IN SEINEN FÄUSTEN BRENNT DIE RACHE], während Grace Tong (die mit Lo Lieh im Folgejahr auch noch THE CONCRETE JUNGLE drehte – und danach dann gar nichts mehr) für die typische Frauenrolle eines solchen Beitrags zuständig ist und damit in erster Linie dazu dient, sich zappelnderweise entführen zu lassen. Unterwegs begegnet der kung-fu-film-kundige Konsument auch noch vertrauten Gesichtern wie Tien Feng [→ DRAGON LORD] oder Wu Ma [→ TI LUNG – DIE TÖDLICHE KOBRA].

Das Finale beschenkt einen dann noch mit einer grandios rumpeligen Autojagd, in der zwei schrottige Nuckelpinnen im Schneckentempo versuchen, sich gegenseitig das Wasser abzugraben. Und zu all dem gesellt sich zum krönenden Abschluss noch eine deutsche Synchronfassung, die – wie zu der Zeit nicht unüblich – zusätzlich noch mal einen draufsetzt und herrlich schnodderige Dialoge serviert wie: „Verschwinde! Das Gemüse da mache ich allein fertig.“ - „Hoffentlich! Und knall den Brüdern von mir nen schönen Gruß in die Schnauze!“ Das alles ist schon schwer unterhaltsam und macht tüchtig Laune. Genre-Fans und -Affine verschwenden ihre 70 Minuten mit WU KUNG, HERR DER BLUTIGEN MESSER daher gewiss nicht sinnlos.

Laufzeit: 73 Min. / Freigabe: ab 18

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