Eigene Forschungen

Montag, 29. Juli 2024

KÜSS MICH, MONSTER


BÉSAME, MONSTRUO
BRD, Spanien 1967

Regie:
Jess Franco

Darsteller:
Janine Reynaud,
Rosanna Yanni,
Chris Howland,
Adrian Hoven,
Michel Lemoine,
Manuel Velasco,
Manolo Otero,
Jess Franco



Inhalt:

Diana [Janine Reynaud] und Regina [Rosanna Yanni], die gemeinsam das Detektiv-Duo Rote Lippen bilden, sind nicht wenig überrascht, als eines Tages ein junger Bote vor der Türe ihres rustikalen Domizils steht, um ihnen ein Notenblatt zu überreichen. Ehe er erklären kann, was es damit auf sich hat, kippt er tot um. Grund dafür: vermutlich das Messer, das jemand in seinen Rücken geschleudert hat. Das Lied, zu dem die Noten passen, wurde komponiert von einem gewissen Professor Bertrand, dessen Spuren die beiden Damen aufgrund beruflicher Neugierde nun folgen. Das führt sie zur spanischen Insel Lo Pagan, wo sie erfahren, dass der Gesuchte seit einiger Zeit vom Erdboden verschwunden zu sein scheint. Um weitere Informationen zu erhalten, suchen sie jetzt dessen Frau auf, aber diese haucht just bei Ankunft ebenfalls gerade ihr Leben aus. Doch damit nicht genug: Eine mysteriöse Vereinigung maskierter Kuttenträger nimmt Kontakt zu den Roten Lippen auf und beauftragt sie damit, eine Formel zu finden, die der Professor an einem geheimen Ort versteckt hat. Liegt die Lösung des Rätsels in der Komposition Bertrands?

Kritik:

KÜSS MICH, MONSTER ist die Fortsetzung der kuscheligen Krimi-Kuriosität SADISTEROTICA und entstand, obwohl erst mit beträchtlicher Verspätung veröffentlicht, gleich nach Fertigstellung ihres Vorgängers. Und das merkt man auch, geht die wonnige Urlaubs-Wohlfühl-Atmosphäre doch nahezu nahtlos weiter, als wäre sie eigentlich niemals weg gewesen. Tatsächlich wirkt alles so arglos und tiefenentspannt, als habe man sich nach Ende der originalen Dreharbeiten dazu entschlossen, die Kamera einfach noch ein paar Tage länger laufen zu lassen und Teil 2 kurzerhand dazuzuimprovisieren. Aber natürlich stimmt das nicht, hinter der Arbeitsweise stecken ernüchternd freudlose Zahlenspielereien: Wenn man Cast und Crew schon einmal vor Ort hat, ist es schlichtweg kostenschonender, sie gleich für zwei Beiträge einzuspannen, sofern ein Erfolg berechenbar ist. Und da Regisseur Jess Franco für seine Sparfuchs-Mentalität bekannt war und seine Ware zur Not bereits für ein paar warme Mahlzeiten in den Kasten kurbeln konnte, war die Gefahr eines Verlustes denkbar gering.

Es geht sogar die Sage, beide Teile wurden gar nicht hintereinander gedreht, sondern parallel, sprich: Die erste Hälfte des Tages agierte man für die eine Nummer, die nächste dann für die andere, weswegen die Darsteller bisweilen unmöglich hätten garantieren können, für welches Werk sie sich denn eigentlich gerade die Gesichtsmuskeln verbiegen. Franco bestritt dieses Vorgehen zwar später, aber am Ende ist es eh wurscht. Wusste man die Qualitäten SADISTEROTICAs zu schätzen, fühlt sich KÜSS MICH, MONSTER nämlich an wie ein Wiedersehen mit guten, alten Bekannten, sind sie doch quasi alle wieder da, in unveränderter Frische und Form: Janine Reynaud und Rosanna Yanni geben wieder die Roten Lippen und Chris Howland hampelt sich abermals als Interpol-Agent durch die Szenerie. Manolo Otero und Michel Lemoine lassen sich dazu ebenso wieder blicken wie Produzent Adrian Hoven und Regisseur Jess Franco persönlich - zwar teilweise zwangsläufig in anderen Rollen als noch im Vorgänger, aber geändert hat sich dennoch nichts.

Der Aufhänger der Geschichte ist dabei durchaus geglückt und erinnert gar an ein prototypisches Sherlock-Holmes-Abenteuer: ein Bote mit Messer im Rücken, eine ominöse Partitur, die offenbar eine verschlüsselte Nachricht enthält, sowie eine mysteriöse Formel, die so wertvoll zu sein scheint, dass gleich mehrere Parteien für sie buchstäblich über Leichen gehen. Aber wo Arthur Conan Doyle seinen Helden als eine Ausgeburt an Logik beschrieb, die zwischen jedem Ereignis und jeder Erkenntnis hoch konzentriert zwingende Zusammenhänge eruierte, handelt und reagiert hier wirklich niemand in irgendeiner Weise nachvollziehbar und schüttelt sich Eingebungen und Reaktionen stattdessen leger aus dem Ärmel. Das fängt schon bei den beiden hauptrollenden Detektivinnen an, die darauf, dass ihnen zum Auftakt direkt ein toter Mann durch die Türe vor die Füße fällt, reagieren, als soeben lediglich der Kleiderständer umgestürzt. Eine Prüfung, ob der arme Kerl womöglich noch zu retten wäre, entfällt komplett, da zumindest eine der Damen es für wichtiger hält, stattdessen ein paar Takte auf der Klampfe zu zupfen – hatte ja immerhin Notenblätter dabei, der Verblichene. Anschließend entsorgen die beiden den Leichnam dann in den Tiefen der See, als hätten sie etwas mit der Tat zu tun und müssten nun Beweismittel beseitigen.

Es ist nicht der letzte Akteur, der direkt vor den Augen der Protagonistinnen per Dolchwurf den Löffel reicht. Tatsächlich kippt fast jeder, der er wagt, mit dem Duo ein paar zarte Worte zu wechseln, kurz darauf tödlich getroffen vornüber. Einer davon ist Jess Franco höchstselbst, der sich hier als klassischer „Informant“ verkleidet hat: Sonnenbrille drauf, Glimmstängel drin, stets nervös von einem Bein aufs andere hüpfend, lässt er sein brandheißes Info-Material nicht etwa direkt an Ort und Stelle vom Stapel, sondern trifft sich erst in extra-einsamer Umgebung, da man sich dort ja viel besser killen lassen kann. Sein Abgang ist dann auch ganz besonders gelungen: Kaum getroffen reißt er theatralisch die Arme gen Himmel, stürzt in Richtung der Detektivinnen und lässt sich von ihnen in schwungvoller Darbietung auffangen. Das ist logisch gedacht: Wenn man schon frühzeitig abtreten muss, dann doch bitte mit zwei Schönheiten im Arm. Wie schon die Male davor machen die Damen danach nicht die geringsten Anstalten, den Attentäter – der sich der Logik nach ja immerhin in Wurfweite befinden muss - mal zu fassen und kommentieren das unfreiwillige Ableben ihres Gegenübers lieber mit: „Ich glaub, der hat was mit der Atmung.“

Gerade diese kindliche Unbekümmertheit ist es, die KÜSS MICH, MONSTER so attraktiv und liebenswert macht. Spannend im klassischen Sinne ist das freilich nicht – zumal die Präsentation auch arg verwirrend geriet, wenn oft bar jeder Erklärung von einer Szene zur nächsten gesprungen wird. Da sieht man Reynaud und Yanni dann schon mal in irgendwelchen Nachtclubs in Männer-Montur Saxophon spielen, ohne Montur die Hüften schwingen und in sonst irgendeiner Form durch verruchte Etablissements schwofen. Das ist natürlich in erster Linie dazu da, die Laufzeit zu strecken, kommt aber stets stilvoll und elegant des Wegs. Am eigentlichen Fall jedoch, so schält sich schnell heraus, haben weder Jess Franco noch seine Story-Konstrukteure ein gesteigertes Interesse, obwohl es eigentlich sogar recht stringent beginnt. Bald aber werden alle naslang neue Beteiligungsparteien aus dem Hut gezaubert, deren Sinn und Zweck oft zweifelhaft sind. So stoßen die Protagonistinnen u. a. auf ein Kuttenträger-Kollektiv, das sich bei der Auswahl seiner Garderobe offenbar vom Ku-Klux-Klan beraten ließ, zwei amazonenartige Zimtzicken mit geräuschintensiver Dschungelimitation auf der Terrasse, die ihre Gegner am liebsten in Käfige sperren, einen halbseidenen Anzugträger, der ein herrisches Arschloch-Kind im Schlepptau hat, das sich „Señorita Yolanda“ nennt und offenbar den Ton angibt, einen klassischen verrückten Wissenschaftler, der in einem Klischee-Labor zwischen Reagenzgläsern mit wild blubberndem Inhalt in toten Körpern herumstochert, und schließlich diverse muskelbepackte „Supermenschen“, die sich mittels Tierlauten verständigen und das zweifelhafte Resultat unmoralischer Forschungsarbeit darstellen sollen.

Das alles ist enorm verwirrend zusammenmontiert und obwohl teils ausufernd parliert wird, erschließen sich viele Zusammenhänge schlichtweg nicht. Vermutlich, weil es keine gibt. Gerade dieses Fehlen klarer Strukturen jedoch sorgt für eine höchst angenehme Atmosphäre, die so wohl nur Jess Franco kreieren konnte. Abseits jeglicher Vernunft entspinnt sich ein herrlich absurdes Spionage-Abenteuer zwischen Sandstrand, Swimming-Pool und Striptease-Bar, das sich dem Augenblick hingibt und nie den schnöden Zwängen normierter Narration unterwirft. Urgemütlich ruckert und tuckert alles vor sich hin, wie die riesigen Zahnräder, die am Ende zu des Rätsels Lösung führen. Der Unterhaltungswert ist überraschend hoch, die Optik edel, die Landschaft augenschmeichelnd eingefangen, die Ausstattung todschick und der Sound dazu ungeheuer schmissig. Reynaud und Yanni in den Hauptrollen bestechen durch eine fabelhafte Chemie, verstehen sich, trotz gelegentlicher Neckereien, großartig und gehen dieses Mal auch ganz schön rabiat vor, wenn sie ihre Widersacher per Maschinenpistole niederstrecken als wär es nix. Ist es eigentlich auch, denn der Gegner legt sich einfach hin, völlig unblutig, wie damals im Sandkasten. Alles hier ist nur ein großes, teils seltsames, aber stets sehr erquickliches Spiel.

Die Kritiken dazu sind und waren stets vernichtend. Aber man muss schon ausgesprochen miesepetrig sein, um KÜSS MICH, MONSTER nicht zu mögen. Die Unbeschwertheit, in der hier traumartig von Station zu Station getänzelt wird, ist pure, angenehme Alltags-Zerstreuung, fabelhaft unterfüttert von der spritzigen Synchronisation Gert-Günther Hoffmanns, die wahrscheinlich mit dem Champagnerglas in der Hand entstanden ist. Man muss das Monster ja nicht gleich küssen. Aber so eine kleine Jess-Franco-Sterbe-Umarmung sollte doch wohl drin sein. Hoch die Hände!

Laufzeit: 80 Min. / Freigabe: ab 18

Dienstag, 23. Juli 2024

SADISTEROTICA


EL CASO DE LAS DOS BELLEZAS
Spanien, BRD 1967

Regie:
Jess Franco

Darsteller:
Janine Reynaud,
Rosanna Yanni,
Adrian Hoven,
Chris Howland,
Michel Lemoine,
Marcelo Arroita-Jáuregui,
Manolo Otero,
Jess Franco



Inhalt:

Diana [Janine Reynaud] und Regina [Rosanna Yanni], zwei als nicht gerade als hässlich zu bezeichende Frauen, bilden unter dem Namen „Rote Lippen“ ein ziemlich unkonventionelles Detektivduo. Eines Tages bekommen sie von dem Anwalt Radek [Adrian Hoven] den Auftrag, eine verschwundene Tänzerin zu suchen. Radek glaubt, sie auf einem aktuellen Gemälde des geheimnisvollen Künstlers Claus Tiller erkannt zu haben. Diana gibt sich als Dame von Welt aus, besucht eine der Ausstellungen Tillers, bezirzt den Ausstellungsleiter und lädt ihn zu sich nach Hause ein, um ihm nutzbringende Informationen zu entlocken. Doch noch bevor letzteres passiert, wird er von Unbekannt mittels eines Blasrohrs ins Jenseits befördert. In einer Bar schafft es Regina schließlich doch, den scheuen Künstler Tiller kennenzulernen. Und dieser sieht in ihr das perfekte Modell für sein nächstes Werk.

Kritik:

Jess Franco schlägt wieder zu und entführt sein Publikum in seine spezielle Filmwelt, in der eigene Gesetze gelten.

Der am 12. Mai 1930 in Madrid geborene Regisseur pflegte zeit seines Lebens einen sehr eigenwilligen, oft als provokativ und kontrovers aufgefassten Stil und erkundete gern Themen wie Sexualität, Gewalt und Tabus. Da er sich dabei häufig surrealer Elemente und experimenteller Techniken bediente (nicht selten bei minimalistischem Budget), manchmal mehrere Werke pro Jahr vom Stapel ließ und bei seiner Inszenierung Schwerpunkte auf Dinge setzte, die der Masse meist unverständlich erschienen, gilt er bei vielen Kritikern als talentloser Stümper, während andere gerade diese aufrührerische Andersartigkeit zu schätzen wissen.

Beim vorliegenden SADISTEROTICA hat man es im Grunde mit der Jess-Franco-Version des Klassikers AUGEN DER ANGST zu tun. Allerdings sollte man sich weder davon noch von dem martialischen deutschen Titel in die Irre führen lassen. Denn obwohl der Verleih sich redlich Mühe gab, das Werk als sadismusgetränkte Ausbeutungsorgie zu verkaufen, handelt es sich doch um ein erstaunlich seichtes Krimi-Abenteuer mit einer Extra-Portion entspannten Urlaubsflairs. Das weibliche Detektiv-Duo bildet dabei eine willkommene Abwechslung zu den überwiegend männlichen Kollegen, die zum Produktionszeitpunkt auf der Leinwand Ermittlungsarbeiten leisteten und dabei – dem Zeitgeist entsprechend - meist arg machohaft agierten. Dass Diana und Regina in erster Linie ihre optischen Reize einsetzen, um erfolgreich zu sein, trägt fraglos auch chauvinistische Züge, aber da hier alles so sagenhaft sorglos und unbekümmert daherkommt, tut das niemandem weh.

Dabei scherten sich alle Beteiligten keinen Deut um solch langweilige Dinge wie Logik, Sinn oder Nachvollziehbarkeit. Gesetze von Zeit und Raum scheinen nicht mehr existent, werden wild durcheinander gewürfelt und neu geordnet, das Regelwerk plausibler Narration dient lediglich als Anregung, nicht als erdrückende Doktrin. Stattdessen herrscht eine zwanglose und stilvolle Lässigkeit, die die Zeit auf hochangenehme Weise vertreibt. Zu Beginn spricht eine der Damen sogar einmal kurz in Richtung Kameramann, er möge bitte doch etwas näher heranfahren, da man ansonsten ja ihre Brüste sähe. Schon hier wird klar, dass alles, was folgt, eher spielerisch zu verstehen ist und keinerlei Anspruch auf Realitätskompatibilität erhebt. Spannung im klassischen Sinne existiert daher auch nicht, sogar Momente, aus denen man prinzipiell etwas Derartiges hätte herausholen können, wirken locker-flockig aus der Hüfte geschossen. Generell ist der Fall der verschwundenen Tänzerin auch wenig aufregend, da selbst dem unbedarften Zuschauer eigentlich von Beginn an klar ist, wie alles zusammenhängt und wer dahintersteckt.

Ein paar Nebelkerzen werden dennoch gezündet, wenn weitere Verdächtige eingeführt werden. Wie der junge Charmeur Vittorio (gespielt von Manolo Otero), der arg unmotiviert die Detektei der Damen betritt, um von ihnen auf Anhieb flachgelegt zu werden. Freilich lediglich, indem sie ihn statt einer ordentlichen Begrüßung auf den Boden schmettern – könnte ja schließlich der Mörder sein, und ohnehin kann man ja nie vorsichtig genug sein. Offenbar gefiel dem Herren diese Behandlung aber außerordentlich, verbringt er doch die meiste folgende Zeit damit, den Ladys auf Schritt und Tritt nachzusteigen, was diese allerdings prinzipiell nicht unangenehm zu finden scheinen. Am Ende enttarnt sich der Schurke dann ziemlich unspektakulär einfach selbst, was aber nur völlig Merkbefreite überrascht. Denn dass einer der Beteiligten sich eine zweite Persönlichkeit zulegt hat, ließ sich durch die spärliche Maskerade kaum verdecken. Dass man besagter Person zudem eine der markantesten Synchronstimmen des Universums in den Mund legte, war freilich auch nicht sonderlich hilfreich dabei, das Publikum zu täuschen. Und dass auch das Motiv der Untat lediglich Mittel zum Zweck ist und sich ebenfalls allgemeiner Schlüssigkeit verweigert, ist dementsprechend natürlich kaum die Fußnote wert.

Fast ein wenig aufdiktiert wirken bei all der launigen Wohlfühlattitüde die wenigen spekulativen Elemente. So hält sich der Unhold zwecks Entführung junger, argloser Frauen ein behaartes Untier namens Morpho, das wohl Werwolf-Assoziationen wecken soll, in Wahrheit aber aussieht, als sei jemand an dem Versuch gescheitert, sich zum Schulball als Wolverine zu verkleiden. Ein paar zahn- und harmlose Striptease-Nummern in loungiger Club-Atmosphäre gibt es ebenfalls noch zu vermelden, aber die bringen nun auch keine Hose zum Platzen. Trotz dieses leichten Dralles zur Unmoral ist SADISTEROTICA am Ende beinahe familienfreundlich, ist er doch viel näher an der Komödie als an allem anderen. Wie sonst soll man sich die Besetzung Chris Howlands als Inspektor erklären, der sich zwecks Tarnung auch schon mal als „Bond! James Bond!“ vorstellt. Und auch die Synchronisation nahm die Sache nicht ganz so ernst und gibt sich – wie für diese Zeit üblich – betont lässig. Als der Nachtwächter eines Museums (gespielt von Jess Franco persönlich) gefragt wird, ob der weibliche Eindringling auch ordentlich Holz vor der Hütte hatte, erwidert dieser lapidar: „Wissen Sie, ich hab schon lauter gelacht!“ Und als der schleimige Schönling Vittorio in einer eigentlich völlig überflüssigen Szene in einem Restaurant auftaucht, um ein schräges Liedchen zu trällern, nuschelt einer der Gäste am Bildrand völlig zu Recht: „Der sieht von mir keinen Peso!“

Das irrationale Handeln der Figuren findet indes seinen Höhepunkt, als die schönen Detektivinnen aus heiterem Himmel beschließen, Urlaub in Ankara zu machen. Kaum liegen die Grazien am Strand (eine davon in einem selten abenteuerlichen Badeanzug), kommen auch schon die ersten Bekannten vorbei: Als Erstes kommt Vittorio, um die beiden wieder mal ordentlich zu hofieren. Und es dauert ungelogen keine drei Minuten, da sind alle wichtigen Personen wieder da: der Maler Claus Tiller, der Inspektor, und auch Morphorine schaut bald wieder unheilvoll zum Fenster rein. Die Welt ist ein Dorf - erst recht im Werk Jess Francos, für dessen Zugang das hier die perfekte Einstiegsveranstaltung ist. SADISTEROTICA ist eine fröhliche filmische Wundertüte für alle, die eine nostalgische Abkehr von gängigen Sehgewohnheiten wünschen, ein von geschmeidiger Easy-Listening-Musik getränkter Griff in die Kuriositätenkiste, ein vor Charme strotzendes Krimi-Vergnügen ohne jeden Anspruch (außer an den der guten Unterhaltung), das man besten direkt mit Cocktail serviert. Prost!

Laufzeit: 79 Min. / Freigabe: ab 18

Mittwoch, 17. Juli 2024

KÄPT'N RAUHBEIN AUS ST. PAULI


KÄPT'N RAUHBEIN AUS ST. PAULI
BRD 1971

Regie:
Rolf Olsen

Darsteller:
Curd Jürgens,
Heinz Reincke,
Johanna von Koczian,
Herbert Fleischmann,
Sieghardt Rupp,
Elisabeth Flickenschildt,
Angelika Ott,
Christine Schuberth



Inhalt:

Als Käpt’n Jolly [Curd Jürgens], genannt "Rauhbein", verfrüht von einer Reise nach Hause kommt, um seine Frau (Fraubein?) zu überraschen, ist er selbst überrascht, denn die Gute teilt sich gerade das Bett mit jemandem, der nicht er ist. Flunschig packt er seine Sieben Sachen zusammen, um die untreue Gemahlin für immer zu verlassen. Das führt zu einem Handgemenge im Treppenhaus und dieses wiederum mündet in einem tödlichen Sturz der Gattin durchs Geländer. Nachdem Jolly von jeder Schuld freigesprochen wurde, verlässt er seine Heimatstadt und sticht mit seinem Vertrauten Kniehase [Heinz Reincke] wieder in See. Als sie in einer obskuren Bananenrepublik landen, wollen sich die korrupten Behörden auf Anhieb die Fracht unter den Nagel reißen. Nach einer zünftigen Keilerei geht es für Jolly und Kniehase direkt in den Knast, wo immerhin auch die attraktive Ärztin Andersen [Johanna von Koczian] agiert. Eben jene aber wird – gemeinsam mit ein paar knackigen Kolleginnen – alsbald von einer bewaffneten Gaunerbande entführt und in einer Dschungelfestung zwecks Lösegelderpressung gefangengehalten. Jolly, für den die Flucht aus dem Kittchen natürlich ein Kinderspiel war, organisiert unversehens eine hauseigene Rettungsmission, für die er auch seinen alten Kumpel Nico [Herbert Fleischmann] ins buchstäbliche Boot holt.

Kritik:

Bereits die Inhaltsangabe deutet dezent das Defizit der von Autor und Regisseur Rolf Olsen selbstsicher auf den Weg gebrachten Sause an: Episodenhaftigkeit! Schon das einleitende Ereignis spielt für den Rest eigentlich gar keine Rolle, denn warum Käpt’n Jolly (was für ein Name!) in die Ferne schweift, ist völlig egal und hätte im Prinzip gar keiner Erklärung bedurft. Aber gut, dass sie trotzdem da ist, sorgen so doch schon die ersten Minuten für die Art von angenehmer Heiterkeit, die das launige Seemannsgarn die folgenden 80 Minuten noch begleiten wird. Allein der enttäuschte Gesichtsausdruck Jollys, nachdem er sein Weib in flagranti ertappt hat, ist reines Schauspiel-Gold. Bockig wie ein kleines Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat, packt er im Anschluss seine Tasche und schmettert mit missmutiger Miene alles rein, was er gerade so findet: Hier mal ne Socke, dort mal ein Büchlein, egal, kann man ja alles irgendwann mal brauchen. „So lass ich mich von dir nicht abschieben“, kolportiert die Gattin daraufhin vor der Wohnungstür, woraufhin Jolly sie kurzerhand sehr wohl abschiebt. Direkt über das Geländer nämlich, in des Treppenhauses triste Tiefen. Aber kein Problem: Schon in der folgenden Szene bescheinigt ihm das Gericht, völlig unschuldig am Tode der Dame zu sein. Nur stimmt das eben gar nicht, wie das Publikum ja gerade eben erst hochpersönlich miterleben durfte. Da kaum anzunehmen ist, dass Olsen hier einen ambivalenten Charakter erschaffen wollte, der die Schuld eines ungerechtfertigten Freispruchs mit sich herumtragen muss, ist die Szene vermutlich einfach nur ungeschickt inszeniert, aber ein unglücklicher Unfall sieht nun mal definitiv anders aus.

Von Belang ist dieser Vorfall, wie gesagt, später ohnehin nicht mehr, wird der Schauplatz doch alsbald verlassen, wenn Jolly & Crew in See stechen, um in fernen Gefilden neue Abenteuer zu erleben. Der Titel erweist sich somit im Prinzip als Mogelpackung, denn wer halbseidene Geschäfte auf sündiger Meile erwartet, hat das Nachsehen. Lediglich besagte Eröffnung bietet ein paar Hamburg-Bilder, danach glänzt die Hansestadt durch Abwesenheit. Wo genau die nachfolgenden Ereignisse dann eigentlich stattfinden sollen, wird indes vage gehalten - vielleicht sogar, um etwaigen Beschwerden aus dem Weg zu gehen. Jedenfalls stranden Jolly und seine Mannen in einem zwielichtigen Dschungelstaat, der vor Klischees nur so trieft und wohl genauso aussieht, wie Papa Piefke sich damals die weite Welt vorgestellt hat: exotische Wälder, rassige Weiber, korrupte Bullen und grobschlächtiges Ganoventum an jeder Straßenecke. Als anständiger Deutscher (von denen es hier merkwürdigerweise nur so wimmelt) kann man sich da nicht einmal in Ruhe die Puschen überziehen, ohne dabei überfallen oder sonstwie drangsaliert zu werden. Im Nullkommanix legt sich der Kapitän darum auch mit den böswilligen Behörden an, die ihn postwendend gesiebte Luft atmen lassen. Macht aber nix, denn auf lächerlich kindliche Art und Weise kann er auch schon wieder entkommen. Sowohl der Grund für die Inhaftierung als auch der Umstand, dass Jollys Kollege Kniehase sich eine ganze Wagenladung Medikamente unter dem Hintern hat wegklauen lassen, werden allerdings irrelevant, sobald ein Trupp Krankenschwestern von einer Räuberbande entführt und gefangengehalten wird. Kaum anzunehmen, dass Jolly sich auch so ins Zeug gelegt hätte, eine Befreiungsaktion anzuleiern, wären da ein paar bierbäuchige Mandolinenspieler hopps genommen worden, aber bei einer Schaar attraktiver Arzthelferinnen sieht die Sache natürlich schon wieder ganz anders aus.

Bis die Damen tatsächlich rausgehauen werden, vergeht allerdings noch einiges an Spielzeit, die mit ähnlich elliptischen Erlebnissen angereichert wurde, wie es bisher der Fall war. Stringentes Erzählen ist KÄPT’N RAUHBEIN VON ST. PAULIs Stärke nicht, aber das macht auch nichts. Denn die unbeschwert-naive Art der Präsentation hält das Stimmungsbarometer ständig oben. Das liegt vor allem an dem Star der Show, denn natürlich dreht sich hier alles um Curd Jürgens, einem der wenigen deutschen Schauspieler, denen auch internationale Aufmerksamkeit zuteil wurde. Jürgens agiert hier in einem solch unerschütterlichen Selbstbewusstsein, dass man direkt neidisch werden könnte. Denn eigentlich ist der Gedanke, ausgerechnet so einen zur sakralen Heldenfigur zu machen, völlig absurd. Das fängt schon bei der Optik an, gibt der Käpt’n doch nur ein wenig heroisches Erscheinungsbild ab, um nicht zu sagen: Er läuft in der Regel rum wie der letzte Penner. Siffig und ungepflegt, sichtbar abgehalftert und den Zenit schon seit längerer Zeit überschritten, markiert er trotzdem ständig den Dicken, weiß immer alles besser, motzt und schimpft (so nach dem Motto: „Nein, nein, so geht das nicht! Du musst das alles ganz anders machen!“) und wird dafür auf Schritt und Tritt mit zufliegenden Frauenherzen belohnt. So erklärt sich in Nachhinein wohl auch sein anfänglicher Freispruch: Wäre das Urteil anders ausgefallen, hätte er die Richter vermutlich zurechtweisen müssen. In einer Kaschemme stimmt der Kapitän schließlich sogar ein Seemannslied an („Überall ist es schön auf der Welt“), was von den Gästen pflichtschuldig mit urdeutschem, den Takt zuverlässig verfehlendem Mitgeklatsche quittiert wird. Dass Jürgens dabei rüberkommt wie der Klassenbeste kurz vor der Abschlussprüfung zum Vollzeit-Alkoholiker, verwundert kaum. „Die knackigsten Arschbacken von Buenos Aires bis Alaska!“, grölt er beim Anblick der hüftenschwingenden Damenschaft, und wer würde es wagen, seine Expertise anzuzweifeln? Als Ober-Arschbacke kennt man schließlich seine Pappenheimer!

Jürgens’ proletenhaftes Auftreten ist hier tatsächlich die halbe Miete, und das wussten wohl auch die Macher. So schrieben sie, als ihnen wirklich gar nichts anderes mehr einfiel, eine weitere, inhaltlich völlig belanglose Episode ins Skript, in der Jolly sich auf einem Luxusdampfer als Stewart ausgibt und die feine Gesellschaft am laufenden Band durch derbes Spruchgut und ungehobelte Manieren verschreckt. Hier findet auch anderweitig der humoristische Höhepunkt statt, wenn der Käpt’n eine junge Dame vor dem Todesbiss einer Tarantel bewahrt. Gut, zumindest soll es eine Tarantel sein oder etwas Artverwandtes. Da die gesamte Belegschaft aber offenbar Bammel davor hatte, sich beim Dreh mit einem echten Achtbeiner anzulegen, behalf man sich mit einer Attrappe, die selbst bei gestandenen Arachnophobikern akuten Niedlichkeitsalarm auslösen dürfte. Respekt geht raus an die (natürlich halbnackte) Schauspielerin, die die ganze Zeit so tun muss, als befalle sie tatsächlich waschechte Panik, wenn ihr der putzige Plüsch-Polyp über das aparte Bäuchlein bummelt. Natürlich obliegt es Herrn Rauhbein höchstpersönlich, hier zu intervenieren und, während dem Rest der Welt gebannt der Atem stoppt, den kuscheligen Krabbler gaaaaaaaanz vorsichtig auf den eigenen Handrücken zu bugsieren, mit ihm hochkonzentriert zur Rehling zu schleichen und ihn dort schließlich mit erlösender Geste den Weiten des Meeres zu überantworten. Der heilige Ernst, mit dem Jürgens diese durchsichtige Lachnummer spielt, ist ein echter Brüller und verortet KÄPT’N RAUHBEIN endgültig im Bereich der unfreiwilligen Komödie.

Dass sich an Bord des Schiffes auch ausgerechnet einer der Rädelsführer der Entführerbande befindet, liegt dann nicht etwa an Kunst und Können Käpt’n Rauhbeins, sondern ist bloßer Zufall. Jolly kommt ihm eigentlich auch gar nicht wirklich auf die Schliche, er mutmaßt einfach – ohne jeden Anhaltspunkt – besagter Herr könne doch etwas mit dem Verbrechen zu tun haben. Bingo, so ist es dann auch! Die sich anschließende Befreiungsaktion ist die einzige wirkliche Action-Sequenz KÄPT’N RAUHBEINs und miserabel in Szene gesetzt. Vor allem der Kapitän fällt auf durch alberne Aktionen ohne Sinn und Verstand. In einer Szene steht eine Flasche in der Gegend rum, auf deren Etikett jemand mit Filzstift „Salzsäure“ geschrieben hat, was schon ziemlich lustig ist. Bei Helge Schneiders 00 SCHNEIDER stand auf der Zeitung ja schließlich auch „Zeitung“. Seltsamerweise geht es nach dem vermeintlichen Finale noch eine ganze Weile weiter, wenn man sich mit den befreiten Ladys durch den mit Archivaufnahmen bevölkerten Dschungel schlägt. Irgendwann, nach der überraschenden Enttarnung eines weiteren Übeltäters, ist es dann aber tatsächlich vorbei (der Schurke stellt sich am Ende übrigens selbst – der Käpt’n hat nichts zur Überführung beigetragen und dieses Mal noch nicht einmal was gemutmaßt).

Obwohl die Nummer somit schließlich doch ein paar Minütchen zu lang geriet, ist die kolportageartige Abenteuer-Kriminal-Melange ein ziemlich launiges Feierabendprogramm. Curd Jürgens stiehlt allen die Schau, während Heinz Reincke als sein vermeintlich komischer Kompagnon so nervig geriet, dass man ihn fürs letzte Drittel aus der Handlung schrieb. Schade, dass die Veranstaltung trotz einiger reißerischer Elemente insgesamt doch ziemlich brav und bieder geriet. Dabei hatte man schon gute Zutaten zur Hand; Abenteuer-, Gangster-, Söldner- und Frauenknast-Motive fließen fröhlich ineinander. Aber am Ende bleibt es dann doch eher familienfreundlich. Zumindest an die Action jedoch hätte man gern jemanden ranlassen dürfen, der sich mit sowas auskennt.

KÄPT’N RAUHBEIN AUS ST. PAULI - die feudale Filmwerdung des fleckigen Feinripp-Unterhemds. Ahoi und Alaaf!

Laufzeit: 91 Min. / Freigabe: ab 16

Donnerstag, 11. Juli 2024

DIE BESTIE AUS DEM WELTRAUM


LA BESTIA NELLO SPAZIO
Italien 1980

Regie:
Alfonso Brescia

Darsteller:
Sirpa Lane,
Vassili Karis,
Lucio Rosato,
Umberto Ceriani,
Maria D'Alessandro,
Giuseppe Fortis,
Dada Gallotti,
Robert Hundar



Der Weltraum. Unendliche Oberweiten!

1980 befand sich der gemeine Kinogänger – STAR WARS sei Dank! - im Sternenfieber. Zahlreiche Nachahmer des als Science-Fiction deklarierten Fantasy-Märchens buhlten, mal mehr, mal weniger ambitioniert, um die Gunst des Publikums. Der italienische Regisseur Alfonso Brescia [→ 100.000 VERDAMMTE DOLLAR], der sich Zeit seiner Karriere vollkommen dem Kommerz verschrieben sah, stellte sich da die Frage, mit welchem kassenträchtigen Element man eine obligatorische All-Saga denn wohl verknüpfen könnte, um noch mehr Zahlungswillige ins Lichtspielhaus zu locken. Dann die Erkenntnis! Klar: Rudelbumsen!

So oder so ähnlich dürfte es sich wohl zugetragen haben, bevor Brescia zusammen mit seinem Mitstreiter Aldo Crudo [→ WENN DU KREPIERST, LEBE ICH] diesen crudon kruden Hybriden aus Kosmos-Kokolores und Schmuddelgeknuddel zu Papier brachte, in Szene setzte und unter dem Titel LA BESTIA NELLO SPAZIO auf die arglose Menschheit losließ. Der deutsche Titel dieses Universums-Unikums ist dabei zwar überraschend nah am Original, aber deutlich inspirierender ist fraglos die Alternative, die einem bei der zu Grunde liegenden Kopie per ungefragter Einblendung offeriert wird: Tier im Raum. Das ist natürlich noch viel, viel besser und erweckt auf Anhieb anregende Assoziationen zu einer elitären Kunst-Installation, bei der die Gäste mit von der Sektflöte abgespreiztem Finger Sachen sagen wie: ‚Faszinierend, wie das Fehlen jeglicher Bedeutung uns zur Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz zwingt.‘ - ‚Gewiss doch, Gutester! Wobei in der Akzeptanz dieser Leere natürlich auch eine gewisse Freiheit liegt‘.

Aber am Ende hat man es dann eben doch nur mit DIE BESTIE AUS DEM WELTRAUM zu tun, jenem schreiend schäbigen Science-Ficktschön-Cocktail, bei dem die Dialoge so klingen:

„Wie heißt du denn, himmlische Vision?“ - „Ich bin Sandra und wer bist du?“

Inhalt und Kritik:

Prämisse: In der Zukunft der Menschheit ringen zwei mächtige Fraktionen um die Vorherrschaft im Weltraum, die Galaktische Flotte und die Handelsföderation. Das klingt zwar episch wie Sau, hat am Ende jedoch die Dramatik eines Sandkasten-Gekabbels um das schönere Förmchen.

Ein schönes Förmchen hat fraglos auch Sirpa Lane [→ PAPAYA], welche hier als Sandra Richardson (oder Sondra im Original, die deutsche Fassung nahm ihr ein o und gab ihr ein a) die weibliche Hauptrolle geben darf - und das definitiv nicht wegen ihres schauspielerischen Talentes. Denn eigentlich – und daraus wird im Prinzip auch kein Geheimnis gemacht - zielt DIE BESTIE AUS DEM WELTRAUM von Beginn an auf primitive Triebe ab, weswegen sich auch jede Figur früher oder später einmal mehr oder weniger motiviert aus ihrer Pelle schälen darf.

Zumindest zum Auftakt bemüht man sich immerhin noch, dabei trotzdem auch so eine Art Geschichte zu erzählen – und das sorgt tatsächlich für gute Laune, da es von vergnüglichen Stereotypen nur so wimmelt. Die schmierige Spelunke, die der männliche Protagonist, der vom gebürtigen Griechen Vassili Karis [→ SABATA KEHRT ZURÜCK] verkörperte Raumschiffkapitän Larry Madison, gleich nach Verklingen des Vorspanns betritt, macht jedenfalls schwer was her und auch ein wenig Hoffnung: Auch in ferner Zukunft wird es sie also noch geben, diese schummerigen Hafenkneipen, in der Betrunkene sich aufs Maul hauen, während gelangweilte Weibchen im Eck auf den dümmsten Anmachspruch warten.

Exakt auf diese Weise lernen sich der Käpt’n und Sandra hier dann auch kennen - wobei er ihr Herz vor allem dadurch erobert, dass er den Kontrahenten um ihre Gunst kurzerhand K.O. schlägt. So etwas lässt natürlich nicht nur Knie weich werden, weswegen es auch bereits den ersten Beischlaf zur Folge hat, der allerdings noch relativ züchtig bebildert ist, obwohl der Kollege an der Kamera schon fleißig Brust-, Po- und Schambereiche ins Visir nimmt.

Diese Eröffnungsveranstaltung porträtiert schon ganz gut, wie viel DIE BESTIE AUS DEM WELTRAUM mit Subtilitäten am Hut hat. Nämlich gar nichts. Frauen wirken wie Flittchen oder Huren, während Männer meist wie grobschlächtige Cowboys ohne Rücksicht auf Renommee und Verlust durch die Gegend holzen. Vassili Karis ist als Käpt’n Madison vermutlich das, was man bekommt, wenn man Burt Reynolds bei Wish bestellt, wohingegen Sirpa Lane bereits diesen verderbten Blick draufhat, der annehmen lässt, sie wäre eigentlich viel lieber als Matratze zur Welt gekommen. Ein perfektes Paar also, dem es quasi vorherbestimmt war, in den Federn zu landen. Wie sehr die beiden füreinander geschaffen sind, merkt man übrigens direkt nach erfolgter Kopulation, als Sandra dem Kapitän erstmals von dem eigenartigen Traum berichtet, den sie regelmäßig hat und in dem sie von einem unheimlichen Verfolger durch den Wald getrieben wird. Das nimmt ihren Bettgenossen dermaßen mit, dass er noch während der spannenden Erzählung sanft ins Reich des Schlafes hinübergleitet. Hoffentlich träumt er wenigstens gut.

Bevor es dem Publikum noch ähnlich ergeht, bringen Brescia und Crudo lieber ein bisschen Schwung in die Bude. So wird auf dem weitestgehend unerforschten Planeten Lorigon das Element Autalium entdeckt, was einen Bergungs-Wettlauf beider eingangs erwähnten Parteien zur Folge hat. Denn wer das Autalium kontrolliert, kontrolliert das Universum. Seitens der Galaktischen Flotte wird Käpt’n Madison für diese Mission abkommandiert, der nicht schlecht staunt, als ihm gewahr wird, dass sich seine Vorabend-Eroberung Sandra ebenfalls unter den Crew-Mitgliedern befindet. Wahrlich ein Traumpaar also, das sich nie gesucht und dennoch gefunden hat und nun mit ein paar anderen Knallchargen ähnlichen Kalibers ins All geschossen wird, um das Schicksal der Welt zu bestimmen.

Das Ziel, der Planet Lorigon, entpuppt sich nach der Landung als ein Hort der Skurillitäten, obwohl er zunächst nur aus ein paar Birkenwäldern zu bestehen scheint. Schon hier läuten beim aufmerksamen Betrachter die Alarmglocken, sieht die Landschaft doch haarklein so aus wie in Sandras Alpträumen. Allerdings kommt die Crew beim anschließenden Wandertag durch die Botanik auch mindestens fünf Mal am selben Baum vorbei, eventuell hatte man also schlichtweg gar nicht die Genehmigung, an anderer Stelle auch noch was drehen zu dürfen. Dafür gönnte man sich allerdings eine Archivaufnahme, die für den wohl kuriosesten Moment des Szenarios herhalten darf: So hält die Besatzung beim ziellosen Herumstromern zwischendurch mal kurz inne und beobachtet fasziniert zwei Pferde, von denen das eine das andere … nun ja … bespringt. Diese Ansicht scheint zumindest die anwesenden Weiber derart in Wallung zu versetzen, dass sie direkt damit anfangen, mit apathischer Miene ihre körpereigenen Rundungen abzutasten – wobei allerdings auch die Herren plötzlich ganz glasige Blicke bekommen. Am meisten Augen aber macht an dieser Stelle das Publikum, denn die knatternden Klepper sind derart dilettantisch zwischen die Bilder kopiert (im falschen, zusammengestauchten Format nämlich), dass man zur Annahme gezwungen ist, der dafür Verantwortliche habe selbst gerade ein paar Rundungen abgetastet, wenn auch ganz sicher nicht die vom Schneidepult.

Egal, die Schau muss weitergehen und das tut sie auch, wenn die Crew schließlich ein schlossähnliches Domizil entdeckt, in welchem sie nach Betreten und Ohnmachtsanfall einen Mann kennenlernt, der sich ganz bescheiden als „Onaf, Herrscher des Kontinents“ vorstellt und der – schau an, schau an! - der Typ aus Sandras Träumen ist. Dieser, gespielt vom hünenhaften Robert Hundar [→ DER MANN MIT DER KUGELPEITSCHE], klärt die Neuankömmlinge erst einmal über die Verhältnisse auf Lorigon auf: Ein gigantischer Computer namens Zocor hat den gesamten Planeten unterworfen und eine Herrschaft des Terrors errichtet („Er ist so mächtig, dass er in der Lage ist, zu seinem Vergnügen unseren Planeten quer durch den Kosmos zu jagen.“). Seine Kraft bezieht er aus dem Element, dessentwegen man vor Ort ist: Autalium. Dieses kann allerdings nicht nur alten Schaltkreisen neuen Schwung verleihen, sondern mittels seiner Strahlung auch den Alterungsprozess der Bevölkerung verhindern („Mein derzeitiges Alter ist 800 Jahre.“ - „Hochachtung!“).

Genug geredet! Jetzt wird gepimpert! Onaf scheint nämlich großer Fan des berühmt-berüchtigten Kaisers Caligula zu sein, weswegen er Heim und Kleid auch bereits den Look spät-römischer Dekadenz verpasst hat. Irgendwas war wohl im Alkohol, denn unvermittelt folgt dem Vorbild entsprechend eine ausufernde Matratzensport-Orgie, die, je nachdem, welche Version man erwischt hat, mal mehr, mal weniger explizit zelebriert wird. Und während auf Lorigon der Knutsch- und Knettag eingeläutet wird, bewahrheitet sich dann endlich auch Sandras Alptraum, entpuppt sich Onaf unter seiner Tunika doch als Satyr, also als Mischwesen aus Mensch und Ziegenbock. Getrickst wurde das auf dem Wege des geringsten Widerstands, indem man Herrn Hundar einfach die olle Zottelhose nebst Ziegenhuf-Clogs übergestreift hat. Und da Sandra ja genügend gute Gründe braucht, um vor dem Wesen durch den Wald zu fliehen, pappte man ihm final noch eine monströse Pimmel-Prothese in den Schritt. Was eine griechische Sagengestalt bei einer perniziösen Penetrations-Parade zwischen pseudorömischem Putz auf einem fernen Planeten verloren hat? Vermutlich nix. Aber man ist ja kein Fachmann.

Die plötzlichen Porno-Anwandlungen stehen der BESTIE AUS DEM WELTRAUM nicht wirklich gut zu Gesicht. Wer Schmuddelware will, der greift auch zu solcher und will dabei nicht von Raumschiffen und freidrehenden Super-Computern belästigt werden. Und wenn man auf billigen Sci-Fi-Schlonz abfährt, ist grenzwertiges Genital-Algebra nun auch nicht unbedingt das, was einem gerade noch zum großen Glück gefehlt hat. Viel zu lang dauert zudem das unappetitliche Rudel-Gerödel und irgendwie erholt sich das Machwerk danach auch nicht mehr so wirklich davon, obwohl man immerhin noch eine satte Viertelstunde Mumpitz vom Stapel lässt. So kämpfen die Helden gegen die Goldmänner, die Bytegarde des Rechner-Verbrechers, die aussehen, als habe man ein paar Oompa Loompas aus Charlies Schokoladenfabrik entführt, per Streckbank großgezogen und golden angemalt. So bewegen die sich dann auch. Dazu werden Lichtschwerter gezückt, die wer weiß woraus bestehen. Licht ist es nicht. Aber es scheint gutes Material zu sein, immerhin kippt der Gegner selbst dann noch aus den Latschen, wenn man kilometerweit daneben keult. Und natürlich taucht pünktlich zum Finale auch noch der diktatorische Daddelkasten höchstpersönlich auf, ist dann aber doch nicht viel mehr, als nur ne bessere Brotdose auf zwei Beinen. Das alles und noch viel mehr nur hier und heute bei: Tier im Raum!

Am Ende macht die Nummer dann weitaus weniger Spaß, als es eigentlich der Fall sein müsste. Immerhin wird hier schon alles Mögliche aufgefahren, um den Interessenten bei der Stange zu halten: bunte Plastikbauten, die so tun, als seien sie voll futuristisch, Laserpistolen, die gar nicht schießen können (wofür zum Ausgleich allerdings ein gelbes Lämpchen aufleuchtet), Birkenwäldchen, die einem als ferne Vegetationen verkauft werden, dazu wirklich niedliche Raumschiffmodelle, Höhlenkulissen und Badekappen als Helmersatz. Und die latexartigen Ganzkörperkondome, die hier als Raumanzüge herhalten müssen, wären garantiert der Knaller auf jeder Fetisch-Party. Dennoch ist es etwas ernüchternd, wie wenig Brescia & Co. hier eigentlich zu erzählen haben. Woher Sandras Wahrträume, immerhin einer der Neugierde schürenden Aufhänger zu Beginn, denn nun eigentlich rührten, wird z. B. niemals aufgeklärt – wie so ziemlich alles, was anfangs zumindest halbgar etabliert wurde, schließlich sang- und klanglos im Sande verläuft. So wird auch der prinzipiell nicht uninteressante Wettlauf um die seltene Substanz später vollkommen vergessen, um stattdessen unansehnliche Reproduktionsgymnastik in den Fokus zu rücken.

Für gute Laune sorgen wiederum die vielen Statisten, die an Deck der Raumschiffe hilflos im Hintergrund herumlaufen und schlichtweg nicht wissen, was sie tun sollen, sowie die deutsche Synchronisation, die eigentlich Asynchronisation heißen müsste, passt das gesprochene Wort doch nicht für fünf Lira auf die Lippen. Dafür seiern die Protagonisten ständig Quatsch raus wie „Bist du besoffen?“, „Ich muss kotzen!“ oder „Let’s go!“

Let’s go!

Laufzeit: 94 Min. / Freigabe: ungeprüft

Freitag, 5. Juli 2024

DAS BLUT DER ROTEN PYTHON


TIAN LONG BA BU
Hongkong 1977

Regie:
Pao Hsueh-Li

Darsteller:
Danny Lee,
Tanny Tien,
Lin Chen-Chi
Shih Chung-Tien,
Chiang Tao,
Keung Hon,
Wai Wang,
Norman Tsui



DAS BLUT DER ROTEN PYTHON spielt im (fantastischen) China des 11. Jahrhunderts und startet mit zartem Geschmuse zwischen Mann und Frau. Harmoniebedürftige sollten diesen Moment gleich doppelt genießen, denn bei allem, was danach kommt, haben Romantik und Zärtlichkeit Feierabend. Bereits wenige Minuten nach dieser trauten Eröffnung liegt jede Eintracht in Trümmern: Als die Dame ihrem Herzensherren eröffnet, sich in anderen Umständen zu befinden, druckst dieser doch arg herum und fragt, was denn ihr Ehemann dazu sagt. „Mein Mann ist seit drei Monaten mit den Fürsten in den Südprovinzen“, erklärt sie. Doch kaum ist der Satz verklungen, haut’s mit Schmackes die Tür aus den Angeln und der Gehörnte steht höchstpersönlich in der Kemenate. Südprovinzen Pustekuchen! Recht ungehalten ob des erfolgten Verrats zückt der ungebetene Gast sein Schwert, um seinen Nebenbuhler noch an Ort und Stelle zu perforieren. Dieser rettet sich durch einen beherzten Sprung durchs Fenster, woraufhin der Kampf im Garten ausgetragen wird. Und dann passiert natürlich genau das, was in solchen Momenten immer passiert: Der Angegriffene hält inne, konzentriert sich und schießt aus seinem Zeigefinger einen Laserstrahl hervor, der dem Kontrahenten behende die Kniescheiben zu Brei brutzelt.

Moment mal, was???

Ja, es passiert tatsächlich. Man kann DAS BLUT DER ROTEN PYTHON sicherlich viel vorwerfen. Vorhersehbarkeit gehört nicht dazu. „Kannst du dich nur durch Zauber wehren?“, fragt das am Boden liegende Opfer. „Das ist kein Zauber“, klärt ihn der gegnerische Gattinbestäuber arg besserwisserisch auf. „So kämpft der Clan der Tuan seit uralter Zeit, das solltest du wissen.“ Ach so … Wenn besagter Clan das schon immer so gemacht hat, dann sind Feuerstöße aus Fingerkuppen natürlich völlig normal und unzauberhaft. Auch dem Ehemann erscheint diese Argumentation offenbar etwas suspekt, versucht er doch, sich mit einem Satz über die Mauer in Sicherheit zu bringen. Aber sein Widersacher hat Blut geleckt und strahlt dem Flüchtigen auf bewährte Art und Weise kurzerhand beide Beine ab. Und als wäre das noch nicht genug der Aufregung, taucht plötzlich eine weitere Frau auf, die sich ohne jede falsche Scham als des Strahlemanns Verlobte vorstellt, der seine Geliebte daraufhin ganz zwanglos in die Wüste schickt, die den beiden infolgedessen ewige Rache schwört. Und es fing doch alles so kuschelig an …

Tatsächlich sind an dieser Stelle noch nichtmal die ersten fünf Minuten um. Was manch anderem Werk bereits vollends an Gagaismus gereicht hätte, genügt hier gerade einmal der Exposition. Freunde nonkonformistischen Kino-Vergnügens können allerdings ganz beruhigt sein, denn auch nach dem Vorspann wird es nicht auffallend konventioneller. So legt der Herr mit den weggeballerten Beinen sich später beispielsweise zwei mit Krähenfüßen versehene Metallstelzen zu, die er teleskopartig ein- und ausfahren kann. Einen echten Namen gönnte man dem armen Kerl übrigens nicht (was an Otto Waalkes’ beinlosen Hund erinnert, der ebenfalls keinen Namen hat, weil er ja sowieso nicht kommt, wenn man ihn ruft). Gelistet wird der später als Hauptschurke agierende Charakter in zweckdienlicher Weise lediglich als Gelb-Roben-Mann. Der Strahlenverschießer hingegen entpuppt sich als Kaiserbruder und Thron-Anwärter Tuan Zhengchun. Sein geschwängertes Betthupferl nennt sich Qin Hongmian, während seine Verlobte auf den Namen Shu Baifeng hört. Das einleitende Ereignis hat nicht nur Folgen im Sinne der Niederkunft, sondern wird noch zwei Jahrzehnte später die Schicksale vieler Menschen bestimmen:

Inhalt:

Quin Hongmion [Gam Lau], von Prinz Tuan Zhengchun [Si Wai] erst geschwängert, dann verstoßen, lebt nur noch für die Rache. Nachdem sie ihre Tochter zur Welt gebracht hat, bildet sie das Mädchen 20 Jahre lang zur Kämpferin aus. Mit Erfolg! Als junge Erwachsene ist Mu Wanqing [Tanny Tien] quasi unbesiegbar und verbreitet Angst und Schrecken, selbst bei gestandenen Kriegern. Nun soll sie losziehen, um Hongmions damalige Nebenbuhlerin Shu Baifeng [Hung Ling-Ling] einen Kopf kürzer zu machen.

Inzwischen hat auch Prinz Tuan einen Sohn im Mannesalter: Tuan Yu [Danny Lee]. Da dieser jedoch lieber in schöngeistigem Schriftgut schmökert statt maskulinen Kampf- und Gewaltexzessen zu frönen, gilt er als Taugenichts. Eines Tages geht Yu auf Wanderschaft und trifft auf die kesse Zhong Ling-erh [Lin Chen-Chi], die eine Handvoll magischer Schlangen im Schlepptau hat. Diese kennt die Lösung für sein Problem: Wenn Yu die sagenumwobene Rote Python findet und es schafft, ihr das Blut abzuzapfen, wird er auf mystische Weise unbesiegbar werden.

Währenddessen schmiedet auch Hongmions damaliger Ehemann, der Gelb-Roben-Mann [Shih Chung-Tien], Rachepläne, da er beim Kampf mit dem Prinzen einst beide Beine verlor. Zusammen mit seinem Vertrauten, dem monsterartigen Killer Yue Canglong [Chiang Tao], will er Yu als den Sprössling seines Erzfeindes entleiben (logisches Argument: „Er hat mir meine Beine geraubt, dafür werde ich ihm seinen Sohn nehmen.“). Als er erfährt, dass Yu und Wanqing sich zufällig über den Weg laufen, ohne zu wissen, Bruder und Schwester zu sein, reift in ihm ein teuflischer Plan.

Kritik:

Es ist nicht einfach, den Überblick zu behalten angesichts der Vielzahl an Personen, die hier aus unterschiedlichsten Motiven heraus versuchen, sich gegenseitig ans Messer zu liefern. Trotz einer nicht unbedingt ausufernden Länge von 75 Minuten ist DAS BLUT DER ROTEN PYTHON bis unters Dach voll mit Verschwörungen, Privatfehden und Selbstfindungsprozessen, so dass man durchaus merkt, dass hier ein 2000-seitiger Wälzer als Grundlage diente, nämlich Demi-Gods and Semi-Devils von Louis Cha aus dem Jahre 1963. Das Werk gilt als durchaus anspruchsvoll und komplex, wird in dieser filmischen Adaption (später folgten noch weitere) aber tüchtig durch den Kokolores-Fleischwolf gedreht und mit einer gehörigen Portion Irrsinn abgeschmeckt.

Der Gelb-Roben-Mann ist mit seinen ausfahrbaren Metallprothesen schon ein echter Knaller, aber sein Assistent, ein notgeiles Hummermonster mit Scherenhänden, Vampirzähnen und stählerner Stirn, ist auch nicht von schlechten Eltern. Mu Wanqing besitzt derweil als Waffe einen riesigen Hundeknochen, der Dolche verschießen kann. Diese sehen zwar beim Abfeuern aus wie der Anzeigepfeil von Microsoft, besitzen aber nen Bumms, dass selbst die Dicke Bertha neidisch wird. Ling-erh hingegen schleudert Schlangen zur Verteidigung, die in fliegender Eile in des Kontrahentens Körper kriechen, um unter dessen Haut offenbar rauschende Feten zu feiern. Und falls das nicht reicht, trägt sie in einer Schatulle noch eine glühende Kröte mit sich spazieren, die einen bereits bei bloßer Berührung zu den Ahnen schickt („Nur, wenn man ihr Geheimnis kennt, kann das Gift einem nicht schaden.“), allerdings Superkräfte verleiht, wenn man sie am Stück verschlingt. Sehr richtig: Anfassen ist tödlich, aber runterschlucken (was ja ohne Anfassen schon mal schwierig ist) macht munter, lässt einen in Windeseile Wände erklimmen, Felsbrocken zerschmettern und ohne jede Not Todesstrahlen aus allen möglichen Körperöffnungen verschießen.

Die Riesenschlange, die Yu erlegen muss und die der deutschen Fassung ihren Namen gibt, ist ein ebenso klobiges wie unbewegliches Gummigeschöpf, was den Wagemut des Protagonisten der Lächerlichkeit preisgibt. Darsteller Danny Lee [IN DEN KLAUEN DER CIAhat nämlich mehr Mühe damit, das Vieh irgendwie lebendig wirken zu lassen, als mit allem anderen. Der eigentliche Höhepunkt der Kategorie Kämpferischer Konflikt mit künstlicher Kreatur jedoch geschieht deutlich später, wenn man sich seiner Haut gegen einen Kung-Fu-Gorilla erwehren muss, der den Helden auszusaugen gedenkt, um dessen magische Kräfte zu absorbieren: Dass die zänkische Zottelzibbe nur ein Mensch im kümmerlichen Karnevals-Kostüm ist, nimmt kaum Wunder. Aber die vehemente Weigerung desselben, sich auch nur ein Mü anders zu bewegen als ein stinknormaler Homo Sapiens, ist schon beachtlich.

Freilich war es nie die Intention der Schöpfer, hier irgendeine Form von Wirklichkeit abzubilden. So kommt DAS BLUT DER ROTEN PYTHON oftmals wie ein etwas aufwändiger gestaltetes Bühnenstück des Wegs, dessen Kulissen und Kostüme deutlich als solche auszumachen sind. Anschauungsobjekte dafür wären die „Unterwelt“, in welcher der Antagonist aus unerfindlichen Gründen haust und die eindeutig in Theaterdekoration arrangiert wurde, oder die regelrecht provierend unecht aussehenden Reißzähne seines Schergen, die man mit Leichtigkeit glaubwürdiger hinbekommen hätte, hätte man es denn tatsächlich gewollt. Und dennoch wirkt das alles in letzter Konsequenz gar nicht billig, sondern als plausibler Bestandteil eines durchaus aufwändigen Gesamtkonzepts. Klingt wie ein Widerspruch? Dann passt es gleich doppelt gut zum Werk! Denn zwischen all dem aberwitzigen Tempo und blühenden Blödsinn bleiben tatsächlich auch noch ein paar Minuten Zeit für innere Einkehr, welche die im Prinzip tragische Tragweite der Ereignisse fühlbar machen: Wenn Prinz Zhengchun, ursprünglich schurkisch veranlagt, nach 20 Jahren erstmals seine Tochter trifft und er in einem stillen gemeinsamen Moment begreift, was für weitreichende Folgen seine bisherigen Fehltritte und Charakterlosigkeiten hatten, dann bedarf es keiner großen Worte für die Erkenntnis, dass sich hier ein Mensch gewandelt hat.

So ist DAS BLUT DER ROTEN PYTHON, zwischen Gummigetier, Zeichentrickblitzen und knallbunten Rauchbomben, eigentlich ein großes generationenübergreifendes Drama mit allem, was dazugehört: verbotene Liebschaften, uneheliche Kinder, unwissentliche Geschwisterliebe, ausufernde Familienfehden, Racheschwüre über den Tod hinaus. Ohne Scheu vor Jux und Dollerei, in wildwüchsiger Farbenpracht (sogar Leichen zerfließen hier ohne jeden Grund zu kunterbuntem Eiskrembrei) und mit einer ungemein liebenswerten Hauptfigur gesegnet (Danny Lee spielt den pazifistischen Helden wider Willen überaus sympathisch), wurde hier eine Unterhaltungsgranate geschaffen, welcher der Wahnwitz aus allen verfügbaren Poren tropft. Hier steht man gerne Schlange!

Laufzeit: 76 Min. / Freigabe: ab 16