Eigene Forschungen

Montag, 20. Januar 2025

BOLO - VIER FÄUSTE IM WILDEN OSTEN


BAI MA HEI QI
Hongkong 1977

Regie:
Yeung Sze

Darsteller:
Yeung Sze/Bolo Yeung,
Pai Piao/Jason Pai,
Mi Lan,
Chin Yuet-Sang,
To Siu-Ming,
San Kuai,
Lau Yat-Fan,
Tsang Chi-Wai/Eric Tsang



Yeung Sze ist Kult! Und das, obwohl ihn keiner kennt. Gut, zumindest nicht unter diesem Namen. Auch Yang-Sze-, Yeung-Shut-, Yang-Szu-, Yeung-See-, Yang-Tze-, Yung-Sze-, Ywung-Sze-, Yang-Tse-, Young-Sy- oder Yang-Sa-Fans trifft man eher selten. Der Name des als 양사 in der chinesischen Provinz Guangdong geborenen Martial-Arts-Darstellers wurde auf alle erdenkliche (Schreib-)Weisen transkribiert. Berühmtheit erlangte er am Ende allerdings mit dem wohl am albernsten klingenden Pseudonym. Denn nachdem der Kampfkünstler und Gewichtheber nach zahlreichen Statistenrollen für die Shaw Brothers einen blutrünstigen Schurken im ersten amerikanischen Bruce-Lee-Brüller DER MANN MIT DER TODESKRALLE (1973) verkörperte, wurde er quasi über Nacht weltbekannt. Und da seine Figur im Film „Bolo“ hieß, was nicht nur einprägsam ist, sondern auch international gut von der Lippe rollt, war das ab sofort auch sein Künstlername: Bolo Yeung.

Bruce Lee selbst starb noch, bevor er Teil seines eigenen Erfolgs werden konnte. Als nach dessen frühen Tod eine ganze Wagenladung an Bruce-Lee-Imitatoren auf die Leinwände geschüttet wurde, gehörte auch Bolo Yeung zum Stammpersonal und festigte aufgrund seines außergewöhnlichen Erscheinungsbilds somit seine Popularität. Ob es ihn gestört hat, dabei fast ausschließlich auf die Rolle des brutalen Bösewichts festgenagelt worden zu sein? Möglich, denn sein erstes Werk unter eigener Regie präsentiert ihn beinahe gänzlich anders. Geblieben ist lediglich sein Name, der dieses Mal – Marketing ist die halbe Miete! - auch direkt als ganzer Titel herhalten darf: BOLO!

Inhalt:

In einem kleinen chinesischen Dorf ist das Amt des Sheriffs gleichbedeutend mit einem Todesurteil: Wer ernsthaft für Recht und Ordnung eintritt, wird schnell einen Kopf kürzer gemacht – was durchaus wörtlich zu verstehen ist. Als den Zuständigen mal wieder ein Ordnungshüterhaupt vor die Füße kullert, wird beschlossen, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Denn wer kann Gangstern am besten Einhalt gebieten? Natürlich! Andere Gangster! Und so wird angeordnet, alle Knastinsassen Strohhalme ziehen zu lassen. Zwei Gewinner dürfen das Gefängnis verlassen und Gesetzeshüter werden. Das Schicksal entscheidet sich für den schlitzohrigen Sprücheklopfer Ma [Jason Pai Piao] sowie das grobschlächtige Muskelpaket Bolo [Bolo Yeung Sze], die bereits im Bau aneinandergeraten sind und sich nach Freilassung erst einmal ein Kung-Fu- und Artistik-Duell liefern, um die Fronten zu klären. Im Dorf angekommen, stellen sie fest, dass hier wirklich die Unmoral regiert. Sogar der Bürgermeister ist in Menschenhandel verwickelt und wer diesbezüglich auspacken will, endet aufgeknüpft an der Laterne. Ma und Bolo müssen sich im wahrsten Sinne zusammenraufen, um ihre Haut zu retten und der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen.

Kritik:

Obwohl der Titel eigentlich Bolo-Solo-Action verspricht, macht bereits der Beginn klar, dass man sich hier im Genre des Buddy-Movies bewegt, das zwei ungleiche Protagonisten zusammenschweißt, um sie durch dick und dünn gehen zu lassen. Dabei durchziehen von Beginn an (der deutsche Zusatztitel deutet es dezent an) signifikante Spencer-/Hill-Schwingungen das Szenario, sind Grundgerüst und Duktus doch eindeutig angelehnt an die Kassenerfolge des populären Prügel-Duos aus Italien. Während Jason Pai Piao [→ DER TODESSCHREI DES GELBEN TIGERS] als schlaksiger Charmeur durchaus passabel den asiatischen Kung-Fu-Hill mimt, ist Bolo Yeung als dessen Kompagnon und bud-spenceriger Kaventsmann kaum wiederzuerkennen. Seine Gesichtsbehaarung und das ebenso tumbe wie gutmütige Auftreten hat mit seinen früheren Rollen als furchteinflößender Knochenbrecher nichts mehr gemein. Zwar ist Yeung  - im Gegensatz zu seinem offensichtlichen Vorbild und anders als im Dialog mehrmals behauptet - tatsächlich „nur“ kräftig und nicht dick. Aber diese bis dahin unbekannte Facette steht dem Berufsbösewicht doch erstaunlich gut und es ist genau dieses Gegen-das-Image-Agieren, aus dem BOLO seinen hauptsächlichen Reiz bezieht.

Das ist auch dringend notwendig, denn Reize, zumindest positiver Art, sind bei dieser Veranstaltung dann doch eher Mangelware. So hatte man zwar eine interessante Idee, aber offenbar keine Ahnung, was man aus ihr machen sollte. Schon die Prämisse ist freilich denkbar hanebüchen. Dass Knastvögel aus dem Bau herausrekrutiert werden, um aus ihnen ein Himmelfahrtskommando zu formieren, das kennt die Leinwand spätestens seit DAS DRECKIGE DUTZEND zur Genüge. Aber dass verurteilte Verbrecher freigelassen werden, um als Gesetzeshüter andere Verbrecher zur Strecke zu bringen (noch dazu mit der Ermahnung, bloß nicht Fersengeld zu geben), das hat schon eine ganz neue Quatsch-Qualität. Allerdings ist BOLO eine Komödie, da geht eine solch absurde Ausgangssituation durchaus klar. Viel ernüchternder ist es, wie wenig aus dieser Basis herausgeholt wurde, obwohl die Trümpfe doch eigentlich schon in der Hand lagen.

Was aber offenbar nicht in der Hand lag, war ein vernünftiges Drehbuch. Erzählerische Höchstleistungen erwartet sicherlich niemand, aber die Ereignisse BOLOs sind insgesamt so zusammenhanglos und sinnbefreit, dass es teils absurde Ausmaße annimmt. Bereits der Einstieg ist äußerst ungelenk, wenn Ma und Bolo (die ja eigentlich Sympathiefiguren sein sollen) einem blinden Mann sein Fahrzeug klauen – völlig grundlos übrigens, denn der Alte hatte sich längst dazu bereit erklärt, die beiden an ihr Ziel zu bringen. Im Dorf angekommen, gehen die Protagonisten als Erstes ins Bordell, das von Eric Tsang [→ SEVEN ASSASSINS] in Frauenkleidern geführt wird, der Bolo schließlich in einer viel zu langen Sequenz im albernen „Hühner-Stil“ attackiert, weil er glaubt, dieser wolle die Zeche prellen. Ma indes trifft vor Ort eine alte Bekannte aus früheren kriminellen Tagen und quetscht sie um den Verbleib mehrerer Goldbarren aus – vermutlich Beute aus Raubzügen, von der das Publikum an dieser Stelle auch zum ersten Mal hört. Ist das narrativ alles bereits arg fragmentarisch, wird es im weiteren Verlauf regelrecht chaotisch. Immer mehr seltsame Figuren bevölkern das Szenario, die so lang sonderbare Dinge tun und lassen, bis man schlichtweg aufgibt, nach Sinn und System zu suchen.

In einem Moment bittet eine Mutter den Titelhelden Bolo, kurz ihr Baby im Arm zu halten, um Wasser holen zu können, was er mit Freuden tut. Dann kommt die Frau zurück, rammt ihm ein Messer in den Bauch und kratzt mit Kind die Kurve. Daraufhin taumelt Bolo in eine Praxis, wo der Arzt ihn verbindet. Plötzlich befindet sich die Attentäterin aber im Nebenbett und Bolo merkt, dass der Arzt ihn auf ein Brett gefesselt hat. Dann kommt der Doktor zurück und beide liefern sich einen Kampf, den Bolo schließlich gewinnt, woraufhin der Besiegte sich ein weißes Pulver ins Gesicht schüttet – vermutlich, weil er in dem Krug, den er sich an den Mund setzte, etwas anderes erwartet hatte. Wenn man chinesische Schriftzeichen lesen könnte, wüsste man wohl auch, was. Dass sich einem dadurch auch der Sinn der ganzen Sequenz erschließt, darf jedoch bezweifelt werden. An anderer Stelle gerät ein Wirt mit seinem Gast in Streit, weil dieser gerade aus den USA zurückkommen ist und nun lauter Zeug bestellt, das in China gar nicht auf der Karte steht. Darum legt der Kellner ihm nahe, zu verschwinden, was ebenfalls in einer minutenlangen Prügelei mündet, die nachfolgend wirklich gar keine Relevanz für irgendetwas hat. Später machen Ma und eine Frau dann noch ein Spiel, dessen Regeln wahrlich schleierhaft sind: Sie rufen scheinbar zufällig Zahlen in den Raum, halten dazu ihre Hände hoch und sagen zeitgleich noch ein Gedicht auf, bei dem sich (zumindest in der Synchronisation) überhaupt nichts reimt. 

Ein Erklärungsansatz für derlei Gaga-Momente ist, dass ein Großteil des Humors sich auf kulturelle Eigenheiten des Entstehungslandes bezieht und daher schlichtweg nicht übertragbar war. Begleitet wird die Show dabei stets von weiteren Elementen, die das komödiantische Hongkong-Kino weltweit berühmt-berüchtigt gemacht haben, wie wildes Grimassenschneiden, Schielen, Lispeln, Augenrollen und sonstige Eigenarten. Das sägt teils schon sehr an den Nerven. Zu allem Überfluss sind auch die Kampfszenen – also der in der Regel eigentliche Grund, weswegen man sich so etwas überhaupt ansieht – ausnehmend schlecht umgesetzt. Die beiden Hauptdarsteller selbst sorgten für die Choreographien und das Ergebnis ist alles andere als überzeugend. Nichts hier sieht nach echtem Schlagabtausch aus. So bleibt am Ende nicht mehr als eine Abfolge wirrer Szenen, bei der kaum etwas plausibel scheint. Dazu passend ist die deutsche Synchronisation nicht nur technisch miserabel und vermutlich von Amateuren im Wohnzimmer zurechtgestümpert, sondern in Sachen Dialog oftmals ebenfalls ein Mysterium, bei dem die Wörter – sofern man sie denn überhaupt versteht – einfach nicht zusammenpassen wollen. Dennoch – und das mag nun verblüffen – vertreibt BOLO die Zeit doch einigermaßen passabel und ist nicht nur trotz, sondern auch dank aller Eigenarten ein angenehm-kauziger Blick in die teils absurden Elaborate des damaligen Bahnhofskinos. Hin und wieder muss so eine kleine Kuriosität am Rande einfach mal sein. Und Yeung Sze bleibt Kult!

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ungeprüft

Montag, 13. Januar 2025

DRAKAPA, DAS MONSTER MIT DER KRALLENHAND


BEAST OF BLOOD
USA, Philippinen 1971

Regie:
Eddie Romero

Darsteller:
John Ashley,
Celeste Yarnall,
Eddie Garcia,
Liza Belmonte,
Alfonso Carvajal,
Bruno Punzalan,
Angel Buenaventura,
Beverly Miller



Wer im Deutschland der 1970er Jahre das Lichtspielhaus aufsuchte, um seinen Feierabend mit DRAKAPA, DAS MONSTER MIT DER KRALLENHAND zu verbringen, der hat sich während der Sichtung vielleicht gewundert, dass inhaltlich kaum etwas Sinn ergibt. Einerseits lag das natürlich daran, dass hier inhaltlich tatsächlich kaum etwas Sinn ergibt. Andererseits – und das dürfte eher weniger bekannt gewesen sein – hatte man es aber auch mit einer Fortsetzung zu tun, deren Vorgänger auf bundesdeutschen Leinwänden gar nicht zu sehen war. Zahlreiche Zusammenhänge konnten sich einem daher gar nicht oder nur teilweise erschließen. Über die Gründe des Verleihers, den ersten Teil auszusparen, kann man nur spekulieren. Vielleicht wollte oder konnte man nur für ein einziges Blutspektakel Lizenzen zahlen und hielt BEAST OF BLOOD, wie die drollige Monster-Horror-Abenteuer-Mixtur eigentlich heißt, schlichtweg für vorzeigbarer.

Das dereinst unterschlagene Schauerstück trägt den sehr diskreten Titel MAD DOCTOR OF BLOOD ISLAND – auf gut Deutsch also so viel wie: Der Kloppi-Dok von Helgoland - und handelt vom Pathologen Bill Foster, der auf eine Südsee-Insel reist, um Nachforschungen über eine seltsame Krankheit anzustellen. Vor Ort trifft er auf den sinistren Dr. Lorca, der in Amtsformularen bei „Beruf“ mit Sicherheit „verrückter Wissenschaftler“ einträgt. Aus Gründen, die man wohl nur versteht, wenn man selbst nen Doktortitel hat, verbringt Lorca den Großteil seiner Freizeit damit, Einheimische in blutrünstige Mensch-Pflanz-Mutanten zu verwandeln, die dann – wer will es ihnen verübeln? – bevorzugt barbusige Schönheiten vernaschen. Im Wortsinne, versteht sich.

Hüpfende Möpse, fliegende Körperteile, grüne Blutsuppe – für manch Connaisseur schamlosen Tandwerks klingt das gewiss nach einer anständigen Kirmes. Aber im Endeffekt regiert Ernüchterung: Die Schauwerte machen gut fünf Minuten aus und der Rest ist so öde, da bleiben sogar die Cocktails ungerührt. Final kehrt Foster, zusammen mit seiner neuen Flamme, ihrem Vater und einem weiteren Typen, von dem man schon während des Films vergessen hat, wer das eigentlich ist, zurück aufs Schiff, um die Blutinsel für immer zu verlassen. Doch wie das im Horror-Genre halt so ist: Eine der Schreckgestalten hat überlebt, befindet sich an Bord und streckt unheilvoll ihre Hand unter der Abdeckplane eines Rettungsboots hervor. ENDE!

Beziehungsweise Anfang, denn genau da geht BEAST OF BLOOD los: Das Monster schlüpft aus seinem Versteck und richtet an Deck zu fröhlicher Beat-Musik ein Massaker an. Dabei fängt das Schiff Feuer und versinkt in den Tiefen der See. Nur Foster kann sich retten. Dieser Auftakt ist zwar effektiv, aber die Fragezeichen über den Köpfen des (deutschen) Betrachters dürften gigantisch gewesen sein. Eine sinnvolle Erklärung, warum sich Foster nach diesem Ereignis abermals auf das unheilvolle Eiland begibt, bleibt man im Übrigen ebenfalls schuldig. Aber vermutlich sollte man solche Fragen gar nicht stellen. Teile der Antwort könnten das Publikum verunsichern.

Inhalt:

Dr. Foster [John Ashley] befindet sich (mal wieder) auf einem Schiff Richtung 'Blutinsel' im Südpazifik. An Bord ist auch die kesse Reporterin Myra Russell [Celeste Yarnall], die Fosters vorherige Erlebnisse unbedingt zu einer Story verarbeiten möchte und ihm daher nicht mehr von der Seite weicht. Als sie das Festland erreichen, erfährt Foster, dass immer noch regelmäßig Einheimische verschwinden. Er vermutet seinen alten Rivalen Dr. Lorca [Eddie Romero] dahinter. Dieser gilt zwar als tot, ist allerdings tatsächlich noch am Leben, haust in einem geheimen Labor und entführt immer wieder Menschen, um den passenden Körper zum Kopf seiner Kreatur ‚Drakapa‘ zu finden.

Kritik:

Letzte Zweifel können an dieser Stelle ausgeräumt werden: BEAST OF BLOOD ist billiges Bahnhofs- und Autokinomaterial, wie es im Buche steht, eine auf Zelluloid gegossene Jahrmarktsattraktion, die Sensationen verspricht und Kehricht kredenzt. Was im Erscheinungsjahr womöglich noch die eine oder andere sensible Seele erschreckt hat, macht mittlerweile kein Schulkind mehr nervös. Dabei lieferte Autor und Regisseur Eddie Romero [→ FRAUEN IN KETTEN] in gewisser Hinsicht sogar eine Art Blaupause für spätere italienische Matschfeste wie ZOMBIES UNTER KANNIBALEN (1979), deren Zutaten hier bereits vorhanden sind: ein durchgeknallter Eierkopf, der auf einer augenscheinlich idyllischen Insel grausame Experimente durchführt, eine rätselhafte Seuche, welche die Menschen dahinrafft, verängstigte Inselbewohner, die zu Versuchskaninchen werden, und natürlich ein ebenso wackerer wie wenig aufregender Held, der den Tag retten muss.

Bei BEAST OF BLOOD allerdings haben Blutlüstlinge das Nachsehen, denn mehr noch als MAD DOCTOR OF BLOOD ISLAND ist der Nachfolger tatsächlich eher Abenteuer- als Horrorfilm, der bis auf ein paar kurze härtere Nummern (wie das berühmte Aufgespießtwerden auf Holzpflöcke am Höhlenboden oder eine an Schweinefleisch durchgeführte OP) auch gefahrlos im Nachmittagsprogramm laufen könnte. So stolpern die Hauptfiguren mal mehr, mal weniger motiviert durch dichte Dschungellandschaften und erleben so allerhand Episödchen, die sich in der Regel recht hurtig auch schon wieder in Wohlgefallen auflösen. Wahnsinnig aufregend ist das sicherlich nicht. Aber doch irgendwie ganz nett: Schlingpflanzen, Treibsand, Todesfallen – das komplette Marlboro-Country-Programm für einen angenehmen Feierabend. Dass in erster Linie alles dazu dient, die hauchdünne Handlung auf Gedeih und Verderb in die Länge zu ziehen, ist in seiner Offensichtlichkeit beinahe rührend.

Deutlich zu kurz kommt dabei allerdings die titelgebende Kreatur, die auch gar nicht so richtig brutal sein darf. Das ist freilich den Umständen geschuldet, existiert das Monster nach dem einleitenden Massaker doch nur noch als Kopf, der aufgespießt in Dr. Lorcas Labor dahinvegetiert und missmutig mit den Augen rollt. Es hat schon etwas Komisches, wenn der Doktor seine Schöpfung permanent zutextet und sich dabei mehrmals beklagt, dass sie nicht ein einziges Wort mit ihm wechseln möchte. Worüber will er denn mit der ollen Monsterrübe überhaupt sprechen? Übers Wetter? Schlechte Manieren kann man dem wahnsinnigen Weißkittel jedenfalls nicht vorwerfen, immerhin siezt er das Ding sogar ganz höflich - schon erstaunlich, wie viel Respekt man so einem zermatschten Schädel entgegenbringen kann. Als Draki dann am Ende tatsächlich zu sprechen anfängt, klingt er zu allem Überfluss auch noch, als wäre er von Roberto Blanco vertont worden.

"Jääääätzt wääärrrden wirrr uns untäärrrhalten, Lorrrcaaa!"

Das Finale bäumt sich dann noch mal richtig auf und gibt artig Zunder. Das liegt zwar nicht an Drakapa (dessen Amoklauf dauert hochgerechnet gerade einmal zwei Minuten), aber dafür wird fleißig mit Feuerwaffen, Dynamit sowie Pfeil und Bogen hantiert, was für ein anständiges Rambazamba sorgt.

Überraschend ist das engagierte Spiel der Darsteller. Vor allem John Ashley [→ SAVAGE SISTERS] gibt sich in seiner Hauptrolle tapfer seriös, ganz so, als wäre das alles kein bisschen bescheuert. Und obwohl auch hier einmal kurz ein Paar Hupen gelüftet wird, sind die weiblichen Inselbewohner erstaunlich emanzipiert bei der Sache: Als Myra nach Ankunft die erstbeste Insulanerin ablichten will, schlägt diese die Kamera zur Seite und meint harsch: "Wenn ich ein Foto haben will, sag’ ich Bescheid!"

So ist BEAST OF BLOOD am Ende gemütliche Unterhaltung, die einmal mehr von ihrem exotischen Inselflair profitiert. Das versprochene Nervenzerren bleibt aus, sodass auch sensiblere Gemüter keine schlaflose Nacht erleben werden. Warum der Untertitel Das Monster mit der Krallenhand lautet, ist allerdings ein Rätsel – die Greifer sind eigentlich noch mit das Normalste an der Kreatur. Aber Das Monster mit der Matschbirne hätte vermutlich deutlich weniger Publikum angezogen.

Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ungeprüft

Montag, 6. Januar 2025

AN SEINEN STIEFELN KLEBTE BLUT


NAVAJO JOE
Italien, Spanien 1966

Regie:
Sergio Corbucci

Darsteller:
Burt Reynolds,
Aldo Sanbrell,
Nicoletta Machiavelli,
Fernando Rey,
Tanya Lopert,
Franca Polesello,
Lucia Modugno,
Peter Cross



Inhalt:

USA, zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: Die Tötung von Indianern ist mittlerweile verboten. Der skrupellose Duncan [Aldo Sambrell] und seine Banditenbande lassen sich davon allerdings nicht beeindrucken und machen weiterhin Jagd auf Ureinwohner-Skalps. Nachdem sie eine komplette Siedlung vernichtet haben, sinnt Joe [Burt Reynolds], einziger Überlebender des Massakers, auf Rache. Als Duncans Männer einen Zug mit Bargeld-Reserven überfallen, dezimiert Joe die Bande erheblich und bringt das Fahrzeug eigenhändig ans Ziel. Dort bietet er den verängstigen Dorfbewohnern an, Duncan und seine Männer unschädlich zu machen. Diese weigern sich zunächst, sehen jedoch bald ein, dass sie keine andere Wahl haben – denn die verbliebenen Banditen sind bereits auf dem Weg ins Dorf, um das Geld doch noch an sich zu bringen. Joe heftet sich den Sheriffstern an die Brust und verspricht den Anwesenden, sie zu beschützen. Nach seiner Ankunft stellt Duncan fest, dass Joe das Geld versteckt hat. Um den geheimen Ort herauszupressen, beginnt die Bande einen Terror gegen die Bürger, den Joe zunächst nicht verhindern kann – er unterliegt seinen Widersachern und wird gefoltert. Doch mithilfe zweier Huren kann er sich befreien und schlägt zurück.

Kritik:

Im selben Jahr, in dem Regisseur Sergio Corbucci mit dem wegweisenden, weil grandios dreckigen DJANGO das Bild des Wildwestfilms nachhaltig veränderte, inszenierte er noch ein weiteres von ähnlich nihilistischer Stimmung geprägtes Werk, das von den Kritikern häufiger mal vergessen wird: NAVAJO JOE! Gleichfalls als düstere Abkehr von den bis dahin gängigen, heroischen Pferdeopern konzipiert, bediente man sich auch hier später zum Standard gewordenen Genre-Zutaten: Wind pfeift durch karge Felslandschaften, Sand knirscht unter den Stiefeln und Pulverdampf schwängert die Luft - eine trostlose Welt, in der Sitte und Anstand sich größtenteils verabschiedet haben. Bereits der Auftakt stellt diesbezüglich die Weichen: In einer beschaulichen Indianersiedlung geht alles seinen gewohnten Gang. Die Sonne scheint, die Pferde trinken, die Menschen gehen ihren Alltagsgeschäften nach. So auch eine junge Indianerin, die am Fluss sitzt und Felle glättet. Da erscheint ein Reiter, ein weißer Mann mit Sombrero. Er steigt vom Pferd; die Frau lächelt ihn arglos an. Er erwidert die Geste, zieht seinen Colt und knallt sie kommentarlos über den Haufen. Während daraufhin eine Bande marodierender Männer das Dorf überfällt und ein Massaker anrichtet, zieht der Mann ein Messer und skalpiert sein soeben erlegtes Opfer.

Das ist zwar fraglos ziemlich plump und klischeehaft, aber eben auch enorm effektiv: Der harte Umschwung von idyllischer Eintracht zu barbarischer Brutalität schockiert und involviert zudem auf Anhieb das Publikum. Spätestens, wenn der gewissenlose Sombrero-Träger seiner Beute mit beinahe begeistertem Blick die Kopfhaut abtrennt und wie eine makabre Trophäe in die Höhe hält, während auf der Tonspur ein mehrstimmiger, verstörender Klagegesang anschwillt, der sich final zu einem mitreißenden, den Vorspann untermalenden Orchesterstück emporschwingt, dann ist der eigene Alltag völlig vergessen und man ist mit Haut und Haaren Teil dieser apokalyptischen Vision. Dabei ist NAVAJO JOE inhaltlich weder neu noch kreativ: Einmal mehr geht es um den Drang nach blutiger Vergeltung. Denn der einleitende Massenmord hinterlässt einen Überlebenden, Titelheld Joe, dem es nun gehörig nach Genugtuung dürstet. Doch anstatt einfach zur Tat zu schreiten und in Schurkenkreisen aufzuräumen, vereitelt er zunächst lediglich einen Raubzug der Bande und lässt sich dafür von den Bürgern eines kleinen Dorfes zum Sheriff ernennen. Somit darf er die Täter jetzt also sogar im Namen des Gesetzes zur Strecke bringen – denn die Ermordung von Indianern ist laut novelliertem amerikanischen Recht eine Straftat.

So wird aus der eigentlich obligatorischen Rachenummer ein originelles, ja, regelrecht rebellisches Stück Kino. Immerhin ist dies einer der ersten Western, in dem ein indigener Charakter die Hauptrolle verkörpert. War der „Indianer“ auf der Leinwand bis dahin meist als ruchloser Meuchler in Erscheinung getreten, der den armen weißen Mann drangsaliert, agiert er hier als moralische Instanz, während der gutbürgerliche Amerikaner als überwiegend rassistischer und geldgeiler Feigling porträtiert wird. Diesen Perspektivwechsel lotet das Skript geradezu genüsslich aus. Durchtränkt von bissigen Seitenhieben wird hier das pessimistische Bild eines Amerikas gezeichnet, in dem Dinge wie Fremdenhass, Vorurteile und gewissenloses Streben nach Reichtum eine Selbstverständlichkeit darstellen. Bösewicht Duncan und seine Bagage besitzen ohnehin kaum noch menschliche Züge, aber auch bei den vermeintlich so anständigen Dorfbewohnern trudelt der moralische Kompass gar mächtig. Als die Eisenbahn ankommt, mit Leichen gefüllt und von Blut getränkt, gilt ihre größte Sorge dem Panzerschrank inklusive der in ihm enthaltenden Barschaft. Erst, als sie diese an Ort und Stelle vorfinden, macht sich Erleichterung breit: „Es ist alles in Ordnung. Wir haben Glück gehabt!“ Von den Toten redet keiner.

Als Joe den Posten des Gesetzeshüters verlangt, fallen die Anwesenden wenig überraschend aus allen Wolken. „Völlig ausgeschlossen“, meint einer, „ein Indianer als Sheriff? Das amerikanische Gesetz muss von Amerikanern geschützt werden.“ Joe erklärt daraufhin: „Mein Vater wurde hier geboren. Der Vater meines Vaters ebenfalls, genauso der Vater vom Vater meines Vaters. Wo wurde dein Vater geboren?“ „In Schottland“, antwortet sein verdattertes Gegenüber. „Dann bist du kein Amerikaner“, entgegnet Joe und niemandem mehr fällt etwas Passendes ein. In emotional effektiver Manier verlangt Joe von den Dörflern schließlich für jeden Banditen, den er Strecke bringt, einen Dollar. Das ist eine wunderbar-perfide Umkehr früherer Verhältnisse: Ein Dollar, das war der Preis, den zuvor ein Indianer-Skalp einbrachte – der vermeintliche Wert eines indigenen Menschenlebens. Zwar mag die wütende Abrechnung mit der bigotten US-Politik, die Völkermord erst verurteilt, sobald sie keinen Nutzen mehr daraus zu ziehen vermag, teilweise etwas platt anmuten, doch verfehlt sie ihre Wirkung nicht. Ausgerechnet die Huren, die außerhalb der etablierten Gesellschaft stehen, sind dann auch diejenigen, die sich einen letzten Rest Anstand bewahrt haben.

Als Titelhelden sieht man Burt Reynolds in seiner ersten wirklichen Hauptrolle. Authentisch in Sachen Herkunft wirkt das zwar nicht gerade (womöglich auch deswegen, weil der Schauspieler vor allem aufgrund späterer Figuren bekannt ist, die wirklich rein gar nichts mit dieser hier zu tun haben), aber er verkörpert Joe mit einer sehr einnehmenden Lässigkeit und der nötigen ehrfurchtgebietenden Physis. Der Umstand, dass man Reynolds eigentlich mit ganz anderen Rollen assoziiert (nicht wenige davon aus dem Komödienbereich), passt im Nachhinein sogar zwar ungewollt, aber nichtsdestotrotz fabelhaft ins Konzept, geziemt sich das Gesamtwerk letztendlich doch ähnlich eigen wie dessen unkonventionelle Protagonistenbesetzung. Reynolds selbst allerdings fand keine guten Worte für sein Debüt, meinte sogar, es sei so miserabel, dass man es nur in Flugzeugen und Gefängnissen zeigen dürfe, weil man von dort nicht fliehen könne. Woher sein Unmut rührte, erschließt sich einem null, und niemals darf vergessen werden, dass dies derselbe Mann gesagt hat, der 1983 für DER RASENDE GOCKEL in ein Hühnerkostüm kroch und das für eine gute Idee hielt.

Als Antagonist agiert Aldo Sambrell [→ TÖTE, AMIGO] als wahrhaft hassenswerte Drecksau, dem ein Menschenleben nichts bedeutet. Bereits seine offensichtliche Verzückung beim Entfernen der Indianerkopfhaut in der Eingangssequenz macht klar, dass es ihm beim Skalpieren nur zweitrangig um die Belohnung geht: Duncan zieht Erfüllung aus dem Töten. Später ermordet er eigenhändig eine junge Mutter vor den Augen ihres Sohnes - vorgeblich, um eine Zeugin loszuwerden, in Wahrheit jedoch, so ist anzunehmen, aus purem Lustgewinn. „Meine Mutter war eine Indianerin, darum hasse ich die Indianer. Und ich hasse die Weißen, weil mein Vater einer war“, sagt er an einer Stelle, was impliziert, dass seine Mordlust aus reinem Selbsthass resultiert. Psychologisch erscheint das sehr simpel und es erklärt irgendwie auch nichts. So ist Duncans Figur wesentlich stereotypischer geraten, nicht zuletzt auch wegen des klischeehaften Spiels Sambrells. Dass seine deutsche Synchronstimme etwas unpassend ausgewählt wurde, dafür kann er ja nichts.

Apropos Deutsch: Aus irgendwelchen Gründen fürchteten sich die Verleiher der Bundesrepublik jahrelang vor dem Originaltitel. In den Kinos lief NAVAJO JOE zunächst als AN SEINEN STIEFELN KLEBTE BLUT, auf Videokassette nannte sich die Nummer dann plötzlich KOPFGELD: EIN DOLLAR. Beide Titel sind zwar passend, aber warum man sich bis zum digitalen Zeitalter um die originale Namensgebung herumdrückte, ist schon eine berechtigte Frage. Ganz gleich jedoch, unter welchem Banner man sie sich zu Gemüte führt: Corbuccis vor Wut schnaubende Rachemär ist ein schmutziges Glanzlicht, welches das Genre zwar nicht so beeinflusste wie DJANGO, sich aber keinesfalls hinter diesem zu verstecken braucht. Und der schmissige Titelsong von Ennio Morricone [→ TOP JOB] geht einmal mehr ins Ohr. Und bleibt auch dort.

Laufzeit: 92 Min. / Freigabe: ab 18