Eigene Forschungen

Montag, 30. Dezember 2024

DIE 18 TODESSCHLÄGE DER SHAOLIN


SHI BA LUO HAN QUAN
Hongkong 1978

Regie:
Yang Ching-Chen

Darsteller:
Stephen Tung Wai,
Dean Shek Tien,
Wen Chiang-Long,
Sze-Ma Lung,
Shen Hai-Rong,
Shih Chung-Tien,
Kwan Hung,
Shih Ting-Ken



Inhalt:

China zur Zeit der Qing-Dynastie: Die Mandschus sind im Land und knechten das Volk. Der Shaolin-Mönch Wen Hung [Wen Chiang-Long] führt einen Widerstand an, muss sich jedoch vor dem feindlichen Anführer Wong Wu Ti [Sze-Ma Lung] in Sicherheit bringen. Auf der Flucht erhält er unerwartete Schützenhilfe von den beiden harmlosen Herumtreibern Hsiao Tung [Tung Wai] und Tai Peng [Shek Tien], die seine Häscher erfolgreich auf die falsche Fährte führen und ihm dadurch das Leben retten. Um eine Verletzung auszukurieren, versteckt sich der Abt fortan in der Hütte seiner Wohltäter und beginnt damit, sie in die geheimen Kampfkünste der Shaolin einzuführen – ein Wissen, das die Freunde schneller brauchen werden, als ihnen lieb ist.

Kritik:

Dass DIE 18 TODESSCHLÄGE DER SHAOLIN im selben Jahr wie Jackie Chans Durchbruch SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER erschien, ist gewiss kein Zufall. Der Kassenerfolg war nämlich Auslöser einer horrenden Wagenladung ähnlich gearteter Werke, die klassisches Kung-Fu-Kino mit (teils sehr alberner) Komik verbanden und den bewährten Plot dabei nur rudimentär variierten. Anstatt eines zauseligen Bettlers darf hier nun also ein Shaolin-Mönch zwei Durchschnittstaugenichtsen die Kunst des Kampfes lehren, um den Drangsalen eines brutalen Schurken etwas entgegensetzen zu können.

Dabei verspricht die Einleitung episches Entertainment, wenn ein Erzähler bedeutsam vom Sturz der Ming-Dynastie berichtet, von der gewaltsamen Übernahme des Landes durch die Mandschurei, vom verzweifelten, doch fruchtlosen Widerstand des Volkes. Dazu werden statistenreiche Schlachtbilder serviert, ein emsiges Rennen, Hauen, Stechen und Sterben, dreckig und dramatisch. Auch der Bösewicht wird bei der Gelegenheit etabliert, Wong Wu Ti, der „Goldene Adler“, der zum Auftakt direkt den Shaolin-Tempel niederbrennen lässt, um das geistige Zentrum der Aufständischen zu zerstören. Abt Wen Hung, Anführer der Rebellen, flieht vor den Flammen und läuft seinem Widersacher Wong auf einer Wiese direkt in die Arme. Das wirkt schon alles sehr aufbrausend und medienwirksam und klingt in 30 Sekunden komprimiert nach großem Kino. Allerdings ist der Ofen danach auch schon wieder so ziemlich aus. Der nationale Freiheitskampf weicht mehrheitlich persönlichen Konflikten im kleinen Kreis; dem epochalen Einsteig folgt dramaturgisch eher ungeschickt eine überwiegend unzeremonielle Komödie. Und obwohl die Lage prinzipiell bedrohlich bleibt, erscheint es nicht mehr sonderlich staatstragend, wenn man sich mit dem Feind nur noch auf freiem Felde, zwischen schroffen Felsen und wogenden Gräsern, um die Zukunft des Landes prügelt.

Das ist zwar nicht auffallend aufregend, aber immerhin angenehm unterhaltsam. Tung Wai [→ ONCE UPON A TIME IN CHINA V], hier in einer Rolle zu sehen, die bei einem höheren Budget mit Sicherheit an Jackie Chan gegangen wäre, macht sich gut in der Haupt-Hauptrolle und sorgte, gemeinsam mit Yuen Cheung-Yan [→ LAST HERO IN CHINA], auch für die Kampf-Choreographien, die sehr ordentlich geraten sind, obwohl sie mit echtem Schlagabtausch abermals wenig zu tun haben und eher Tanz-Charakter besitzen. Die Neben-Hauptrolle ging an Shek Tien [→ DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS], der Dauergast in Produktionen wie diesen war und erneut den grimassierenden Scherzkeks gibt. Ungewöhnlich ist allenfalls, dass er das hier auf sympathischer Seite tut und nicht etwa, wie so oft, als infantiler Rivale des Protagonisten. In der Rolle des Mentors strahlt Wen Chiang-Long [→ DIE GELBE HÖLLE DES SHAOLIN] als weiser Kung-Fu-Abt eine ausreichende Menge Würde aus, während Sze-Ma Lung [→ DIE TODESKÄMPFER DER SHAOLIN] als Endgegner mit bösem Blick und wallender weißer Haarpracht doch etwas sehr klischeehaft in Szene gesetzt wurde.

Aber Klischees erwartet man ja regelrecht bei einem Genre-Beitrag wie diesem, und im Prinzip werden alle Mechanismen zuverlässig bedient. Dazu gehören freilich auch die zahlreichen körperbetonten Konfrontationen, meist eingeleitet durch Nennung des verwendeten Kampfstils, wobei des Schurkens Zuckungen teils eher auf nen Epileptischen schließen lassen als auf Anwendung einer ausgefeilten Konzentrationsmethode. Allerdings trägt der Widersacher im Englischen tatsächlich auch den Spitznamen „Shaking Eagle“, was den Auftritt immerhin zum Teil plausibler erscheinen lässt – wobei „Zitternder Adler“ eigentlich genauso albern klingt wie es aussieht. Trotzdem ist diese Technik wohl so tödlich, dass selbst versierte Kung-Fu-Mönche wie Wen Hung lieber Fersengeld geben, als sich ihr in den Weg zu stellen. Dass es hier durchaus ernst zugeht, wird spätestens im letzten Drittel deutlich, wenn DIE 18 TODESSCHLÄGE DER SHAOLIN seine humoristischen Pfade verlässt und es anständig dramatisch und brutal wird – durchaus auch mit tragischem Ausgang, was auf emotionaler Ebene erstaunlich gut funktioniert, da die Figuren mit genügend Liebeswürdigkeit ausgestattet wurden.

Natürlich läuft auch dabei alles in eher vertrauten Bahnen und etwas Leerlauf lässt sich trotz knapper Laufzeit nicht leugnen. Ein paar Nebenhandlungen hätte man da gern noch etwas ausbauen dürfen. Wie der Strang um die wehrhafte Tochter eines Wirtshausbetreibers, die sich ebenfalls als Anführerin einer Rebellengruppe entpuppt, was eine willkommene Abwechslung bedeutet in einem Genre, das Frauen meist als passiv und schutzbedürftig porträtiert. Aber viel zu schnell ist das schon wieder kein Thema mehr, weswegen man die Chance auf ein wenig narrative Varianz überwiegend verspielt hat. Bahnbrechend wäre natürlich auch das nicht gewesen, aber zumindest doch ganz nett. Positiv anzurechnen ist, dass DIE 18 TODESSCHLÄGE DER SHAOLIN eine gute Balance findet zwischen Komik und Ernst, wobei er es angenehmerweise mit ersteren auch nicht übertreibt, was im Hongkong-Kino nämlich durchaus strapaziös sein kann. Hier sind die Kaspereien eher zurückhaltend, was den Übergang zu den härteren Elementen (inkl. des von Rachegelüsten bestrittenen Showdowns) flüssiger erscheinen lässt.

Die deutsche Fassung bricht den Film frecherweise ein paar Sekunden zu früh ab, als im Finale des Helden Fuß des Feindes Hinterkopf trifft. Das sollte wohl suggerieren, dass der Tritt tödlich oder zumindest mit einer besiegenden Ohnmacht endet. In der Originalfassung hingegen balgen sich beide noch ein paar Bilder länger, bevor beim Gegner dann tatsächlich die Lichter ausgehen. Das geschieht zwar nicht wirklich weniger plötzlich – aber zumindest halt etwas später. Warum man sich für den Titel ausgerechnet für 18 Todesschläge entschieden hat, könnte man sich nun abschließend auch noch fragen. So viele kommen nämlich nicht einmal ansatzweise vor. Mentor-Mönch Wen Hung kann seinen Schützlingen gerade einmal 6 Schläge beibringen, der Gegner beherrscht laut seiner Aussage „doppelt so viele“. Schön und gut, aber auch das wären ja laut Adam Riese immer noch längst keine 18. Hier wurde der unschuldige Kinogänger also ganz eindeutig um mindestens 6 Todesschläge betrogen. Das ist, als würde man im China-Restaurant 8 Kostbarkeiten bestellen und dann bekäme man nur 7. Wenn man dann vom Ordnungsamt wäre …

Laufzeit: 78 Min. / Freigabe: ab 16

Montag, 23. Dezember 2024

DIE SOLO-KAMPFMASCHINE


WHEELS OF FIRE
USA, Philippinen 1985

Regie:
Cirio H. Santiago

Darsteller:
Gary Watkins,
Laura Banks,
Lynda Wiesmeier,
Linda Grovenor,
Joe Anderson,
Joseph Zucchero,
Jack S. Daniels,
Steve Parvin



Inhalt:

Müsste Trace [Gary Watkins] jemals ein Formular ausfüllen, gäbe er als Beruf vermutlich „Harter Hund“ an. Aber in der postakokalyptischen Welt, in der er lebt, gibt es keine Formulare mehr, nur noch Steine, Staub und das Recht des Stärkeren. Als seine jüngere Schwester Arlie [Lynda Wiesmeier] ihm ihren neuen Lebensgefährten Bo [Steve Parvin] präsentiert, ahnt er sofort, dass der Typ keine gute Wahl ist. Tatsächlich verliert der Taugenichts wenig später bei einem Wettkampf seinen fahrbaren Untersatz – in diesem Universum vergleichbar mit dem Verlust von Haus und Hof. Es liegt an Trace, ihn aus der Sache wieder rauszuhauen (wortwörtlich) und ihm und Arlie die Flucht zu ermöglichen. Aber es dauert nicht lang, da geraten die Geretteten in die Fänge des Tyrannen Scourge [Joe Mari Avellana] und seiner Handlanger, wo sich Bo endgültig als feiger Kriecher entpuppt, der, um seine heile Haut zu retten, keine Skrupel hat, seine Geliebte dem Gegner zu überlassen. Abermals ist es also an Trace, der Fährte des Feindes zu folgen, um Arlie zu befreien. Dabei trifft er auf die Kopfgeldjägerin Stinger [Laura Banks], die ebenfalls hinter Scourge her ist.

Kritik:

Ab den 1980er Jahren drehte der philippinische Regisseur Cirio Hermoso Santiago bis in die frühen 1990er quasi am Fließband, um erst das Bahnhofskino, später auch die Videotheken mit leicht konsumierbarer Action-Ware zu beglücken. Nicht selten durfte dafür der Vietnam-Krieg als Spielwiese herhalten. Aber auch die Post-Apokalypse ließ sich mittels ein paar alter Steinbrüche und Kiesgruben immer ganz gut nachstellen. WHEELS OF FIRE gehört in letztere Kategorie - wobei man dieses Mal sogar so weit ging, sich jedwede Erklärung für den kargen Zustand der porträtierten Welt auszusparen. Warum liegt denn hier bitteschön alles in Trümmern? Nuklearexplosion? Naturkatastrophe? Michael-Wendler-Konzert? Man weiß es nicht! Nicht einmal die obligatorische Atompilzaufnahme zu Beginn wurde integriert. Somit könnte die Geschichte ebenso gut auf einem fremden Planeten spielen. Oder im Wilden Westen einer alternativen Zeitrechnung, in der die Hottehüs gegen schmauchende Benzin-Boliden ausgetauscht wurden. Eine gewisse Cowboy-Mentalität lässt sich jedenfalls nicht leugnen, wird hier doch hauptsächlich scharf geschossen und geschlagen – mal, um Recht zu brechen, mal, um es wiederherzustellen.

Vorbild der Veranstaltung war natürlich abermals der australische Meilenstein MAD MAX von 1979 mit Mel Gibson als frustriertem Motorrad-Cop auf ruppigem Rachefeldzug sowie dessen Fortsetzung, die nach dem endgültigen Zusammenbruch der Zivilisation spielt. Während die Blaupause allerdings nicht nur durch Kinetik und durchdachte Bildsprache besticht, sondern bei allem Spektakel auch eine sinnvoll arrangierte Dramaturgie besitzt, bemühten sich Santiago und Konsorten gar nicht erst und warfen irgendwie alles in den Topf, was gerade zur Verfügung stand. Eines kann man WHEELS OF FIRE somit ganz gewiss nicht vorwerfen: Ereignisarmut. Im Prinzip ist wirklich immer etwas los und trotz schmalem Budget bekommt der Action-Freund viel geboten: Kämpfe, Überfälle und Verfolgungen dominieren das Geschehen, tatkräftig unterstützt von Maschinengewehr, Handgranate und Flammenwerfer. Mitreißen kann das alles trotzdem nicht, weil es so spürbar leidenschaftslos kredenzt wurde und sich nicht zu einer schlüssigen Ereigniskette fügt.

Bereits der Beginn ist maximal banal: Der zentrale Konflikt besteht zunächst darin, dass der Held nicht mit dem neuen Lebensgefährten seiner Schwester einverstanden ist. Das ist Stoff für Seifenopern, nicht für archaische Sandepen, bei denen das Hauptanliegen aller Beteiligten stets die Sicherstellung des eigenen Überlebens sein sollte. Aber auch, nachdem das einleitende Problem abgehandelt ist, wird es nicht auffallend aufregender: Aufhänger für das ganze Rambazamba ist eine lausige Entführung – womit man sich in Sachen Dramatik auf dem Niveau einer x-beliebigen 1980er-Krimi-Serie befindet. Doch wenn ein Protagonist eine brauchbare Motivation zur Eskalation benötigt, ist die eigene Schwester in den Klauen eines skrupellosen Schurken natürlich immer gut. Joe Mari Avellana [→ TNT JACKSON] agiert als Antagonist Scourge zwar ganz passabel und ließ sich in Sachen Optik offenbar von den alten Samurai inspirieren. Viele Möglichkeiten zur Entfaltung bekam er allerdings nicht, zumal seine Ziele unerwähnt bleiben. Er ist einfach nur ein Bösewicht, der junge Frauen entführt und in Ketten legt, um sich an ihnen zu vergehen. Klar, das ist nicht nett. Aber für die Leinwand dann doch etwas lahm. Echte Kino-Schufte erledigen so etwas bereits vor dem zweiten Frühstück und fangen dann erst mit der eigentlichen Arbeit an.

Scourge gegenüber steht Trace, der Held der Story, gespielt von Gary Watkins [→ JOHNNY G.]. Dem steht zwar „Maskulinität“ auf der Stirn, aber leider eben nicht „Schauspieltalent“. Trotzdem kann Trace von Anfang an alles besser, trifft immer ins Schwarze und wird dadurch zu einer sehr langweiligen Figur. Wie sich Lynda Wiesmeier [→ WAS FÜR EIN GENIE] für ihre Rolle als Entführungsopfer qualifizierte, ist indes nicht schwer zu erraten. Darstellerische Kunstfertigkeit war es nicht. Dafür wird ihr das Privileg zuteil, gut zwei Drittel der Laufzeit oben ohne durch die Wüste wackeln zu dürfen. Bei der Hitze sicherlich sehr angenehm! Die zweite relevante Frauenfigur darf immerhin schon etwas resoluter auftreten: Laura Banks [→ STAR TREK II] gibt die taffe Kopfgeldjägerin, die sich mit Trace verbündet, da sie mit dem Oberunhold ebenfalls noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Dass sie dabei mit ihrem Pudel auf dem Kopf an TERMINATORs Heldin Sarah Connor erinnert, ist gewiss kein Zufall. Und dann ist da die junge Spike (Linda Grovenor [→ STIRB LACHEND]), die auch noch irgendwie mitmischt und nicht nur Gedanken lesen, sondern auch durch Berührung von Gegenständen erfühlen kann, wie es deren Besitzer geht. Das ist zwar toll, aber für die Handlung völlig irrelevant.

Profil besitzen diese mit heißer Drehbuchnadel gestrickten Pappkameraden alle nicht, weswegen einer uninteressanter wirkt als der andere. Dass am Skript dennoch ganze drei Personen herumgebastelt haben sollen, mag man da kaum glauben. „Zweckdienlich“ ist noch das positivste Wort, das einem dazu einfällt, hält es die einzelnen Wegstationen und Action-Szenen doch immerhin notdürftig zusammen. Interesse am Aufbau einer glaubwürdigen, geschweige denn interessanten Welt hatte man allerdings nicht. Das ist insofern bedauerlich, als dass gute Ansätze zumindest vorhanden sind. Über die hippieartige Kommune True Believers, die mitten in der Wüste eine Rakete baut, hätte man z. B. gern etwas mehr erfahren. Stattdessen ist sie einfach nur da, um den Helden als dekorative Zwischenstation zu dienen, bevor sie dann natürlich prompt überfallen wird. Oder über das Volk, das unter Tage haust und Menschen von der Oberfläche stibitzt, indem es sie einfach ins Erdreich zieht, und das von der deutschen Synchronisation doch allen Ernstes "Erdmännchen" genannt wird. Allerdings sind das keine katzenartigen Raubtierchen, sondern zombieartige Saufmumien mit ordentlich Sand in der Visage. Wie diese schwankenden Schreckgestalten es hingekommen haben, sich ein unterirdisches Höhlensystem inklusive diverser Hängebrücken zu erschaffen, das wäre auch ein Kapitel wert gewesen.

In produktionstechnischer Hinsicht braucht sich WHEELS OF FIRE dementsprechend ganz und gar nicht zu verkriechen, denn die Kulissen sind allesamt imposant und auch an vernünftiger Ausstattung mangelt es nicht. Das Team um Santiago hat mal wieder fröhlich den Fuhrpark geplündert und alle möglichen Karosserien organisiert, wobei auch vor Kanonengeschützen und Panzerfahrzeugen kein Halt gemacht wurde. Zudem gönnte man sich eine anständige Anzahl an Statisten, wodurch die Sache größer erscheint, als sie es eigentlich ist. Auf genreübliche Albernheiten hat man überwiegend verzichtet, obwohl das Flaggensymbol der Bösewichte schon ziemlich lustig ist: ein schlecht gelaunter Totenkopf mit Hörnern. Schön auch, dass zumindest einer aus der Schurkentruppe ständig mit nem Dreizack herumläuft. Wie praktisch so ein Ding wohl bei einer Schießerei sein mag? Und die behauptete Hochgeschwindigkeit bei den motorisierten Verfolgungsjagden wurde natürlich mal wieder durch Bildbeschleunigung realisiert, wozu Trace dann einfach so tut, als würde er nach hinten in den Sitz gepresst. Das sieht zwar nicht sonderlich überzeugend aus, aber immerhin musste er kein Erdbeben oder Ionensturm simulieren.

DIE SOLO-KAMPFMASCHINE, wie WHEELS OF FIRE in Deutschland extraknallig genannt wurde (allenfalls Die gnadenlose Solo-Kampfmaschine des grausamen Todes hätte noch prägnanter gewirkt) hat durchaus seine Qualitäten. Er ist gut gefilmt, bietet zum Teil tolle Locations und wartet beizeiten auch mit schönen Bildern (wie malerische Sonnenuntergänge) auf. Auch die Action ist reichlich und abwechslungsreich; Stunts und Explosionen geben sich ein wiederkehrendes Stelldichein. Die deutsche Sprachfassung entzückt dazu mit Beleidigungen wie: „Du Hängebauchschwein!“ Erstaunlich, dass er es trotzdem hinbekommt, bis zum Schluss völlig substanzlos zu bleiben. Die Figuren sind zu keiner Sekunde nahbar, es fehlt an Epik, Herz und Leidenschaft. Zurück bleibt Leere. Und während der Abspann läuft, hat man schon vergessen, worum es eigentlich ging. Wer unbedingt Endzeit von Santiago möchte, sollte sich daher eher an Traces Kollegen STRYKER wenden.

Laufzeit: 81 Min. / Freigabe: ungeprüft

Montag, 16. Dezember 2024

13 ASSASSINS


JÛSANNIN NO SHIKAKU
Japan, GB 2010

Regie:
Takashi Miike

Darsteller:
Kôji Yakusho,
Goro Inagaki,
Masachika Ichimura,
Yûsuke Iseya,
Tsuyoshi Ihara,
Takayuki Yamada,
Sôsuke Takaoka,
Kazuki Namioka



Inhalt:

Japan, 1844: Die Zeit der großen Kriege ist vorbei. Doch dem Land droht neues Unheil: Fürst Naritsugu [Goro Inagaki] soll nach dem bevorstehenden Tod seines Bruders den Thron besteigen. Das Problem: Der Mann ist ein ausgemachter Sadist, verstümmelt, vergewaltigt und mordet in unfassbarer Grausamkeit. Da er der Bruder des Shōguns ist, wird ihm Narrenfreiheit gewährt; sein Tun darf nicht infrage gestellt werden. Obwohl sein Leibwächter Hanbei [Masachika Ichimura] angewidert ist von der Unmenschlichkeit seines Vorgesetzten, hält er ihm die Treue, wie es die Tradition verlangt. Doch am Hof regt sich Widerstand: Der ehrwürdige Samurai Shimada [Kôji Yakusho] erhält den Auftrag, ein Tötungskommando zusammenzustellen, um den Fürsten zu ermorden. 13 Krieger sind es schließlich, welche planen, den Thronfolger während einer Reise durch das Land zu meucheln. Doch Hanbei bekommt von den Plänen Wind und versucht, seinen Gebieter mit aller Macht zu schützen. Als die Attentäter dem Fürsten schließlich in einem mit Fallen gespickten Dorf auflauern, sehen sie sich einer 200 Mann starken Armee gegenüber – der Beginn eines infernalen Massakers ...

Kritik:

Regisseur Takashi Miike erwarb sich mit Schockgranaten wie ICHI THE KILLER einen Ruf wie Donnerhall und kreierte gern alptraumhafte, teils verstörende Grenzüberschreitungen, die Kritik und Publikum nicht selten sprach- und ratlos zurückließen. In der zweiten Hälfte seiner Karriere jedoch wandte sich der einstige Leinwandschreck vermehrt auch massentauglicheren Projekten zu, die sich sogar auf renommierten Filmfestivals Lob einheimsen und Preise abstauben konnten. Wie 13 ASSASSINS, die Neuinterpretation eines gleichnamigen Samurai-Epos' aus dem Jahre 1962, die sich deutlich stärker an traditionelles Erzählkino anlehnt und die Enfant-terrible-Attitüde nahezu vollständig ad acta legt. Zwar finden sich auch hier zumindest im Ansatz „klassische“ Miike-Momente, aber im Gegensatz zu früheren Eskapaden, bei denen Gewalt und Grausamkeit größtenteils der Provokation dienten, besitzen sie hier eine klare narrative Funktion. Wenn die Leiche eines Mädchens gezeigt wird, die Extremitäten abgeschlagen, die Zunge herausgerissen und wie Müll auf die Straße geworfen, dann dient das nicht der Befriedigung voyeuristischer Niederungen, sondern der effektiven Bebilderung der Verworfenheit des Fürsten Naritsugu, was dem Betrachter die Notwendigkeit seiner Ermordung vor Augen führt. 13 ASSASSINS ist keine simple Zurschaustellung rüder Brutalitäten, sondern erzählt primär von komplexen moralischen Dilemmata und behandelt die philosophische Frage, inwieweit Gewalt im Dienste einer vermeintlich guten Sache legitimiert werden kann und darf.

Nicht selten kommen einem dabei die Werke Akira Kurosawas in den Sinn, allen voran der Klassiker DIE SIEBEN SAMURAI von 1954, der ebenfalls von einer Gruppe aufopferungsvoller Krieger erzählt, die sich einer scheinbar unüberwindbaren Übermacht entgegenstellen, bereit dafür, ihr eigenes Leben zu geben, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Auffallend an 13 ASSASSINS ist seine experimentelle Struktur, die mit einer Zweiteilung der Dramaturgie einhergeht. So gestaltet sich die erste Hälfte überwiegend ruhig, zeitweise fast schon meditativ. In aller Ruhe wird da die Ausgangssituation etabliert, werden die Figuren eingeführt und ihre Beweggründe nachvollziehbar gemacht. Bei der Gelegenheit wird auch nicht darauf verzichtet, den Antagonisten ausgiebig ins schlechte Licht zu rücken. Der jugendlich wirkende Naritsugu ist eine wahrlich verachtenswerte Kreatur an der Schwelle zum Wahnsinn, die teils aus Trieb, teils aus purer Lust und Langeweile schändet, tötet und terrorisiert. Mit der Unschuld eines Kindes und der Grausamkeit eines Tyrannen kommentiert der Thronfolger selbst das schlimmste Gemetzel noch mit einem infantil-entzückten „Großartig!“, bis man ihm die Pest höchstpersönlich an den Hals wünscht und regelrecht Stoßgebete gen Himmel schickt, das Tötungskommando möge doch bitte recht schnell ziemlich erfolgreich sein. Die zweite Hälfte stellt dann eine radikale Wende dar: In dramatischem Gegensatz zur bis dahin vorherrschenden Langsamkeit entfesselt Miike ein fast eine Stunde andauerndes, apokalyptisches Gemetzel, ein dreckiges Wühlen in Schlamm, Schweiß und Blut, bei dem wahrlich keine Gefangenen gemacht werden. Und obwohl es natürlich in erster Linie diese Eindrücke sind, die mit nach Hause genommen werden, wäre es ein Fehler, die Wucht des Werkes allein auf das infernale Finale zu beschränken.

Denn nur vordergründig wird hier die Geschichte eines Blutbads erzählt. Hinter all dem Hauen, Stechen und Sterben verbirgt sich ein tiefgründigerer Kommentar auf die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen im Japan des späten 19. Jahrhunderts. 13 ASSASSINS spielt in der Edo-Zeit (ca. 1615 - 1868), einer Ära weitgehender Stabilität, in der die Samurai keine klassischen Krieger mehr waren, sondern Teil eines streng geregelten, von Bürokratie geprägten Systems. Miike bietet einen authentisch anmutenden Einblick in eine Zeit, in der der traditionelle Samurai-Kodex, der jahrhundertelang die japanische Gesellschaft geprägt hatte, seinen letzten Atemzug tut. Seine Protagonisten sind keine Helden, sondern verzweifelte Männer, die in einer sich verändernden Welt keine Rolle mehr spielen. Ihre Ideale sind veraltet, ihre Ehre wurde durch die politischen Umwälzungen der Zeit untergraben, und sie selbst wirken in der damaligen modernen Gesellschaft überflüssig. Aus diesem Gefühl der Entwurzelung heraus gehen sie in den Tod, entschlossen, ein letztes Mal ihre Ehre zu verteidigen und eine letzte Heldentat zu vollbringen, die ihnen einen Platz in der Geschichte sichern soll. An der Absurdität blinden Gehorsams wird dabei kaum ein Zweifel gelassen. Entscheidend ist dabei die Figur des Leibwächters Hanbei, der von den Gräueltaten des Fürsten zwar ebenso angewidert ist wie alle anderen, sich aber dennoch blindlings, starr bewährter Tradition folgend und entgegen jeder menschlichen Vernunft, an die Aufgabe klammert, seinem Herren zu dienen und dessen Leben zur Not mit seinem eigenem zu beschützen. Dieser innere Zwiespalt, der tief im kulturellen Selbstverständnis Japans verwurzelt ist, verleiht 13 ASSASSINS eine psychologische Tiefe, die ihn weitaus vielschichtiger macht, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

13 ASSASSINS ist eine gelungene Frischzellenkur für das Samurai-Genre, die klassische Motive mit den Funktionalitäten des modernen Action-Kinos kreuzt und genügend Raum zur Reflexion lässt. Die japanische Originalfassung läuft direkt noch einmal 20 Minuten länger, angereichert mit ein wenig übernatürlichem Tamtam, den man dem westlichen Publikum wohl nicht auch noch aufhalsen wollte – vermutlich nicht ganz zu Unrecht, gefällt das Werk doch gerade durch seine Bodenständigkeit. Zu einem Klassiker reicht es freilich trotzdem nicht. Wohl aber zu einem facettenreichen Kunstwerk, das beweist, dass Action und Anspruch keine Konkurrenten sein müssen.

Laufzeit: 120 Min. / Freigabe: ab 16

Montag, 9. Dezember 2024

DER SHOGUN UND SEIN SAMURAI


SANADA YUKIMURA NO BORYAKU
Japan 1979

Regie:
Sadao Nakajima

Darsteller:
Hiroki Matsukata,
Kinnosuke Yorozuya,
Minori Terada,
Teruhiko Aoi,
Hiroyuki Sanada,
Chiezô Kataoka,
Midori Hagio,
Tatsuo Umemiya



Inhalt:

17. Jahrhundert: Nach der Schlacht von Sekigahara ist Fürst Tokogawa Ieyasu [Kinnosuke Yorozuya] der mächtigste Mann Japans. Das von ihm installierte Shōgunat agiert als unantastbare Zentralregierung, der sich alle Fürstentümer unterwerfen müssen. Widerstand gegen die Herrschaft regt sich u. a. im Clan der Toyotomi, der auf Burg Ōsaka residiert. Zu den Vasallen Toyotomis gehört auch die Familie Sanada. Als deren Oberhaupt Masayuki [Chiezô Kataoka] einem Mordanschlag Tokogawas zum Opfer fällt, läuft dessen Sohn Nobuyuki [Tatsuo Umemiya] zu Tokogawa über. Sein Bruder Yukimura [Hiroki Matsukata] jedoch, motiviert auch durch den Freitod seiner Frau Aya [Midori Hagio], strebt nach Vergeltung und rekrutiert aus arbeitslosen Schwertkämpfern und heimatlosen Ninjas eine Gruppe von Rebellen.

Kritik:

SHOGUN ASSASSINS beginnt im Weltraum. Aus allerlei astralen Blitz- und Lichteffekten formiert sich final ein seltsamer, rot glühender Brocken, der kurz darauf Kurs auf die Erde nimmt – genauer gesagt in Richtung von Schloss Nagoya, wo zu diesem Zeitpunkt Fürst Tokogawa Ieyasu verweilt, um sich bei Sushi und Sake von seinen Gefolgsleuten Honig ums Maul schmieren zu lassen. Den Tumult, den das Auftauchen des Himmelskörpers verursacht, nutzt ein vermummter Attentäter, um sich ins Schloss zu schleichen, mit dem Ziel, Tokogawa des Nachts einen Kopf kürzer zu machen – ein Plan, der zu gelingen scheint: Just, als das geheimnisvolle Gestirn auf der Erde aufschlägt, bekommt der schlafende Shōgun die Klinge eines scharfen Schwerts zu spüren. Dessen Besitzer ist Kirigakure Saizō [Minori Terada], einer der Gefolgsleute der vom Fürsten verstoßenen Sanada-Familie, der am Folgetag herausfinden muss, dass er getäuscht wurde und lediglich einen Doppelgänger getötet hat. Tokogawa ist weiterhin Alleinherrscher über Japan und der Kampf geht weiter.

Dieser ungewöhnliche Auftakt, bei dessen ersten Bildern man sich fragt, ob man sich buchstäblich im falschen Film befindet und zufällig bei so etwas wie STERNENKRIEG IM WELTALL gelandet ist, steht exemplarisch für die experimentelle Attitüde des Werks, das nicht nur verschiedene Genres kreuzt, sondern dem Publikum auch eine wilde Mixtur aus historischen Fakten und heißblütiger Fiktion serviert. Denn während Shōgun Tokogawa Ieyasu, sein Widersacher Sanada Yukimura und auch viele andere Figuren tatsächlich existierten, ist der Ninja Kirigakure Saizō eine reine Sagengestalt, die seit Urzeiten in unterschiedlichen Interpretationen durch die japanische Popkultur geistert. SHOGUN ASSASSINS ist am Ende mehr Fantasy als Geschichtsstunde und kokettiert damit auch sehr offenherzig. Regisseur und Co-Autor Sadao Nakajima [→ OKINAWA YAKUZA WAR] webt aus Wahrheit und Folklore die spinnerte Fabel einer Widerstandsgruppe, an deren Spitze der von Rache und Trauer getriebene Samurai Sanada Yukimura steht.

Einer seiner Rekruten ist Sasuke Sarutobi, ebenfalls eine legendäre, vor allem in Mangas und Animes immer wieder gern verwendete fiktive Figur, die für gemeinhin als Superhelden-Ninja beschrieben wird und auch hier tüchtig vom Leder ziehen darf: Sasuke kann Wirbelstürme heraufbeschwören, sich in Feuerbälle verwandeln und durch kreiselartige Drehbewegungen vom Boden abheben, um seine Gegner in der Luft zu verwemsen. Warum er das nicht immer macht, um seiner Truppe zum Sieg zu verhelfen, sondern mit seinen Fähigkeiten unnötig haushält, ist eine offensichtliche Schwäche des Drehbuchs, das man diesbezüglich besser nicht auf Nachvollziehbarkeit abklopft. Im Großen und Ganzen ziehen Sanada und seine Mannen nämlich doch sehr weltlich gegen den Feind zu Felde: mit Kanonen, Schwertern und Sprengstoff. In einem der besten Momente leiten die Rebellen Öl in einen Bach, der am Munitionslager Tokogawas vorbeifließt, um es dann zu entzünden, was in einem visuell aparten Flammenmeer mündet, das zahlreiche Miniaturbauten eindrucksvoll in Mitleidenschaft zieht.

Action-Attraktionen wie diese sind in den satten zweieinhalb Stunden Laufzeit allerdings eher rar gesät. Viel Raum bekommt dafür der Dialog, der Konflikte und Interessen der einzelnen Parteien nachvollziehbar machen soll. Das geht freilich nicht immer ganz so locker runter wie das Öl, das erfolgreich das feindliche Lager infiltriert, sondern gestaltet sich bisweilen etwas zäh, da allein schon die Personaldichte dezent überfordernd wirkt: Unzählige Charaktere werden per Texteinblendung vorgestellt, aber sich zu merken, wer jetzt welchen Namen trägt und welchen Rang er bekleidet, ist schon eine ziemliche Mammutaufgabe. Viele der zwischenmenschlichen Zwiespälte sind zudem eng verwoben mit Epoche und Kultur, was das Begreifen diverser Krisenherde nicht unbedingt erleichtert. Es ist erstaunlich, wie bodenständig und authentisch SHOGUN ASSASSINS dadurch wirkt, zumal überraschend viel auf tatsächlichen Begebenheiten beruht. So unterdrückte der echte Tokogawa Ieyasu mit aller Gewalt das Praktizieren des Christentums, hier portraitiert am Beispiel der koreanischen Christin Julia Ota [Yôko Akino], die ebenfalls wirklich existierte und von Tokugawa ins Exil geschickt wurde. Und wie in der Realität geschehen, findet Tokugawa auch hier einen fadenscheinigen Grund (eine angebliche Beleidigung als Inschrift auf einer Glocke), um die Verbliebenen des Toyotomi-Clans anzugreifen und die Machtverhältnisse zu klären.

Akkurates Historienkino ist SHOGUN ASSASSINS dennoch nicht – und das nicht nur, weil der geschichtlich verbürgte Ausgang der Ereignisse zum Finale ohne Not neu gedichtet wird. Die Historie dient als Basis für eine Vermengung mit Mythologien, Fabeln und Esoterik, wobei der bierernste, bodenständige Duktus niemals verlassen wird. Da können dann auch ohne Probleme mal Ninja-Nonnen das Parkett betreten, ohne dass es auffallend albern wirkt. „Wir wurden Ninja-Nonnen“, erklärt die Mutter Oberin da ganz gewichtig, „die im ganzen Land ihre Körper gegen Informationen verkauften.“ Ja, in der Tat: Es sind Ninja-Nonnen-Nutten! Und dass der Shōgun-Armee halluzinogene Drogen in die Getränke gemischt wurde, woraufhin diese während der Schlacht nen totalen Film schiebt, ist nun ganz gewiss ebenso wenig überliefert wie der Umstand, dass sich der letzte Überlebende am Ende in einen Felsbrocken verwandelt und ins Weltall fliegt.

Wer die deutsche Fassung von SHOGUN ASSASSINS gesehen hat, der reibt sich ob dieser Worte vermutlich verwundert die Augen. Weltall? Drogen? Meteore? Überlänge? Was? Verständlich, denn was in Deutschland als DER SHOGUN UND SEIN SAMURAI ankam, ließ sage und schreibe 70 Minuten Material vermissen. Die Überbleibsel des Ganzen kann man gepflegt in der Pfeife rauchen. In einem Affenzahn wird da von Szene zu Szene gesprungen; die ausführlichen Vorstellungen der einzelnen Widerstandskämpfer, die im Original alle eine einleitende Episode spendiert bekamen, fehlen ebenso, wie jedwede Anspielung auf magische oder esoterische Elemente, wodurch auch fast alle der tollen visuellen Effekte gnadenlos eliminiert wurden. Komplexere Sachverhalte hat man ebenfalls ohne Rücksicht auf Verluste herausgeschnitten und/oder wegsynchronisiert, bis von der ursprünglichen Idee wirklich rein gar nichts mehr übrig war. Da nutzen auch die professionellen Stimmen (wie Elmar Wepper oder Christian Tramitz) nichts mehr. Aus dem experimentellen Epos wurde ein zusammenhangloses Fragment, das das eigentliche Werk nicht einmal mehr erahnen lässt.

Die unangetastete Version hingegen ist fraglos einen Blick wert. Nicht ohne Längen und zwischenzeitlich wohl etwas arg verlabert und schwerfällig erzählt, sticht SHOGUN ASSASSINS aufgrund seiner Verschrobenheit und seines visuellen Einfallsreichtums doch sehr angenehm aus der Masse heraus. Und wer genau aufpasst, erkennt als einen der Ninja-Rebellen den Schauspieler Hiroyuki Sanada, dem später eine beachtliche Hollywood-Karriere zuteilwurde. Interessantes Detail: Gut 45 Jahre später spielte Sanada in der Serie SHOGUN den Fürsten Toranaga – dessen reales Vorbild Tokogawa Ieyasu war. Hiroyuki Sanada jagt hier also quasi sein zukünftiges Selbst. Da ist sie wieder, die Esoterik.

Laufzeit: 148 Min. / Freigabe: ungeprüft

Montag, 2. Dezember 2024

CITY OF DARKNESS


JIU LONG CHENG ZHAI – WEI CHENG
China 2024

Regie:
Cheang Pou-Soi

Darsteller:
Raymond Lam Fung,
Sammo Hung Kam-Bo,
Louis Koo Tin-Lok,
Richie Ren Xian-Qi,
Terrance Lau Chun-Him,
Kenny Wong Tak-Ban,
Philip Ng Wan-Lung,
Aaron Kwok Fu-Sing



Wer das Action-Epos TWILIGHT OF THE WARRIORS – WALLED IN, so der internationale Titel von CITY OF DARKNESS, völlig unbefangen schaut, wird wohl kaum glauben können, dass dessen spektakulärer Schauplatz einst tatsächlich existierte. Die spätere „Kowloon Walled City“ wurde bereits während der Song-Dynastie (960 bis 1279) als Militärposten geschaffen und wuchs über Jahrhunderte zu einer Festung heran, die selbst nach der Abtretung Hongkongs an Großbritannien im Jahr 1842 ein Symbol chinesischer Souveränität blieb. Nachdem während des Zweiten Weltkriegs ihre schützenden Mauern doch noch eingerissen wurden, strömten Scharen von Menschen auf der Flucht vor dem chinesischen Bürgerkrieg in die verlassene Enklave und ließen sie zu einem anarchischen Mikrokosmos heranwachsen. Da keine Regierung Interesse anmeldete, übernahmen in den 1950er-Jahren die Triaden die Kontrolle und verwandelten die Stadt in einen Hort von Glücksspiel, Prostitution und Opiumhöhlen. Auf engstem Raum entstanden zahllose Werkstätten, Kliniken und Wohnungen – ein eigenes Ökosystem, das ohne Rücksicht auf Bauvorschriften oder Infrastruktur förmlich in den Himmel wuchs und zeitweise als am dichtesten besiedelter Ort der Welt geführt wurde. 1987 wurde beschlossen, die Stadt abzureißen. Nach einem schwierigen Räumungsprozess verschwand dieses einzigartige Bollwerk menschlicher Überlebenskunst bis 1994 vollständig.

Wenn man das Hongkong-Kino liebt, dann ist einem die Walled City womöglich bereits begegnet. So stellten die Shaw Brothers 1982 beispielsweise die BROTHERS FROM THE WALLED CITY vor und zwei Jahre später diente sie mehreren Gangstern als Zufluchtsort vor THE LONG ARM OF THE LAW. Auch Jackie Chan prügelte sich 1993 in seiner CRIME STORY durch die realen Kulissen der verlassenen Mauerstadt, die zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Einebnung stand. Aber so wie in CITY OF DARKNESS wurde sie zuvor noch niemals präsentiert. Mittels Nachbauten und Computergraphiken holte man die Örtlichkeit zurück ins Leben, präsentiert als monolithischen Moloch, der - obwohl von der damaligen Realität gar nicht allzu weit entfernt – wirkt, als habe man Frank Millers Sin City mit J. R. R. Tolkiens Mordor zusammen in den Mixer geworfen. Ohne Frage ist der Schauplatz dann auch der eigentliche Hauptdarsteller von CITY OF DARKNESS, ein gigantisches, dauerbewegtes Labyrinth, an dem man sich nicht sattsehen kann und möchte, unzählige übereinandergestapelte und ineinander verschachtelte Elendsquartiere, ein wuselndes Wimmelbild aus Wasserrohren, Wäscheleinen und Winkelgassen, bei dem man stellenweise nicht weiß, wo unten und wo oben ist, weil alles ineinanderfließt und nur als Einheit zu existieren scheint. Und diese pittoreske Kulisse bietet die Bühne für akrobatische Auseinandersetzungen aller Art, meist über mehrere Stockwerke hinweg, wobei die Steigungen von den Kämpfenden teils per Motorrad überwunden werden, oft jedoch, wie im Martial-Arts-Genre nicht unüblich, auch per purer Muskelkraft und Körperbeherrschung.

Der Plot, den man in diese Mauern pflanzte, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Yu Wing Leung und bedient sich den üblichen Versatzstücken des Gangster-Genres, die jedoch sinnstiftend mit der gewählten Lokalität verwoben werden.

Inhalt:

1980er Jahre: Chan Lok-Kwan [Raymond Lam], ein Flüchtling vom Festland, ist illegal in Hongkong und hält sich mit brutalen Untergrundkämpfen über Wasser. Um sein Leben zu verbessern, will er einen gefälschten Ausweis kaufen, wird jedoch von Mr. Big [Sammo Hung], einem lokalen Syndikatsboss, hintergangen. In einer verzweifelten Kurzschlussreaktion klaut Chan ihm einen Beutel mit Drogen und sucht das Weite. Obwohl Bigs Schergen sofort die Verfolgung aufnehmen, kann er ihnen nach intensivem Schlagabtausch entkommen – und strandet schließlich in der Walled City, einem von der Außenwelt abgeschirmten Sperrgebiet, in dem eigene Gesetze gelten. Kaum angekommen, erweckt er das Interesse des freundlichen Friseurs Cyclone (in der deutschen Fassung: Tornado) [Louis Koo], einem der heimlichen Anführer des Gebiets, der ihm bedingungslos Obdach gewährt. Obwohl zunächst nur als vorübergehende Zuflucht geplant, wird die Walled City für Chan zum neuen Zuhause, erfährt er unter den Bewohnern trotz aller Anarchie eine bis dahin nie erlebte Solidarität. Doch dann geraten Chan und seine Vertrauten in die Mühlräder von Rachlust, Gier und Politik – denn das Ende der Stadt ist längst beschlossen.

Kritik:

Fast könnte man meinen, dass sich CITY OF DARKNESS ein wenig zu viel aufbürdet, denn an Ambition mangelt es ihm nicht. Zum einen, das ist das Offensichtlichste, will er natürlich ein Actionfilm sein, und das ist er freilich auch. Im Fokus stehen die Geschwindigkeit, die hier mehrfach zelebriert wird, wenn man sich z. B. durch dafür eigentlich viel enge, dunkle Gassen hetzt, und die Kampfkunst, die, dem Genre gehorchend, als nahezu einziges Kommunikationsmittel zur Konfliktaustragung aus den Menschen herauszubrechen scheint. Manchmal wird auch beides kombiniert, wenn man sich – in einer der wenigen Sequenzen, die außerhalb abschirmender Mauern stattfinden – in und auf einem fahrenden Bus beharkt und dabei auch durch splitternde Scheiben scheucht. Gleichzeitig gebärdet man sich auch als großes Gangsterepos, das über mehrere Jahrzehnte hinweg mit ausladendender Geste von Schuld und Sühne erzählt. Vor allem aber ist CITY OF DARKNESS ein Endzeitfilm. Denn die Welt, von der er erzählt, ist dem Untergang geweiht. Das ist keine Drehbuchfantasie: 1994 war der Ort von der Karte verschwunden. Der apokalyptische Überzug kommt also nicht von ungefähr: Sämtliche Figuren taumeln am Rande des Abgrunds, über alles und jedem hängt die Aura des Vergänglichen. Doch die Leute verzweifeln nicht. Es passt nicht zu ihnen. Bisher haben sie noch aus jeder misslichen Lage einen Ausweg gefunden. Deswegen sind sie hier.

Von Außenstehenden als Stigma der Stadt gebrandmarkt, erscheint die Walled City in Wahrheit als alternativer Lebensentwurf, als ein Refugium, das Armen und Ausgestoßenen die Möglichkeit einer nonkonformistischen Existenz bietet. Als Chan Lok-Kwan nach (zugegebenermaßen) hartem Empfang angeschlagen über die Straße stolpert, reichen ihm durchs Fenster plötzlich helfende Hände Speis und Trank. Sie gehören zu einem Kind, einem kleinen Mädchen, das – im Gegensatz zur Hauptfigur Chan, die hier noch neu ist – Teil dieses Räderwerks ist und in souveräner Selbstverständlichkeit weiß, wie alles funktioniert und man sich zu verhalten hat. Es ist ein Ort ohne Gesetze, aber nicht ohne Regeln. Diese starke Romantisierung realer Begebenheiten könnte man den Autoren gewiss zum Vorwurf machen. Aber zum einen wird die Anwesenheit von Gewalt nicht verschwiegen (da wird eine Prostituierte mit zerschmettertem Schädel aufgefunden – ihr letzter Freier hatte wohl schlechte Laune). Und zum anderen erhebt CITY OF DARKNESS zu keiner Sekunde den Anspruch, ein authentisches Abbild von irgendetwas zu sein. Spätestens im Finale, wenn manch Gegner regelrecht übernatürliche Kräfte entwickelt und die Gesetze der Physik lediglich Vorschläge werden, ist klar, dass man doch nur eine Art von Superhelden-Comic vor sich hat. Zwar deutlich mehr der Wirklichkeit verpflichtet als z. B. die X-MEN, aber eben doch nur Fiktion.

Für Freunde anspruchsvoller Kampfkunst-Unterhaltung ist CITY OF DARKNESS wahrlich ein Fest. So hoch die Ambitionen der Macher auch gewesen sein mögen, das Ergebnis gereicht zur Ehre und platzt vor Energie und Leidenschaft fast aus allen Nähten. Die Story an sich ist nichts Besonderes, es geht um das Übliche: Rache, Rivalität und Macht. Sonderlich geschickt erzählt ist sie auch nicht; die Mehrheit der etablierten Konflikte wird später auf brutale Weise null und nichtig. Dennoch haben Cheang Pou-Soi [→ DOG BITE DOG] und seine Autoren ein wuchtiges, vibrierendes, bemerkenswertes Stück Kino erschaffen. Zwischen flackerndem Neonlicht und düsteren Gassen erspinnt sich eine dampfgeschwängerte Dystopie, die den turbulenten Zeitgeist des Hongkongs der 1980er Jahre wieder aufleben lässt. CITY OF DARKNESS ist der Kommentar zu den tiefgreifenden Umbrüchen, die der Abriss der Walled City mit sich brachte, und atmet damit auch den unsteten Geist des Filmschaffens jener Zeit, das aufgrund der bevorstehenden Übergabe der Kronkolonie an China von der Angst vor dem Verlust der eigenen Identität geprägt war. Die Mitwirkung Sammo Hungs [→ RISE OF THE LEGEND], einem der bedeutsamsten Darsteller jener „goldenen Ära“, trägt diesem Umstand Rechnung. Mit Louis Koo [→ DRUG WAR] und Aaron Kwok [→ COLD WAR] sind zudem noch zwei weitere verdiente Hochkaräter des Hongkong-Kinos an Bord. Nur, dass für relevante Frauenrollen offenbar kein Platz mehr war, ist zu bedauern.

Laufzeit: 125 Min. / Freigabe: ab 16