Hongkong 1977
Regie:
Pao Hsueh-Li
Darsteller:
Danny Lee,
Tanny Tien,
Lin Chen-Chi
Shih Chung-Tien,
Chiang Tao,
Keung Hon,
Wai Wang,
Norman Tsui
DAS BLUT DER ROTEN PYTHON spielt im (fantastischen) China des 11. Jahrhunderts und startet mit zartem Geschmuse zwischen Mann und Frau.
Harmoniebedürftige sollten diesen Moment gleich doppelt genießen,
denn bei allem, was danach kommt, haben Romantik und Zärtlichkeit
Feierabend. Bereits wenige Minuten nach dieser trauten Eröffnung
liegt jede Eintracht in Trümmern: Als die Dame ihrem Herzensherren
eröffnet, sich in anderen Umständen zu befinden, druckst dieser
doch arg herum und fragt, was denn ihr Ehemann dazu sagt. „Mein
Mann ist seit drei Monaten mit den Fürsten in den Südprovinzen“, erklärt sie. Doch kaum ist der Satz verklungen,
haut’s mit Schmackes die Tür aus den Angeln und der Gehörnte
steht höchstpersönlich in
der Kemenate. Südprovinzen
Pustekuchen! Recht ungehalten ob des erfolgten Verrats zückt der
ungebetene Gast sein Schwert, um seinen Nebenbuhler noch an Ort und
Stelle zu perforieren.
Dieser rettet sich
durch einen beherzten Sprung durchs Fenster, woraufhin der Kampf im
Garten ausgetragen wird. Und dann passiert natürlich genau das, was
in solchen Momenten immer passiert: Der Angegriffene hält inne,
konzentriert sich und schießt aus seinem Zeigefinger einen
Laserstrahl hervor, der dem Kontrahenten behende die Kniescheiben zu
Brei brutzelt.
Moment mal, was???
Ja, es passiert tatsächlich.
Man kann DAS BLUT DER ROTEN PYTHON sicherlich viel vorwerfen.
Vorhersehbarkeit gehört nicht dazu. „Kannst du dich nur durch
Zauber wehren?“, fragt das am Boden liegende Opfer. „Das ist kein
Zauber“, klärt ihn der gegnerische Gattinbestäuber arg
besserwisserisch auf. „So kämpft der Clan der Tuan seit uralter
Zeit, das solltest du wissen.“ Ach so … Wenn besagter Clan
das schon immer so gemacht hat, dann sind Feuerstöße aus Fingerkuppen natürlich völlig normal und unzauberhaft. Auch dem Ehemann
erscheint diese Argumentation offenbar etwas suspekt, versucht er
doch, sich mit einem Satz über die Mauer in Sicherheit zu bringen.
Aber sein Widersacher hat Blut geleckt und strahlt dem Flüchtigen
auf bewährte Art und
Weise kurzerhand beide
Beine ab. Und als wäre das noch nicht genug der Aufregung, taucht
plötzlich eine weitere Frau auf, die sich ohne jede falsche Scham
als des Strahlemanns
Verlobte vorstellt, der
seine Geliebte daraufhin ganz zwanglos in die Wüste schickt, die den
beiden infolgedessen ewige Rache schwört. Und
es fing doch alles so
kuschelig an …
Tatsächlich sind an dieser
Stelle noch nichtmal die ersten fünf Minuten um. Was manch anderem
Werk bereits vollends an Gagaismus gereicht hätte, genügt
hier gerade einmal der
Exposition. Freunde nonkonformistischen Kino-Vergnügens können allerdings ganz
beruhigt sein, denn
auch nach dem Vorspann
wird es nicht auffallend konventioneller. So
legt der Herr mit den
weggeballerten Beinen sich später beispielsweise zwei mit Krähenfüßen versehene Metallstelzen zu, die er teleskopartig ein-
und ausfahren kann. Einen echten Namen gönnte man dem armen Kerl übrigens
nicht (was an Otto Waalkes’ beinlosen Hund erinnert, der ebenfalls
keinen Namen hat, weil er ja sowieso nicht kommt, wenn man ihn ruft).
Gelistet wird der später als Hauptschurke agierende Charakter in zweckdienlicher Weise lediglich als Gelb-Roben-Mann. Der Strahlenverschießer hingegen
entpuppt sich als
Kaiserbruder und
Thron-Anwärter Tuan Zhengchun. Sein geschwängertes Betthupferl nennt sich Qin Hongmian,
während seine Verlobte auf
den Namen Shu Baifeng
hört. Das
einleitende Ereignis hat nicht nur Folgen im Sinne
der Niederkunft, sondern
wird noch zwei Jahrzehnte später die Schicksale vieler Menschen
bestimmen:
Inhalt:
Quin Hongmion [Gam Lau], von
Prinz Tuan Zhengchun
[Si Wai] erst
geschwängert, dann
verstoßen, lebt nur noch für die Rache. Nachdem sie ihre Tochter
zur Welt gebracht hat, bildet sie das Mädchen 20 Jahre lang zur
Kämpferin aus. Mit Erfolg! Als junge Erwachsene ist Mu Wanqing
[Tanny Tien] quasi unbesiegbar und verbreitet Angst und Schrecken,
selbst bei gestandenen Kriegern. Nun soll sie losziehen, um Hongmions damalige Nebenbuhlerin Shu Baifeng [Hung Ling-Ling] einen Kopf kürzer
zu machen.
Inzwischen hat auch Prinz Tuan
einen Sohn im Mannesalter: Tuan Yu [Danny Lee]. Da dieser jedoch
lieber in schöngeistigem
Schriftgut schmökert
statt maskulinen Kampf-
und Gewaltexzessen zu
frönen, gilt er als Taugenichts. Eines Tages geht Yu auf
Wanderschaft und trifft auf
die kesse Zhong
Ling-erh [Lin Chen-Chi], die eine Handvoll magischer Schlangen im
Schlepptau hat. Diese kennt die Lösung für sein Problem: Wenn Yu
die sagenumwobene Rote Python findet und es schafft, ihr das Blut
abzuzapfen, wird
er auf mystische Weise unbesiegbar werden.
Währenddessen schmiedet auch
Hongmions
damaliger Ehemann, der Gelb-Roben-Mann [Shih
Chung-Tien], Rachepläne, da er beim Kampf mit dem Prinzen einst
beide Beine verlor. Zusammen mit seinem Vertrauten, dem
monsterartigen Killer Yue Canglong [Chiang Tao], will er Yu
als den Sprössling seines Erzfeindes entleiben (logisches Argument: „Er
hat mir meine Beine geraubt, dafür werde ich ihm seinen Sohn
nehmen.“). Als
er erfährt, dass Yu und Wanqing sich zufällig über den Weg laufen, ohne zu wissen, Bruder und Schwester zu sein, reift in ihm ein teuflischer Plan.
Kritik:
Es ist nicht einfach, den
Überblick zu behalten angesichts der Vielzahl an Personen, die hier aus unterschiedlichsten Motiven heraus versuchen, sich gegenseitig ans Messer zu liefern. Trotz einer nicht unbedingt ausufernden Länge von 75
Minuten ist DAS BLUT DER ROTEN PYTHON bis unters Dach voll mit
Verschwörungen, Privatfehden und Selbstfindungsprozessen, so dass
man durchaus merkt, dass hier ein 2000-seitiger Wälzer als Grundlage
diente, nämlich Demi-Gods and Semi-Devils von Louis Cha aus dem
Jahre 1963. Das Werk gilt als durchaus anspruchsvoll und komplex,
wird in dieser filmischen Adaption (später folgten noch weitere)
aber tüchtig durch den Kokolores-Fleischwolf gedreht und mit einer
gehörigen Portion Irrsinn abgeschmeckt.
Der Gelb-Roben-Mann ist
mit seinen ausfahrbaren Metallprothesen schon ein echter Knaller, aber sein Assistent, ein notgeiles Hummermonster mit Scherenhänden,
Vampirzähnen und stählerner Stirn, ist auch nicht von schlechten
Eltern. Mu Wanqing besitzt derweil als Waffe einen riesigen
Hundeknochen, der Dolche verschießen kann. Diese sehen zwar beim
Abfeuern aus wie der Anzeigepfeil von Microsoft, besitzen aber nen
Bumms, dass selbst die Dicke Bertha neidisch wird. Ling-erh hingegen
schleudert Schlangen zur Verteidigung, die in fliegender Eile in des
Kontrahentens Körper kriechen, um unter dessen Haut offenbar
rauschende Feten zu feiern. Und falls das nicht reicht, trägt sie in
einer Schatulle noch eine glühende Kröte mit sich spazieren, die
einen bereits bei bloßer Berührung zu den Ahnen schickt („Nur,
wenn man ihr Geheimnis kennt, kann das Gift einem nicht schaden.“),
allerdings Superkräfte verleiht, wenn man sie am Stück
verschlingt. Sehr richtig: Anfassen ist tödlich, aber runterschlucken
(was ja ohne Anfassen schon mal schwierig ist) macht munter, lässt
einen in Windeseile Wände erklimmen, Felsbrocken zerschmettern und
ohne jede Not Todesstrahlen aus allen möglichen Körperöffnungen
verschießen.
Die Riesenschlange, die Yu
erlegen muss und die der deutschen Fassung ihren Namen gibt, ist ein
ebenso klobiges wie unbewegliches Gummigeschöpf, was den Wagemut des
Protagonisten der Lächerlichkeit preisgibt. Darsteller Danny Lee [→ IN DEN KLAUEN DER CIA] hat
nämlich mehr Mühe damit, das Vieh irgendwie lebendig wirken zu
lassen, als mit allem anderen. Der eigentliche Höhepunkt der
Kategorie Kämpferischer Konflikt mit künstlicher Kreatur jedoch geschieht deutlich später, wenn man sich seiner Haut gegen
einen Kung-Fu-Gorilla erwehren muss, der den Helden auszusaugen
gedenkt, um dessen magische Kräfte zu absorbieren: Dass die
zänkische Zottelzibbe nur ein Mensch im kümmerlichen
Karnevals-Kostüm ist, nimmt kaum Wunder. Aber die vehemente
Weigerung desselben, sich auch nur ein Mü anders zu bewegen als ein
stinknormaler Homo Sapiens, ist schon beachtlich.
Freilich war es nie die
Intention der Schöpfer, hier irgendeine Form von Wirklichkeit
abzubilden. So kommt DAS BLUT DER ROTEN PYTHON oftmals wie ein etwas
aufwändiger gestaltetes Bühnenstück des Wegs, dessen Kulissen und
Kostüme deutlich als solche auszumachen sind. Anschauungsobjekte
dafür wären die „Unterwelt“, in welcher der Antagonist aus
unerfindlichen Gründen haust und die eindeutig in Theaterdekoration
arrangiert wurde, oder die regelrecht provierend unecht aussehenden
Reißzähne seines Schergen, die man mit Leichtigkeit glaubwürdiger
hinbekommen hätte, hätte man es denn tatsächlich gewollt. Und
dennoch wirkt das alles in letzter Konsequenz gar nicht billig, sondern als
plausibler Bestandteil eines durchaus aufwändigen Gesamtkonzepts.
Klingt wie ein Widerspruch? Dann passt es gleich doppelt gut zum Werk! Denn zwischen
all dem aberwitzigen Tempo und blühenden Blödsinn bleiben
tatsächlich auch noch ein paar Minuten Zeit für innere Einkehr,
welche die im Prinzip tragische Tragweite der Ereignisse fühlbar machen: Wenn Prinz Zhengchun, ursprünglich schurkisch
veranlagt, nach 20 Jahren erstmals seine Tochter trifft und er in
einem stillen gemeinsamen Moment begreift, was für weitreichende
Folgen seine bisherigen Fehltritte und Charakterlosigkeiten hatten,
dann bedarf es keiner großen Worte für die Erkenntnis, dass sich
hier ein Mensch gewandelt hat.
So ist DAS BLUT DER ROTEN
PYTHON, zwischen Gummigetier, Zeichentrickblitzen und knallbunten
Rauchbomben, eigentlich ein großes generationenübergreifendes Drama
mit allem, was dazugehört: verbotene Liebschaften, uneheliche
Kinder, unwissentliche Geschwisterliebe, ausufernde Familienfehden,
Racheschwüre über den Tod hinaus. Ohne Scheu vor Jux und Dollerei,
in wildwüchsiger Farbenpracht (sogar Leichen zerfließen hier ohne
jeden Grund zu kunterbuntem Eiskrembrei) und mit einer ungemein
liebenswerten Hauptfigur gesegnet (Danny Lee spielt den
pazifistischen Helden wider Willen überaus sympathisch), wurde hier
eine Unterhaltungsgranate geschaffen, welcher der Wahnwitz aus allen
verfügbaren Poren tropft. Hier steht man gerne Schlange!
Laufzeit: 76 Min. / Freigabe: ab 16
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