Hongkong, Taiwan 1975
Regie:
King Hu
Darsteller:
Pai Ying,
Roy Chiao,
Sammo Hung,
Hsu Feng,
Simon Yuen Siu-Tin,
Han Ying-Chieh,
Yuen Biao,
Yuen Wah
Inhalt:
China im 16. Jahrhundert: Marodierende
Piratenbanden machen das Land unsicher. Der Kaiser ist ebenso unfähig
wie ratlos. General Yu Da You [Roy Chiao], welcher als äußerst integer
gilt, erhält den Auftrag, mit List und Tücke gegen die Verbrecher
vorzugehen. Yu schart eine Truppe exzellenter Kämpfer um sich. Der beste von
ihnen ist der sich geheimnisvoll gebende Schwertkämpfer Wu Yi-Juan [Pai
Ying], welcher trotz seiner Bescheidenheit unbesiegbar zu sein scheint. Schon bald kommt es zum Feindkontakt. Nach den ersten Kämpfen
verschanzen sich die Piraten um ihren japanischen Anführer Hakatatsu
[Sammo Hung] auf einer Insel. Wu fasst den Plan, sich mithilfe eines
untreuen Staatsdieners in die Truppe einschleusen zu lassen. Um das
Vertrauen der Banditen zu gewinnen, muss er sich nun in einem Wettkampf
gegen verschiedene Gegner behaupten.
Kritik:
Regisseur King Hu machte bereits 1966 mit seinem zeitweise recht experimentellen DAS SCHWERT DER GELBEN TIGERIN auf sich aufmerksam. War das später zum kleinen Klassiker sich mausernde Kung-Fu-Spektakel in
seiner Gesamtheit jedoch noch dem Stil des produzierenden
Shaw-Brothers-Studio verpflichtet, erarbeitete sich Hu spätestens 1971
mit dem meditativen Martial-Arts-Epos EIN HAUCH VON ZEN, welcher
auf dem Filmfestival in Cannes als erster chinesischer Actionfilm
überhaupt eine Auszeichnung erhielt, seinen Ruf als Regisseur
ästhetisch-anspruchsvoller Kung-Fu-Filme (was für das als primitives
Gewaltspektakel verschriene Genre bis dahin undenkbar war) und ebnete somit den Weg für spätere Klassiker á la TIGER & DRAGON.
DIE MUTIGEN ist nach DER LETZTE KAMPF DES LEE KHAN der zweite Film, den Hu für die Produktionsfirma Golden Harvest realisierte. 'Schuster, bleib bei deinen Leisten!' dachte sich der Mann dabei wohl
und griff hauptsächlich auf sein bereits aus dem Vorgänger bekanntes
Stammpersonal zurück – weswegen sich hier auch überwiegend wieder dieselben Darsteller tummeln. Darf EIN HAUCH VON ZEN tatsächlich als eine Art Meilenstein betrachtet werden, erscheint DIE MUTIGEN, trotz zweifelsfrei technisch kompetenter Umsetzung, hingegen fast schon bemerkenswert konventionell. Phasenweise doch arg belang- und einfallslos wirkt die Story, die einen
in den ersten Minuten regelrecht mit einem Überfluss an aus dem Off
vorgetragenen Informationen erschlägt und deren Vielzahl unzureichend
vorgestellter Personen den Betrachter zunächst in einen nicht
unerheblichen Verwirrungsmodus versetzt.
So dauert es ein wenig, bis man Personal und dessen Ambition
entsprechend zugeordnet hat. Dann jedoch hält das gewiss nicht
innovative, aber immerhin kurzweilige Ränkespiel um
Kompetenzwettstreit, Eifersuchtsgerangel und gegenseitiges Misstrauen
ganz angenehm bei Laune – um einen nach
gut einem Drittel Laufzeit erneut zu irritieren: Hat man gerade erst General Yu Da You als vermeintliche
Identifikationsfigur auserkoren, verschiebt sich der
Handlungsschwerpunkt unerwartet in Richtung des erst recht spät
eingeführten Wu Ji-Yuan, welcher als nahezu unbesiegbarer Superkämpfer
nun plötzlich die Hauptrolle zu bekleiden scheint. Scheint des Generals
wackere Kämpfer-Truppe die Geschichte zu diesem Zeitpunkt verlassen zu
haben, taucht sie gegen Ende aus ebenso heiterem Himmel dann doch wieder
auf, um das große Finale mitzubestreiten.
Spätestens hier kommt der Actionfreund auf seine
Kosten: Die letzte halbe Stunde besteht tatsächlich fast ausschließlich
aus kernigem Kampfgetümmel und entschädigt sowohl für die
Startschwierigkeiten als auch für die temporäre dramaturgische
Holprigkeit. Mit Pfeil und Bogen, Lanze und Schwert, Hand- und Fußkante
rückt man sich hier auf die Pelle, mit einer ordentlichen
Portion Feuerzauber garniert, rasant geschnitten und auch von Härten nicht
befreit – da landet der Wurfstern schon mal in der nächstgelegenen
Stirn. Die Choreographie der Kampfszenen übernahm dabei, wie bereits bei DER LETZTE KAMPF DES LEE KHAN, abermals Sammo Hung, welcher sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen Ruf als zuverlässiger Qualitätsgarant erarbeitet hatte. Neben dieser Funktion übernahm Hung außerdem auch noch die Rolle des
Bösewichts Hakatatsu. Zur käsigen Kalkleiste zurechtgeschminkt bleibt er
hier jedoch hinter seinen Möglichkeiten zurück und wirkt als leicht
tuckig angehauchter japanischer Piratenschurke wie eine realitätsferne
Comicfigur.
In der Rolle des Wu Ji-Yuan sieht man Pai Ying [→ DER RÄCHER AUS DER TODESZELLE],
welcher für King Hu nun bereits das vierte Mal vor der Kamera steht.
Seine Rolle des trotz seiner ständigen Überlegenheit immer bescheiden
bleibenden Schwertkämpfers meistert er mit sympathischer Verschmitztheit
(auch wenn seine übertriebene kämpferische Dominanz arg unglaubwürdig
wirkt). Die Figur des Generals ist historisch verbürgt – tatsächlich kämpfte
während der Ming-Dynastie ein Yu Da You gegen japanische Piraten.
Verkörpert wird die Rolle hier gewohnt souverän von Roy Chiao, welcher
später als böser Klischee-Chinese in der Anfangsszene von INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES die Titelfigur vergiften durfte („Etwas zu viel getrunken, Dr. Jones?“).
Der geschulte Genre-Freund blickt während des Trips noch in weitere
bekannte Gesichter: So ist hier u. a. auch Yuen Siu-Tin, der als
'Drunken Master' in SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER Jackie Chan
Kung-Fu-Unterricht geben durfte, als abtrünniger Shaolin-Mönch zu
bewundern, welcher zunächst seine Kette in Richtung der Wand schleudert,
zu seinem Bogen greift und einen Pfeil hinterherschießt. Der Pfeil
bohrt sich in die Wand, die zuvor geschleuderte Kette baumelt ein paar
Sekunden später an selbigem. Sensationell! Im Wettkampf gegen die Piraten darf Pai Ying dann außerdem gegen Yuen Biao antreten (welcher später in DER SUPERFIGHTER abermals mit Sammo Hung vor der Kamera stand), um sich im Anschluss gegen Yuen Wah [→ KUNG FU HUSTLE] behaupten zu müssen – ebenfalls ein oft gesehenes Gesicht im Hongkong-Kino.
Letztendlich benötigt man, sollte man sich auf DIE MUTIGEN einzulassen gedenken, ein wenig
Geduld, bis sich das anfängliche Übermaß an Information und Charakteren
entwirrt hat. Wem das gegeben ist, der wird mit zwar nicht
wegweisender, doch hochwertiger Prügelware belohnt, die nicht nur, aber
vor allem dank des flotten Finales die Reise wert ist. Nur Mut!
Laufzeit: 102 Min. / Freigabe: ab 16
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