Schweiz, BRD 1976
Regie:
Jess Franco
Darsteller:
Klaus Kinski,
Josephine Chaplin,
Andreas Mannkopff,
Herbert Fux,
Hans Gaugler,
Lina Romay,
Angelika Arndts,
Lorli Bucher
Inhalt:
London
1888: Ein Mörder geht um! Seine Opfer: Prostituierte. Seine Methode:
Brutale Verstümmelung. Der einzige Zeuge: Ein blinder Bettler. Die
Polizei: ratlos! Niemand ahnt, dass sich hinter der Identität des
Mörders der unscheinbare Dr. Orloff [Klaus Kinski] verbirgt. Tagsüber
ein Menschenfreund, frönt er des Nachts seinem unstillbaren
Tötungsdrang. Zufällig jedoch kommt ihm der Fischer Charlie [Herbert
Fux] auf die Schliche und beschließt, den werten Herrn Doktor ein wenig
zu erpressen. Eine denkbar schlechte Idee …
Kritik:
Die
Geschichte 'Jack the Rippers', des mutmaßlichen Serienmörders, welcher
Ende des 19. Jahrhunderts mehrere Prostituierte brutalst ermordete, ohne
jemals gefasst zu werden, beflügelt seit jeher die Fantasie von Autoren
und Filmemachern. Da über die tatsächlichen Hintergründe kaum etwas
bekannt ist und die Taten aufgrund ihrer historischen Ferne bereits
Legenden-Charakter besitzen, sind den ausschweifendsten
Verschwörungstheorien kaum Grenzen gesetzt.
Sex, Brutalität und
Mord – die ideale Spielwiese also für einen Regisseur wie Jess Franco,
haben doch ein Großteil seiner Werke genau diese Themen zum Schwerpunkt. Franco, der mit vollem Namen eigentlich Jesús Franco Manera
heißt, wird von der Mehrheit gern als billiger Schundfilmer verspottet. Das
liegt vermutlich – neben seinem zweifelsfrei enormen Output (in der
Regel drehte er mehrere Filme pro Jahr) – in erster Linie an den oftmals
auffallend niedrigen Budgets, mit welchem er arbeiten musste, den in
der Regel unverhohlen sensationsheischenden Inhalten seiner Werke
(Nacktheit und Gewalt gegen Frauen sind wiederkehrende Motive) und
vor allem an seiner eigenwilligen, sich gängigen Mustern
widersetzenden Art der Inszenierung, die, in Verbindung mit häufig
verweigerter stringenter Erzählweise, mit gängigen Seherfahrungen
bricht, was bei unbedarftem Publikum vielfach zu heilloser Verwirrung
führt. Oft und gern jedoch wird dabei übersehen, dass gerade
sein eigenwilliger Stil einen angenehm-bizarren Reiz ausmacht, wirkt der
Ausbruch aus klassischer Dramaturgie und Darstellung doch nicht nur
ungemein erfrischend, sondern sorgt aufgrund seiner Unberechenbarkeit
auch für einen beachtlichen Unterhaltungswert.
JACK THE RIPPER
hingegen gibt sich in seiner Machart erstaunlich konventionell und
wurde deutlich auf Massentauglichkeit gemünzt – die für Franco so
typische Inkohärenz ist hier quasi völlig verschwunden. Hauptgrund
dafür dürfte die Zusammenarbeit mit Erwin C. Dietrich gewesen sein,
einem vor allem im Schmuddelbereich höchst aktiven Schweizer
Produzenten, welcher die kostengünstige, aber publikumswirksame Arbeit
Francos zu schätzen wusste und diesen daher als Regisseur mehrerer auf
Kassenerfolg getrimmter Projekte einspannte. So griff man für JACK THE RIPPER
dann auch auffallend tiefer in die Tasche: Ausstattung und Kostüme
können sich durchaus sehen lassen und schaffen es zumindest im Ansatz,
dem Publikum eine Art Großproduktion vorzugaukeln. Jess Franco,
welcher auch das Drehbuch schrieb, verzichtete auf ein großangelegtes
Rätselraten um die Identität des Mörders – was durchaus vernünftig
erscheint. Wenn Klaus Kinski auf der Besetzungsliste steht, erübrigt
sich im Grunde ohnehin jede Spekulation. So geht es hier nicht etwa um Frage 'Wer ist der Täter?', sondern 'Wann und wie wird er am Ende gefasst?' Die
Antwort darauf geriet dann allerdings denkbar simpel: Die ohnehin nicht
besonders aufregende (und schon gar nicht historisch akkurate)
Mörderhatz gipfelt in einem ernüchternd unspektakulären Finale, das der
bis dahin geschürten Erwartungshaltung kaum gerecht werden kann.
Nun
war Franco fraglos noch nie ein Meister des raffinierten
Spannungsbogens, daher plätschert auch die eigentliche Handlung in etwa so
eintönig vor sich hin wie das Flüsschen, das hier die Themse darstellen soll. Das liegt nicht unbedingt an der Tatsache, dass
die Identität des Mörders von Anfang an feststeht, sondern eher daran,
dass es keinen geeigneten Gegenpart gibt, mit welchem sich das Publikum
großartig identifizieren könnte. Zwar sorgen die zahlreichen
Prostituierten-Morde für ein wenig Nervenkitzel, verkommen im Prinzip
jedoch zur dramaturgisch immer gleichen Nummernrevue – zweckmäßig und
ohne besondere Raffinesse dienen sie in erster Linie der
Zurschaustellung rüder Brutalitäten.
Dazwischen sorgt Andreas
Mannkopff als ‚ermittelnder‘ Inspektor Selby für Amüsement. So scheint
der nicht besonders helle wirkende Gesetzeshüter den ganzen Tag im Büro
zu hocken und sich darüber zu ärgern, dass der Mörder nicht zu fassen
ist, anstatt zwecks Spurensuche einfach mal das stille Kämmerlein zu
verlassen. Fast jeder sonstige Beteiligte wirkt dann auch
cleverer als der Inspektor, was besonders für die Rolle Hans Gauglers
gilt. So erstellt er als blinder Bettler allein anhand wahrgenommener
Gerüche im Nullkommanix ein astreines Täterprofil, zu welchem die doch
arg vertrottelte Polizei wohl nicht mal imstande gewesen wäre, hätte der
Mörder selbst mit persönlicher Vita auf der Schwelle gestanden. Schließlich
muss des Inspektors Freundin, gespielt von Charlie Chaplins zweiter
Tochter Josephine, selbst die Initiative ergreifen, wenngleich sie sich
als Ripper-Köder in Dirnen-Montur ebenfalls nicht herausragend klug
anstellt.
Ein Hammer ist natürlich die Besetzung Herbert Fux'
als Herumtreiber Charlie, welcher sich anfangs in einer unnötig
ekelerregenden Szene eine eitrige Geschwulst vom Bein pulen lässt, um
seinen behandelnden Arzt später anhand einer (denkbar albernen)
Phantomzeichnung als Mörder zu identifizieren und einen
Erpressungsversuch zu starten. Im feinsten Ösi-Schmäh nuschelt er seine
Dialoge herunter, was der Illusion, sich im viktorianischen London zu
befinden, doch mehr als nur ein wenig abträglich ist.
Trotz
deutlich goutierbarerer Inszenierung ließ sich Franco sein Steckenpferd
natürlich nicht komplett aus der Hand reißen und würzte das
Schauermärchen mit einer ordentlichen Portion Sex & Crime: Für
die erotische Komponente sorgt dabei (von einer entkleideten
Prostituierten mal abgesehen) einmal mehr Francos damalige Ehefrau Lina
Romay, die hier eine etwas seltsam anmutende burleske Tanzdarbietung
aufs Parkett legt, die eigentlich nur aus Arschwackeln besteht. Für
die Gewalt hingegen ist natürlich Klaus Kinski höchstpersönlich
zuständig, welcher in der wohl drastischsten Sequenz sein Opfer brutal
vergewaltigen und abschlachten darf. Gleichzeitig!
Kinski (der mit Franco bereits bei dem herrlich surrealen PAROXISMUS
zusammenarbeitete) ist als irrer Frauenmörder natürlich die
Idealbesetzung, zumal man kaum überrascht wäre, zockelte er nach Feierabend tatsächlich los, um ein paar
Dirnen kaltzumachen. Ausgerechnet hier hält er sich jedoch erstaunlich zurück und wirkt als seelengepeinigter Dr. Orloff eher ein wenig schwunglos. Dennoch
geriet seine Rolle durchaus interessant, gibt er sich doch tagsüber als
pflichtbewusster und – trotz missmutiger Visage – durchaus
freundlicher Charakter, der, obwohl selbst am Hungertuch nagend, seinen
oftmals bettelarmen Patienten für die Behandlung nichts berechnet,
während sein Mordtrieb – Freud lässt grüßen! – einem grausamen
Kindheitstrauma geschuldet ist, dem er nicht entkommen kann.
JACK THE RIPPER
ist weder das beste Werk Francos, noch ein herausragender Genre-Beitrag.
Doch trotz seiner Defizite sorgt der solide Grusler für angenehmen
Kurzweil, wird die fehlende Spannungskurve durch gekonnt erzeugte
Atmosphäre doch überwiegend ausgeglichen. Die verwinkelten, von
grotesken Gestalten bevölkerten Gassen des nächtlichen Londons (was
natürlich eigentlich nicht London ist, sondern Zürich) erzeugen dank
geschickt-unheimlicher Ausleuchtung und großzügigem
Nebelmaschinen-Einsatz ein schaurig-schönes Flair, den
Edgar-Wallace-Filmen nicht unähnlich. Unheimliche Wälder, geistig verwirrte Figuren und schmierig-spekulative Effekte sorgen für angenehm-ruchloses Vergnügen. Zwar
werden die mörderischen Malträtierungen deutlich erkennbar an steifen
Schaufensterpuppen begangen und das Blut ist auch viel zu rot, um
tatsächlich echt zu sein, doch die offenherzige Gewaltdarstellung dürfte
damals schon den ein oder anderen Zuschauer schockiert haben. So empfiehlt sich JACK THE RIPPER
für alle Freunde naiv-nostalgischen Grusel-Kintopps und unermüdliche
Klaus-Kinski-Fans. Schlaflose Nächte wird die (teilweise ironisch
gebrochene) Krimi-Horror-Sex-Melange fraglos keinem mehr bereiten – für
90 Minuten amüsanten Schauder im reißerischen Stil einer billigen
Jahrmarkts-Attraktion reicht es allerdings immer noch.
Laufzeit: 92 Min. / Freigabe: ab 18
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