Frankreich, Italien 1967
Regie:
Yves Boisset
Darsteller:
Claudio Brook,
Margaret Lee,
Jean Servais,
Bernard Blier,
Jean Topart,
Hans Meyer,
Klaus Kinski,
Agatha Alma
Inhalt:
Mara [Margaret Lee] stirbt in den Armen ihres Geliebten, des Geheimagenten Francis Coplan [Claudio Brook] – ermordet. Auf der Suche nach den Drahtziehern dieses Verbrechens und dessen Grund lernt Coplan die Schattenseiten Istanbuls kennen. Dubiose Figuren kreuzen seinen Weg, jeder scheint etwas zu wissen, doch alle schweigen. Als Coplan in einem Nachtclub schließlich eine Doppelgängerin Maras kennenlernt, ist ihm klar, dass hier eine große Verschwörung laufen muss …
Kritik:
Kritik:
007? Kennt jeder. 117? Dank ironisierter Wiederbelebung auch ein paar Leuten bekannt. Und FX 18? Der hatte etwas weniger Glück als seine Kollegen und blieb – zumindest in Deutschland – eher unbekannt. Zwar brachte es auch Coplan auf insgesamt sechs Kinoabenteuer, doch die verwirrende Vermarktungspolitik der deutschen Verleiher und die Tatsache, dass die Figur bei jedem seiner Ausflüge von einem anderen Darsteller verkörpert wurde, blieben nicht folgenlos.
Natürlich ist der französische Agent Francis Coplan auch nur ein weiteres der zahlreichen unverhohlenen James-Bond-Duplikate, wie sie in den 60ern die Lichtspielhäuser zu Dutzenden belagerten, und folgt als solches blindlings den bereits vorgetrampelten Pfaden, ohne dabei etwas sonderlich Neues hinzufügen zu können. DER TEUFELSGARTEN, der letzte Beitrag zur Coplan-Reihe, erlaubt sich allerdings doch so einige unerwartete Verrücktheiten und eine leicht surreale Grundstimmung, was im Nachhinein deutlich mehr Laune macht, als die zwar ähnlich gearteten, doch wesentlich konventionelleren Abenteuer seines Kollegen OSS 117. Bereits nach wenigen Minuten wähnt man sich buchstäblich im falschen Film, wenn Coplan seine ersten Worte spricht und seiner Geliebten, die eben noch verzweifelt um ihr Leben rannte, mit zartem Schmelz in der Stimme entgegensäuselt: „Erinnerst du dich an die Blumen von Acapulco? Dieser farbige Teppich, der uns auf dem Fluss entgegen schwamm? Erst, als wir ganz nahe dran waren, konnten wir die Schiffe erraten.“
Jedoch just, bevor man sich ernsthaft zu fragen beginnt, ob das Drehbuch vielleicht von Rosamunde Pilcher verfasst wurde, befindet man sich auch schon mittendrin im schönsten Spionagesalat: „Hast du mal etwas vom Konsortium gehört?“, fragt die so blumig Angesäuselte. „Vom Konsortium der Gehirne?“, antwortet Coplan erstaunt. Spätestens jetzt ist klar: Die kommenden 105 Minuten bieten allerfeinsten Agentenquatsch mit Soße. Der sich anschließenden Handlung zu folgen, ohne dabei den Faden zu verlieren, ist keine sehr einfache Übung. Selbst Coplan scheint nicht so recht zu verstehen, worum es hier eigentlich geht und stolpert eher unbedarft und mit fragendem Blick von einem Schauplatz zum nächsten. Mag sein Darsteller Claudio Brook auch rein optisch voll und ganz dem gängigen Agentenklischee der 60er Jahre entsprechen (hochgewachsen, brustbehaart, ein süffisantes Lächeln im kantigen Gesicht), erweckt seine Mimik doch überwiegend den Anschein, als sei er soeben mit voller Kraft gegen einen Laternenmast gelaufen und versuche nun verzweifelt sich daran zu erinnern, wer er eigentlich ist, wo er sich befindet und was der ganze Trubel um ihn herum überhaupt soll. So dümmlich aus der Wäsche geguckt, wie Brook es hier quasi im Dauerzustand macht, hätte Sean Connery wohl nicht mal, wäre er des Morgens im rosa Tutu mit auf dem Teppich getackertem Haupthaartoupet aufgewacht.
So erweckt Coplan, während seine Gegenüber ihn mit Informationen versorgen, überwiegend den Eindruck völliger geistiger Abwesenheit, dass man fast gewillt ist, ein Goldstück für seine Gedanken zu reichen. Ihren Höhepunkt findet diese vermeintliche Apathie, als Colplan von einer Szene auf die andere plötzlich ohne ersichtlichen Grund auf einer Bahre liegt und von den Bediensteten seines Kontrahenten, des türkischen Lieutenants Sakki, in Richtung Krankenwagen geschleppt wird. Bar jeder Gegenwehr liegt Coplan auf der Trage, bis ihm – just in dem Moment, in welchem er an der Kamera vorbeigetragen wird – plötzlich doch noch die Merkwürdigkeit der Situation bewusst zu werden scheint, was zur Folge hat, dass er sich beherzt aufrichtet und sich eher zaghaft als erbost die Frage erlaubt: „Sagen Sie mal, was soll das? Ich bin doch nicht krank!“
Nicht verschwiegen werden sollte an dieser Stelle, auf welche raffinierte Art Agent FX 18 im Anschluss aus dieser scheinbar ausweglosen Situation entkommt: Als plötzlich ein Eselskarren auf der Straße steht und der Krankenwagen scharf bremsen muss, nutzt der Topspion geistesgegenwärtig den entstehenden Tumult und schleicht sich ebenso leise wie unbemerkt aus dem Fahrzeug. Auf die berechtigte Frage des Lieutenants, wie es Coplan denn trotz Bewachung gelingen konnte, zu entfliehen, antwortet sein Untergebener dann auch ganz offen und ehrlich: „Er hat die Tür aufgemacht, Herr Lieutenant!“
So und so ähnlich amüsiert DER TEUFELSGARTEN dann auch beinahe über die gesamte Laufzeit hinweg auf äußerst angenehme, realitätsinkompatible Weise: Coplan tigert von Station zu Station, trifft merkwürdige Figuren, die merkwürdige Dinge tun und sagen, tut und sagt selbst merkwürdige Dinge, liefert sich zwischendurch arg ungelenk choreographierte Keilereien und hängt bei öffentlichen Ringkämpfen oder in verruchten Nachtclubs herum. Die recht kryptischen Dialoge (die im Original ähnlich abstrakt und nicht nur das Produkt der deutschen Synchronfassung sein dürften) sorgen dabei immer wieder für Heiterkeit, die obskure Story für angenehmes Erstaunen.
Erstaunlich spät wird auch der eigentliche Oberschurke eingeführt: Hugo Gernsbach [Hans Meyer], der auf einer schwer bewachten Festung irgendwo in der Nähe der syrischen Grenze haust. Nachdem Coplan die ortsansässigen Bauern nach dessen Standort befragt hat („Ich suche ein Schloss oder sowas wie eine Burg.“ - „Hööö?“ - „Eine Festung, eine Zitadelle!“) stattet er dem Fiesling schließlich einen Besuch ab – trotz eindringlicher Warnung: „Kein vernünftiger Mensch geht freiwillig in die Gärten des Teufels!“ - „Die Gärten des Teufels?“ - „Seit Jahrhunderten werden sie so genannt.“ - „Und warum?“ - „Man erzählt, dass in diesen Tälern der Teufel umgeht.“ Dort hütet Gernsbach, ein herrlich bizarrer Bösewicht, der eine Gesichtshälfte wie weiland das Phantom der Oper hinter einer Maske aus Kaugummipapier versteckt, in einer verbotenen, durch eine Stahltür gesicherten Kammer ein todbringendes Geheimnis, ein undefinierbares weißes Licht, dessen Bedeutung und Herkunft bis zum Ende nie geklärt wird.
Der kleine Mystery-Schlenker tut dem TEUFELSGARTEN ziemlich gut, zumal die bizarre Sause gegen Ende ohnehin noch mal einiges an Fahrt aufnimmt. Als Gernsbach eine gnadenlose Menschenjagd veranstaltet und Coplan durch Dschungel und Felsgestein hetzen lässt, sorgt das nicht nur für ein gesundes Maß an Nervenkitzel, sondern auch für eine der amüsantesten Szenen des gesamten Spektakels: So versteckt sich Coplan vor seinen Häschern auf einem Baum und erblickt erschrocken eine riesige Spinne. Dass diese eindeutig aus einem anderen Film hineingeschnitten wurde, ist noch nicht wirklich ein Brüller. Als das Tier Coplan jedoch angreift, sieht es plötzlich nicht nur völlig anders aus, sondern hat sich auch in eine unbewegliche Gummispinne aus dem Halloween-Shop verwandelt, die nun wirklich nicht so aussieht, als könne sie irgendjemandem auch nur im Ansatz gefährlich werden.
Ein weiteres Highlight ist unbestreitbar der legendäre Klaus Kinski in einer großartigen Nebenrolle als undurchschaubarer Bildhauer, der erst in liebevoller Kleinarbeit ein Nacktmodell drapiert, um sich im Anschluss seinem undefinierbaren Haufen Klumpatsch zu widmen, der allerdings keinesfalls den Eindruck erweckt, als könne jemals eine brauchbare Skulptur daraus entstehen. Kinski nutzt hier einmal mehr die Gelegenheit, sein verschrobenes Wesen voll und ganz auszuspielen, und es ist eine wahre Freude, ihm dabei zuzusehen. Mit nacktem Oberkörper stolziert er gedankenverloren durch den Raum, den Blick unstet, die Gesichtsmuskulatur nervös zuckend, und sinniert von der Schönheit des weiblichen Körpers und Bindungen, die über den Tod hinausgehen. Wenn er später plötzlich mit einem Kollegen auch noch Barbie-Puppen entkleidet, um zärtlich mit ihnen zu schmusen, hat man als Zuschauer schon längst alle Scham verloren und suhlt sich voller Wonne in diesem sinnfreien Wust erstaunender Skurrilitäten.
Es ist bezeichnend, dass Agent FX 18 nach einer anfänglichen Schlägerei den halben Rest der Laufzeit seinen linken Arm in einer Schlinge tragen muss – besser kann man den verhinderten Versuch, eine ernsthafte 007-Konkurrenz auf die Beine zu stellen, kaum versinnbildlichen. Dass DER TEUFELSGARTEN dennoch vorzügliche Unterhaltung bietet, liegt an dem ansprechend hohen Kuriositätsfaktor, der eine Absehbarkeit der Ereignisse unmöglich macht und an jeder Ecke eine neue, obskure Überraschung bietet. Die Dialoge sind hemmungslos blöd, der Hauptdarsteller ist auf sympathische Weise überfordert und die Handlung wirkt im Nachhinein wie ein wirrer Traum.
Tadellos gerieten hingegen die Bilder von Kameramann Alain Derobe, dem nicht nur, aber vor allem im Finale ein paar sehr schöne Aufnahmen gelangen.
DER TEUFELSGARTEN! Kein Film mit Hirn! Aber mit Gehirnen!
Laufzeit: 105 Min. / Freigabe: ab 16
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