USA 1975
Regie:
Jack Hill
Darsteller:
Joanne Nail,
Robbie Lee,
Monica Gayle,
Asher Brauner,
Chase Newhart,
Marlene Clark,
Kitty Bruce,
Janice Karman
„Mütter, versteckt eure Söhne – die Bronx-Katzen sind los!“
Inhalt:
Die 'Dagger Debs' sind eine brutale New Yorker Mädchengang, vor welcher das ganze Viertel zittern muss. Doch eines Tages kommt Maggie [Joanne Nail] in die Stadt, welche sich nicht so ohne Weiteres einschüchtern lässt und den 'Debs' ordentlich Paroli bietet. Nach einer zünftigen Rauferei landet die Gang gemeinsam mit Maggie im Kittchen. Bandenchefin Lace [Robbie Lee] ist von den Nehmerqualitäten des Neuankömmlings überaus beeindruckt, und als sie ihr auch noch dabei behilflich ist, die Übergriffe der lesbischen Wärterin Mom Smackley [Kate Murtaugh] abzuwehren, entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden Mädchen. Maggie wird in die Bande aufgenommen. Dieses missfällt wiederum der einäugigen Patch [Monica Gayle], welche nach Haftentlassung der 'Dagger Debs' unverzüglich anfängt, gegen die neue Konkurrentin zu intrigieren. Dass sich Laces Freund Dom [Asher Brauner] in Maggie zu verlieben scheint, kommt ihr dabei gerade recht. Doch damit nicht genug der Anfeindungen: Als die konkurrierende Gang des schrägen Drogendealers Crabs [Chase Newhart] auf ihre Schule versetzt wird, bricht auch noch ein blutiger Bandenkrieg los.
Kritik:
Nachdem Jack Hill mit COFFY und FOXY BROWN
Pam Grier zur ungekrönten Königin des Blaxploitation-Kinos erhoben
hatte, widmete sich der Meister des kostengünstigen Leinwandspektakels
den Schicksalen deutlich bleichgesichtigerer Slumbewohner und lies die BRONX-KATZEN
los. Gewohnt realitätsfern und spekulativ ausschlachtend kredenzte er
eine von obszönen Dialogen beherrschte, angenehm räudige Räuberpistole
über eine frevelhafte Mädchenbande, die, zwischen internen Intrigen und
kriegerischen Anfeindungen, im verruchtesten Viertel der Stadt ihren
Mann stehen muss. Und obwohl der gefeierte B-Film-Regisseur zur
Vorbereitung seiner Sause mehrere tatsächliche Bandenmitglieder
interviewte und lange Zeit einen ernsthaften Themenbeitrag plante,
entschied er sich letztendlich doch wieder für das, was er am besten
konnte und servierte einmal mehr zwar anspruchsloses, aber überaus
charmantes Bahnhofskino voll feinsten Rambazambas. Und während die
seriöse Kritik erneut inbrünstig abwinkte, über Dilettantismus und
Gewaltverharmlosung klagte, bot sich dem etwas weniger wählerischen
Publikum abermals eine willkommene Abwechslung zu Schlöndorff und
Shakespeare.
Alles Echauffieren über Mangel an Intellekt und Anstand wäre tatsächlich auch reinste Zeitverschwendung, denn SWITCHBLADE SISTERS
(so der wohl bekannteste Titel) ist eigentlich purer Unfug und in keiner Weise ernstzunehmen. Das beginnt bereits bei Joanne Nail als Quasi-Hauptfigur
Maggie, die, selbst im Frauenknast noch in Overknees und Hot Pants
unterwegs, zwar einen optischen Leckerbissen erster Kajüte darstellt,
doch niemals auch nur im Ansatz wie eine Person wirkt, die es mit einer
ganzen Straßengang aufnehmen könnte. Andererseits wirkt auch Lace, die
von Robbie Lee verkörperte Anführerin der rabiaten Truppe, alles andere
als ehrfurchtsgebietend, sondern eher wie jemand, dem bereits die Tränen
in die Augen steigen, wenn ihm die Plätzchen im Ofen anbrennen. So
erwecken die angeblich so beinharten 'Dagger Debs' eher den Eindruck
einer ungezogenen Sandkastenkombo, der man nur mal ein bisschen
Wangenapplaus spendieren müsste, um sie wieder zur Besinnung zu bringen.
Dass diese pseudocoole Püppchenparade eine der gefürchtetsten Gangs im
ganzen Ghetto darstellen soll, glaubt man nicht eine einzige Sekunde.
Natürlich
könnte man, sofern man gewillt ist, den Umstand, dass die taffen Mädels
und Jungs, die tagtäglich fett einen auf dicke Hose machen, innerlich
eigentlich verletzlich und voller Zweifel sind, auch als beabsichtigte
Sozialkritik auffassen, und tatsächlich klingt etwas Ähnliches zumindest
zeitweise durchaus an, wenn Dom, Freund von Lace und natürlich
ebenfalls Anführer eines mehr oder minder knallharten Straßenmobs, ihr
in einem haltlosen Emotionsausbruch entgegenschleudert: „Diese ganze verfluchte Gang kotzt mich an!“. Allzu weit aus dem Fenster lehnen sollte man sich aufgrund dessen allerdings trotzdem nicht: THE JEZEBELS
(und noch ein Alternativtitel) ist und bleibt ein oberflächliches
Bandendrama, das in Inhalt und Dialog über das Niveau einer gewöhnlichen
Seifenoper zu keiner Zeit herauskommt und auch niemals einen reellen
Versuch unternimmt, eine Erklärung für gesellschaftliche Probleme zu
liefern. Als Dokumentation taugt das wahrlich nichts - als schicke
Schmierenkomödie hingegen umso mehr.
Einmal mehr erhob Jack
Hill Trivialität zur Tugend, indem er sie geradezu mustergültig
zelebrierte: Ungelenke Schlägereien wechseln sich ab mit
kitschigen Beziehungskisten, pubertäre Sex- und Gewaltphantasien
mischen sich mit arglosem Geblödel. Ernste Themen verkommen dabei zu
belanglosen Banalitäten, während Tötungen und Misshandlungen
nahestehender Menschen lapidar, nach kurzem pflichterfüllendem
Trauermoment fast schon schulterzuckend zur Kenntnis genommen werden.
Auch Prostitution (denn natürlich schicken die Mitglieder der männlichen
Gang ihre Freundinnen auf den Strich) wird hier zum feucht-fröhlichen
Vergnügen, wenn die Dame (die zwar genervt ist vom langen 'Arbeitstag',
aber ansonsten eigentlich keine nennenswerten Probleme hat) auf der
Schultoilette dem nächstbesten Kunden zum Sonderpreis von nur fünf
Dollar angeboten wird – selbst, wenn dieser eigentlich gar kein
Interesse hegt: So kommt der Klassenstreber um die Ecke und wird
vom zuständigen Zuhälter mit inbrünstig werbenden Worten in die
Toilettenräume gestoßen, während der arme Junge lauthals protestiert, da
er eigentlich dringend in den Chemieunterricht müsse. Die Geldbörse des
unfreiwilligen Freiers behält der Kuppler dabei selbstverständlich
gleich ein, um sich seine fünf Dollar höchstpersönlich einzuverleiben.
Momente wie dieser, die heiße Eisen zu harmlosem Entertainment degradieren, sind keine Seltenheit und machen DIE BRONX-KATZEN
zu einem politisch höchst unkorrekten Vergnügen, das unverbesserlichen
Moralaposteln zwar tüchtig die Pumpe hochtreiben dürfte, tatsächlich
jedoch in seiner unverblümt naiven Weltsicht und kuscheligen Wohlfühlattitüde
vorzügliche 70er-Jahre-Unterhaltung bietet, zumal auch die
Gewaltdarstellung, bei Hill ohnehin immer eher gemäßigt, hier noch mal
zusätzlich gezügelt wurde und explizite Brutalitäten nahezu völlig
ausbleiben. Und um den ruchlosen Ereignissen auch noch den Rest an Schrecken zu nehmen, bevölkerte Hill sein Drehbuch zusätzlich mit einer
erquickenden Vielzahl schreiend schriller Figuren, die das grausame Ghetto endgültig in ein quietschbuntes Kabarett verwandeln. Das gilt vor
allem für den von Chase Newhart verkörperten Drogendealer Crabs, der
mit kariertem Beinkleid, sternverzierten Hosenträgern und glitzerndem
Herrenhemd aussieht wie ein lauwarmer Kanarienvogel und optisch
vielleicht auf den Christopher Street Day passen würde, aber ganz
bestimmt nicht als Gangsterboss in die Bronx.
Doch auch abseits von Modemerkwürdigkeiten und Charakterkuriositäten sind DIE BRONX-KATZEN
ein Sammelbecken herrlich abstruser Albernheiten: Im Frauengefängnis
herrscht natürlich eine dicke Matrone, die auch gern mal Hand an ihre
Schäfchen legt („Besser, du kommst ihr nicht in die Quere - die ist scharf wie Affenscheiße!“), Drogenhändler jubeln ihren Stoff armen Kindern bei der Essensausgabe unter („Er macht sogar Kinder süchtig - mit präparierten Vitaminpillen!“), und der einzige Ort, an dem die harten Ghettogangster ihre Waffen ablegen, ist die örtliche Rollschuhbahn („Die Bahn ist neutrales Territorium“),
an welcher sich die harten Jungs selbstverständlich einmal in der Woche
treffen, um unbeschwert Rollschuh zu laufen. Und da es Hill auch nicht
so ganz gelang, seine Blaxploitation-Affinität zu zügeln, mischt aus
heiterem Himmel auch noch eine Horde afro-amerikanischer, militanter
Frauenrechtlerinnen mit („Politische Power erwächst aus dem Lauf einer Knarre!“),
weswegen am Ende dann auch wieder eine Black Mama die letzten Kohlen
aus dem Feuer holen darf (wofür sie natürlich mit einem privaten
Panzerfahrzeug anrollt – Erklärungen sind überflüssig!).
Kurzum: SWITCHBLADE SISTERS
ist eine wirklichkeitsfremde, doch äußerst burleske Angelegenheit,
deren Grundtenor, trotz einiger Entgleisungen (wie der Umstand, dass aus
einer Vergewaltigung heraus romantische Gefühle resultieren) zudem
unerwartet feministisch geriet. Natürlich wäre es maßlos übertrieben,
zu behaupten, Hills Werk sei ein ernstzunehmendes emanzipatorisches
Manifest, doch erweisen sich die weiblichen Figuren ihren männlichen
Pendants gegenüber sowohl charakterlich als auch emotional als deutlich
überlegen. So gibt es hier tatsächlich nicht eine einzige männliche
Identifikationsfigur, so dass die Sympathien sich klar auf die
Mitglieder der Mädchengang verteilen, welche dann auch schließlich
erkennen, dass sie auf die Unterstützung des vermeintlich starken
Geschlechts gar nicht angewiesen sind. „Hol dir einen Mann, wenn du was brauchst fürs Bett - dann wirf ihn weg!“, lautet die finale Quintessenz, ausgesprochen von der schwarzen Revoluzzerin Muff [Marlene Clark].
Das humorlose 'Lexikon des internationalen Films' gab sich mal wieder stocksteif und unterstellte den BRONX-KATZEN „ein Zeugnis menschenverachtender Gesinnung". Das ist nun freilich heillos übertrieben. Selbstverständlich ist und bleibt SWITCHBLADE SISTERS
eine Billigproduktion (das Budget betrug lachhafte 320.000 Dollar und
die Drehzeit gerade mal zwölf Tage), die mit spekulativen Elementen
versucht, möglichst viel Umsatz zu machen und an der es auch formal
Einiges zu bekritteln gäbe: So ist der Schnitt in den Actionszenen eine
Katastrophe und auch die Choreographie kommt reichlich hüftsteif daher
(man beachte vor allem die Gefängnisschlägerei, bei welcher sich die
Personen bereitwillig in Positur stellen, um sich treffen zu lassen).
Zudem schlagen manche Darsteller zeitweilen vollkommen über die Stränge
und betreiben ein Overacting, dass die Bronx bebt (das gilt vor allem
für die männlichen Darsteller, doch auch Joanne Nail übertreibt es in
der Schlussszene maßlos).
Doch obwohl eine charismatische
Hauptdarstellerin vom Schlage einer Pam Grier fehlt (Joanne Nail bleibt
insgesamt deutlich zu brav), und manch ein Scherz in seiner
Harmlosigkeit eher an bieder-deutschen Lustspielklamauk erinnert (so
versteckt ein Bandenmitglied ein Unterhöschen in der Jacke ihres Lehrers
– hach, wie rebellisch!), geriet Hills Ganovenstück zu einer runden
Sache, die durchaus auch einige gelungene Regieeinfälle zu bieten hat
(so erscheint der Schlusskampf zweier Mädchen lediglich als
Schattenspiel an der Wand). Allen Defiziten zum Trotze geriet THE JEZEBELS
somit geradezu unverschämt liebenswert und bietet trotz seiner
ernsthaften Thematik jede Menge an Putzigkeiten. Dass die rabiate
Schlägerbraut Patch einen Schmetterling auf ihrer Augenklappe durch die
Gegend trägt, darf dabei ohne Weiteres als Metapher verstanden werden:
Gewalt und Brutalität werden zum kindlich-unbekümmerten Ulk, der
niemandem mehr wehtut. Somit versprühen DIE BRONX-KATZEN auf angenehme Art und Weise den unbeschwerten Zeitgeist ihrer Entstehung.
Die JEZEBELS
laden ein zur großen Ghetto-Gaudi, und alle machen mit! Eine Handvoll
schnuckeliger Schnecken schimpft, schlägt und ränkeschmiedet sich
leidenschaftlich durch ein himmelschreiend absurdes
Bandenkriegsszenario, und der bluesige Soundtrack groovt einem dazu die
Hütte voll und schämt sich nicht mal. DIE BRONX-KATZEN sind nicht nur für Tierfreunde eine Empfehlung.
Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ungeprüft
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