USA 1977
Regie:
Peter S. Traynor
Darsteller:
Sondra Locke,
Colleen Camp,
Seymour Cassel,
Beth Brickell,
Michael Kalmansohn,
Ruth Warshawsky
(Mehr sind es
tatsächlich nicht.)
Inhalt:
George Manning [Seymour Cassel], Geschäftsmann, glücklich verheiratet, bleibt an seinem 40. Geburtstag allein zu Haus, da seine Frau sich um einen familiären Notfall kümmern muss. Er erwartet ein ruhiges Wochenende. Abends zieht ein Gewitter auf, was ja an sich noch nichts Schlimmes ist. Urplötzlich stehen dann jedoch zwei junge, vom Regen durchnässte Frauen vor seiner Tür, die sich als Jackson [Sondra Locke] und Donna [Colleen Camp] vorstellen und erklären, dass sie eigentlich auf eine Party wollten, aber mit dem Auto liegengeblieben seien. George lädt sie zum Trocknen ins Haus ein und gestattet ihnen, einen Freund anzurufen, der sie abholt. Die drei unterhalten sich angenehm vor dem Kamin, der Abend wird immer länger und der Alkohol tut seine Wirkung. Schließlich kommt es zum Äußersten. Am folgenden Morgen kommt das böse Erwachen gleich in doppelter Hinsicht: Nicht nur, dass beide Frauen jegliche Anziehungskraft verloren haben und sich plötzlich benehmen wie die Schweine, es stellt sich zudem auch noch heraus, dass die Geschichte von der Party und dem angerufenen Freund eine Lüge war. Nun beginnt für den Ehebrecher das schlimmste Wochenende seines Lebens. Denn Jackson und Donna lassen ihren sadistischen Neigungen freien Lauf und haben offenbar nicht vor, das Haus jemals wieder zu verlassen.
Kritik:
Home Invasion nennt sich eine Unterkategorie des Terror-Kinos, die vor allem deswegen so effektiv ist, weil sie wie kaum eine andere mit menschlichen Urängsten spielt: Die Vorstellung, dass das Böse bis in die eigenen vier Wände vordringt, dass sich die eigene Sicherheit nicht nur als Illusion, sondern der vermeintliche Safe-Space im Gegenteil sogar als scheinbar unüberwindbare Falle entpuppt, rüttelt gewiss bei nicht gerade wenigen Bürgern anständig an den Nerven. Vor allem das kostengünstig produzierte Sensations-Kino machte sich diesem Umstand zunutze und ließ auf der Leinwand immer wieder gewaltbereite Mörder, Psychopathen und Sadisten für ihre perfide Spielchen in anderer Leute Eigenheime eindringen. Dass die Unholde dabei auffallend oft männlich und die Opfer weiblich waren, lässt sich natürlich leicht als garstiger Kommentar zum Kampf der Geschlechter umdeuten. Diese Prämisse drehte Regisseur Peter S. Traynor in seinem Zweite-bis-Dritte-Reihe-Reißer DEATH GAME einfach mal frech auf links, wenn stattdessen zwei weibliche, mit dem Wahnsinn Sympathisierende anfangen, einem mehr oder minder unbescholtenen männlichen Mitbürger das Leben zur Hölle zu machen – ein im Prinzip simpler Taschenspieler-Trick, im Ergebnis jedoch erstaunlich effektiv.
Dass sich das Publikum trotz des fraglos nicht tadellosen Verhaltens der männlichen Hauptfigur schnell auf Seite George Mannings schlägt, liegt vor allem daran, dass es dem Regisseur gelingt, dessen Situation vollkommen glaubhaft rüberzubringen: Die beiden jungen Frauen, die wie aus dem Nichts in Georges Leben hereinbrechen, erwecken zunächst den Beschützerinstinkt und bedienen im weiteren Verlaufe in ihrer scheinbaren naiven Arglosigkeit dann unterschwellige fleischliche Fantasien, ohne dabei in plumpe Porno-Provokationen zu verfallen. Tatsächlich besitzt das alkoholumnebelte Palaver vor dem Kamin eine kindlich-unschuldige Gemütlichkeit, sodass nachvollziehbar ist, wie eines schließlich ganz klassisch zum anderen führt. Kaum minder faszinierend, wie DEATH GAME es gelingt, die Stimmung am darauffolgenden Morgen ins komplette Gegenteil kippen zu lassen: Der erotische Reiz des Vorabends ist völlig verflogen, die Besucherinnen erscheinen nicht mehr die Bohne attraktiv, geschweige denn begehrenswert, sondern sogar regelrecht abstoßend – eine treffsichere Versinnbildlichung von Scham und schlechtem Gewissen. Die zuvor so verlockend erschienenen kindlich-naiven Verhaltensweisen werden für George nun nach und nach zum Alptraum, wenn die unfreiwilligen Gäste ihrem Spieltrieb freien Lauf lassen, wobei auch das Mobiliar in Mitleidenschaft gezogen wird. Regelrecht greifbar scheint dabei die aufsteigende Panik des Ehebrechers, wenn ihm Stück für Stück gewahr wird, dass er die beiden Damen vermutlich nicht mehr loswird.
Das funktioniert auch wegen des guten Schauspiels der Protagonistinnen, denen es allein durch die Veränderung leichter Nuancen gelingt, ihre Erscheinung von attraktiv auf abstoßend und schließlich sogar bedrohlich zu ändern. Verkörpert werden die Hausbesetzerinnen von Sondra Locke (die wohl ewig nur darauf reduziert sein wird, mal mit Clint Eastwood verheiratet gewesen zu sein) [→ DIRTY HARRY KOMMT ZURÜCK] und Colleen Camp [→ BRUCE LEE – MEIN LETZTER KAMPF], die alterstechnisch interessanterweise fast ein Jahrzehnt auseinanderliegen, ohne dass man es wirklich merkt (Camp war beim Dreh 21 Jahre alt, Locke sogar schon 30). Geschickt schaukelt das Skript den Konflikt im weiteren Verlaufe immer weiter hoch, die offensichtliche Geisteskrankheit der Frauen tritt deutlicher zutage und spätestens, wenn ein zufällig vorbeikommender Lieferjunge unfreiwillige Bekanntschaft mit einem Aquarium machen muss (eine in ihrer nüchternen Kaltblütigkeit wirklich enorm schockierende Szene), ist klar, dass es für George nun gar nicht mehr um die Rettung von Ehe oder Ehre geht, sondern nur noch darum, mit heiler Haut davonzukommen.
Dass der Produktion nur ein schmales Budget zur Verfügung stand, gereichte ihr durchaus zum Vorteil. So spielt sich die Handlung fast ausschließlich im Hause George Mannings ab, was DEATH GAME zu einem intensiven Kammerspiel werden lässt. Und obwohl es (bis auf besagte Aquariums-Szene) gar keine körperlichen Gewaltakte zu sehen gibt, hat man nach gut 90 Minuten Spielzeit das Gefühl, soeben Zeuge einer brutalen Tour de Force gewesen zu sein. Wenn die Frauen unter irrem Gelächter hemmungslos Klaviertasten malträtieren, wild mit Schminke bemalt wie Schreckgespenster durch die Wohnung fegen und sich generell völlig irrational und unberechenbar verhalten, dann erscheint das wie ein surrealer Alptraum, aus dem es kein Entkommen gibt. Gipfel des Grauens ist dann eine „Gerichtsverhandlung“, in welcher George stellvertretend für die Geißel des Patriarchats zur Ader gelassen wird.
Ob die Aktionen tatsächlich eine Art Rache für erfolgten sexuellen Missbrauch sein sollen oder die geistige Unzurechnungsfähigkeit der Protagonistinnen gar Resultat von eben solchem sind, wie mehrmals angedeutet wird, darüber schweigt sich DEATH GAME final aus. Eine gute Entscheidung, denn das bis zuletzt völlig rätselhaft und erklärungslos bleibende Verhalten der Eindringlinge unterstreicht abermals den irrationalen Alptraum-Charakter der Ereignisse. Dazu passend auch das nur im ersten Moment zu diesen im Kontrast zu stehen scheinende Kinderlied „Good Old Dad“, das im Vorspann erklingt und hinter dessen harmloser Fröhlichkeit sich ebenfalls gruselige Abgründe erahnen lassen. Vermutlich sind eben diese bewusst offen gelassenen, oftmals auch fehlenden Zusammenhänge der Grund dafür, dass DEATH GAME seinerzeit in der Rezeption so stark polarisierend aufgenommen wurde. Von „Schund“ bis „feministisches Manifest“ war so ziemlich jede Einschätzung dabei. Die Wahrheit dürfte – ja, das ist eine Phrase! – irgendwo dazwischen liegen. Denn dass dem kostengünstig zum Leben erweckten Terrorfilmchen durchaus Ambitionen zu Grunde lagen, lässt sich kaum leugnen.
Speziell Sondra Locke berichtete später allerdings von chaotischen Dreharbeiten und tadelte die mangelhafte Leistung Peter S. Traynors in Sachen Schauspielführung. Diesem Urteil schloss sich George-Darsteller Seymour Cassel [→ COOGANS GROSSER BLUFF] liebend gern an, der Berichten zufolge mit dem Regisseur in einen lautstarken Disput geriet und mehrmals damit drohte, das Set zu verlassen. Zudem verweigerte er seine Mitwirkung an jeder Form von Nachdreh und -bearbeitung, sodass er sogar von einem anderen Schauspieler nachsynchronisiert werden musste. Dem Resultat merkt man das allerdings nicht an: DEATH GAME wirkt durchaus stimmig und entlässt sein staunendes Publikum schließlich mit einer Szene, die so unerwartet kommt, dass kaum eine Besprechung sie unerwähnt lässt. Und ja, das Ende ist überraschend. Allerdings auch nur, weil es im Grunde völlig bescheuert ist. Im Prinzip könnte man jeden Film auf diese Weise enden lassen, Geringschätzung des eigenen Publikums vorausgesetzt. Daher sollte man sich tatsächlich eher auf den Rest fokussieren. Auch dann hat man es freilich nicht mit einem vergessenen Meisterwerk zu tun. Aber dafür mit einem oftmals etwas verschrobenen, stets interessanten und – was das Wichtigste ist! – im Gedächtnis bleibenden Mini-Thriller, der das Glück hatte, unter widrigen Bedingungen entstanden zu sein, um so wundersam speziell zu werden, wie er jetzt ist.
Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ungeprüft
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