China 2009
Regie:
Teddy Chan
Darsteller:
Donnie Yen,
Leon Lai,
Tony Leung Ka-Fai,
Nicholas Tse,
Eric Tsang,
Simon Yam,
Fan Bingbing,
Jacky Cheung
Inhalt:
„Demokratie ist die Regierung des Volkes durch
das Volk für das Volk.“
So zitiert Professor Yang Quyun [Jacky Cheung], Gegner der Qing-Dynastie und Anführer der Revive China Society, die berühmten Worte Abraham Lincolns. „Werden wir dieses Ideal auch in China verwirklichen?“, fragt eine Zuhörerin. „Ich bin mir ganz sicher: Dieser Tag wird kommen“, antwortet Yang. Dann spaltet ihm eine Kugel den Schädel.
Im Jahre 1905 steht das Kaiserreich China kurz vor dem Zusammenbruch. Die Intellektuellen wenden sich westlichen Ideen zu und kokettieren mit einem demokratischen Staat. Dr. Sun Yat-Sen [Zhang Han-Yu] ist einer der bedeutendsten Anführer der Widerstandsbewegung gegen die unterjochende Qing-Dynastie. Als er ankündigt, aus dem Exil zurück ins Land zu reisen, befiehlt Kaiserin Cixi [Lau Kwong-Ning] seinen Tod. Der Attentäter Yan Xiao-Guo [Hu Jun] soll das Urteil vollstrecken. Der Revolutionär Prof. Chen Xiaobai [Tony Leung] will Sun Yat-Sen zusammen mit General Fang Tian [Simon Yam] beschützen. Doch ihre Einheit wird verraten und vernichtend geschlagen. Polizeichef Shi [Eric Tsang] beugt sich dem britischen Druck und hält sich heraus. Doch Prof. Chen denkt nicht ans Aufgeben und formiert innerhalb von fünf Tagen eine neue Widerstandsgruppe. Der Geschäftsmann Li Yue-Tang [Wang Xue-Qi], welcher bisher lediglich als Geldgeber fungierte, kristallisiert sich dabei bald als wichtigste Persönlichkeit heraus. Dazu stoßen alsbald einfache Bürger wie der gutmütige Riese Wang Fuming [Mengke Bateer], der Rickschafahrer Deng Si-di [Nicholas Tse], der Bettler Liu Yubai [Leon Lai], General Fangs Tochter Hong [Chris Lee], der spielsüchtige Polizist Shen Chong-Yang [Donnie Yen] sowie Yue-Tangs Sohn Chung-Quang [Wang Bo-Chieh].
Kritik:
Mit Beginn des neuen
Jahrtausends entdeckte das chinesische Kino langsam, aber sicher
seine Vorliebe für die Historie und produzierte in Folge immer
häufiger aufwändige Schlachtpanoramen und Biographien bedeutender
Persönlichkeiten aus Chinas Vergangenheit, häufig und gern vor dem
Hintergrund einschneidender politischer Umwälzungen. Der Hauptgrund
dafür war jedoch weniger der Drang, das Publikum mit
kostspieligem Geschichtsunterricht zu verwöhnen, sondern vielmehr die Tatsache, dass sich historische Stoffe hervorragend dazu eignen, beim Konsumenten unterschwellig
patriotische Gefühle zu erwecken – ein Umstand, den die
Propagandaabteilung des Landes natürlich sehr begrüßte. Der
Hinweis, dass die tatsächlichen geschichtlichen Ereignisse zu diesem
Zwecke stark romantisiert und simplifiziert wurden, sollte dabei in
seiner Selbstverständlichkeit kaum mehr als eine Fußnote wert sein.
Ganz und gar regierungskonform geriet somit auch BODYGUARDS
AND ASSASSINS, ein von Regisseur Teddy Chan [→ PURPLE STORM]
mit viel Eifer in Szene gesetztes Martial-Arts-Epos, angesiedelt vor
der brodelnden Kulisse der letzten Tage der Qing-Dynastie. Um die
reale Figur des Revolutionsführers Dr. Sun Yat-Sen ersponnen die
Drehbuchautoren Junli Guo, Tin Nam Chun und Joyce Chan die fiktive
Geschichte einer Gruppe von Widerstandskämpfern, welche sich gegen
die Terrorherrschaft der Kaiserin auflehnt und mit allen Mitteln
versucht, das Attentat am zukünftigen ersten Präsidenten der
Republik China zu verhindern. Wer nun allerdings ein
Dauerfeuer an Handkantenschlägen und Knochenbrechereien erwartet,
dürfte recht bald ernüchtert aus der Wäsche blicken. Das mehr als
zweistündige Werk nimmt sich nämlich jede Menge Zeit, um zunächst
seine Protagonisten vorzustellen – und das sind nicht gerade
wenige. So werden einem innerhalb der ersten Stunde gut und gern 20
Personenbeschreibungen vor den arglosen Latz geknallt. Trotz dieser
enormen Figurenfülle gelingt es BODYGUARDS AND ASSASSINS
jedoch, durch die geschickte Verknüpfung der einzelnen Schicksale
und die eher simple, wenn auch effektive Charakterzeichnung, jede
einzelne Person dermaßen prägnant zu schildern, dass eine
Identifikation nahezu reibungslos funktioniert.
Dass die
Figuren dabei allesamt Stereotypen sind, ist freilich kaum von der
Hand zu weisen. Ob es nun der Bettler ist, welcher durch den
Selbstmord seiner Geliebten in den Opiumrausch getrieben wurde, der
spielsüchtige Polizist oder die rachsüchtige Tochter des ermordeten
Generals – die Motive und Hintergründe der Handelnden sind denkbar
simpel gestrickt und alles andere als innovativ. Zur Wahrung der
Übersicht allerdings ist dieser Umstand doch sehr nützlich und die
emotionale Bindung des Zuschauers an die Protagonisten wird auf diese Weise ebenfalls denkbar erleichtert. Das Erwecken von Emotionen ist
dann auch eines der Hauptanliegen BODYGUARDS AND ASSASSINS', weswegen es die Protagonisten in manch tränentreibende
Situation verstrickt. So erfährt der
von Donnie Yen verkörperte Shen Chong-Yang, dass die Tochter seiner
ehemaligen Frau in Wahrheit sein eigenes Kind und nicht das ihres
neuen Geliebten ist. „Wie konnte ich ihr erklären, was für ein
Mensch ihr leiblicher Vater ist?“, wird er in Anspielung auf
seine Spielsucht gefragt. Es folgt ein hochergreifender Moment, in
welchem Shen seiner Tochter des erste Mal in die Augen blickt. Auch
der grandiosen Schauspielleistung Donnie Yens ist es zu verdanken,
dass diese Szene selbst dem Abgefeimtesten ans Herz geht.
Ohnehin sind die darstellerischen Darbietungen BODYGUARDS AND ASSASSINS'
durch die Bank exzellent. Neben dem erwähnten Donnie Yen, dessen
Karriere nach jahrelangem Gedümpel in Billigproduktionen schließlich
eine wahre Blütezeit erlebte, überzeugt vor allem Wang Xue-Qi in
der Rolle des reichen Geschäftsmanns Li Yu-Tang, welcher mit der
Revolution zunächst wenig zu tun haben will und seinen Beitrag in
Geldleistungen erschöpft sieht, um dann, nach turbulenten
Ereignissen sein Verlagshaus betreffend, zu einer der wichtigsten
Führungspersonen des Widerstandes aufzusteigen. Der eher unbekannte
Mime spielt seinen Wandel dabei ebenso glaubhaft wie eindrucksvoll.
Doch auch der Rest der Besetzung, bestehend aus dem Genre-Freund
durchaus wohlbekannten Namen wie Eric Tsang, Leon Lai, Nicolas Tse
oder Tony Leung, bekommt eine Chance, und nahezu jeder Darsteller
erhält eine große Szene, in welcher er sich beweisen darf.
Auf
gegnerischer Seite sieht man Hu Jun als kaiserlichen Attentäter Yan
Xiaoguo, der zwar eine Armee befehligt, letztendlich jedoch quasi im
Alleingang gegen den Widerstand zu Felde zieht. Das ist natürlich
hochgeradig hanebüchen und letztendlich auch eher sinnbildlich zu
verstehen: Yan Xiaoguo steht symbolisch für das 'böse China', für
die verkrustete Kaisermentalität, die sich gegen jede Art von
Fortschritt eisern zur Wehr setzt. Als typische Schurkenrolle
angelegt, erfüllt Hu Juns Figur auch so ziemlich jedes zu erwartende
Klischee, freilich nicht ohne ebenfalls einen großen Moment für
sich zu verbuchen: So entführt er seinen ehemaligen Lehrer Chen
Xiaobai [Tony Leung] und sperrt ihn ins Verlies, da auch dieser mit
der Revolution sympathisiert. Doch hat Xiaoguo noch immer Respekt vor
dem Mann, der ihn einst unterrichtete („Wer einmal mein Lehrer
war, ist ein Leben lang mein Mentor.“). Darauf folgt ein
großartiger verbaler Schlagabtausch zwischen beiden Parteien, von
Unverständnis der gegenteiligen Meinung ebenso geprägt wie von
verbleibender gegenseitiger Achtung.
Mit packenden Szenen wie
dieser bietet BODYGUARDS AND ASSASSINS trotz der anfänglichen
Action-Armut bereits mitreißende Unterhaltung. Die finale Stunde
schließlich gehört dann fast ausschließlich dem Kampf und
entschädigt auch den vergrätztesten Nörgler für die bis dahin
vorherrschende Dialoglast. Meisterlich gelingt es Teddy Chan, eine
zum Schneiden dichte Atmosphäre zu kreieren, als die zu beschützende
Zielperson Sun Yat-Sen in einer Sänfte durch das belebte Hongkong
getragen wird und das geschäftige Treiben in den Straßen plötzlich
zur unheilvollen Kulisse mutiert, zu einem bedrohlichen Konglomerat
aus fiebrigem Ambiente, unterschwelliger Gefahr und bösen
Vorahnungen (so werden die zum Tragen schwerer Lasten benötigten Packhaken effektiv ins Bild gerückt), bei welchem der Duft des
Massakers bereits in der Luft zu liegen scheint. Auf diese Weise bis
zum Höhepunkt gepeitscht, entlädt sich die angestaute Spannung
schließlich in einem gewaltigen Gemetzel, welches, wie vom
Hongkong-Kino kaum anders gewohnt, abermals ein Musterbeispiel an
Choreographie und Schlagkraft darstellt und in seiner Konsequenz kaum
Wünsche offenlässt.
Dabei zelebriert BODYGUARDS AND
ASSASSINS freilich ausgiebig Märtyrertum, Heldenmut und
Opferbereitschaft und geriet damit in seiner Botschaft nicht
unbedingt leicht verdaulich: Das zu erreichende Ziel steht über dem
Wohl des Einzelnen und dessen Tod ist eine zwar tragische, doch im
Zweifel notwendige Unabänderlichkeit. Die Opfer werden geehrt (hier
sogar jeweils in einer Extraeinstellung mit Einblendung von Name,
Geburts- und Todesdatum) und ihr Sterben, so die Behauptung, war
nicht sinnlos. Derlei Propaganda könnte man BODYGUARDS
AND ASSASSINS gewiss leicht zum Vorwurf machen, zumal die
angestrebte Botschaft angesichts der tatsächlichen chinesischen
Verhältnisse geradezu lachhaft wirkt: Das ständige Gerede von
Freiheit und Demokratie, die behauptete Volksherrschaft, angebliche
Weltoffenheit und USA-Sympathie, das alles steht im völligen
Widerspruch zur wirklichen Situation des Landes, in welcher ein
totalitäres System über die Belange seiner Bürger bestimmt und
jeden Anflug von Freiheitsgeist bereits im Keim zu ersticken
versucht.
Doch schiebt man den politischen Hintergrund
beiseite, erlebt man ein mitreißendes, packendes Stück Kino,
großartig ausgestattet und voll von symbolträchtigen Allegorien.
Dabei ist es vor allem die Zeit, die als gegnerische Kraft immer
wieder ins Bild gerückt wird. Ständig blicken die Protagonisten auf
ihre Uhr und das Schlagen des Pendels erscheint manchmal als das
lauteste Geräusch auf der Welt.
BODYGUARDS AND ASSASSINS
ist verdammt starker Stoff, der das Hongkong des beginnenden 20.
Jahrhunderts mit beachtlichem Aufwand an Kostüm und Kulisse wieder
zum Leben erweckt und inhaltlich bisweilen an den japanischen Klassiker DIE SIEBEN SAMURAI (und damit auch an dessen
amerikanische Neuauflage DIE GLORREICHEN SIEBEN) erinnert, ein
historisch inakkurates, doch mit einem Übermaß an Spannung,
Stimmung und Atmosphäre aufgeheiztes Mammutwerk, großartig besetzt,
stark gespielt und meisterhaft inszeniert. Von Leibwächtern und
Attentätern empfohlen!
Laufzeit: 133 Min. / Freigabe: ab 16
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