Italien 1966
Regie:
Luigi Vanzi
Darsteller:
Tony Anthony,
Frank Wolff,
Gia Sandri,
Raf Baldassarre,
Jolanda Modio,
Aldo Berti,
Enrico Cappellini,
Arturo Corso
„Was für ein Mann bin ich?“
Inhalt:
Ein Fremder [Tony Anthony] reitet in das karge Städtchen Cerro Gordo. Dort wird er Zeuge, wie die Schurkenbande unter der Führung des gefürchteten Gesetzlosen Aguilar [Frank Wolff] ein ganzes Bataillon mexikanischer Soldaten auslöscht. Der Grund: Aguilar und seine Männer wollen sich selbst als die Armeebediensteten ausgeben. Abgesandte der amerikanischen Kavallerie sind nämlich auf dem Weg, um dem mexikanischen Militär zwei Säcke voller Gold auszuhändigen. Der Fremde errät den Plan und klinkt sich in das Unternehmen ein. Doch als er seinen Anteil verlangt, ist es mit der Gastfreundschaft Aguilars zu Ende: Lediglich eine Dollarmünze überlässt er ihm als Belohnung, bevor er ihn brutal zusammenschlagen lässt. Doch der Fremde kann entkommen und hat jetzt nur noch ein einziges Ziel: das gesamte Gold ...
Kritik:
Das kleine Wörtchen 'Dollar' im Titel ist kein Zufall: EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN
erinnert von Thema, Atmosphäre und Schauplatz her doch auffallend an
den damals erst zwei Jahre zurückliegenden Sensationserfolg FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR,
welcher Kinogeschichte schrieb und das Bild des Italo-Westerns
entscheidend mitprägte. Hier wie dort reitet ein namenloser Fremder in
ein kleines Western-Kaff, spricht kaum ein Wort, legt sich mit einer
Schurkenbande an und erweist sich im Schusswechsel als unbezwingbar, um
am Ende schließlich als Sieger wieder aus der Stadt zu reiten. Nur heißt
der fremde Pistolero hier nicht etwa Clint Eastwood, sondern Tony
Anthony. Dieser besitzt zwar einen ähnlichen Poncho wie sein großes
Vorbild, aber bei weitem nicht dessen Coolness. Dabei gibt sich
Anthony durchaus Mühe, es dem Original bestmöglich nachzueifern: Nicht
nur sein Kleidungsstil, auch die verkniffene Miene und die Einsilbigkeit
gehören zu den eindeutig kopierten Mechanismen des 'Fremden'. Die
deutsche Fassung setzte dem Imitat dann noch die Krone auf, indem sie
ihm gar dieselbe Synchronstimme verpasste. Doch im Vergleich zu Eastwood
wirkt Anthony doch immer etwas zu schwachbrüstig, um ihm seine
Überlegenheit so ohne weiteres abzukaufen. Wenn er die bösen Buben
niederschlägt, dann befürchtet man im ersten Augenblick eher, er habe
sich dabei die Hand gebrochen, als dass man tatsächlich erwarten würde,
dass die Getroffenen betäubt zu Boden sinken.
Auch inhaltlich wandelt A STRANGER IN TOWN
(englischer Titel) auf wohlbekannten Pfaden. Bereits nach wenigen
Minuten sind die Seiten klar abgesteckt: Auf der einen die Bösen in
Gestalt der verkleideten Schurkenbande Aguilars, auf der anderen der
Gute (oder besser gesagt: der etwas weniger Böse, immerhin ist dies ein
Italo-Western) in der Gestalt Tony Anthonys, der seinen Gegnern
zumindest intellektuell haushoch überlegen ist und dessen Kugeln
vermutlich ferngesteuert durch die Gegend fliegen, treffen sie ihr Ziel
doch immer haargenau. Was sich daraus ergibt, ist ein gewalthaltiges
Katz-und-Maus-Spiel, bei welchem mal die eine, mal die andere Partei die
Oberhand gewinnt. EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN
folgt somit überwiegend der narrativen Schablone des großen Vorbilds:
Der Fremde gibt sich zunächst als Verbündeter der Banditen aus und hilft
ihnen sogar dabei, ihren Coup durchzuziehen. Erst, als er im Anschluss
von ihnen erwartungsgemäß aufs Kreuz gelegt und um seinen Anteil
betrogen wird, beginnt er einen verlustreichen Feldzug. Aufgrund seiner
Schießkunst und Schläue hat er dabei quasi auf Anhieb die besseren
Karten als die primitive Gaunerbande, die zur Erlangung ihrer Ziele
lediglich auf rohe Gewalt zu setzen vermag. Doch auch trotz seiner
Überlegenheit muss der Fremde herbe Rückschläge einstecken, wird
gefoltert und scheint fast besiegt, bevor er im Finale dennoch
triumphieren kann.
Das ist natürlich alles nicht atemberaubend
originell und letztendlich nur die zu Grunde liegende Blaupause jeder
Heldenstory, die hier eigentlich kaum großartig variiert wurde. Dass EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN
dennoch ein gelungenes Unterhaltungsprogramm bietet, liegt, neben der
versierten Regie Luigi Vanzis, vor allem an den liebgewonnen
Ingredienzien des klassischen Italo-Westerns, welche hier, aufgrund des
recht frühen Produktionsjahrs, noch erfreulich frisch und unabgenutzt
wirken: das ungastliche Städtchen, durch das unaufhörlich der Wind
pfeift, die kargen Landschaften, die eine trostlose Einsamkeit
vermitteln, die unersättliche Gier nach Gold, die nur das Schlechteste
im Menschen hervorruft, und nicht zuletzt die ruppige Gewaltdarstellung,
die rein gar nichts mehr mit dem klinischen Glanz früherer
amerikanischer Western gemein hat.
Im Gegensatz zu FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR
fehlt es dabei allerdings etwas an inhaltlicher Dichte. Das hat
sicherlich auch damit zu tun, dass sich Clint Eastwood seinerzeit mit
gleich zwei Gangsterbanden herumschlug, während es Tony Anthony hier nur
mit einer einzigen zu tun bekommt. Da sich diese auch nicht gerade
durch übermäßige Pfiffigkeit auszeichnet, verkommt EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN
im Mittelteil zeitweise zu einem simplen Versteckspiel, in welchem der
Fremde lediglich durch Höhlen und Häuser kriecht, während seine Häscher
erst dann wieder zur Jagd blasen, wenn ein weiteres Mitglied ihrer
Truppe in den Staub gebissen hat. Chronologisch will dabei
manches nicht so recht zusammenpassen: Da plant Aguilar die Dorfschönheit zwangszubegatten, was der Fremde lobenswerterweise verhindern
möchte. So schleicht er durch das Gebäude, hinterlässt dabei eine Spur
aus Schießpulver, wird beinahe entdeckt, versteckt sich, schlägt seinen Beinahe-Entdecker nieder, geht wieder in Deckung und entzündet schließlich die
hinterlegte Spur, um das Dynamitlager in die Luft zu jagen. Und obwohl
man während all dieser Zeit locker ein ganzes Frauenhaus hätte
vernaschen können, hat sich Aguilar in der Zwischenzeit noch nicht einmal die Schuhe ausgezogen.
Auch
an anderen Stellen gibt es durchaus mal kleinere Schönheitsfehler: Dass
die Soldaten zu Beginn z. B. alle brav stehenbleiben, um sich über den
Haufen schießen zu lassen, erscheint ein wenig merkwürdig. Auch an
Blutpäckchen hat man offenbar gespart, immerhin hinterlässt das erwähnte
Massaker nicht einen einzigen sichtbaren Kratzer auf dem schnieken
Unterhemd. Zudem hat der Fremde die meiste Zeit mehr Glück als Verstand,
da seine Gegner selbst aus nächster Nähe vielleicht gerade mal den
Türrahmen treffen, in welchem er sich befindet. Sinnlos zu erwähnen,
dass seine Kontrahenten meist schon am Boden liegen, bevor er überhaupt
den Abzug betätigt hat. Doch solch liebenswerte Unzulänglichkeiten gehören auch einfach zu einem zünftigen B-Kracher, zumal EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN
im Gegenzug mit so manch großartigem Moment aufwarten kann: So kann man
sich eines Schmunzelns kaum erwehren, wenn der Fremde zunächst seine
Schritte auf der Veranda abzählt, um dann später hinter der Ecke kauernd
die Schritte seines Widersachers zu zählen und genau zu wissen, wann er
feuern muss. Auch, wenn er sich im Anschluss unter den Bodendielen
versteckt und seine Gegner zunächst mit Geräuschen und Bewegungen
verunsichert, bevor er sie in seine Flinte laufen lässt, erntet das
einen gehörigen Lacherfolg.
Die Gewaltdarstellung
schockiert dabei aus zeitlicher Distanz freilich längst nicht mehr so
sehr wie noch im Erscheinungsjahr, doch vor allem die Zynismen des
Schurken Aguilar sind von unvergänglicher Boshaftigkeit: Nach dem
kaltblütigen Niedermähen einer ganzen Armee schreckt er auch nicht davor
zurück, einen Säugling mit dem Messer zu bedrohen, um aus dessen Mutter
eine benötigte Information herauszukitzeln, lässt sich vor jeder
Missetat jedoch immer wieder von seinem Handlanger Marinero (gespielt
von Aldo Berti [→ ESCONDIDO])
bestätigen, dass er ein gerechter Mann sei. Das ist schon starker Tobak und
macht Aguilar zu einem enorm verachtenswerten Vertreter seiner Zunft. Der viel zu früh verstorbene Frank Wolff [→ GOTT VERGIBT – DJANGO NIE!],
welcher diesem sein markantes Gesicht leiht, ist als Darsteller
hassenswerter Bösewicht ohnehin eine Bank. Seine schauspielerischen
Qualitäten kann er hier allerdings kaum unter Beweis stellen, seine
Rolle ist dafür schlichtweg zu eindimensional geraten. Im Gegenzug
jedoch darf er hier nach Herzenslust böse sein, um immer dann, wenn er
sich nicht mehr hinter seinem Maschinengewehr verstecken kann, zum
erbärmlichen Jammerlappen zu mutieren.
Ungewöhnlich ist, dass
sich hier auch eine Frau zu den Schurken zählen und als solchen
ebenfalls gehörig austeilen darf: Gia Sandri [→ SCHNELLER ALS 1000 COLTS]
spielt Maruca, welche dem Fremden bei seiner Ankunft zunächst nur die
Blumenvase entgegenschleudert (nicht ganz zu Unrecht, immerhin
beobachtet er sie beim Einkleiden), ihm später jedoch mit inbrünstiger
Leidenschaft die Peitsche ins Gesicht knallt (obwohl sie in Wahrheit
natürlich total rattig auf ihn ist). Die zweite größere Frauenrolle ging
an die hübsche Jolanda Modio [→ VON ANGESICHT ZU ANGESICHT], die als hilfebedürftige Chica das klassische Opfer spielen und einige Male aufgescheucht aus der Wäsche gucken darf.
Und
Tony Anthony? Der hat mit der Figur des schweigsamen Westernhelden
offenbar die Rolle seines Lebens gefunden, so dass er nachfolgend
eigentlich kaum noch etwas anderes spielte und diesem Typus fast bis zum
Schluss treu blieb - was seinen Höhepunkt erreichte, als er in BLINDMAN
nicht nur schweigsam sein durfte, sondern auch noch blind. Obwohl sich
seine Darstellung, wie mehrfach erwähnt, mit den ganz Großen nicht
messen kann, verleiht er der klassischen Figur des unnahbaren
Revolvermannes doch etwas ganz Eigenes, eine eigenartig liebenswerte
Tapsigkeit, die ihn aus der Masse hervorhebt.
Komponist Benedetto Ghiglia [→ HÖLLENJAGD AUF HEISSE WARE]
spendierte dem Fremden dazu ein eingängiges Titelthema, welches
allerdings ein wenig zu häufig wiederholt wird und einem daher
irgendwann doch auf die Nerven fällt. Die restliche Musikuntermalung
geriet eher trist und lässt große Melodien, eigentlich eines der
Steckenpferde des Genres, schmerzlich vermissen.
Die ständigen Vergleiche mit FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR muss sich EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN
schlichtweg gefallen lassen – zeitlich zu nah sind sich beide Werke und
zu ähnlich sind Konzept und Umsetzung. Doch holt man Vanzis kompetent
umgesetzte Spaghetti-Sause aus dem Schatten Sergio Leones, dann kommt
dabei ungemein passable Unterhaltung zum Vorschein. Auch dem Publikum
schien das ausreichend gefallen zu haben, durfte der Fremde im Anschluss
doch noch zwei weitere Male in die Stadt reiten.
Kein Grund zum Zähneknirschen.
Laufzeit: 83 Min. / Freigabe: ab 16
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