Eigene Forschungen

Samstag, 2. März 2019

MIGHTY GORGA - DAS GRÖSSTE MONSTER AUF ERDEN


THE MIGHTY GORGA
USA 1969
 
Regie:
David L. Hewitt

Darsteller:
Anthony Eisley,
Megan Timothy,
Scott Brady,
Kent Taylor,
Gary Kent,
Greydon Clark,
Sheldon Lee,
Lee Parrish



Es soll Leute geben, die der Auffassung sind, die GODZILLA-Filme der 60er und 70er hätten schlechte Effekte. Gewiss wurde dort hin und wieder mal etwas geschludert, aber in der Summe zeichnete sich die Reihe durch hohen Aufwand und handwerkliches Können aus. Wer einmal erleben möchte, wie mieserable Trickarbeit wirklich aussieht, dem sei MIGHTY GORGA gereicht, eine filmische Unfassbarkeit, die Ende der 60er Jahre unter der Leitung David L. Hewitts entstand. Was hier ohne Rücksicht auf Verluste auf Zelluloid gestümpert wurde, passt auf keinen Affenpelz und ist ein Paradebeispiel technischen Unvermögens.

Inhalt:

Mark Remington [Anthony Eisley] hat in letzter Zeit wenig zu lachen. Sein Zirkus steht kurz vor der Pleite. Scheinbar gibt es nur noch eine Hoffnung: Ein Geschäftspartner berichtete vor vielen Jahren von einem gigantischen Gorilla, der in den Wäldern Afrikas lebt. Wenn es Mark gelänge, dieses sagenhafte Wesen einzufangen, wären all seine Probleme gelöst. Also macht er sich auf den Weg nach Afrika und macht dort die Bekanntschaft der (natürlich) attraktiven April Adams, deren Vater auf der Suche nach dem Riesenaffen verschollen ist. Gemeinsam beschließen sie, sich durch den Dschungel zu schlagen, um Vater samt Affe zu finden. Was sie noch nicht wissen: Das Ungetüm wird von einem der dort ansässigen Stämme als Gottheit verehrt. Als es die Runde macht, dass Eindringlinge auf dem Weg sind, lassen sie die Bestie von der Leine.

Kritik:

Bereits die Inhaltsangabe verdeutlicht, dass Originalität kein Ding MIGHTY GORGAs ist. Der Plot ist schamlos dem 30er-Jahre-Klassiker KING KONG entliehen und bemüht sich keinen Deut um Variation. Riesenmonsterfreunden könnte das freilich herzlich egal sein. Hauptsache, irgendein Ungetüm stampft durch Wald oder Flur, um möglichst viel kaputtzumachen. Allerdings werden in diesem Falle nicht nur Häuser, Menschen und Botanik zerstört, sondern in erster Linie die Sehnerven des Publikums. Das fängt schon bei dem erbärmlichen Affenkostüm an, das einer launigen Karnevalsparty gewiss genügen würde, als „weltgrößtes Monster“ (wie der deutsche Untertitel ja behauptet) jedoch keine Furcht, sondern hauptsächlich Mitleid erregt. Dabei wurde nicht einmal der Versuch unternommen, die offensichtliche Dürftigkeit der wandelnden Fellstola zu kaschieren. Wo ein geschickterer Regisseur zunächst versucht hätte, Spannung durch Nichtzeigen und Andeutungen aufzubauen, geht Hewitt sofort in die Vollen: Bereits nach sage und schreibe 15 Sekunden Spielzeit stolpert der mächtige Affenarsch aus dem Gesträuch, elegant wie Trinker-Uwe um halb 5 Uhr morgens aus der Dorfkneipe. Danach hat er zwar erst einmal ein wenig Pause, aber was Hewitt (der auch das Drehbuch verzapfte) dem Publikum in der Zwischenzeit auftischt, geht auch nicht unbedingt sparsam mit Absurditäten um.

Dass sich Hauptprotagonist Mark Remington auf Monsterjagd begibt, um seinen maroden Zirkus aufzumöbeln, geht inhaltlich durchaus klar. Die Begleitumstände jedoch sind eher seltsamer Natur, wird er doch von einem mafiabossähnlichen Finstermann unter Druck gesetzt, der aufgrund seines Einflusses und irgendwelcher krummen Geldgeschäfte kleinere Unternehmen dazu zwingt, an sich zu verkaufen. Man fragt sich schon, was er davon hat, und wie so ein paar spärliche Provinzzirkusse ihm überhaupt gefährlich werden könnten. Jedenfalls sind diese Drohungen für Remington Grund genug, sich in den nächsten Flieger nach Afrika zu setzen, was sich ebenfalls gehörig mit dem zuvor Vernommenen beißt, war er doch eben angeblich noch völlig pleite, und so ein Flug ist ja nun bekanntlich nicht gratis (da er auch später nicht damit aufhört, mit vierstelligen Geldbeträgen um sich zu werfen, muss man sich fragen, ob Hewett eigentlich sein eigenes Skript gelesen hat). In Afrika angekommen, ist dann erstmal Zeit für ein bisschen Rassismus, wenn Remington seine Kontaktperson, die Amerikanerin April Adams, trifft, welche sich den ganzen Tag auf ihrer Veranda lümmelt und die Schwarzen herumscheucht, als befände man sich nicht etwa 1969 in einem afrikanischen Dorf sondern 200 Jahre früher auf einer Baumwollplantage in Virginia. Allerdings glauben auch nur Allernaivsten, dass man sich hier tatsächlich in Afrika befindet; die kalifornischen Autokennzeichen sprechen zumindest deutlich dagegen. Und auch, was einem im Folgenden als afrikanischer Urwald verkauft werden soll, ist einfach nur ein stinknormaler Wald, wie man ihn in den USA an jeder zweiten Ecke findet.

Nun sind all diese Unzukömmlichkeiten aber gar nicht das eigentliche Problem MIGHTY GORGAs. Viel gravierender wiegt, dass offenbar niemand in der Lage war, die Geschichte filmisch sinnvoll zu erzählen. Als Beispiel sei das Gespräch dreier Personen auf der Veranda besagter Miss Adams genannt. Einer spricht, die Kamera klebt auf seinem Gesicht. Der nächste antwortet, die Kamera fängt wieder nur den sprechenden Kopf ein. Und bei jeder neuen Antwort ist es wieder das gleiche. Jeder starrt irgendwohin, nie scheinen sich Blicke zu treffen, sodass man als Betrachter bald gar nicht mehr weiß, wo man sich eigentlich gerade befindet. Ist dieses Beispiel noch relativ harmloser Natur, drehen die Synapsen dann endgültig durch, sobald die Effektaufnahmen beginnen. Einen Vorgeschmack bekommt man bereits bei der Aufnahme einer brennenden Hütte – ein offensichtliches Mini-Modell, das in einem merkwürdig falschen Verhältnis ins Bild kopiert wurde. Endgültig Feierabend ist allerdings, als das Suchteam während der Expedition von einem Saurier attackiert wird. Das „Monster“ würde selbst ein Fünfjähriger auf Anhieb als Plastikpuppe aus der Spielwarenabteilung identifizieren, und die Art und Weise, wie die zappelnde Attrappe mit dem Rest des Bildes kombiniert wurde, spottet jeder Beschreibung. Während die Charaktere mit ihren Gewehren nach rechts aus dem Bild feuern, hampelt die ungelenke Dino-Imitation irgendwo im Vordergrund herum, und absolut niemand, und sei er noch so bescheuert, würde jemals der Illusion erliegen, beide Objekte könnten tatsächlich eine Einheit darstellen.

Was folgt, ist ein unfassbarer Moment, in dem das Affenkostüm gegen die Plastikpuppe... nunja... „kämpft“ - was in der Praxis bedeutet, dass der Mann im Zottelfell (übrigens auch der Regisseur persönlich) seinen nahezu unbeweglichen Kunststoff-Kontrahenten einfach nur wild hin-und herschüttelt und dabei so tut, als könne dieser ihm tatsächlich irgendwie gefährlich werden. Als Zuschauer fällt man bei dieser Sequenz fast vom Glauben ab. Jedes Kasperletheater bietet bessere Spezial-Effekte. Ab diesem Zeitpunkt könnte nichts und niemand MIGHTY GORGA noch retten; jede Bereitschaft zur Akzeptanz dieser fremden (Film-)Welt wurde innerhalb dieser (eigentlich nur wenige Sekunden dauernden) Aufnahmen gnadenlos gekillt. Zu allem Überfluss offenbart sich gegen Ende auch noch ein weiteres Musterbeispiel erzählerischer Impotenz: Als sich die Helden in einer Höhle befinden, wo sie einen Schatz aus (reichlich modern aussehenden) Perlenketten finden, werden sie von einem weiteren Urvieh überrascht, animiert mittels etwas, das wohl mal Stop-Motion werden sollte (und vermutlich aus einem anderem Werk entliehen). Da hier perspektivisch abermals geschlampt wurde, weiß man gar nicht so recht, ob sich das Ungetüm nun eigentlich im Vorder- oder im Hintergrund befinden soll, was die Sinnesorgane bereits gehörig in Rotation bringt. Als es dann plötzlich heißt, dass nun ein Vulkan ausbreche (der freilich auch niemals zuvor erwähnt wurde), folgen komplett zusammenhanglose Aufnahmen von unterirdischen Lavamassen, Plastik-Skeletten, Feuer, Dinosaurier und rennenden Menschen. Dann ist der Spuk aus heiterem Himmel wieder vorbei, man befindet sich im Freien und der Vulkanausbruch hat sich scheinbar in Luft aufgelöst. Für ein normal funktionierendes Gehirn ist es schlichtweg unmöglich zu eruieren, was hier eigentlich gerade passiert sein soll. Das erinnert ein wenig an Ed Woods DIE RACHE DES WÜRGERS, in dessen Finale sich Bilder von einem lebenden Oktopus, einem künstlichen Oktopus, den sich Darsteller Bela Lugosi um den Hals wickelt, einem Blitz und einer Atombombenexplosion aneinanderreihen und man raten muss, was das alles zu bedeuten hatte – nur, dass man dort noch eher zu einer einigermaßen sinnvollen Entscheidung gelangen konnte als es bei MIGHTY GORGA der Fall ist.

MIGHTY GORGA ist ein Mysterium. Warum er überhaupt entstanden ist, ist bereits das erste große Rätsel. Um sich an ein bekannteres Projekt mit ähnlicher Thematik zu hängen, war man entweder zu früh dran (John Guillermins KING KONG-Neuverfilmung kam erst sechs Jahre später) oder zu spät (Ishirō Hondas DIE RÜCKKEHR DES KING KONG war bereits sieben Jahre her). Und nur, um das neu erworbene Affenkostüm doch noch für etwas anderes zu nutzen als den letzten Kindergeburtstag, ist der Rest dann doch wieder ein wenig zu aufwändig inszeniert. Auch die Darsteller sind eigentlich viel zu gut für solch eine Graupe, weswegen sie einem manchmal auch irgendwie aufrichtig leid tun. Zugestanden sei, dass der Abenteuerteil (obwohl hier eben eindeutig nicht durch den Dschungel, sondern durch amerikanische Waldlandschaften gestromert wird) trotz permanenter Ereignislosigkeit doch irgendwie Laune macht und man direkt Lust bekommt, sich mit längst verloren geglaubter kindlicher Begeisterung und Papas Brotmesser als Machetenersatz durch die Botanik zu pflügen, um ebenfalls Monster zu jagen. Klar, MIGHTY GORGA ist ne mächtige Gurke. Aber Gurken können ja auch viel Freude bereiten (das wird jede Nonne bestätigen). Im Grunde eignet sich Hewitts völlig missratener Mummenschanz hervorragend als Anschauungsobjekt an Filmhochschulen. Irgendwie ist es doch viel sinnvoller, alle Unzulänglichkeiten dieses amüsanten Affentheaters aufzudecken, als zum x-ten Male CITIZEN KANE durchzuanalysieren. Wer einen professionellen Film abliefern möchte, muss einfach alles haargenauso machen wie David L. Hewitt. Nur eben andersrum.

Laufzeit: 83 Min. / Freigabe: ab 12

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen